Einleitung
Die Wahl, die wir haben, ist nicht die zwischen einer unterdrückenden, regierungsbestimmten Wirtschaft und einem chaotischen und gnadenlosen Kapitalismus", sagte US-Präsident Barack Obama im Februar 2009. Starke Finanzmärkte benötigten klare Regeln: "Nicht, um sie zu ersticken, sondern um Konkurrenz, Wachstum und Gedeihen zu fördern."
Im Juni 2009 legte Finanzminister Timothy Geithner einen umfassenden Reformplan vor. Zusammen mit Regierungsberater Larry Summers, dem Vorsitzenden des National Economic Council, begründete er die geplanten Maßnahmen wie folgt: "Der Rahmen unserer Finanzregulierung ist voller Lücken, Schwächen und sich überschneidender Zuständigkeiten und leidet unter einem veralteten Verständnis von Risiko." Ganze Märkte und ihre Akteure seien praktisch ohne Kontrolle, seit die Innovationen auf den Finanzmärkten den Möglichkeiten der Aufsichtsbehörden davongelaufen seien.
Freilich sind diese Beschlüsse noch nicht umgesetzt worden. Die geplante radikale Reform der Finanzmarktordnung in den USA stößt auf heftigen Widerstand seitens der Finanzindustrie, und die Aufsichtsbehörden streiten über die zukünftige Kompetenzverteilung. Das Repräsentantenhaus des Kongresses hat zwar Mitte Dezember 2009 für ein umfassendes Reformgesetz gestimmt, was ein wichtiger Teilerfolg für Obama ist, die Entscheidung im Senat steht aber noch aus. Und hier liegt das Problem: Mit der wirtschaftlichen Erholung und Rückkehr zur Normalität an den Finanzmärkten sinkt die Bereitschaft für große Reformen. Fast alle Großbanken haben mittlerweile die vom Staat erhaltenen Rettungsgelder zurückgezahlt. Die kalifornische Bank Wells Fargo ist das letzte große Finanzinstitut, das noch keine Vereinbarung über die Tilgung seiner Staatsschulden getroffen hat. Damit verliert die Regierung einen wichtigen Hebel, um Kooperation der Banken, auch in Regulierungsfragen, einzufordern. Obama ist sich dessen bewusst, was auch die deutlichen Worte erklärt, die er im Dezember für die Banken fand: "Ich habe nicht kandidiert, um einem Haufen Bonzen an der Wall Street auszuhelfen."
Krisenursachen
Die schwerste Wirtschafts- und Finanzkrise seit den 1930er Jahren hat sicherlich viele Ursachen. Dass die sich anbahnende Krise aber nicht früher erkannt und bekämpft wurde, lag auch an der Politik des benign neglect und den Unzulänglichkeiten der Regulierungsstruktur in den USA. Das Vertrauen der Politik in die Selbstregulierung des Finanzsektors war groß, das Risikomanagement der Finanzinstitutionen galt als vorbildlich. Die Auslagerung von Risiken in Zweckgesellschaften oder auch der Handel mit Ausfallrisiken in Form von Kreditderivaten wurde eher als Ausdruck der Innovationskraft des Finanzsektors denn als neues Regulierungserfordernis interpretiert. Schließlich wurde die Deregulierung der Finanzmärkte (sowohl unter der Clinton- als auch der Bush-Administration) als Beitrag zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der US-Finanzindustrie gewertet.
Dass das Gegenteil der Fall war, hat die Krise deutlich gezeigt: "Das Finanzsystem hat in seiner Funktion als Minderer und Streuer von Risiko versagt. Stattdessen hat es Risiken aufgebauscht und einen Wirtschaftsabschwung ausgelöst, der viele Familien und Unternehmen weltweit geschadet hat", gab Finanzminister Geithner zu.
