Einleitung
I solemnly affirm, in the presence of the Almighty God, that I owe allegiance to the Constitution and the Dominion of Pakistan and that I will as in duty bound honestly and faithfully serve in the Dominion of Pakistan Forces and go within the terms of my enrolment wherever I may be ordered by air, land or sea and that I will observe and obey all commands of any officer set over me ..."
Dies hat sich in der Geschichte des Landes geändert. Entgegen den Versprechungen mehrerer Militärführer, die Armee aus der Politik herauszuhalten, zeugen vier Staatsstreiche und mehrfacher, indirekter Einfluss auf Regierungswechsel von einer aktiven Rolle im politischen System Pakistans. Seit der Rückkehr zur Demokratie mit dem Rücktritt des selbsternannten Präsidenten General Pervez Musharraf im Jahr 2009 stellt sich erneut die Frage, ob und inwieweit die Streitkräfte gegenwärtig und in Zukunft politische Entscheidungsprozesse beeinflussen werden.
Von der Kolonialarmee zur Nuklearmacht
Das War Department von Britisch-Indien wurde am 19. Juli 1947 geteilt. Die rund 400000 Mann starke Armee erfuhr eine planmäßige Aufteilung: 260000 Soldaten sollten die neuen Streitkräfte Indiens bilden, die übrigen die neuen pakistanischen Streitkräfte. Trotz eines 25 Jahre zuvor begonnenen "Indisierungsprogramms" bestand das 22000 Mann große Offizierkorps immer noch zu 13500 aus britischen Offizieren. Manche davon setzten freiwillig den Dienst an der Waffe in den beiden neuen unabhängigen Ländern fort. So wurde die pakistanische Armee noch bis 1951 von britischen Generälen geführt, die Luftwaffe gar bis 1957. In den 1950er und 1960er Jahren brachte die Zusammenarbeit mit den USA eine amerikanisch beeinflusste Führerschaft hervor. Spätestens nach der Abspaltung Ost-Pakistans (Bangladesh) im Jahr 1971 erwuchs jedoch eine neue, "pakistanische" Generation, die in eigenen Trainingslagern und Schulen ausgebildet wurde. Eigene Strategien und eigene Ausbildungshandbücher ersetzten die Fremdimporte.
Mit der Machtübernahme von General Zia ul-Haq, der von 1977 bis 1988 regierte, und seiner Selbsternennung zum Präsidenten wurden die Streitkräfte zunehmend islamisiert und zugleich auf eine breitere gesellschaftliche Basis gestellt. Heute sind die pakistanischen Streitkräfte die siebtgrößten der Welt und Pakistan gehört zu den größten Truppenstellern der Vereinten Nationen. Die pakistanische Armee, eine Freiwilligenarmee wohlgemerkt, verfügt über rund 520000 Soldaten, was ungefähr der Größe der US-Armee entspricht. Die Armeereserve von etwa 500000 Mann hat die Verpflichtung, sich bis Erreichung des 45. Lebensjahres verfügbar zu halten. Die Luftwaffe beschäftigt rund 45000 Personen, die Marine 25000, die Küstenwache 2500. Hinzu kommen ungefähr 300000 paramilitärische Kräfte wie zum Beispiel das Frontier Corps, die allerdings zum Teil dem Innenministerium unterstehen.
Die National Command Authority (NCA) existiert seit dem Jahr 2000 und kontrolliert die Nuklearwaffen des Landes. Pakistan ist auf Betreiben der zivilen Regierung seit Anfang der 1980er Jahre eine Atommacht. Doch Präsident und General Zia ul-Haq unterstellte die Kontrolle des Atomprogramms dem Militär, wo sie bis heute verblieb. Pakistan verfügt sowohl über nukleare Gefechtsköpfe wie auch über Trägerraketen. Das Kampfflugzeug F-16 bietet darüber hinaus die Möglichkeit, Nuklearwaffen zu transportieren. Die vielfach diskutierte Sicherheit der Nuklearwaffen vor etwaigen Terroranschlägen oder terroristischen Missbrauchs wurde von diversen Wissenschaftlern als gewährleistet angesehen.
