Einleitung
Obwohl die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union (EU) erst 2008 einem "Gesundheitscheck" unterzogen und geringfügig modifiziert wurde, sind die Diskussionen über die nächste Reform der GAP bereits in vollem Gange. Wichtige Entscheidungen stehen bevor, wie die Agrarpolitik in der nächsten Finanzperiode der EU (2014 - 2020) aussehen wird. Wichtig sind diese Entscheidungen nicht nur für die Akteure der Agrar- und Ernährungswirtschaft, sondern auch für Steuerzahler und Verbraucher. Die Agrarpolitik ist seit Jahrzehnten der am stärksten vergemeinschaftete Politikbereich der EU. Die wesentlichen Entscheidungen über die Ausgestaltung der Agrarpolitik in Deutschland fallen daher auf EU-Ebene.
Dies trifft insbesondere für die Agrarmarkt- und -preispolitik sowie die ursprünglich als Ausgleich für Preissenkungen eingeführten direkten Einkommenszahlungen an Landwirte zu (diese Politikbereiche bilden die 1. Säule der GAP). Im Bereich der Politik für ländliche Räume, der so genannten 2. Säule der GAP,
Die Agrarumweltpolitik in Deutschland wird damit einerseits stark von Vorgaben der EU beeinflusst. Andererseits bestehen aber Spielräume, wie die Mitgliedstaaten den Rahmen nutzen und in nationales Recht umsetzen. In einzelnen Bereichen wie dem Bodenschutz liegen die Kompetenzen bis heute vollständig bei den Mitgliedstaaten. Die Agrarsozialpolitik ist der einzige für die Landwirtschaft bedeutende Bereich, in dem nahezu ausschließlich der Bund zuständig ist.
Ziele der Agrarpolitik
Die gesetzlich proklamierten Ziele der Agrarpolitik sind in Deutschland seit mehr als 50 Jahren unverändert im Landwirtschaftsgesetz von 1955 festgeschrieben. Aus § 1 lassen sich folgende Ziele ableiten: a) Teilnahme der Landwirtschaft an der volkswirtschaftlichen Entwicklung; b) bestmögliche Versorgung der Bevölkerung mit Ernährungsgütern; c) Ausgleich der naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile der Landwirtschaft; d) Steigerung der Produktivität; e) Angleichung der sozialen Lage der in der Landwirtschaft Tätigen an die vergleichbarer Berufsgruppen ("Paritätsziel"). In ähnlicher Weise wurden 1957 in den Römischen Verträgen (EWG-Vertrag) in Artikel 39 die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik proklamiert: a) Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts; b) Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung der in der Landwirtschaft Tätigen durch die Steigerung der Produktivität; c) Stabilisierung der Märkte; d) Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung; e) Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen. Diese Ziele wurden unverändert in den Vertrag von Lissabon übernommen.
Es verwundert nicht, dass in den 1950er Jahren Umwelt-, Natur- und Tierschutz sowie der Verbraucherschutz nicht zum Zielkatalog der Agrarpolitik gehörten. Aus heutiger Sicht kommt ihnen dagegen wichtige Bedeutung für die Agrarpolitik zu. Dass die im Landwirtschaftsgesetz bzw. den Römischen Verträgen festgelegten Ziele der Agrarpolitik seit mehr als einem halben Jahrhundert nicht verändert wurden, dürfte einerseits daran liegen, dass ihre Bedeutung für die Ausgestaltung der Agrarpolitik im Zeitablauf abgenommen hat. Andererseits legt beispielsweise der Vertrag von Lissabon fest, dass bei der Festlegung und Durchführung der Politiken der Union - und damit auch der GAP - den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere in vollem Umfang Rechnung zu tragen ist. Ähnliches gilt auch bezüglich des Verbraucher- und des Umweltschutzes. Das Landwirtschaftsgesetz soll laut Koalitionsvertrag in dieser Legislaturperiode novelliert werden: "Wir werden das Landwirtschaftsgesetz in Richtung eines modernen Gesetzes für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum weiterentwickeln und das Ziel einer flächendeckenden, nachhaltigen Landbewirtschaftung in Deutschland festschreiben."
Entwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik
Die Gewichte der proklamierten und der impliziten Ziele der Agrarpolitik haben sich im Laufe der Zeit verschoben. Die "Geschichte der Agrarpolitik in der Europäischen Union (...) ist eine Geschichte der Reformen",
"Milchseen", "Butter-" und "Getreideberge" sind Metaphern, welche die Öffentlichkeit in den späten 1970er und den 1980er Jahren mit der Agrarpolitik verband, ebenso wie ausufernde Agrarausgaben und subventionierte Agrarexporte mit negativen Auswirkungen auf die Erzeuger in Entwicklungsländern. Dies alles waren Folgen der stark gestiegenen (Überschuss-)Produktion. Diese Metaphern haben seit mehr als einem Jahrzehnt ihre Berechtigung verloren; "Milchseen", "Butterberge" und "Getreideberge" existieren schon lange nicht mehr. Exportsubventionen haben stark an Bedeutung verloren und sollen nach 2013 nicht mehr eingesetzt werden. In den 1980er Jahren wurden von der Gesellschaft zunehmend negative ökologische Auswirkungen der Intensivierung und regionalen Spezialisierung der Landwirtschaft wahrgenommen, in Deutschland insbesondere, nachdem der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) 1985 das Sondergutachten "Umweltprobleme der Landwirtschaft" veröffentlicht hatte.
Als Reaktion auf die mit den "Krisenjahren" verbundenen Probleme, aber auch im Hinblick auf die laufenden Verhandlungen zur Liberalisierung der Agrarmärkte im Rahmen der Uruguay-Runde des GATT (General Agreement on Tariffs and Trade, der Vorläufereinrichtung der Welthandelsorganisation WTO/World Trade Organization) setzte der irische Agrarkommissar Ray MacSharry 1992 eine wegweisende Reform der europäischen Agrarpolitik durch, die einen ersten Schritt weg von einer einkommensorientierten Preispolitik hin zu einer am Markt orientierten Agrarpolitik darstellte. Interventionspreiskürzungen von 35 Prozent bei Getreide gingen einher mit der Einführung von flächengebundenen Preisausgleichszahlungen und einer obligatorischen Flächenstilllegung. Als flankierende Maßnahme wurde unter anderem die Förderung umweltgerechter Produktionsverfahren in die GAP eingeführt.
Mit der 1999 beschlossenen Agenda 2000, die unter anderem der Vorbereitung der EU auf die Osterweiterung diente, wurde dieser Reformweg einer stärkeren Marktorientierung (Kürzung von Interventionspreisen) und einer Einkommensstützung über direkte Einkommenstransfers (die nun nicht mehr Preisausgleichs-, sondern Direktzahlungen genannt werden) fortgesetzt. Die Politik zur ländlichen Entwicklung wurde als 2. Säule der GAP aufgewertet und fasst Agrarstruktur- und Agrarumweltmaßnahmen sowie über den Agrarsektor hinausgehende Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung zusammen.
Die Luxemburger Beschlüsse von 2003 ("Halbzeitbewertung der GAP") setzen den Rahmen für die GAP bis 2013. Wichtige Elemente sind weitere Kürzungen von Interventionspreisen bei gleichzeitiger Erhöhung und weitgehender Entkopplung der bisher noch an die Produktion gebundenen Direktzahlungen, die Bindung der Direktzahlungen an die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (Cross Compliance)
Wie in den Luxemburger Beschlüssen vorgesehen, erfolgte 2008 eine "Gesundheitsprüfung" (Health Check) der GAP. Wichtige Ergebnisse sind Maßnahmen im Milchbereich, mit denen eine "weiche Landung" bis zur 2015 erfolgenden Abschaffung der Milchquote erreicht werden sollen, ferner eine allgemeine Erhöhung der Modulation und die Einführung einer progressiven Modulation (überproportionale Kürzung der Direktzahlungen für Großbetriebe). Die durch die Health-Check-Beschlüsse aus der 1. in die 2. Säule umgeschichteten Finanzmittel müssen für die sogenannten "neuen Herausforderungen" verwendet werden, das heißt für Maßnahmen in den Bereichen Klimawandel, Erneuerbare Energien, Wassermanagement, biologische Vielfalt und Begleitmaßnahmen im Milchsektor.