Verantwortlich hierfür waren auch die Zersplitterung und die Komplexität der Finanzmarktaufsicht. Dies hatte schon die Bush-Administration erkannt. Im Herbst 2008 schlug der damalige Finanzminister Henry Paulson eine umfassende institutionelle Reform vor. Bislang unterliegen Banken, Wertpapierhäuser und Versicherungen verschiedenen Aufsichtsbehörden auf nationaler und einzelstaatlicher Ebene. Banken mit nationaler Lizenz (national banks) beispielsweise werden vom Office of the Comptroller of the Currency (OCC) zugelassen und überwacht, Banken mit Einzelstaatenlizenz (state banks) durch einzelstaatliche Behörden. Eine Ausnahme stellen diejenigen Banken dar, die Mitglieder des Federal Reserve Systems (Fed) sind - sie werden zusätzlich von der Zentralbank beaufsichtigt. Dagegen unterliegen die Sparinstitute dem Office of Thrift Supervision (OTS), einer besonderen Aufsichtsbehörde des Finanzministeriums. Da Banken und Sparinstitute Einlagen halten, die auf bundesstaatlicher Ebene gesichert sind, fallen sie zudem unter die Aufsicht der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC). Die Investmentbanken hingegen wurden vor der Finanzkrise durch die Securities and Exchange Commission (SEC) überwacht - mittlerweile haben sie sich freiwillig der strengeren Kontrolle der Fed unterworfen. Die SEC ist zudem für die Börsenaufsicht zuständig, über den Terminhandel wacht die Commodities Futures Trading Commission (CFTC).
Zahlreiche Finanzinstitute nutzten den ihnen gebotenen Spielraum aus, indem sie "ihre" Aufsichtsbehörde selbst auswählten (charter-shopping). Sie konnten beispielsweise von einer einzelstaatlichen zu einer nationalen Satzung wechseln (und umgekehrt), Mitglied der Zentralbank werden oder ihre Fed-Mitgliedschaft aufkündigen. Seit dem Jahr 2000 änderten rund 240 Banken ihre Regulierungslizenz.
Hinzu kam eine weitreichende Interessenkonvergenz von Wall-Street-Firmen und politischen Entscheidungsträgern. Oftmals wechselten Verantwortliche aus Politik und Aufsichtsbehörden in den Finanzsektor (und umgekehrt) - dieser "Drehtüreffekt" dürfte zur wohlwollenden Interpretation der Aufsichtserfordernisse beigetragen haben. Eine wichtige Rolle spielt hier auch die Struktur der US-Notenbank, ein staatlich-privates Mischsystem. Zwar wird der Gouverneursrat der Fed vom Präsidenten nominiert und vom Senat bestätigt, in den Aufsichtsgremien der zwölf Landeszentralbanken (federal reserve banks) sitzen jedoch private Banken; geleitet werden die Notenbanken jeweils von einem neunköpfigen Direktorium - zwei Drittel davon werden von den Mitgliedsbanken gewählt. Dies sind genau diejenigen Institutionen, die die Fed eigentlich überwachen soll.
Die Krise hatte auch deswegen so gravierende Auswirkungen, weil keine Regeln für eine geordnete Abwicklung besonders großer Finanzinstitute existierten. Vielmehr wurde in Krisensituationen spontan entschieden. Im Frühjahr 2008 unterstützte die Notenbank die Übernahme der Investmentbank Bear Stearns durch JPMorgan Chase, indem sie schwer verkäufliche Wertpapiere von Bear Stearns als Sicherheit für einen Kredit akzeptierte. Dies verhinderte zwar den kompletten Zusammenbruch der Bank, doch war diese Rettungsaktion alles andere als unumstritten. Denn durch ein solches bail-out wird der Bestrafungsmechanismus des Marktes ausgehebelt; dies lädt zu ähnlichem Fehlverhalten in der Zukunft ein (moral-hazard-Problem). Den Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers hingegen stufte die Bush-Administration trotz der Größe des Unternehmens nicht als übermäßig problematisch für die Märkte ein - eine fatale Fehlbewertung. Die Regierung wollte dabei auch dem Eindruck entgegentreten, sie würde nun sämtliche Institute vor dem Bankrott retten. Zu einer Übernahme von Lehman ohne entsprechende Staatsgarantie war aber keine private Bank bereit, und die Insolvenz erfolgte weitgehend unvorbereitet und erschütterte das Vertrauen der Finanzmärkte nachhaltig.
