Vor einem Jahr wurde Barack Obama als 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Sein Antritt versprach nicht nur einen Politikwechsel, sondern auch einen Wandel der kommunikativen Kultur im Weißen Haus. Insbesondere in Europa wurde sein Wahlsieg offen bejubelt - das Ende der Amtszeit George W. Bushs ließ Obamas Stern noch heller leuchten. Die Dynamik, mit der er viele drängende Probleme schon bald beherzt auf die politische Agenda hob, schien die übertriebenen Hoffnungen in seine Person zu rechtfertigen.
Ob Wirtschaftskrise, Klimawandel, die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan, die Zukunft des Gefangenenlagers Guantanamo Bay, die Wiederbelebung des Friedensprozesses im Nahen Osten oder Schritte zur Versöhnung mit der islamischen Welt: Obama schien fest entschlossen, das Notwendige zu tun und dabei die Verbündeten wieder stärker einzubeziehen - und in die Pflicht zu nehmen. Sein Einsatz für die internationale Zusammenarbeit und insbesondere seine Vision einer atomwaffenfreien Welt wurden gar mit dem Friedensnobelpreis honoriert. Doch das "Obama-Fieber" hat sich inzwischen deutlich abgekühlt, vor allem in den USA selbst. Und seine rhetorische Brillanz wird ihm bisweilen zur Last gelegt: Außer schöner Reden sei bislang nicht viel passiert.
Dabei wird offenbar übersehen, dass auch ein US-Präsident nicht in der Lage ist, die Geschicke der heutigen multipolaren Welt allein zu bestimmen. Ohne Kooperation mit den anderen großen und aufstrebenden Mächten wird sich keines der globalen Probleme lösen lassen. Innenpolitisch ist Obamas Handlungsspielraum ohnehin begrenzt: Die zähen Debatten um die Reform des Gesundheitssystems haben gezeigt, dass selbst Senatoren aus den eigenen Reihen dem Präsidenten harte Kompromisse abverlangen. Bei allen Bewertungen Obamas sollte eines schließlich nicht aus dem Blick geraten: Drei Viertel seiner (ersten) Amtszeit liegen noch vor ihm.