Einleitung
Es erscheint uns heute nahezu unsinnig, abzustreiten, dass es Entwicklung gibt, oder das Konzept als bedeutungslos zu verwerfen, gerade so wie es im 19. Jahrhundert schlichtweg unmöglich gewesen sein muss, das Konzept Zivilisation abzulehnen oder im zwölften Jahrhundert das Konzept Gott."
Als Beginn des Entwicklungsdiskurses wird oftmals die zweite Antrittsrede von US-Präsident Harry S. Truman im Jahr 1949 genannt, in der er versprach, den Menschen in den "unterentwickelten Gebieten" durch Kapitalinvestitionen und technischen Fortschritt zu einem besseren Leben zu verhelfen. Natürlich ist das Konzept der Entwicklung weit älter und lässt sich über den Colonial Development Act aus dem Jahr 1929 über Comte und die Saint-Simonisten bis hin zu Herder und Kant und sogar bis in die griechische Antike zurückverfolgen. Doch politisch wirkmächtig wurde das Konzept erst nach dem Zweiten Weltkrieg, im Kontext des Kalten Krieges und der Dekolonisierung - und den sich daraus ergebenden geopolitischen und außenwirtschaftlichen Interessen der USA und ihrer Verbündeten.
Wenn an dieser Stelle von einem Diskurs der "Entwicklung" die Rede ist, so ist damit eine Struktur in der Art und Weise, über einen Gegenstand zu sprechen, gemeint. Diese Struktur ist mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen verflochten. Sie verknüpft bestimmte Begriffe mit bestimmten Inhalten und Assoziationen und stellt bestimmte Aussagen und Argumentationsmuster zur Verfügung. Auf diese Weise konstruiert sie die soziale Wirklichkeit und, über entsprechende Wertvorstellungen und Bilder vom Eigenen und Fremden, auch unsere Identitäten. Die Regelhaftigkeit des Diskurses wird jedoch nicht nur auf der inhaltlichen Ebene sichtbar, sondern auf einer abstrakteren Ebene auch darin, wie bestimmte Gegenstände und Begriffe gebildet werden.
Inhaltlich bezieht sich der hier thematisierte Diskurs auf Prozesse sozialen Wandels und Interventionen zu seinen Gunsten in nichtindustrialisierten Gesellschaften. Sicherlich ist der Entwicklungsdiskurs ein durchaus heterogenes Phänomen, doch die tiefgreifenden (und durchaus relevanten) theoretischen und politischen Differenzen (so zwischen Modernisierungs- und Dependenztheorien) sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hinsichtlich der Problemdefinition und der Ziele und auch hinsichtlich anderer Annahmen einen weitgehenden (wenn auch nicht vollständigen) Konsens in der entwicklungstheoretischen und -politischen Debatte gab.
Dies gilt jedoch allenfalls bis zur Krise der Entwicklungstheorie in den 1980er Jahren. Seither ist eine Reihe von neuen Konzepten aufgetaucht, die einige der gemeinsamen Annahmen in Frage stellen und es erlauben, von einer Transformation des Entwicklungsdiskurses zu sprechen. Im Rahmen dieser Krise bildete sich unter dem Namen "Post-Development" auch ein neuer Ansatz heraus, der den Entwicklungsdiskurs fundamental in Frage stellt, also nicht zu einer verbesserten Entwicklungstheorie und -praxis beitragen will, sondern ihre Abschaffung fordert.
Konstrukt "Entwicklung" ist eurozentrisch
Der Entwicklungsdiskurs geht in der Regel von nationalstaatlich abgegrenzten Gesellschaften aus (Wallerstein und ähnliche Ansätze bilden hier eine partielle Ausnahme), die sich in "entwickelte" und "unterentwickelte" einteilen lassen (teilweise werden letztere auch als "Entwicklungs-" oder "sich entwickelnde" Länder bezeichnet). Diese Zweiteilung geht von einer universellen Entwicklungsskala aus und begreift die historischen Prozesse sozialen Wandels in Westeuropa und Nordamerika (und Japan) als menschheitsgeschichtlichen Fortschritt. "Entwicklung" ist hierbei normativ positiv konnotiert.
Diese Denkfigur konzipiert andere Gesellschaften als rückständige Vorstufen der eigenen und impliziert eine Fortsetzung kolonialen Überlegenheitsdenkens. Henning Melber spricht hierbei von einer "Verzeitlichung des räumlichen Nebeneinander", Ashis Nandy analog von einer "Umwandlung geokultureller Differenzen in historische Stadien".
