Einleitung
Die politische Debatte um Gleichstellungspolitik dreht sich derzeit allein um die Frage, ob eine verbindliche Festschreibung eines Frauenanteils in den Vorständen großer Unternehmen erfolgen sollte. Dabei wird betont, wie investiv oder innovationsfördernd eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern im Erwerbsleben sei. Das Gutachten zum Ersten Gleichstellungsbericht, das die Sachverständigenkommission im Januar diesen Jahres an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übergab und das ein umfassendes Bild der sozioökonomischen Situation der Frauen in Deutschland zeichnet, wird hingegen kaum öffentlich debattiert, selbst im zuständigen Bundesministerium ist wenig Interesse zu erkennen. Feministische Beobachterinnen und Beobachter kritisieren daher zurecht seit geraumer Zeit, dass Gleichstellungspolitik zunehmend auf gleiche Karrierechancen oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie reduziert würde, strukturelle Diskriminierungen und deren Ursachen aber aus dem Blick gerieten.
Tatsächlich ist die Gleichstellung der Geschlechter eine komplexe Idee, die mehrere normative Prinzipien umfasst, welche in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen können. Nancy Fraser folgend verstehen wir unter Gleichstellung hier die Gleichverteilung von Einkommen, Freizeit, Anerkennung und Macht. Für die Umsetzung dieser Prinzipien ist eine aktive und konsistente Gleichstellungspolitik notwendig.
Für diesen Beitrag beleuchten wir einige wenige wesentliche Dimensionen der Gleichstellung in Deutschland im europäischen Vergleich, reflektieren die bisherige Politik dazu und fragen nach Handlungsmöglichkeiten. Dazu gehören die Werte und Einstellungen in der Bevölkerung, die Beteiligung an der Politik als Grundvoraussetzung für politischen Einfluss, die Bereiche Arbeitsmarkt und soziale Sicherheit sowie Recht und Schutz vor Diskriminierung. Es zeigt sich, dass Deutschland im europäischen Vergleich nach wie vor eine Position im Mittelfeld einnimmt. Als Ergebnis skizzieren wir Geschlechtergerechtigkeit als Teil eines modernen Demokratiebegriffs und zeigen auf, dass ein notwendiger Schritt für mehr Konsistenz in der Politik eine offene Debatte konfligierender Interessen und Wertvorstellungen wäre.
Wahrnehmung des Problems
Die Gleichstellung der Geschlechter als deklariertes politisches Ziel ist in den vergangenen Jahren präsenter geworden. In Deutschland wird die Ungleichbehandlung der Geschlechter von etwa zwei Dritteln der Bevölkerung als "sehr" oder "ziemlich" verbreitet wahrgenommen, ähnlich wie in der EU 27 (vgl. Abbildung 1 in der PDF-Version). Dies scheint zumindest teilweise mit eigenen Erfahrungen von Diskriminierung zu erklären sein, denn Frauen empfinden dies in stärkerem Maße als Männer, und überall nimmt die jüngste Altersgruppe (15 bis 24 Jahre) am wenigsten Ungleichbehandlung wahr.
Gleichstellung in der Politik
Viele Gründe sprechen für das Ziel einer Parität der Geschlechter in der Politik. Vor allem zwei Argumente sind hier relevant:
Frauen haben in Deutschland seit 1919 das aktive und passive Wahlrecht, aber ihre Anteile in den Parlamenten verharrten bis in die 1980er Jahre unter der 10%-Marke. Das änderte sich erst mit der Neuen Frauenbewegung und Forderungen nach mehr politischer Macht von Frauen sowie mit dem Aufstieg der Partei Die Grünen. Als erste Partei führten sie eine 50%-Quote für Parteiämter und Wahllisten ein.
Im EU-Vergleich zeigt sich, dass Deutschland bei den Frauenanteilen im Bundestag im oberen Mittelfeld liegt (vgl. Abbildung 2 in der PDF-Version). Auch beim Anteil der Bundesministerinnen von 38% (Platz 6 von 27, EU-Durchschnitt: 26%) und in den Landesparlamenten von 32% (Platz 8 von 19, EU-Durchschnitt: 31%) ist Deutschland in der Mitte positioniert.