Einheit, Glaube und Disziplin
Der Dreiklang - Einheit, Glaube und Disziplin - des Staatsgründers Mohammad Ali Jinnah ist allerorten zu lesen - zumeist zusammen mit einem Konterfei des als Quaid-e Azam ("Großer Führer") verehrten, ersten Generalgouverneurs des Landes. Die drei Worte sind ebenfalls das Motto der Armee. Sie waren durch die Geschichte des Landes hindurch Auftrag und Herausforderung zugleich - Jinnah wusste, wovon er sprach. Dies gilt insbesondere für den Auftrag des Militärs innerhalb und außerhalb des Landes wie auch innerhalb des Militärs selbst. An diesen drei Schlüsselworten zeigen sich die Heterogenität der Streitkräfte einerseits und andererseits das Selbstverständnis zum Eingreifen bzw. Nicht-Eingreifen in das politische System.
Einheit:
Das mangelnde nationale Zugehörigkeits- und Identitätsgefühl von Teilen der Bevölkerung stellt die Wahrung der Einheit des Landes in Frage. Seit der Staatsgründung kam es beispielsweise in Belutschistan immer wieder zur Auflehnung gegen die Zentralgewalt. In den 1970er Jahren versuchte die Regierung den Aufstand mit aller Härte militärisch niederzuschlagen. Ausgerechnet General Zia ul-Haq konnte nach der Machtübernahme den Konflikt durch Verhandlungen vorübergehend beilegen. Nach dem Jahr 2000 kam es erneut zu nationalistischen Erhebungen (Religion spielte hierbei keine Rolle), die in diesem Fall die Militärregierung gewaltsam beenden wollte, mit der Folge, dass die allgemeine Forderung der Belutschistan-Nationalisten nun nicht mehr nur Autonomie, sondern Unabhängigkeit lautet. Auch die Stammesgebiete, genauer Federal Administered Tribal Areas (FATA) sind nie unter der Kontrolle des Staates gewesen. In den Stammesgebieten kämpft die Armee aktuell gegen islamistische Gewaltgruppen. In beiden Fällen - in Belutschistan und den FATA - handelt es sich um militärische Lösungsversuche von sozialen und politischen Problemen, die die Einheit des Landes bedrohen. Davon abgesehen ist das Militär im Dauereinsatz gegen alle möglichen Sicherheitsrisiken: "Die Bandbreite von Verdächtigen, die Löcher in Pakistans interne Sicherheitsumgebung bohren, ist verwirrend. Von al-Qaida-Führern zu mittelasiatischen Verbrechern und arabischen Militanten, Baitullah Mehsuds Männern zu sektiererischen Terroristen und verlassenen Kaschmir-Kämpfern zu knallharten Kriminellen - die Liste ist erschöpfend."
Auch innerhalb der Armee wird die ethnische Vielfalt des Landes nicht widergespiegelt, auch wenn sich die ethnische Zusammensetzung der Armeeangehörigen weiter diversifiziert: Kamen seit Kolonialzeiten der Großteil der Soldaten und die Offiziere vor allem aus drei Distrikten der Provinz Punjab, so gestaltet sich die Rekrutierungspraxis heutzutage heterogener. Dieser Prozess hat bereits zu Zia ul-Haqs Zeiten eingesetzt als während der zunehmenden Verstädterung - mit häufig islamistischen oder zumindest konservativen Kleinbürgern - die Armee eine Chance zu sozialem Aufstieg bot. Das Bild hat sich insbesondere bei den Soldaten verbessert: Stammten 1991 noch 64 Prozent aus dem Punjab, waren es 2005 44 Prozent mit einem gestiegenen Anteil des Zentralpunjab gegenüber der traditionellen Herkunftsregion Nordpunjab. Der Anteil aus der Provinz Khyber-Pakhtoonkhwa (vormals North West Frontier Province, NWFP) und den FATA stieg zwar nur um zwei Prozent auf 22, jedoch erhöhte sich der Anteil von Sindhis von 8,9 Prozent auf 22,4 Prozent und Kashmiris sind nun zu 9,7 Prozent (zuvor 5,9 Prozent) vertreten. Belutschen bleiben weiterhin unterrepräsentiert, denn gerade einmal 1,5 Prozent der Soldaten stammen von dort (1991 0,5 Prozent).