Unter dem Eindruck des drohenden Marktkollapses entschied sich die Regierung im Fall des Versicherungskonzerns AIG wiederum für eine Rettung. Wegen seiner internationalen Verflechtungen in mehr als 100 Ländern wurde er als too big to fail eingestuft; für den Fall einer Pleite erwartete man katastrophale Auswirkungen. AIG wurde durch Verstaatlichung vor dem Konkurs gerettet und konnte so seine für die Systemstabilität als wichtig eingeschätzten vertraglichen Verpflichtungen weiterhin erfüllen, vor allem im Bereich der Kreditausfallversicherungen. Die Rettungsaktion verdeutlicht exemplarisch die gefährliche Pfadabhängigkeit des too-big-to-fail-Denkens. Wichtige Fragen für die Reform der Finanzordnung, welche die Obama-Administration zu beantworten suchte, lauteten daher: Wie kann verhindert werden, dass riskantes Verhalten seitens der Finanzakteure durch den Steuerzahler aufgefangen werden muss? Wie können im Notfall Großbanken abgewickelt werden? Und schließlich: Welche Aufsichtsbehörde soll für diese schwierige Aufgabe zuständig sein?
Brandmauern gegen die nächste Krise
Haben die USA aus der Finanzkrise gelernt? Ein Blick auf die zahlreichen Reformvorschläge deutet auf ein "Ja" hin. In ihnen finden sich vier wichtige Aspekte: Eine besondere Kontrolle großer Finanzfirmen (zusammen mit strengen Kapital- und Liquiditätsvorschriften), eine verbesserte Infrastruktur der Finanzmärkte (um eine transparentere Geschäftsabwicklung sicherzustellen), die Verhinderung prozyklischer Regulierung (Regulierungen, welche die natürlichen Auf- und Abschwünge des Finanzsystems verstärken) und die Schaffung einer Behörde zur Überwachung systemischer Risiken. Uneinigkeit besteht hingegen in den Fragen, ob - und wenn ja, welche - Regulierungsbehörden zusammengelegt werden sollen und welche Behörde die zentrale Rolle bei der Aufsicht über das amerikanische Finanzsystem spielen soll.
Mehr Macht für die Federal Reserve: Anders als zunächst erwartet, schlug die Obama-Administration keine umfassende Umstrukturierung der Finanzaufsicht vor. Bis auf die OTS sollen alle Aufsichtsbehörden beibehalten werden und sogar neue entstehen. Dies geht aus dem White Paper Financial Regulatory Reform hervor, das Finanzminister Geithner zusammen mit Obama am 17. Juni 2009 vorlegte.
Ein zwischenbehördlicher Ausschuss, der Financial Services Oversight Council (FSOC), soll im gesamten Finanzsystem die Risiken beobachten und damit einen Frühwarnschutz gewährleisten. Eine neue Consumer Financial Protection Agency soll Finanzprodukte wie Kreditkarten und Hypotheken stärker kontrollieren und sich dabei am Konsumentenschutz orientieren. Bislang war der Verbraucherschutz bei der Fed angesiedelt. Durch den 1994 verabschiedeten Home Ownership and Equity Protection Act war sie beispielsweise ermächtigt, gegen Wucherkredite vorzugehen. Ein National Bank Supervisor (NBS) soll als Unterbehörde des Finanzministeriums für alle auf Bundesebene aktiven Institute mit Spareinlagen zuständig sein.
Zudem verlangt die Regierung höhere Eigenkapital- und Liquiditätsverpflichtungen, eine stärkere Überwachung und Regulierung der Verbriefungs- und Derivatemärkte und eine Registrierungspflicht für Hedgefonds. Emittenten von mit Hypotheken hinterlegten Wertpapieren sollen neuen Bilanzierungsregeln unterworfen werden; dazu gehört etwa die Offenlegung von Daten zur Höhe der Verschuldung und zur Vergütung von Händlern. Die Aussteller von Verbriefungen müssten zukünftig mindestens fünf Prozent der Risiken in der eigenen Bilanz behalten. Zudem sollen Geschäfte mit Derivaten, die derzeit noch überwiegend OTC-Geschäfte sind (OTC = over the counter, also direkter Handel "über den Schalter", nicht an einer Börse), fortan über eine noch einzurichtende Verrechnungsstelle (clearing house) abgewickelt werden.
Mittlerweile hat sich die Obama-Administration angesichts der Entrüstung der Öffentlichkeit über die Bankenrettungen auch dem politisch heiklen Thema der Managergehälter angenommen. Im Oktober 2009 setzte sie konkrete Gehaltskürzungen von Managern bei den sieben Firmen fest, welche die höchsten staatlichen Hilfen im Gefolge der Krise erhalten hatten (AIG, Bank of America, Citigroup, General Motors, GMAC, Chrysler und Chrysler Financial).
