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Der Regenbogen ist ein zerschlagener Spiegel - Essay | Südafrika | bpb.de

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Der Regenbogen ist ein zerschlagener Spiegel - Essay

Breyten Breytenbach

/ 11 Minuten zu lesen

Sollte es jemals eine vom Geist der Versöhnung getragene nationale Identität in Südafrika gegeben haben, so ist diese von enttäuschten Hoffnungen fortgespült worden. Es bedarf eines Neuanfangs.

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Es wäre aussichtslos, ein umfassendes Bild der südafrikanischen Realität liefern zu wollen. Man müsste dazu an die politische, soziale und ökonomische Entwicklung seit dem Sturz der Apartheid erinnern, die (seit 1992) vom neuen System eingeleitet wurde, die jetzige Situation beschreiben, auf die Haltungen der herrschenden Partei und der verschiedenen Bevölkerungsgruppen eingehen und das Land in den weiteren kontinentalen und globalen Zusammenhang einordnen.


Das kann ich nicht leisten. Ich möchte stattdessen eine schlichte und gewiss vereinfachte Interpretation der gegenwärtigen Zustände liefern, wie sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten geformt worden sind. Man kann Südafrika aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, die alle bis zu einem gewissen Grad bestimmt sind vom eigenen ethnisch-kulturellen Umfeld, von der Teilhabe am kollektiven Gedächtnis, von den Zukunftshoffnungen, vielleicht auch von der ideologischen Orientierung und – wie in meinem Fall – von einem desillusionierten Utopismus. Denn ich glaube, dass uns der Traum von Südafrika abhanden gekommen ist.

Ich werde versuchen, die unterschwelligen Tendenzen ausfindig zu machen, welche die politischen Maßnahmen und Einstellungen prägen, und dann vorschlagen, was wir meiner Ansicht nach tun sollten, wenn wir den weiteren Zerfall des Landes und seiner Institutionen und unseres schwachen Selbstverständnisses als "Südafrikaner" verhindern wollen.

Waren wir jemals "südafrikanisch"? Was ist der gemeinsame Nenner der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und -klassen, die im selben geographischen Raum leben, der historisch abgegrenzt, annektiert oder erfunden wurde? Sind wir nur auf negative Weise durch miteinander wetteifernde Nationalismen und eine konfliktreiche Geschichte verbunden, durch vergossenes Blut und die intime Beziehung zwischen Unterdrücker und Unterdrückten, Räuber und Opfer?

Meines Erachtens entstand Südafrika nicht aufgrund einer kollektiven Erinnerung an ein nationales "Ganzes". Die Hierarchien und Konturen des Landes waren schon immer durch aufeinanderfolgende wirtschaftliche und soziale Konstruktionen künstlich geschaffen worden: durch konkurrierende Stammeskönigreiche, die nach Überlegenheit oder Hegemonie strebten; durch das Vordringen von Siedlern und deren Eroberungszüge; durch Kolonialismus und den Widerstand afrikaanischer Republiken, die sich vom britischen Imperialismus gewaltsam befreien wollten; nach deren Niederlage durch die Union disparater historischer und regionaler Einheiten, die alle der britischen Krone unterworfen waren; durch die Apartheid, die zunächst von den Briten eingeführt und 1948 durch die zur Macht gelangte afrikaanische National Party formalisiert wurde, mit der logischen Konsequenz der sogenannten getrennten Entwicklung; durch den Kampf für die "nationale" Befreiung und nun durch das Aufzwingen eines "revolutionären" Regimes, das der Überzeugung ist, es werde herrschen "bis zum Jüngsten Tag". Dabei wurden Gemeinwesen zerschlagen und indigene Sprachen degradiert zur Sprache des einfachen Volks in Küchen, Bergwerken und Spelunken.