Die Abbildung (s. Abbildung der PDF-Version) spiegelt die zunehmende Marktorientierung der GAP wider. Bis zur MacSharry-Reform entfielen deutlich über 90 Prozent der EU-Agrarausgaben auf Exportsubventionen und sonstige Marktstützung (staatlicher Aufkauf von Überschüssen), also auf Instrumente, welche die Überschussproduktion stimuliert haben, handelsverzerrend wirkten und Anreize für eine über das gesellschaftlich gewünschte Maß hinausgehende Nutzung von Umweltressourcen setzten. Die Reformen seit den 1990er Jahren waren mit der Reduzierung der staatlichen Preisstützung und einer Angleichung an das Niveau auf den Weltagrarmärkten verbunden. Als Ausgleich wurden Direktzahlungen eingeführt, auf die 2008 rund 70 Prozent aller EU-Agrarausgaben entfielen. Während die Direktzahlungen anfänglich an die Produktion gekoppelt waren (z.B. an die Getreidefläche oder die Anzahl an Mutterkühen), ist dies seit 2005 zunehmend nicht mehr der Fall, was zu einer gewünschten stärkeren Orientierung der landwirtschaftlichen Produktion an die Marktnachfrage führt. Sonstige Marktstützungen und Exportsubventionen machten 2008 nur noch zehn Prozent aus. Zugenommen hat in den vergangenen Jahrzehnten die Bedeutung von Maßnahmen der Politik zur ländlichen Entwicklung: Auf sie entfiel 2008 ein Fünftel der EU-Agrarausgaben.
Der Anteil der EU-Agrarausgaben am Gesamthaushalt ging in den vergangenen 20 Jahren von rund 75 auf 44 Prozent zurück und wird 2013 bei weniger als 40 Prozent liegen.
Die seit Anfang der 1990er Jahre erfolgte Abkehr von der "alten", einkommensorientierten Agrarpreispolitik hin zu einer stärker markt- und wettbewerbsorientierten Agrarpolitik mit direkten, von der aktuellen Produktion entkoppelten Einkommenstransfers ist grundsätzlich positiv zu sehen. Die Reformen der vergangenen beiden Jahrzehnte haben geholfen, Preisverzerrungen abzubauen, zu einer besseren Faktorallokation beizutragen und Wohlfahrtsverluste zu reduzieren. Sie haben den Weg zu einer Liberalisierung der Weltagrarmärkte und einer Angleichung der Agrarpreise in der EU an das Weltmarktniveau geebnet. Sie haben die Transfereffizienz erhöht, da die Stützung landwirtschaftlicher Einkommen über entkoppelte Direktzahlungen wirksamer als über gestützte Erzeugerpreise erfolgen kann.