Kein Konsens im Kongress: Obama nutzte früh in seiner Amtszeit die Anti-Wall-Street-Stimmung, um ein Kreditkartengesetz durch den Kongress zu bringen, das dem Verbraucherschutz dienen soll.
Daneben wurde eine Vielzahl weiterer Reformvorschläge vorgelegt, mehrere davon gingen im Wall Street Reform and Consumer Protection Act of 2009
Unterschiede finden sich vor allem hinsichtlich der Überwachung systemischer Risiken, der Rolle der Fed und der neuen Struktur der Bankenaufsicht.
Senator Dodd hingegen will die Aufsicht deutlich modernisieren. Anders als Frank möchte er dabei der Fed keine neuen Kompetenzen zuweisen, zweifelt er doch stark an ihr als strenger Regulierer. Aufgrund ihrer Struktur solle sich die Notenbank auf die Geldpolitik konzentrieren und die Regulierung anderen Behörden überlassen. Dodd spricht sich für die Schaffung einer neuen Aufsichtsbehörde aus: Eine Agency for Financial Stability (AFS) soll über die Stabilität der Finanzmärkte wachen und Systemrisiken abwenden sowie große, komplexe Finanzunternehmen regulieren und in Schwierigkeiten geratene Banken geordnet abwickeln. Damit der Steuerzahler nicht mehr belastet wird, sollen Großbanken in Zukunft für ihre Rettung selbst zahlen. Zusätzlich sollen sie schon in guten Zeiten schriftlich genau festlegen, was zu tun ist, wenn ihnen eine Zahlungsunfähigkeit droht. Dodd will zudem eine einheitliche Aufsicht für Banken auf föderaler Ebene schaffen, die Financial Institutions Regulatory Administration, und bestimmte Kompetenzen der OCC, OTS, FDIC und Fed zusammenführen, um so das charter-shopping zu verhindern.
Guter Wille ist da - aber reicht das?
Bis zur letzten Minute blieb die Abstimmung über den Wall Street Reform and Consumer Protection Act of 2009 im Repräsentantenhaus eine Zitterpartie, welche die demokratische Parteiführung nur mit umfassenden Kompromissen für sich entscheiden konnte. Dabei ging es weniger darum, die Republikaner zu gewinnen - sie hatten sich bereits sehr früh vereint gegen den Gesetzesentwurf ausgesprochen. Barney Frank warb vor allem um Stimmen der konservativen Demokraten, darunter die fiskal-konservativen sogenannten Blue Dog Democrats und die Mitglieder der unternehmensfreundlichen New Democratic Coalition. Um ihre Unterstützung zu gewinnen, setzte er beispielsweise den Anteil der Derivate, der zukünftig über Clearingstellen abgewickelt werden soll, deutlich herab; der Kontrolle der neuen Konsumentenschutzbehörde sollen zudem nur Finanzakteure, nicht etwa Einzelhändler oder Immobilienmakler unterworfen werden. Der größte Kompromiss war die stärkere Überwachung der Geldpolitik der Fed.
Schließlich wurde das Gesetz mit einer knappen Mehrheit von 223 zu 202 Stimmen verabschiedet. Während sich von den Demokraten 27 gegen das Gesetz aussprachen (sieben enthielten sich), stimmten alle Republikaner (mit zwei Enthaltungen) gegen die rund 1300 Seiten umfassende Vorlage. Letztere lehnten die Schaffung einer neuen Konsumentenschutzbehörde ebenso ab wie die Einrichtung eines Fonds, aus dem die Kosten der Abwicklung strauchelnder Finanzinstitute gedeckt werden sollen. "Herausgekommen ist ein Gesetz zur ewigen Rettung der Wall Street" ("a perpetual Wall Street bail-out bill"), wetterte der republikanische Abgeordnete Jeb Hensarling aus Texas, "ein Gesetz, das die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindert in einer Zeit, in der die Nation auf neue Arbeitsplätze angewiesen ist".