Das Ende des Kalten Kriegs vor zwanzig Jahren kühlte die internationalen ideologischen Konfrontationen und die durch sie entstandenen Gebilde erheblich ab. Regierende Eliten in Stellvertreterstaaten suchten nun vergeblich nach ihren Unterstützern, ihrer Glaubwürdigkeit, ihrer konstruierten Legitimität und oft auch ihrem Geld und ihren Waffen. Es öffneten sich Räume für Veränderungen. Die Leere wurde gefüllt durch mächtig anschwellende Bewegungen der "Befreiung" von repressiven Regimen und, so würden manche behaupten, durch den tiefer verwurzelten nationalen Imperativ. Selbst wenn jetzt auf der lokalen Ebene der Nation seit langem bestehende Wunden offensichtlich geheilt und Ziele erreicht werden konnten, war doch auch klar, dass neue Systeme nur entstehen würden, wenn sie vom Kapital akzeptiert und geduldet würden. So entwickelte sich eine proto-sozialistische nationale Befreiungsbewegung wie der African National Congress (ANC), nachdem er nicht länger von sowjetischem Schutz und internationaler sozialistischer Unterstützung profitierte, zu einem Garanten der freien Marktwirtschaft. Zu gegebener Zeit würde er dann die Einparteienherrschaft, sein Anspruchsdenken und seine Günstlingswirtschaft zum Staatskapitalismus ausbauen wollen – vorausgesetzt, der Staat gehört dem ANC – und das dann eine Nationale Demokratische Revolution nennen.

Es ist wahr, wir haben in Südafrika zwar eine von einer Mehrheit legitimierte Regierung, anstelle einer Regierung, die nur die Interessen der weißen Minderheit vertritt. Aber man kann das, was geschehen ist, nicht als Revolution bezeichnen; die "Veränderungen" bauten auf dem Fortbestand des Staates auf. In einem abgeschotteten Tanz der Macht, der Unterwerfung und der Illusionen (weil die Zivilgesellschaft und Bürgerorganisationen vom Fest der Politiker ausgeschlossen waren) schufen oppositionelle politische Formationen in Südafrika eine neue Verfassung, welche die politischen Machtstrukturen ihrem Wesen nach nicht veränderte und die Wirtschaft, auf die der Staat sich stützt, ganz bestimmt nicht radikal umgestaltete. Die Macht bleibt zentralisiert, in wenigen Händen im Vorstand der Regierungspartei, selbst wenn sie nun durch das Mandat einer Mehrheit legitimiert worden ist, die sich aus den Fesseln der Geschichte nicht lösen kann.

Weder hat es jemals die Erinnerung an ein Südafrika gegeben, das auf natürliche Weise die Interessen aller seiner Bewohner reflektiert und vertritt, noch eine lebensfähige kollektive Vorstellung davon. In dieser Geschichte der Neugestaltung konnten wir uns auf kein vorher existierendes Ganzes beziehen. Und trotz gegenteiliger Propaganda gibt es auch keine kohärente, gemeinsame und integrierende Vision, die uns zur Anerkennung unserer Vielfalt führen könnte. Selbst wenn eine Zeit lang ein mächtiger, von vielen geteilter Wille existiert haben sollte, sich um den Traum einer moralisch integeren neuen nationalen Einheit zu sammeln, einer Einheit, die sich im Geiste der Vergebung und vielleicht sogar des Vertrauens herausbilden könnte, so ist dieser schnell untergegangen in der schmutzigen Flut aus betrogenen Hoffnungen und räuberischer Politik, Angst und ungebremster Habgier, Unmoral und Rassismus. Wie könnte es da "Heilung" geben?

Offen gesagt: Südafrika wird immer noch von verschiedenen Völkern und Resten von Völkern bewohnt, von denen einige mit Fug und Recht als Nationen mit historischer Legitimation betrachtet werden können, jeweils geprägt von geschichteten und manchmal sehr alten, identitätsstiftenden, gemeinsamen Erinnerungen. Nach der ersten Übergangsphase der Integration wurde jedoch bald deutlich, dass die Eine Nation, die das neue Regime versprach, auf hegemonischem Schwarzem Nationalismus basierte und auf einem tief empfundenen Bedürfnis, die Vergangenheit rückgängig zu machen und die Geschichte umzuschreiben. "Jetzt ist unsere Zeit gekommen, jetzt sind wir an der Reihe, zu essen" – dieser Anspruch der machthabenden Partei, die den wiederauflebenden, auf der Hautfarbe basierenden Nationalismus als letzte Zuflucht des Schurken und als eine Methode der Vergangenheitsbewältigung nutzt, läuft in der Praxis auf die schnelle und rücksichtslose Bereicherung ihrer Kader hinaus, auf Kosten des gesamten Landes. Die ANC-Politik der "Integration" lässt keinen Raum für die Duldung oder das Verständnis von Vielfalt. (Diese Haltung wird erklärlich, wenn man den langen und starken Einfluss der stalinistischen Ideologie in der inzwischen untergegangenen DDR während der Jahre im Exil berücksichtigt: "Sechaba", das offizielle Sprachrohr des ANC, wurde früher in Ost-Berlin gedruckt.)