Die pakistanischen Streitkräfte sind auch in ihrer Organisation kein monolithischer Block, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Neben der klassischen Aufteilung in die Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe, Marine mit ihren jeweiligen Eigeninteressen hatte der Nachrichtendienst Inter-Service Intelligence (ISI) in der Vergangenheit ein schwer einzuschätzendes Eigenleben geführt, so inklusive Aufbau der Taliban und anderer Extremistengruppen. Allerdings hat es mehrere Säuberungswellen innerhalb des ISI gegeben, bei dem islamistische Offiziere ausgesondert wurden. Auch wurde der Nachrichtendienst spätestens seit den 1990er Jahren in erster Linie ein Instrument der Armeeführung. An seiner Spitze steht mit Ahmed Shuja Pasha ein Verbündeter des Armeechefs. Angehörige der drei Teilstreitkräfte werden für zwei bis drei Jahre zum ISI abkommandiert, so dass es zu mehr Transparenz und weniger ideologischem Sektierertum kommen kann.
Viele Wirtschaftsunternehmen und Stiftungen sind im Besitz der Streitkräfte. Ayesha Siddiqa hat in ihrem Buch Military Inc.
Nicht zuletzt bestehen bei allen Bedenken einer Verallgemeinerung heute drei Lager innerhalb der Streitkräfte: ein nationalistisches, ein islamistisches und ein kleinerer Kreis westlich orientierter Offiziere. Deren unterschiedliche Auffassungen von der Rolle der Armee im politischen System variiert je nach Lager, wie im Folgenden weiter ausgeführt wird. Insgesamt gibt es also nicht die Rolle eines monolithischen Militärs, sondern rund 1,5 Millionen Soldaten unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Gesinnung und mit unterschiedlichen Interessen, die mit vielfältigen Aufgaben in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft, Gesellschaft - und der Politik betraut sind.
Glaube:
Die Angehörigen der Armee befinden sich in einem Spannungsverhältnis zwischen Anlehnung an den Westen, pakistanischem Nationalismus und Islamisierung. Die konsequente Islamisierung des Staates unter General Zia ul-Haq hatte vor der Armee nicht halt gemacht. In den Ausbildungsstätten, dies gilt insbesondere für die Offizierausbildung am Staff College in Quetta, wurde der Islam als Teil des Lehrplans eingeführt. Darüber hinaus änderte Zia ul-Haq das Motto der Armee von "Einheit, Glaube und Disziplin" zu "Glaube, Gottesfurcht und Kampf auf dem Weg Gottes" (iman, taqwa, jihad fi sabili'llah). Für Zia ul-Haq galt: "The professional soldier in a Muslim army, pursuing the goals of a Muslim state, cannot become ,professional' if in all his activities he does not take on ,the color of Allah'."
Da innerhalb der islamischen Länder keine Säkularisierung im westlichen Sinne vollzogen wurde, differenzieren insbesondere gläubige Muslime nicht zwischen Staat, Religion und Militär. Somit besteht die Möglichkeit, dass die Armee - bei entsprechender Führung - selbst zum Instrument einer Islamisierung des Landes, also der Gesellschaft und der Institutionen wird und ihre Macht dazu missbraucht, wie dies teils im System Zia gegeben war. Auch ein Staatsstreich islamistischer Offizier gegen "unislamische" Politiker ist nicht grundsätzlich auszuschließen. Über den vereitelten Versuch von Generalmajor Zaheer ul-Islam Abbasi, zusammen mit 40 anderen Offizieren im September 1995 die damalige Militärführung zu eliminieren und einen orthodoxen islamischen Staat auszurufen, ist nicht allzu viel bekannt. Eine Wiederholung ist derzeit sicherlich nicht zu erwarten, aber die Option als solche nicht auszuschließen. Ein entsprechendes Sendungsbewusstsein der Armee würde auch die Außenpolitik beeinflussen, wenn nicht gar bestimmen. Dies war zum Beispiel 1986 bei Generalleutnant Javed Nasir gegeben, der bosnische Muslime unterstützte und Waffen an Muslime in Burma lieferte.