Dass solche Reformen nicht schon eher umgesetzt wurden - produktungebundene, zeitlich befristete, direkte Einkommenszahlungen wurden bereits im sogenannten Professorengutachten von 1962 empfohlen
Politik zur Entwicklung ländlicher Räume in Deutschland
Im Gegensatz zur 1. Säule der GAP kommt bei der 2. Säule, der Politik zur Entwicklung ländlicher Räume, den Mitgliedstaaten - in Deutschland den Bundesländern - eine gewichtige Rolle bei der Formulierung, Finanzierung und Umsetzung der Politik zu. Die EU gibt mit der Verordnung zur "Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)"
Die 2. Säule der GAP ist der Politikbereich, der die Förderung der Entwicklung ländlicher Räume explizit im Namen führt. Allerdings nehmen auch Maßnahmen aus anderen Politikbereichen Einfluss auf die Entwicklung ländlicher Räume. Dies wird beispielsweise durch das im April 2009 verabschiedete "Handlungskonzept der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der ländlichen Räume"
Die Politik zur ländlichen Entwicklung wird vielfach kritisiert. So mahnen der Wissenschaftliche Beirat Agrarpolitik beim BMELV und die OECD beispielsweise an, die Politik zur ländlichen Entwicklung stärker territorial und problemorientiert und weniger stark auf den Sektor Landwirtschaft auszurichten.
Agrarumwelt- und Agrarsozialpolitik
Die Agrarumweltpolitik in Deutschland wird einerseits stark von Vorgaben der EU beeinflusst - etwa der ELER-VO, was die Förderung umweltfreundlicher Produktionsverfahren betrifft, der Nitrat- und Wasserrahmenrichtlinie, was den Gewässerschutz, oder der Flora-Fauna-Habitat (FFH)- und der Vogelschutzrichtlinie, was den Naturschutz betrifft (Natura 2000). Andererseits bestehen aber Spielräume, wie die Mitgliedstaaten den Rahmen nutzen und in nationales Recht umsetzen. In einzelnen Bereichen wie dem Bodenschutz liegen die Kompetenzen bis heute vollständig bei den Mitgliedstaaten.
In der GAP haben Agrarumweltmaßnahmen seit Anfang der 1990er Jahre stark an Bedeutung gewonnen. Diese setzen Landwirten, die freiwillig an solchen Maßnahmen teilnehmen, finanzielle Anreize, umweltfreundlicher zu produzieren, als es das bestehende Ordnungsrecht erfordert. Gleichzeitig wurde in den vergangenen Jahrzehnten das Ordnungsrecht verschärft, wobei oftmals ein Vollzugsdefizit beklagt wird. Durch die Einführung von Cross Compliance hat sich diese Situation tendenziell verbessert, da Verstöße gegen das Fachrecht, soweit es bei Cross Compliance einbezogen ist, Kürzungen der Direktzahlungen nach sich ziehen können.
Wie für die Sozialpolitik allgemein, so gilt auch für die Agrarsozialpolitik, dass diese nahezu ausschließlich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt. In Deutschland ist hierbei von Bedeutung, dass die Absicherung der Risiken Alter, Krankheit und Unfall für landwirtschaftliche Unternehmen und mitarbeitende Familienangehörige nicht im Rahmen der allgemeinen Sozialversicherungssysteme erfolgt, sondern durch Sondersysteme (landwirtschaftliche Alterssicherung, landwirtschaftliche Krankenversicherung, landwirtschaftliche Unfallversicherung). 70 Prozent (3,7 Milliarden Euro) des gesamten Agrarhaushalts des Bundes (5,29 Milliarden) entfielen 2009 auf die Agrarsozialpolitik.
Als schrumpfender Sektor weist die Landwirtschaft seit Jahrzehnten eine Verringerung der Anzahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten von etwa 2,5 bis drei Prozent pro Jahr aus.
Neben der Agrarpolitik haben weitere Politikfelder an Bedeutung für die Landwirtschaft in Deutschland gewonnen. Beispielsweise hat die Energiepolitik mit der 2004 erfolgten Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu einem Boom in der Erzeugung von Biogas geführt.