Die Finanzwirtschaft läuft Sturm gegen die Reformvorschläge: Neue bürokratische Strukturen würden Innovationen im Finanzsektor behindern, und auf die Banken kämen hohe Kosten zu: Insbesondere systemrelevante Geldhäuser müssten in Zukunft mehr und höherwertiges Kernkapital bereitstellen, was die Eigenkapitalrendite drücke und Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Akteuren nach sich ziehe - ein altbekanntes Argument gegen umfassende Regulierungen. Auch beim Thema Derivatehandel gibt es viel Widerspruch: Die Reform berge gravierende Risiken, so die Händler, da der Markt zu groß sei, um von einer Abrechnungsstelle beherrschbar gemacht zu werden. Zentrales Clearing führe zudem nicht zu einer Streuung, sondern einer Konzentration von Risiken.
Auch seitens der Regulierungsbehörden wurde Kritik laut: Die Notenbank unter Ben Bernanke scheut sich inzwischen selbst vor der Übernahme von mehr Regulierungsverantwortung. Zudem sind längst nicht alle der Meinung, dass sie für diese Aufgabe gewappnet ist, hat sie doch - so zumindest die öffentliche Meinung - vor und im Verlauf der Krise zahlreiche Fehler begangen. Ihr wird nicht nur vorgeworfen, die Immobilienblase am US-Häusermarkt nicht rechtzeitig erkannt zu haben. Umstritten ist vor allem auch ihre Rolle bei der Rettung mehrerer Finanzinstitute. Die FDIC sowie die OTS sprechen sich hingegen vor allem gegen eine Zusammenlegung von Aufsichtsbehörden aus, würde dies doch einen erheblichen Machtverlust für sie nach sich ziehen. Besonders problematisch wird schließlich der Vorschlag bewertet, die Geldpolitik der Fed künftig vom Kongress überwachen zu lassen, da dies Tür und Tor für politische Einflussnahme öffnet.
Im Senat wird es daher nicht einfacher, ist der Entwurf doch in weiten Teilen radikaler als die Vorlage von Barney Frank. Zudem sind hier die Hürden höher, da die Oppositionspartei mit einem sogenannten Filibuster, einer politischen Dauerrede, jedes Gesetz scheitern lassen kann - es sei denn, den Demokraten gelingt es, 60 Stimmen zu mobilisieren. So viele sind notwendig, um einen Filibuster zu beenden. Doch diese 60 Stimmen haben die Demokraten derzeit nicht, da es auch in ihren Reihen viele Senatoren gibt, die erhebliche Vorbehalte gegen den Gesetzentwurf haben.
Der Weg bleibt lang und steinig
Sicherlich wird sich eine Finanzkrise auch in Zukunft nie ganz verhindern lassen. Übertreibungen wird es immer geben, und Finanzmarktakteure werden weiter versuchen, strenge Regulierungen zu umgehen. Zudem weisen beide Gesetzesvorschläge zahlreiche Probleme auf. Das Thema too big to fail wird zwar adressiert, was genau im Falle eines Konkurses geschehen soll, bleibt aber offen. Auch wird das Problem sich überlappender Regulierungskompetenzen nicht gelöst, indem eine neue Behörde geschaffen, andere aber nicht zusammengelegt werden.
Und dennoch: Sowohl die Administration als auch der Kongress haben Lernfähigkeit bewiesen. Sie schlagen eine umfassende Regulierungsreform vor, wie es sie seit der Präsidentschaft Franklin D. Roosevelts in den 1930er Jahren nicht mehr gegeben hat. Die geplante Reform würde für mehr Transparenz und eine stärkere Überwachung systemrelevanter Institute sorgen, Regeln für eine geordnete Abwicklung von Banken in der Krise etablieren und einen besseren Konsumentenschutz gewährleisten. Die Vorschläge belegen die Entschlossenheit Obamas, gravierende Systemfehler und Aufsichtslücken zu beheben. Damit unterscheidet er sich deutlich von seinen Vorgängern.
Doch der Weg zu einer umfassenden Reform bleibt lang und steinig. Umfang und Stoßrichtung der Reformen können sich angesichts der starken Widerstände noch einmal erheblich verändern. Mit einer endgültigen Entscheidung ist erst im Frühjahr 2010 zu rechnen. Bis dahin bleibt die Frage offen, ob Obama tatsächlich Architekt einer wirklich neuen Finanzordnung wird.
Der vorliegende Artikel basiert auf einer Studie mit Danko Knothe, Abschied vom Benign Neglect? Auf dem Weg zu einer neuen Finanzmarktordnung in den USA (SWP-Studie 20/09), Berlin 2009.