Der Nexus Militär-Mullah ist auch nach Zia ul-Haq nicht aufgelöst worden, da auch Musharraf die Unterstützung religiöser Kräfte zum Machterhalt benötigte. Selbst als Schlüsselpartner der USA im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan erlaubte er dem ISI weiterhin, Verbindungen zu islamistischen Extremisten, insbesondere im Hinblick auf Kaschmir, zu unterhalten und ging auch selbst nicht gegen sie vor. Der ambivalente Umgang Musharrafs mit den Islamisten rächte sich: Sie verübten mehrere Anschläge auf Musharraf und besetzten im Juli 2007 die Rote Moschee in Islamabad. Damit forderten sie die Staatsmacht direkt heraus und Musharraf ließ die Moschee vom Militär erstürmen, was zu offiziell 62 Toten führte.
Der nach 2001 mit den USA partnerschaftliche "Kampf gegen den Terror" scheint zudem nur halbherzig und in erster Linie mit Distanzwaffen (Artillerie, Luftangriffe) geführt worden zu sein. Zwar ging die Armee gegen Extremisten vor, doch fand dabei nicht die Unterstützung in der Bevölkerung. Die allgemeine Überzeugung war, dass dies nicht Pakistans Krieg sei, wenn in Pakistan Muslime gegen Muslime kämpfen. Desertierungen und sich ergebende Armee-Einheiten im Kampfgebiet stützen dies. Nur zehn Prozent der Pakistanis nahmen Terrorismus zu Beginn 2009 als Problem wahr
Erst mit der Auseinandersetzung im Swat-Tal ab März 2009 unter der zivilen Regierung hat sich dies grundlegend geändert - sowohl beim Militär selbst als auch in der öffentlichen Meinung, so dass in einer Gallup-Umfrage in der letzten Oktoberwoche 2009 immerhin 51 Prozent der Bevölkerung die Militäroperationen - inzwischen ausgeweitet auf Waziristan - unterstützen.
Diese Kontrolle bedeutet nicht nur Herrschaft über ein Gebiet, sondern zudem Deutungshoheit über den Islam in Pakistan. Die zweite Operation im Swat ab Mai 2009 hieß bezeichnenderweise rah-e rast, der "rechte Weg". Es ist die Urdu-Entsprechung des koranischen sirat al-mustaqim, ein Vers, in dem der "rechte Weg Gottes" gepriesen wird, den die Armee im Namen des Staates nun durchsetzte. Der derzeitige Kampf veranschaulicht, dass das Militär höchstwahrscheinlich dschihadistische Gruppierungen und ihre Islaminterpretationen nicht mehr für eigene politische Ziele nutzt und zudem auch nicht mehr duldet.
Bereits Zia ul-Haqs militärischer Chefideologe Oberst Abdul Qayyum legte dar, dass viele Soldaten in einer schwierigen Position seien: gefangen zwischen Muslim- und Nicht-Muslimsein. Diese Dichotomie in ihrem Leben stelle sie vor die Wahl zwischen der Loyalität zu Gott und der Loyalität zum pakistanischen Staat; es könne keine Teilung von Leben und Glauben, Karriere und Religion geben.
Jedenfalls ist zu beobachten, dass noch manche Armeeangehörige radikal-islamische Ansichten vertreten und das Barttragen sich immer weiter verbreitet.
Disziplin:
Anders als andere Institutionen des Landes oder private Sicherheitsfirmen haben die pakistanischen Streitkräfte im Großen und Ganzen kein Disziplinproblem. Im Gegenteil: Das Militär hat gehorcht und alles klaglos ertragen - von Kriegen und Islamisierung bis hin zu Staatsstreichen. Bei der Machtübernahme Musharrafs 1999 hatte nur ein einziger General den Gehorsam aus Gewissensgründen verweigert. Dies offenbart jedoch auch ein Dilemma: Offiziere und erst recht Soldaten könnten auch in Zukunft unrechtmäßigen Befehlen gehorchen bis hin zu einer erneuten Machtübernahme. Eine Aufklärung über die rechtmäßige Verweigerung unrechtmäßiger Befehle, wie es sie beispielsweise in der Bundeswehr gibt, existiert nicht. Zur Demokratisierung des Landes würde auch das Konzept des "Staatsbürgers in Uniform" gehören. Eine Einmischung in die Politik bis hin zu einem coup d'état würde demzufolge auch in Zukunft sehr wahrscheinlich bis in alle Ebenen mitgetragen werden.