Vorschläge für die GAP nach 2013
Die Diskussionen über die Ausgestaltung der GAP nach 2013 gewinnen an Fahrt. Für die zweite Jahreshälfte 2010 ist eine diesbezügliche formale Mitteilung der Kommission zu erwarten; Legislativvorschläge der Kommission könnten Mitte 2011 folgen. Wichtige Hinweise auf die künftige Ausgestaltung der Agrarpolitik sind auch von der 2010 erfolgenden Überprüfung des EU-Haushalts zu erwarten. Allgemein wird erwartet, dass der Anteil der Agrarausgaben am EU-Haushalt in der Finanzperiode 2014 bis 2020 weiter zurückgehen wird.
Im Mittelpunkt der Reformdiskussionen steht die Zukunft der Direktzahlungen, auf die 2008 rund 70 Prozent aller EU-Agrarausgaben entfielen. Sie werden auch deshalb kontrovers diskutiert, weil ihre ursprüngliche Legitimation als Einkommensausgleich für Preiskürzungen umso mehr schwindet, je länger diese Preiskürzungen zurückliegen, und die in der politischen Rhetorik zunehmend betonte "neue" Legitimierung durch Cross Compliance wenig überzeugt, solange die einzuhaltenden Standards nur unwesentlich über das geltende Fachrecht hinausgehen.
Für die Diskussion um die Zukunft der Direktzahlungen ist ebenfalls wichtig, dass insbesondere die neuen Mitgliedstaaten darauf drängen, dass ihre pro Hektar deutlich niedrigeren Direktzahlungen an das Niveau der alten Mitgliedstaaten angeglichen werden.
Mittlerweile liegt aus der Politik, der Wissenschaft und von Verbänden eine Vielzahl von Studien und Empfehlungen für die künftige Ausgestaltung der GAP vor. Auch wenn sie sich in ihren Aussagen zum Teil deutlich voneinander unterscheiden, so ist ihnen zweierlei gemeinsam: Zum einen fordert niemand die Rückkehr zur "alten" Agrarpolitik der 1980er Jahre; zum anderen soll die Entlohnung der Landwirtschaft für die von ihr erbrachten gesellschaftlich erwünschten, nicht marktgängigen Leistungen grundsätzlich ein wichtiger Bestandteil der Agrarpolitik sein. Bei Letzterem bestehen große Unterschiede, wenn es um die Konkretisierung geht: Was ist unter diesen Leistungen, die oft auch als Gemeinwohlleistungen oder im wirtschaftswissenschaftlichen Sinne als öffentliche Güter bezeichnet werden, zu verstehen?
Genannt werden Ernährungssicherung, Umweltleistungen (Biodiversität, Gewässerschutz), Erhalt der Kulturlandschaft, Beitrag zu vitalen ländlichen Räumen und anderes. Welchen Wert misst die Gesellschaft ihnen bei?
Von der Bundesregierung oder dem BMELV gibt es bisher keine abgestimmte Position zur GAP nach 2013, so dass offizielle Äußerungen eher vage sind: "Aus Sicht der Bundesregierung muss die Agrarpolitik den mit den Reformen von 2003 begonnenen Weg zu mehr Marktorientierung, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit fortsetzen."
Die niederländische Regierung dagegen hat sich bereits 2008 in ihrem Positionspapier "Grundriss der europäischen Agrarpolitik 2020" für drastische Veränderungen ausgesprochen. Sie befürwortet einen "fließende(n) Übergang vom heutigen System der Einkommensbeihilfen und der Marktstützung zum erwünschten neuen System der Vergütung gesellschaftlich relevanter Leistungen und der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und der Nachhaltigkeit"
Die "Steigerung der ökonomischen Effizienz und der Wettbewerbsfähigkeit" der Landwirtschaft lasse sich am besten über funktionierende Märkte erreichen. Handlungsbedarf auf EU-Ebene sehen die Autoren nur im Bereich der Förderung von Forschung und Entwicklung als Teil der EU-Forschungspolitik. Die "Sicherung der Nahrungsmittelversorgung" sei aufgrund der Kaufkraft innerhalb der EU generell gegeben. Im Falle sehr hoher Agrarpreise könnte armen Bevölkerungsschichten, wenn notwendig, über sozialpolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten geholfen werden. "Öffentliche Mittel für den Kampf gegen Hunger und Armut in der Welt sollten besser dafür verwendet werden, Agrarforschung und Infrastruktur in den Entwicklungsländern zu fördern, statt das Geld europäischen Landwirten zu geben."