Hier sind deutliche Kontinuitäten zum kolonialen Diskurs erkennbar: Das Projekt der "Zivilisierung der Unzivilisierten" wurde in der Nachkriegszeit abgelöst durch das der "Entwicklung der Unterentwickelten".
Aber, so mag man einwenden, steckt in dieser Denkfigur nicht ein wahrer Kern? Sind nicht in einigen Ländern Ostasiens die Prozesse sozialen Wandels, die historisch in Westeuropa und Nordamerika stattfanden, erfolgreich nachgeahmt worden? Und kann man nicht mit Fug und Recht den Standpunkt vertreten, dass die Menschen in diesen Ländern einen höheren Lebensstandard genießen als in Subsahara-Afrika, und dass daher das Vorantreiben dieser Prozesse - auch im Sinne einer Orientierung am westlichen Vorbild - z.B. im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ein ethisch durchaus hochwertiges Unterfangen ist? Als Kronzeugen für eine solche Position heranführen ließen sich Ulrich Menzel und Wolfgang Zapf.
Dem sind folgende Punkte entgegenzuhalten: Erstens sind die erwähnten Prozesse sozialen Wandels unter spezifischen historischen Umständen zustande gekommen, die sich nicht ohne weiteres auf andere Länder mit anderen Voraussetzungen und in einer anderen weltwirtschaftlichen Konstellation verallgemeinern lassen. (Ein plausibler Grundgedanke der Weltsystemtheorie ist, dass, auch wenn manche Länder aus der Peripherie in die Semi-Peripherie oder ins Zentrum aufsteigen, dies jedoch niemals für alle Länder möglich sein wird.) Davon abgesehen lässt die ökologische Bilanz der Industriegesellschaften ihren angenommenen Vorbildcharakter als überaus fragwürdig erscheinen: Das westliche Gesellschaftsmodell ist aus dieser Perspektive nicht verallgemeinerbar.
Doch nicht nur die Frage der Möglichkeit einer solchen Universalisierung, auch die der Wünschbarkeit steht zur Debatte. Die Annahme, dass die "entwickelten" Industriegesellschaften anderen überlegen sind, beruht auf bestimmten Indikatoren wie Bruttoinlandsprodukt und Pro-Kopf-Einkommen (PKE) (die hinsichtlich eines "guten Lebens" nur sehr begrenzt aussagefähig sind), seit einiger Zeit (im Rahmen des Human-Development-Index) auch auf Lebenserwartung und Schulbildung. Nun sind aber durchaus andere Kriterien einer "guten Gesellschaft" denkbar: Wie steht es mit sozialer Gleichheit, sozialem Zusammenhalt und Selbstmordraten, Gastfreundschaft und Rassismus, Sexismus, dem Umgang mit Alten oder Behinderten? Wie mit dem Ressourcenverbrauch und dem Verhältnis zur Natur? Ist für die vorherrschende Lebensweise die Instrumentalisierung anderer Gesellschaften im Rahmen einer neokolonialen Arbeitsteilung notwendig? Auf der Grundlage dieser Indikatoren fiele eine Aufrechterhaltung des Überlegenheitsanspruchs "entwickelter" Gesellschaften schwerer. Entscheiden sollten jedoch generell die Betroffenen.
Konstrukt "Entwicklung" ist entpolitisierend
Die Statistiken des World Development Report weisen jedem Land auf der Grundlage des PKE einen Rang auf der universellen Entwicklungsskala zu. Dadurch wird suggeriert, das Land habe einen gewissen "Entwicklungsstand" erreicht, der etwas über Wohlstand und Lebensqualität der Bevölkerung aussagt. Soziale Ungleichheit und die Unterschiede im Lebensstandard zwischen Villenviertel und Favela bleiben in dieser Darstellung durch die Wahl von Analyseebene und Durchschnittswerten außen vor - da hilft es wenig, wenn unter ferner liefen auch noch der Gini-Koeffizient (ein statistisches Maß zur Bestimmung von Einkommensverteilung) erwähnt wird.
"Entwicklung" erscheint als etwas, was der ganzen Gesellschaft zugute kommt. Damit hängt zusammen, dass im Entwicklungsdiskurs in seiner dominanten Ausprägung soziale Probleme in den entsprechenden Ländern grundsätzlich als "Entwicklungsprobleme" konzipiert werden, also als Probleme, die mit einem Mangel an Kapital, Technologie, Know-how, Produktivität, Wissen oder Institutionen zusammenhängen und durch Projekte, Politiken oder Programme der "Entwicklung" behoben werden können. Entwicklungspolitische Maßnahmen dienen in dieser Sichtweise der Verbesserung des Lebensstandards der Menschen in diesem Land und somit dem Allgemeinwohl. Diese Sichtweise erlaubt es Entwicklungsorganisationen, sich als unpolitisch zu verstehen.