Im Kampf um die Meinungshoheit mussten Strategien des Vergessens geschmiedet werden und die Erinnerung wurde zum politischen Geschäft. Die edlen Absichtserklärungen der Freiheitscharta, die den Traum von sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit und Gleichheit für alle Bürger des Landes verkörpert, wurden vergessen – und an ihre Stelle trat, was euphemistisch Black Economic Empowerment (BBE) genannt wird und in der Praxis zu Korruption, Vetternwirtschaft, Ämtergeschacher und zur Ausplünderung des Staates führt, wobei politische Unterwürfigkeit fachliche Kompetenz aussticht. Klagelieder des Gedenkens kamen auf, um den verlorenen Glauben an den frohen Vogelsang eines neuen Morgens zu kompensieren. Denn als sich die Zukunft in enttäuschten Träumen auflöste, tat dies auch jede kritische Beurteilung der Vergangenheit.

Ist es möglich eine Nation zu erdenken, ohne ihre konvergierenden, miteinander konkurrierenden und oft widersprüchlichen und widerstreitenden Vergangenheiten zu betrachten? Und wäre es denn möglich, eine neue Nation außerhalb des kollektiven (notwendigerweise selektiven) Gedächtnisses zu schaffen? Was ist, wenn das Bewusstsein und alle Formen der öffentlichen Repräsentation aufzuteilen sind nach der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung, wie sie vom neuen Regime mit den willkürlichen Hilfsmitteln des alten Regimes kategorisiert wird?

Die Geschichte, der Atem der Zeit, würde weitergehen. Aber die Zeit hat kein Gedächtnis: Das Bewusstsein vergisst, während es atmet. Natürlich würde "die Vergangenheit" hier und da in das gegenwärtige kollektive Bewusstsein sickern, als Gift oder als Aufputschmittel, kontrolliert von Zensoren, Meinungsmachern, Negationisten und anderen, die berauscht sind von der Sehnsucht, dass es die Vergangenheit nicht gäbe. Die einzige Markierung oder Ablagerung des Bewusstseins ist dann die "Identität", geformt durch die Art und Weise, in der die Erinnerung erzählt oder bekannt gemacht wird. Oder imaginiert wird.

Das "Gedächtnis", das den südafrikanischen Diskurs jetzt beherrscht, speist sich aus Jahrhunderten voll von tiefem Schmerz und Erniedrigung, empfunden von Schwarzen und Braunen, was zu irrationalen Minderwertigkeitsgefühlen geführt hat, die nur durch die Brutalität der Anspruchspolitik kompensiert werden können. In Südafrika erleben wir schon jetzt, dass die machthabende Partei Schlüsselbegriffe annektiert, auf die wir uns verständigt hatten – wie beispielsweise "Versöhnung" und "Transformation" –, um ihren Appetit nach noch mehr Macht, Ämtern und Privilegien zu befriedigen und die Praxis der Straflosigkeit zu rechtfertigen.

Die Bitterkeit jener Erinnerung an kollektives Leiden und an heroischen Widerstand ist umso stärker, je weiter man sich von den realen Erlebnissen entfernt. Jüngere Schwarze, konfrontiert mit der Verzweiflung enttäuschter Hoffnungen, dem Verfall des Staates und der Verlagerung der Macht von demokratischen Institutionen zu zentralisierten Parteiinstanzen, gleiten in Hedonismus oder Kriminalität oder fanatischen Nationalismus ab. Dass der ANC das Staatsvermögen ausplündert und der Bevölkerung wichtige Dienstleistungen und Sicherheit vorenthält, hat den Boden für populistische Aufstände bereitet.