Im Bereich der GAP rechtfertige das Ziel "Sicherstellung der Ernährungssicherung" lediglich Maßnahmen, welche die Produktionskapazitäten der europäischen Landwirtschaft so erhalten, dass sie im Falle dauerhafter Knappheit leicht aktiviert werden können. "Einkommensumverteilung" im Sinne einer gesellschaftlich gerechteren Einkommensverteilung lässt sich durch agrarpolitische Maßnahmen nicht zielgerichtet erreichen. "Öffentliche Hilfe sollte daher auf Haushalte mit niedrigen Einkommen und Vermögen konzentriert werden, unabhängig vom Sektor, in dem sie tätig sind."
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) spricht sich in seiner im November 2009 verabschiedeten Stellungnahme "Für eine zeitgemäße Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)" für eine Weiterentwicklung der GAP zu einer "ökologisch orientierten Agrarpolitik" aus, "indem die Verteilung von finanziellen Mitteln eng an die Bereitstellung öffentlicher Güter gekoppelt wird".
Andere agrarpolitisch relevante Bereiche wie die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit werden zwar als "zentrale Ansatzpunkte für Reformen"
In einer für den Thinktank Notre Europe erstellten Studie wird ein dreistufiges Vertragszahlungssystem vorgeschlagen.
Ein ähnliches, auf Alois Heißenhuber zurückgehendes Modell enthält in der ersten Stufe neben einer entkoppelten Flächenprämie und einer Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete auch eine Prämie für bodengebundene Tierhaltung als "Grundvergütung für Leistungen, die die europäische Landwirtschaft vom Weltmarkt abheben".
Zwischenfazit zur Weiterentwicklung der GAP
Diese hier beispielhaft aufgeführten Studien und Empfehlungen
Weit auseinander liegen die Positionen bei der Frage, welche Gemeinwohlleistungen überhaupt entlohnt werden sollen, inwieweit dies in den Kompetenzbereich der EU oder eher der Mitgliedstaaten fallen sollte und welche Rolle die bisherigen Direktzahlungen hierbei leisten können und sollten. Die Vorschläge reichen von einer langfristigen Abschaffung der Direktzahlungen und einer gezielten Entlohnung nur derjenigen öffentlichen Leistungen, die eindeutig über einzelne Mitgliedstaaten hinausgehende Auswirkungen haben (beispielsweise der Klimaschutz und Biodiversität), bis hin zu einer weitgehend unveränderten Beibehaltung der bestehenden Direktzahlungen, die dann nur als Entgelt für Gemeinwohlleistungen umetikettiert würden. Unterschiedlich sind die Meinungen auch darüber, ob die Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität in ländlichen Räumen und zur Förderung der Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft Teil der 2. Säule der GAP bleiben oder zur Regionalpolitik der EU verlagert werden sollen.
Aus ökonomischer Sicht spricht vieles dafür, die von der Landwirtschaft erbrachten, nicht marktgängigen Leistungen durch spezifische Instrumente wie Agrarumweltmaßnahmen zu honorieren. Das heutige System der Direktzahlungen, die ursprünglich als Preisausgleichzahlungen eingeführt wurden, stellt hierfür kein geeignetes Instrument dar. Landwirte brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Die Beschlüsse zur GAP nach 2013 sollten daher einen Anstieg der Mittel zur gezielten Honorierung von Gemeinwohlleistungen vorsehen und einen schrittweisen Abbau der flächendeckenden Direktzahlungen einleiten mit dem langfristigen Ziel des (nahezu) vollständigen Abbaus. Vielfach werden höhere Standards in der EU im Vergleich zu anderen Wettbewerbern auf den Weltagrarmärkten als Argument für die bestehenden Direktzahlungen angeführt.