Nominierte Gremien weisen nach wie vor viel geringere Frauenanteile auf. Im Bundestag sitzen zurzeit ein Drittel weibliche Abgeordnete. Im Bundesrat, dessen Mitglieder von der jeweiligen Landesregierung nominiert werden, liegt der Frauenanteil nur noch bei 26%.
Es bleibt daher festzuhalten: Eine Bundeskanzlerin und ein Drittel Frauenanteil in gewählten Gremien bedeuten keine Parität und keine Gleichverteilung politischer Macht. Dies sieht auch eine Mehrheit der Bevölkerung so: 2006 meinten 75% der Frauen und 61% der Männer in Deutschland, wir bräuchten "sicher" oder "eher" mehr weibliche Abgeordnete.
Arbeitsmarkt und soziale Sicherheit
In Deutschland wurde das Teilziel der europäischen Beschäftigungsstrategie, die Frauenerwerbstätigenquote auf 60% anzuheben, bereits im Jahr 2005 erreicht; 2010 betrug der Beschäftigungsgrad der Frauen schon 66% und lag damit um 8% über dem europäischen Durchschnitt.
Weithin unbestritten ist, dass eine nach wie vor starke Ungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt herrscht, die auch im Gleichstellungsbericht der Bundesregierung umfassend dargestellt wurde und sich entlang dreier Dimensionen abzeichnet: Erstens widmen Frauen einen geringeren Anteil ihrer Zeit der Erwerbstätigkeit, zweitens erzielen sie daher, aber nicht nur deswegen, sehr viel geringere Karriereerfolge und Erwerbseinkommen als Männer und sind folglich drittens in weitaus geringerem Maße sozial abgesichert.
Die nach wie vor erheblichen Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern werden erst recht dann offenbar, wenn sie in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) ausgewiesen werden. Beträgt die Differenz zwischen der regulären Erwerbstätigenquote von Männern und Frauen in Deutschland nur 9%, so steigt diese, wenn sie in VZÄ ausgewiesen wird, auf über 20%.
Bei der Teilzeitarbeit liegt Deutschland im EU-Vergleich mit einer Teilzeitquote bei Frauen von 45% an dritter Stelle hinter den Niederlanden und Schweden.
Die im Rahmen des Gleichstellungsberichts vorgenommenen Auswertungen illustrieren überdeutlich den "Kindereffekt" bei der Wochenarbeitszeit von Müttern: So stieg im Jahr 2007 nicht nur die Beschäftigtenquote, sondern auch die durchschnittliche Wochenstundenzahl mit dem Alter des jüngsten Kindes im Haushalt an (von 6,3 Stunden für Mütter mit Kindern unter drei Jahren auf durchschnittlich 19,1 Stunden für Mütter mit Kindern zwischen 15 und 17 Jahren). Erstaunlich ist dabei, dass sich dieser Kindereffekt seit dem Jahr 2000 trotz der Einführung des Elterngeldes und dem Ausbau der Kinderbetreuung eher noch verstärkt hat, das heißt die durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten sind weiter gesunken.
Im Großen und Ganzen entspricht die gelebte Praxis jedoch der in den meisten europäischen Gesellschaften allgemein verbreiteten unspezifischen Einstellung, nach der von Frauen noch immer erwartet wird, dass sie ihre beruflichen Pläne den Familienpflichten unterordnen. Die mittel- und ost-, aber auch die südeuropäischen Mitgliedstaaten liegen dabei deutlich über dem Durchschnitt der EU, während die restlichen westeuropäischen Länder leicht und Skandinavien weit darunter liegen. Deutschland liegt mit einem Anteil von 41% an Zustimmung hier etwa im EU-Durchschnitt von 42% (vgl. Abbildung 4 in der PDF-Version). Dass sich insgesamt kaum geschlechterspezifische Unterschiede abzeichnen, ist eher auf die Wirkung internalisierter kultureller Muster und Erwartungen ("adaptive Präferenzbildung"), als auf eine autonome individuelle Präferenzordnung der Befragten zurückzuführen.