Die Afrikaaner, das unterlegene, mit der Apartheid identifizierte Volk, werden jetzt als unheilbar mit Rassismus Infizierte stigmatisiert; die afrikaanse Sprache – ihr Selbstverständnis, ihre Reflexion der Herkunft, der Umwelt, des Wandels und des Schicksals –, ist zum Synonym einer rückwärtsgewandten (ja einer "gegen die Versöhnung gerichteten"!) Haltung geworden, die denen unterstellt wird, die sie sprechen, und so wird gerechtfertigt, dass sie zum Verstummen gebracht werden soll. Ihre Erinnerung, die selbst durchsetzt ist von Widerstand, Dissidententum, Rebellion und métissage [Rassenmischung, Anm. d. Ü.], wird als düstere Zuflucht von Eurozentristen gesehen, die der verlorenen Herrschaft nachtrauern. Von weißen Afrikaanern wird offenbar erwartet (und es wird nicht lange dauern, bis braune Afrikaaner ein ähnliches Schicksal teilen), dass sie das fait accompli der historischen Unumgänglichkeit verstehen und akzeptieren, es in dankbarer Unterwürfigkeit ertragen, bereuen! bereuen! bereuen! und als Erben der Sünden ihrer Väter die Augen abwenden – denn wenn sie auf ihre Anliegen aufmerksam machen würden, so berechtigt sie auch sind, würde das ihre kollektive Existenz gefährden. Sie sind aufgefordert, ihre Fähigkeiten, ihre Farmen, ihre Schulen, die PINs ihrer Bankkonten, ihre Mobiltelefone, ihre Aktien, ihre Schusswaffen, ihren Schnaps und ihre Heugabeln auszuliefern und sich dann zum Teufel zu scheren – und somit am besten ganz aus der Geschichte und aus Afrika zu verschwinden.

Um eine gescheiterte "Revolution" zu rechtfertigen, muss man die Leichen der verschwundenen Ideologie und der verschwundenen Menschen ständig wieder ausgraben und sie alle noch einmal töten. Eine katastrophale Politik verstärkt tief verwurzelte Ansichten, denen zufolge wir die Straße der Reinigung weiter gehen müssen. Wir haben noch nicht genug geirrt.

Ist es möglich, die sich vertiefenden Gräben zuzuschütten? Kann man sich Südafrika ganzheitlich vorstellen? Sollten wir die Einheit pragmatisch sehen? Wie können die Menschen ihren "Zorn überwinden"? Was brauchen die Unterdrückten und die Unterdrücker, die sich gegenseitig an der Gurgel der Geschichte gepackt haben, als Ermutigung, um in ihrem kollektiven Kampf um das Vergessen oder sogar das Vergeben eine gemeinsame Zukunft finden zu können? Kollektives Vergessen ist anstrengend; es bedeutet Arbeit. Welchen Raum der Verdrängung oder der Neuordnung nimmt die Sprache in diesem Prozess ein, der vielleicht ein Prozess der Wiederherstellung ist und dadurch der Versöhnung abträglich? Wird dieser Raum nur geographisch und "kulturell" sein, oder ist er auch historisch und daher an Macht und Machtlosigkeit gebunden?

Es ist unsere Pflicht, durch den Einsatz von Herz und Geist Räume des Gemeinwohls am Leben zu erhalten und dadurch sowohl Referenzpunkte als auch kreative Prozesse zu ermöglichen.

Es hängt von der Akzeptanz und Förderung guter wechselseitiger Beziehungen zwischen den Minderheiten und der Mehrheit ab, ob die Entwicklung zum Wohle aller vorangetrieben werden kann. Es ist daher von grundlegender nationaler Bedeutung, dass die Interessen und Belange der Minderheiten von der Mehrheit aktiv berücksichtigt werden.