Dieses Argument steht indes auf tönernen Füßen: Die in der EU geltenden Produktstandards müssen auch von importierten Erzeugnissen erfüllt werden, so dass sich das Argument nur auf höhere Produktionsstandards beziehen kann, die sich nicht im Produkt manifestieren. Vergleichende Untersuchungen für ausgewählte Länder und Produkte deuten darauf hin, dass die aus höheren Umweltstandards resultierenden zusätzlichen Produktionskosten in der EU relativ gering sind und allenfalls sehr geringe Direktzahlungen pro Hektar rechtfertigen könnten.
Eine Flächenprämie als pauschales Entgelt für den Erhalt einer flächendeckenden Landbewirtschaftung bzw. für den Erhalt der Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand kann in den Regionen gerechtfertigt sein, wo diese Flächen ansonsten brach fallen würden und nach einiger Zeit nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden könnten. Die Flächenprämie sollte sich dann nach den Kosten der Offenhaltung der Flächen (z.B. durch Mulchen)
Die finanzielle Ausstattung der GAP nach 2013 einschließlich der Politik zur Entwicklung ländlicher Räume sollte sich an Zielen, Konzepten und alternativen Mittelverwendungen bemessen. Eine Umschichtung von Mitteln aus der 1. in die 2. Säule (Modulation) erübrigt sich dann. Dies beugt auch unbegründeten Erwartungen vor, dass in die 2. Säule umgeschichtete Mittel notwendigerweise an Landwirte zurückfließen sollten ("Bauerngeld in Bauernhand"). Die bisherigen Diskussionen über die GAP nach 2013 und die Erfahrungen mit früheren Agrarreformen zeigen, dass die Auswirkungen von Reformen auf die (Um-)Verteilung der EU-Agrarausgaben zwischen den Mitgliedstaaten oftmals stärker im Mittelpunkt stehen, als es für eine optimale Politikausgestaltung wünschenswert ist.
Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gilt für die GAP das ordentliche Gesetzgebungsverfahren,
Welchen Einfluss diese institutionelle Änderung auf die Ausgestaltung der GAP nach 2013 hat, bleibt abzuwarten. Möglicherweise wird das Europäische Parlament stärker die Interessen aller Wählerinnen und Wähler berücksichtigen, als dies der Agrarministerrat tut. Entscheidungen werden transparenter getroffen, da diese nun nicht mehr wie in der Vergangenheit oft geschehen in einer langen Nachtsitzung vom Rat alleine getroffen werden können. Insgesamt könnte so den Präferenzen der landwirtschaftlichen Wähler ein geringeres Gewicht bei den Entscheidungen über die GAP nach 2013 zukommen.
Fazit
In den nächsten beiden Jahren werden die Weichen dafür gestellt, wie die Agrarpolitik in Deutschland, die wesentlich durch die Gemeinsame Agrarpolitik der EU bestimmt wird, für den Zeitraum von 2014 bis 2020 aussehen wird. Vieles spricht dafür, dass der mit der MacSharry-Reform 1992 begonnene positive Reformweg weiter beschritten wird.
Abzuwarten bleibt, welchen Einfluss die institutionelle Änderung, dass das Europäische Parlament nun neben dem Agrarministerrat gleichberechtigtes Entscheidungsorgan ist, auf die Ausgestaltung der GAP nach 2013 haben wird. Wenn es zu einer Kürzung von Mitteln im Bereich der heutigen 1. Säule - was sehr wahrscheinlich ist - und einer Aufwertung von Maßnahmen zur gezielten Honorierung von Gemeinwohlleistungen, die derzeit in der 2. Säule der GAP verortet sind, kommt, erweitert dies den nationalen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten und in Deutschland den der Bundesländer.