Selbstverständnis des Militärs
Das Militär ist kein Staat im Staate im Sinne einer deutschen Reichswehr der 1920er Jahre, sondern eine national wie international respektierte Institution, die auf das Engste mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verwoben ist und einen signifikanten Einfluss auf alle drei Bereiche ausübt. Einem Bonmot nach ist es Diener und Herr zugleich oder "politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hegemon".
Seit Gründung hat die Armee drei reguläre Kriege gegen Indien geführt und war in viele Krisen und Scharmützel involviert. Die Empfindung des Nachbars Indien als Bedrohung führte zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines stabilen Feindbildes. Folgerichtig wurde die Armee in ihrer Struktur in erster Linie auf einen Kampf gegen einen konventionellen Gegner ausgerichtet; gleichzeitig wurde die Notwendigkeit der politischen Einmischung in Afghanistan gerechtfertigt: Um der relativ schmalen Landfläche strategischen Raum geben zu können, sollte über eine Kontrolle der Regierung in Kabul Afghanistan als potenzielles Rückzugsgebiet bei einem etwaigen Konflikt mit Indien dienen. Dieser Fall wiederum drohte nach Ansicht vieler Beobachter vor allem bei instabilen, zivilen Regierungen, die mit einer feindlichen Politik gegenüber Indien von eigenen Unzulänglichkeiten ablenken wollten. Somit habe das Militär in die Politik eingreifen müssen, um sicherzustellen, dass zivile Regierungen Pakistan nicht in einen Krieg führten.
Nach Ansicht einiger pakistanischer Analysten waren es vor allem Legitimitätskrisen, die militärisches Eingreifen in die Politik hervorriefen. Die innere Dynamik, dass Offiziere meinen, Probleme der Zivilgesellschaft lösen zu müssen, sehen sie als weniger wichtig an.
Hinzu kommt, dass die Armee als einzig disziplinierte Institution des Landes das Vertrauen der Bevölkerung genießt. Schließlich wurden die Staatsstreiche zumeist freudig begrüßt - mit dem Verteilen von Süßigkeiten auf der Straße. Zu dem Mythos in Bevölkerung und Militär selbst, wonach die Armee alles lösen könne, trug beispielsweise 1953 das Eingreifen von Generalmajor Azam Khan bei Unruhen gegen die Ahmadiyya-Gemeinschaft in Lahore bei, nach deren Auflösung er und seine Truppen mit einer "Cleaner Lahore Campaign" der Stadt gleich einen neuen Anstrich gaben.
In anderen Worten: Pakistans Soldaten übten nach eigener Überzeugung - ähnlich wie ihre türkischen Kameraden - eine Wächterfunktion über das Land aus und fühlten sich berufen, bei zivilem Versagen einzugreifen. Ungleich der türkischen Armee, die mit dem Erbe Atatürks auch die Säkularisierung bzw. den Laizismus zu schützen meint, geht es in der Islamischen Republik Pakistan nicht um die Demokratie oder demokratische Institutionen, sondern um das Land selbst und dessen Einheit. Dabei konnten sie insbesondere in Krisensituationen auf die Zustimmung ihrer Landsleute setzen. Noch im September 2007 antwortete die Mehrheit auf die Aufforderung, die Leistung der Armee in punkto "Wie wird Pakistan regiert?" zu bewerten, positiv (25 Prozent exzellent, 28 Prozent gut). Mehr noch, nämlich 66 Prozent, lobten den militärischen Einsatz für wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung.
Dies war aber zum Ende der Ära Musharraf schon nicht mehr gegeben. Innerhalb eines Jahres hatte sich die öffentliche Meinung signifikant geändert: Sahen im Februar 2007 einer anderen Umfrage zufolge 61 Prozent der Pakistanis die Leistung der Musharraf-Regierung als positiv an, so waren es im Januar 2008 gerade einmal 18 Prozent.
Künftig das Primat der Politik?