Die Erzählung der nationalen Geschichte kann nicht länger von Versöhnung handeln – insbesondere, wenn die Sieger das als Code benutzen, um ausnahmslos alle wichtigen Posten in Politik, Wirtschaft und Kultur zu besetzen. Stattdessen sollte er ab sofort eher an den folgenden Fragen ansetzen: Wie können die bei der Befreiung angekündigten Fortschritte in Richtung Chancengleichheit tatsächlich erzielt werden? Wie kann die Armut beseitigt werden – und sei es nur im Namen der Menschenwürde? Wie kann man die hybride Natur von Südafrikas Geschichte und Bevölkerung in Kreolisierungsprozessen am besten zum Ausdruck bringen, wenn man diese Vielfalt als natürliche Quelle der gegenseitigen Bereicherung und der integrativen Entwicklung betrachtet? Und wie kann man der fortschreitenden Einparteienherrschaft, die sich in einer Verschmelzung von Staat und Partei äußert, entgegentreten?

Die moralische Vorstellung, die uns weiterbringen kann, muss über die narzisstische Opferrolle, konsumgetriebene Massenverführung und populistische Manipulationen hinausgehen. Diese Vorstellung wird – aus Respekt vor den Ahnen und Verantwortung gegenüber den verlorenen Generationen der Geknechteten – ethisch, bescheiden, großzügig und kreativ sein müssen. Außerdem muss sie sich in der ständigen Bereitschaft zum würdevollen Dialog ausdrücken, der die Menschen in einer Vielfalt von narrativen Mustern wieder mit Sprache verbindet und dadurch von der Gedankenlosigkeit der bösartigen Banalität zum Gedankenreichtum des gegenseitigen Aufeinander-Angewiesen-Seins hinleitet.

Als Bürger sollten wir uns von neuem, als wäre es zum ersten Mal, die scheinbar widersprüchlichen, doch einander notwendigerweise ergänzenden Räume und Bewegungen der Gesellschaften Südafrikas nicht so sehr als eine "werdende Nation" ("nation-in-progress") vorstellen, sondern als eine "entstehende Mischung" ("mixing-in-becoming"), die denselben Habitus in Anspruch nimmt.

Wenn die Trägheit nach dem "Sieg" nicht mehr akzeptabel ist – weil sich Stagnation und Verfall ausbreiten –, dann sollte es uns doch gewiss möglich sein, uns auf erhabene Ziele zu verständigen. Und in Südafrika können das nur ökonomische und soziale Gerechtigkeit, multikultureller Humanismus, eine neue Basis für integratives Erinnern, die Verständigung auf den Schutz von Minderheiten und die praktizierte Akzeptanz von Pluralität sein.

Wir müssen Harmonie durch aktiven Wandel erreichen. Es ist dringend notwendig, auf moralischer Basis ein neues nationales System zu erfinden und zu verhandeln, vielleicht eine föderale Organisation mit neuen Zielvorstellungen (von Gerechtigkeit, so alt wie die Träume der Menschheit ...) und mit neuen Regeln, die sich in lebensfähigen, widerstandsfähigen und unabhängigen Strukturen niederschlagen. Die ethische Verpflichtung, sich an diese Regeln zu halten, muss respektiert werden.

Um gemeinsam die Zukunft zu gestalten, sollten diesmal alle Sektoren der südafrikanischen Bevölkerung an den Überlegungen und Entscheidungen beteiligt sein – nicht nur die "Führer", "Kader" und politischen Konstellationen. Nicht nur diejenigen, die einen Kuhhandel treiben wollen.

"Dieses existiert, jenes entwickelt sich" – Bewegung, die sich zwischen leer und voll entwickelt – eine alte buddhistische Lebensdisziplin. Die Vergangenheit kann keinen Sinn ergeben, wenn sie keine Zukunft schafft. Wenn wir nicht ganz bewusst den schwierigen Weg gehen, uns selbst toleranter und ethischer vorzustellen, als wir sind, als wir waren, werden wir mit Sicherheit in die Barbarei zurückfallen.


Übersetzung aus dem Englischen: Dr. Reinhild Böhnke und Dr. Juliane Lochner, Leipzig.

Geb. 1939; Schriftsteller, Maler und Antiapartheid-Aktivist; Autor von "Wahre Bekenntnisse eines Albino-Terroristen" (1983).