Geschlechtergleichheit ist noch aus einem anderen Grund nicht allein durch eine verbesserte Gleichstellungspolitik zu erzielen: Der Arbeitsmarkt bietet auch nicht allen Eltern gleichermaßen Chancen zum Erwirtschaften eines guten Lebensstandards, da Einkommen und Aufstiegschancen, überhaupt der Zugang zu "guter" Beschäftigung ungleich verteilt sind. Die Einkommensdifferenz zwischen den Bruttostundenlöhnen vollzeitbeschäftigter Frauen und Männer in Deutschland liegt seit Jahren bei durchschnittlich etwa 23% (vgl. Tabelle in der PDF-Version). Damit befindet sich Deutschland selbst im Vergleich der OECD-Länder mit im Spitzenfeld und wird hier nur von Südkorea und Japan übertroffen.
In Deutschland variiert diese Entgeltlücke nach Branche, Sektor (öffentlich/privat) oder dem beruflichen Status der Beschäftigten; sie ist beim Berufseinstieg am geringsten und steigt mit dem Alter der Beschäftigten an. Frauen haben auch weniger Erwerbseinkommen, weil sie zwei Drittel aller Niedriglohnbeschäftigten stellen. Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland stark angestiegen, so dass heute insgesamt mehr als 20% der abhängig Beschäftigten davon betroffen sind. 2007 arbeiteten 29,3% aller beschäftigten Frauen und 13,8% der Männer zu einem Niedriglohn, also zu einem Lohn, der unterhalb von zwei Dritteln des nationalen Medianbruttolohns liegt.
Geringe Einkommen und Erwerbsunterbrechungen sind folgenreich für die Absicherung in den einkommenszentrierten sozialen Sicherungssystemen; Teilzeitarbeit wirkt sich zudem negativ auf die Karriere- und späteren Einkommenschancen aus. Die Ausdehnung von geringfügiger Beschäftigung beziehungsweise Niedriglohnbeschäftigung insgesamt ist jedoch erklärtes beschäftigungspolitisches Ziel der Reformen im Rahmen der Vorschläge der Hartz-Kommission gewesen. Ihre Verfestigung wird jedoch zu einem gravierenden sozialpolitischen Problem, wenn der Sicherungsbedarf beim Eintritt von Arbeitslosigkeit oder Altersruhe dann nicht durch einen (Ehe-)Partner abgesichert werden kann.
Am Beispiel der arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Regulierung wird offenbar, dass politische Reformen und Maßnahmen hier nicht vorab, wie es die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregierung mit dem Verweis auf das Prinzip des Gender Mainstreamings fordert, auf geschlechterspezifische Auswirkungen hin betrachtet werden. Im Gegenteil, die Verfestigung der Geschlechterungleichheit auf dem Arbeitsmarkt ergibt sich als Folge fehlender Regulierung der Beschäftigung, der zusätzlichen Stärkung des Prinzips der Erwerbszentrierung in den sozialen Sicherungssystemen sowie der Stärkung der Subsidiarität in den Haushalten, die jeweils starke geschlechterspezifische Effekte zeitigen.
Rechtlicher Diskriminierungsschutz
Anregungen für die Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik dringen mittlerweile ebenso aus dem europäischen Ausland als auch in Form von Empfehlungen und Berichten seitens inter- beziehungsweise supranationaler Organisationen nach Deutschland; allen voran die EU, aber auch die OECD sowie der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau betreiben Berichtssysteme, die nicht nur die aktuelle Spannbreite auffindbarer Politiken sichtbar machen, sondern auch "gute" Praktiken als Anregung für die Weiterentwicklung in Deutschland dokumentieren.
Innerhalb der Europäischen Union gelten neben Verfassungen und internationalen Verträgen bis heute EU-Direktiven und -Verträge als wesentlich für jeden Gleichstellungsfortschritt im Erwerbsleben. Die gegenwärtig verhältnismäßig gute Rechtslage beim individuellen Diskriminierungsschutz ist Ergebnis jahrzehntelanger politischer Auseinandersetzungen sowie der strategischen Nutzung des Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof durch Einzelklagen und Organisationen, welche zu einer Reformulierung und Präzisierung vieler eher schwacher nationaler Regelungen führte. Dies gilt insbesondere auch für Deutschland.