Eine alternative Sichtweise, die die entsprechenden Probleme als Konsequenz von Machtasymmetrien, Verteilungskonflikten und politischen Entscheidungen konzipiert und die entsprechenden Interventionen als Eingriff in diese Konflikte, wird im Diskurs der Entwicklungsinstitutionen marginalisiert oder gar ausgeschlossen. Und zwar aus strukturellen Gründen, die der Anthropologe James Ferguson wie folgt beschreibt: "Eine akademische Analyse ist für eine Entwicklungsinstitution nutzlos, sofern sie ihr nicht eine Möglichkeit bietet, sich einzuklinken, einen Freibrief ausstellt für genau jene Intervention, die ihrem Zweck entspricht. (...) Eine Analyse, die beinhaltet, dass die Ursachen der Armut (...) politisch und strukturell sind (nicht technisch und geographisch), dass die Regierung einen Teil des Problems darstellt (und kein neutrales Mittel zu seiner Lösung), und dass ernsthafte Veränderungen nur durch revolutionäre gesellschaftliche Transformationen (...) zu erwarten wären, hat keinen Platz im Entwicklungsdiskurs, einfach weil Entwicklungsinstitutionen nicht dazu da sind, revolutionäre Kämpfe voranzutreiben. (...) Dadurch, dass er Armut konsequent auf ein technisches Problem reduziert, und dass er dem Leiden machtloser und unterdrückter Menschen mit dem Versprechen auf technische Lösungen begegnet, ist der hegemoniale Diskurs der Entwicklung das zentrale Instrument der Entpolitisierung der Armutsfrage in der heutigen Welt."
Aufgrund institutioneller Interessen tendiert der Entwicklungsdiskurs demnach zu einer unpolitischen, technokratischen Konstruktion der gesellschaftlichen Probleme und entsprechenden Lösungsvorschläge, selbst in Situationen, wo diese wenig überzeugend scheinen. Organisationen, die "Entwicklung" vorantreiben (verstanden als eine allen Mitgliedern der Gesellschaft zugute kommende Veränderung), werden von Geldgebern und der betroffenen Regierung völlig anders betrachtet und behandelt als Organisationen, die in gesellschaftlichen Konflikten Partei für die weniger privilegierten Teile der Bevölkerung ergreifen und Probleme nicht in einem Mangel an "Entwicklung", sondern in gesellschaftlichen Machtverhältnissen verorten.
Die Einbeziehung letzterer, die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Interessen einzelner Bevölkerungsgruppen (differenziert nach Geschlecht, Schicht, Wohnort, Tätigkeit, politischer Gesinnung usw.) und den damit verbundenen Konflikten ist jedoch unabdingbar für eine plausible Analyse, die die Grundlage für entsprechendes politisches Handeln darstellt. Eine solche wird durch die Mechanismen des Entwicklungsdiskurses erschwert.
Konstrukt "Entwicklung" ist autoritär
Eine Äußerung im Entwicklungsdiskurs impliziert die Subjektposition einer Person, die weiß, was "Entwicklung" ist und wie man sie erreicht. Äußerungen, die dieses Wissen nicht in Anspruch nehmen, werden nicht als dem Entwicklungsdiskurs zugehörig wahrgenommen. Wenn wir jedoch davon ausgehen, dass es unterschiedliche Vorstellungen über das Ziel einer guten Gesellschaft und den Weg dorthin gibt, dann bedeutet dies automatisch die Verallgemeinerung einer partikularen Vorstellung und die Unterordnung anderer. Dann impliziert "Entwicklung" ein Expertenwissen über die Defizite der Lebensweisen von "unterentwickelten" Menschen und die zu ihrer Veränderung notwendigen Maßnahmen - und somit ein autoritäres Element.
Während der oben erwähnte Eurozentrismus eine Erbschaft des evolutionistischen Denkens des 19. Jahrhunderts ist, kann dieses autoritäre Element in höherem Maße dem anderen ideengeschichtlichen Vorläufer des Entwicklungsdiskurses zugeordnet werden: dem sozialtechnologischen Konzept der Treuhandschaft, das in den Schriften der Saint-Simonisten Verbreitung gefunden hat.