Mit der Besetzung des Postens als Armeechef durch Ashfaq Kayani hat Präsident Pervez Musharraf den Weg für eine Armee geebnet, die dem Primat der Politik zu folgen vorgibt. Kayani zog nach seiner Ernennung hunderte von Militärs aus zivilen Institutionen des Landes im Februar 2008 zurück. Er selbst bezeichnet sich als engagierten Demokraten. Nichtsdestotrotz räumte er im Dezember 2008 ein, dass militärische Interventionen manchmal notwendig seien, um Pakistans Stabilität zu gewährleisten. Staatsstreiche seien "Umleitungen", die geschaffen würden, wenn eine Brücke auf der Autobahn der Demokratie eingestürzt sei. Wenn die Brücke repariert sei, brauche man keine Umleitung mehr, definierte Kayani sein Verständnis von der Rolle des Militärs in der Politik.
Eine diskrete "Umleitung" hatte Kayani im März 2009 errichtet, als die Richterbewegung
Abgesehen von dieser kurzen "Umleitung" hat sich gerade im Jahr 2009 gezeigt, dass die Streitkräfte willens sind, Macht abzugeben. In den Worten des Verteidigungsanalysten Generalleutnant a.D. Talat Masood ausgedrückt: "Last year (2009), there was also a shift in the sense that the power, which had been more or less concentrated in the military and to some extent in certain pro-Musharraf political parties since October 1999, shifted from just being with the military to many centres of power."
Auch im Gerichtsfall Makro-Habib hat sich gezeigt, dass das Militär derzeit bereit ist, sich den Entscheidungen der Rechtsstaates zu beugen: Das Oberste Gericht hatte im Oktober 2009 zugunsten des Klägers der Nichtregierungsorganisation Shehri - Citizens for a better Environment entschieden und die Räumung des im Besitz der Armee und vom Army Welfare Trust, einer Milbus-Firma, rechtswidrig untervermieteten Arials an die niederländisch-pakistanische Firma Makro-Habib angeordnet. Zuletzt hatte das Militär die tiefgreifende Verfassungsreform im April 2010 ohne große Reaktion hingenommen. Sie verlagert immerhin die Zuständigkeit für die Neubesetzung des Armeechefs vom Präsidenten zum Premierminister. Somit spricht derzeit vieles dafür, dass die pakistanischen Streitkräfte zwar weiterhin einen gewissen Einfluss auf verschiedene Bereiche des nicht-militärischen Lebens haben, aber nicht direkt intervenieren werden.
Abzuwarten bleibt allerdings die Neubesetzung der Armeeführung in diesem Jahr. Allein zwölf Drei-Sterne-Generäle stehen vor ihrer Pensionierung, davon vier Corps-Kommandeure. Schließlich sind jetzt die sogenannten Zia Bharti, also "Zias Rekruten", in die entsprechenden Ränge aufgerückt, dass sie zur Beförderung anstehen. Für vier von insgesamt 29 zur Pensionierung anstehenden Generälen wurde die Amtszeit verlängert, darunter der westlich orientierte Generaldirektor des ISI, Generalleutnant Ahmad Shuja Pasha - vermutlich um die Neubesetzung herauszuzögern. Kayanis Amtszeit endet im November 2010. Über eine mögliche, zweijährige Verlängerung wird vermutlich im August - nun nach neuer Verfassung - der Premierminister entscheiden. Sie könnte dem eingeschlagenen Weg einer Nichteinmischung in die Politik zu mehr Nachhaltigkeit verhelfen.
Auf absehbare Zeit kann die Armee keine Notwendigkeit einer Machtübernahme sehen, zumal sie voraussichtlich nicht mit einer Zustimmung der Bevölkerung rechnen könnte. Das schließt nicht aus, dass einzelne Situationen entstehen, in denen aus Sicht der Armeeführung ein direktes, kurzfristiges Eingreifen in politische Entscheidungen hinter den Kulissen notwendig wird. Ihrem Eigen- und Fremdbild als verlässlichste Institution des Landes gemäß wird sie sich vorbehalten, bei Bedarf zum Wohle des Landes intervenieren zu wollen. Von daher wird es sehr von Bürokraten und Politikern abhängen, wie schnell sie die institutionelle Krise überwinden, sprich den eigentlichen Aufgaben- und Verantwortungsbereich von zivilen Staatsinstitutionen zurückerobern und Militärs in ihre konstitutionellen Schranken verweisen werden. Das Oberste Gericht hat für seinen Bereich bewiesen, dass dies möglich ist. Die Verabschiedung der 18. Verfassungsänderung im Parlament am 8. April 2010 zeigt, dass die politische Führung derzeit dazu willens und fähig ist.