Heute sind direkte und indirekte Diskriminierung im Erwerbsleben, bei Bildung und sozialer Sicherheit sowie beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen verboten. Entschädigung und Schadenersatz für Diskriminierung müssen abschreckend sein und die Mitgliedsstaaten müssen Behörden einrichten, die Diskriminierungsopfern helfen und diese informieren. Verbände sollen die Möglichkeit haben, Opfer zu unterstützen. Es gilt in Diskriminierungsfällen eine erleichterte Beweislast und schließlich sind positive Fördermaßnahmen wie Quoten unter bestimmten Bedingungen zulässig.
In Deutschland war das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts am Arbeitsplatz, insbesondere beim Lohn, seit 1980 in den Paragrafen 611ff. Bürgerliches Gesetzbuch und ab 2001 auch im Teilzeit- und Befristungsgesetz geregelt.
Andere Mitgliedsstaaten, etwa Frankreich, Schweden oder Großbritannien, haben sich für stärkere Antidiskriminierungsbehörden mit Untersuchungskompetenzen und Initiativrechten entschieden.
Schlussfolgerungen
Die Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit im Sinne der Gleichverteilung von Geld, Freizeit, Erwerbs- und Sorgearbeit sowie Macht und Anerkennung ist nicht nur aus demokratietheoretischer Perspektive geboten, sondern bietet auch sozioökonomische Vorteile. Eine größere Durchlässigkeit im Erwerbssystem sowie breite Zugangschancen zu gut entlohnter Beschäftigung leisten einen Beitrag zur Weiterentwicklung des "Humankapitals" von Frauen ebenso wie zur Steigerung der Arbeitsproduktivität einer Volkswirtschaft insgesamt. Schließlich wird die soziale Sicherheit von Familien durch die Erwerbstätigkeit beider Elternteile gerade in Krisenzeiten am Besten gewährleistet, wie die schwedische und die französische Familienpolitik seit dem Eintritt der Wirtschaftskrise im Herbst 2008 gezeigt haben.
Ein kurzer Blick auf die Gleichstellungspolitik und die gleichstellungspolitischen Wirkungen anderer Politikfelder in Deutschland veranschaulicht, dass es häufig inkonsistente Anreizwirkungen gibt: Die Regelungen zu Elterngeld und Elternzeit ermutigen zu schneller Rückkehr in den Job, fehlende Angebote einer qualitativ guten Ganztagsbetreuung legen aber längere Erwerbsunterbrechungen nahe. Einschnitte bei der gesetzlichen Alterssicherung fördern die Orientierung an einer kontinuierlichen Erwerbstätigkeit von Frauen, aber das Ehegattensplitting und die kostenlose Mitversicherung beim erwerbstätigen Ehemann setzen Anreize, nicht oder nur geringfügig erwerbstätig zu sein. Geschlechterrelevante Politik ist mitnichten an einem klaren gleichstellungspolitischen Leitbild ausgerichtet. Dabei handelt es sich nicht einfach um schlechtes Politik-Management; vielmehr verbergen sich hinter der Inkonsistenz erhebliche Wert- und Interessenkonflikte darüber, wie die Geschlechterverhältnisse ausgestaltet werden sollen.
Nicht immer werden diese Konflikte offen ausgetragen. Der zu beobachtende reale Politik-Mix ist das Ergebnis politischer Kräftekonstellationen. In gleichstellungsrelevanten Politikbereichen überschneiden sich Konflikte um die Geschlechterbeziehungen mit anderen, etwa dem zwischen Kapital und Arbeit: Der Boom geringfügiger Beschäftigung erschwert eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen und ist gleichstellungspolitisch bedenklich, macht aber Arbeit billiger und ist ein erklärtes Ziel der Wirtschaftspolitik. Nicht alle werden also gleichermaßen von gleichstellungspolitischen Initiativen profitieren; Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern beispielsweise bedingt eine Umverteilung von Erwerbseinkommen zugunsten von Frauen. Unterschiedliche soziale Gruppen sind von Gleichstellungspolitiken unterschiedlich betroffen. Dies ist auch ein Grund, warum sich grundsätzlich die meisten politischen Akteurinnen und Akteure, von Europäischer Kommission bis hin zu politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen, zur Gleichstellung bekennen, der Dissens aber umso größer wird, je konkreter die vorgeschlagenen Maßnahmen werden.