Mit der Dekolonisierung und dem Übergang vom kolonialen zum Entwicklungsdiskurs ist die Treuhandschaft im Hinblick auf die Gesellschaften des Südens von den Kolonialmächten weitgehend auf die entsprechenden nationalen Eliten übertragen worden. Sie konnten in der Folgezeit auf der Grundlage dieser Legitimation sozialtechnologische Maßnahmen im Namen der "Entwicklung" und so des Allgemeinwohls auch gegen den Willen der von diesen Maßnahmen Betroffenen durchsetzen.
So sind beispielsweise allein in Indien durch Staudammprojekte (laut Nehru die "Tempel des neuen Indien") nach unveröffentlichten Schätzungen der Regierung bis zu 40 Millionen Menschen vertrieben und ihrer Existenzgrundlage beraubt worden, überwiegend handelte es sich dabei um Adivasi (Ureinwohner) oder Dalits (Unberührbare).
Ähnliche Legitimationsmechanismen waren in Indien schon bei den Kampagnen zur Schutzimpfung gegen Pocken zur Hand, über die berichtet wird, dass sich widersetzenden Dorfbewohnerinnen und -bewohnern die Spritzen auch mit Gewalt injiziert wurden.
Transformation des Entwicklungsdiskurses
Von dem eher kleineren Teil der etablierten Entwicklungstheorie und -politik, der sich ernsthaft mit diesen Vorwürfen auseinandersetzte, wird in der Regel damit begegnet, dass die Entwicklungszusammenarbeit aus ihren Fehlern gelernt habe und die Vorwürfe daher nicht mehr ganz zeitgemäß seien. Richtig ist, dass sich insbesondere seit den 1980er Jahren zahlreiche konzeptionelle Neuerungen finden lassen, die zu einer Transformation des Entwicklungsdiskurses geführt haben. Diese ist weder einheitlich noch abgeschlossen und kann an dieser Stelle auch nur grob skizziert werden.
Diese konzeptionellen Neuerungen sind in der entwicklungspolitischen Debatte auffindbar in Begriffen wie nachhaltige Entwicklung, Strukturanpassung und Weltmarktintegration, good governance, Zivilgesellschaft und Partizipation, global governance, ebenso in der Betonung von ownership. Der mit den Millenniumsentwicklungszielen (MEZ) einhergehende Fokus auf Armutsbekämpfung hingegen ist keineswegs neu, sondern spätestens seit der Nairobi-Rede des damaligen Weltbankpräsidenten Robert McNamara im Jahr 1973 altbekannt, nur der Stellenwert marktwirtschaftlicher Lösungen ist in diesem Zusammenhang deutlich gewachsen, und der von Jeffrey Sachs
Anders verhält es sich mit den seit den 1980er Jahren artikulierten Forderungen, Abschied zu nehmen von der illusionären Zielsetzung, die "unterentwickelten Gebiete" zu "entwickelten" zu machen, die "aid industry" abzuwickeln und unter Umgehung der pauschal als korrupt etikettierten Regierungen allenfalls noch globale Sozial- oder Nothilfe zu leisten.
Diese sind auch im Diskurs über good governance feststellbar, der, im Anschluss an die weitgehend ausbleibenden Erfolge der Strukturanpassung und das Ende des Kalten Krieges, die Regierungsführung in Peripheriestaaten thematisierte und die Abkehr vom kritisierten "Entwicklungsstaat" auf der politischen Ebene flankierte.
Am konsequentesten vertreten wird das Motiv des regierungsunfähigen Südens in der Forderung nach einer "Treuhandschaft" der westlichen Demokratien in Form von Protektoraten.
Eine weniger rückwärts gewandte Neuerung findet sich im Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Wenn man die ihm zugrunde liegende Erkenntnis ernst nimmt, nämlich die, dass das Gesellschaftsmodell der Industrieländer aus ökologischen Gründen weder dauerhaft aufrechtzuerhalten noch verallgemeinerbar ist, muss man sich verabschieden von der Vorstellung eines wie auch immer gearteten Vorbildcharakters dieser Länder. Dann sind die "entwickelten" Staaten keinesfalls die vollendeten, erstrebenswerten Endstadien eines Prozesses der wünschenswerten Gesellschaftsveränderung, sondern eher bedauerliche "Fehlentwicklungen". In diesem Zusammenhang wird der im Entwicklungsdiskurs grundlegende Dualismus zwischen "entwickelten" und "noch zu entwickelnden" Ländern aufgehoben, und auch die ersteren geraten in den Fokus von gesellschaftlichen Problemanalysen und damit zusammenhängenden notwendigen Interventionen. Oftmals werden jedoch auch hier die Problemlösungskompetenz im Norden verortet und der Fokus auf technische und marktorientierte statt auf politische und in den Markt eingreifende Lösungen gerichtet.
Gleichermaßen geraten bei einer konsequenten Auslegung Konzepte, wie Partizipation, ownership und empowerment, die ihren Ursprung in einer Kritik der "top-down" geprägten Entscheidungsprozesse in der Entwicklungszusammenarbeit haben, in Widerspruch zu grundlegenden Formationsregeln des Entwicklungsdiskurses. Wenn sie nämlich tatsächlich auf die Selbstbestimmung und Problemlösungskompetenz der Betroffenen sowie auf eine Veränderung von Machtverhältnissen abzielen, negieren sie sowohl das mit dem Prinzip der Treuhandschaft verbundene Expertenwissen als auch den Fokus auf technokratische Lösungen. Konzepte wie Partizipation und Nachhaltigkeit haben zwar Eingang in das entwicklungspolitische Establishment gefunden, doch selbst in dieser vermeintlich harmlosen Gestalt sorgen sie für eklatante Inkohärenzen und Widersprüche.
Eine weitere zentrale Transformation wird sichtbar in der bereits erwähnten Abkehr vom "Entwicklungsstaat" und staatlichen Eingriffen in den Marktmechanismus bei gleichzeitiger Betonung der Weltmarktintegration. Diese widerspricht nicht nur Konzepten wie self-reliance und Importsubstitution, sondern einem ganz grundlegenden Prinzip, das sich aus dem Entwicklungsdiskurs ergibt: dass die "Entwicklung" der "weniger entwickelten" Länder entsprechende Interventionen erfordert. Diese Interventionen, seien es die Ausgleichsfonds der ersten Lomé-Abkommen, das Special and Differential Treatment im GATT oder schlicht die Finanztransfers im Rahmen der "Entwicklungshilfe", sind nämlich nichts anderes als Eingriffe in den Marktmechanismus zugunsten schwächerer Akteure, die nach marktliberaler Sichtweise zu Preisverzerrungen und Ineffizienzen führen und daher abzuschaffen sind.
Tatsächlich sind die entsprechenden Regelungen in den 1980er und 1990er Jahren Schritt für Schritt abgebaut worden, und die konsequenteren Marktliberalen fordern (ebenso wie einige Post-Development-Vertreterinnen und -Vertreter) die vollständige Einstellung von "Entwicklungshilfe".
Gerade hier wird deutlich, dass im Entwicklungsdiskurs auch ein progressives Element enthalten war, das verlorenzugehen droht. Auf dieses Element verweist auch Frederick Cooper: "Genauso wie der Universalismus des Entwicklungsdiskurses als die Oktroyierung eines europäischen Partikularismus von außen gelesen werden kann, kann er auch (...) als Zurückweisung der grundlegenden Prämissen kolonialer Herrschaft gelesen werden, als überzeugte Einforderung der Menschen aller Rassen, an der globalen Politik teilzuhaben und einen global definierten Lebensstandard zu beanspruchen."
Die Vision von der "Entwicklung der Unterentwickelten" war ohne Zweifel eurozentrisch und technokratisch, aber sie implizierte die Vorstellung, soziale Gleichheit auf globaler Ebene herzustellen, und zwar auch durch politische Steuerung des Weltmarkts, und eröffnete so Möglichkeiten einer potenziell progressiven Aneignung durch Akteure aus dem Süden. Von dieser Vision, so scheint es, haben sich die Geberstaaten verabschiedet.
Fazit
Die am Entwicklungsdiskurs geäußerte Kritik, er sei (zumindest in seiner hegemonialen Ausprägung) eurozentrisch, entpolitisierend und autoritär, erscheint durchaus stichhaltig. Es ist jedoch deutlich geworden, dass diese Kritik nicht spurlos an ihm vorübergegangen ist. In Verbindung mit bestimmten historischen Veränderungen, wie der Krise des Fordismus und dem Ende des Ost-West-Konflikts, hat sie zu einer Transformation des Entwicklungsdiskurses geführt.
Dennoch ist aus der Sichtweise der Post-Development-Kritik an der Notwendigkeit alternativer Inhalte und alternativer Begriffe in dem mit "Entwicklung" bezeichneten Bereich der Erforschung und Förderung von Prozessen sozialen Wandels festzuhalten. Zwar muss die Kritik nicht zwingend zu einer Einstellung jeglicher Art von internationaler Zusammenarbeit führen, eine Auseinandersetzung mit ihr ist für eine progressive Theorie und Politik jedoch unabdingbar - im Norden wie im Süden.