Die aktuell wieder im Gleichstellungsbericht geforderte Veränderung der sozialen Sicherung würde kurz- und mittelfristig in vielen Bereichen den Finanzbedarf erhöhen. Andererseits wird die Einbeziehung jeglicher Beschäftigungsformen in die sozialen Sicherungssysteme die Beschäftigten vor Altersarmut schützen und damit das Anwachsen der künftigen Sozialausgaben bremsen. Flächendeckende Mindestlohnregelungen für typische Frauenbranchen des Niedriglohnsektors würden die Kaufkraft und damit die Binnennachfrage stärken. Die fortbestehenden ökonomischen, sozialen und politischen Ungleichheiten zeigen den gleichstellungspolitischen Handlungsbedarf in Bezug auf kulturellen, rechtlichen und ökonomischen Wandel. Ungelöst sind nach wie vor die Kumulation von existentieller Unsicherheit durch Teilzeit, Niedriglohn und Arbeitslosigkeit oder die ungenügende Berücksichtigung von Pflegezeiten in den Erwerbsverläufen der Beschäftigten.
Eine konsistente und umfassende Gleichstellungspolitik müsste drei Schritten folgen:
1. Sie muss aus den ungeteilten demokratischen und in der Verfassung verankerten Grundsätzen ihre politischen Aktivitäten ableiten und die allgemein formulierten Vorgaben konkretisieren. An einem breiten Konsens über die Notwendigkeit der Gleichstellung fehlt es nicht, wohl aber an der Ausformulierung substantieller Zielsetzungen und Maßnahmen. Ein systematisches und konsequenzenorientiertes Monitoring durch Berichte, Ressort- und sozialwissenschaftliche Forschung ist Voraussetzung dafür, Handlungsbedarf zu benennen und konkrete Maßnahmen einer effektiven Gleichstellungspolitik zu entwickeln.
2. Das Prinzip des Gender Mainstreamings muss konsequent in allen relevanten Politikbereichen angewandt werden und als verbindliches Prüfkriterium fungieren. Die Analyse von Wirkungen oder die Formulierung geschlechtergerechter Politikprojekte - etwa in den Systemen von Erwerbs- und Sorgearbeit - könnte über eine starke eigenständige Behörde erfolgen, die Ministerien obligatorisch berät und kompetenter Partner für die Fortentwicklung der Gleichstellungspolitik wäre. Dazu braucht es gute gleichstellungspolitische Strukturen mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen sowie angemessenen rechtlichen Kompetenzen.
3. Eine dezidierte rechtspolitische Strategie, die substantielle Rechtsinstrumente zum Kampf gegen bestehende Diskriminierungen bereitstellt, würde die umfassende Strategie abrunden. Dies könnte mit umfassenden Berichtspflichten, mit Sanktionsmöglichkeiten, einem starken Verbandsklagerecht oder einer starken Untersuchungsbehörde erfolgen - gute Beispiele finden sich im Ausland, wie der vorhergehende Abschnitt zeigte. In der Bundesrepublik ist mit der Einführung des AGG hier ein erster Schritt gemacht worden; dass das Gesetz ausbaubedürftig ist, zeigt die anhaltende politische Diskussion.
Eine konsistentere und in ihren Zielen transparentere Gleichstellungspolitik braucht eine Debatte sowohl auf politischer wie zivilgesellschaftlicher Ebene darüber, welche Leitbilder die politischen Programme und Maßnahmen prägen sollen und welche Art der geschlechterpolitischen Kultur realisiert werden soll. Wie andere Themen birgt auch sie ein erhebliches Konfliktpotenzial. Der Politik kommt dabei die Aufgabe zu, die Debatte anzuregen und Rahmenbedingungen zu gestalten. Die Präsenz von Frauen in den politischen Gremien einer demokratischen Regierung trägt ohne Zweifel zur Entwicklung einer neuen geschlechterpolitischen Kultur bei.