Im Januar 2021 fügte "Der Spiegel" mit seinem Titel "Der Siegeszug des Drachen" der Sammlung von klischeebeladenen China-Symbolbildern ein weiteres Drachenmotiv hinzu. Rot ist die dominierende Farbe auf Magazin- und Buchcovern zu China, was bei den meisten westlich Sozialisierten vor allem die Assoziation "Kommunismus!" hervorruft, tatsächlich aber eine traditionell beliebte Farbe im Land ist. Ob in Asien Beiträge über europäische Länder mit Messer und Gabel illustriert werden, wie es umgekehrt mit Essstäbchen der Fall ist?
"China kennt uns. Aber wir kennen China nicht", fasst die Sinologin Marina Rudyak zusammen – eine Diagnose, der sich viele anschließen können. Doch welche Fähigkeiten und Fertigkeiten, kurz: welche Kompetenz braucht es, um zu einem realistischen Bild des gegenwärtigen Chinas und Beijings Interessen zu kommen? In der Debatte, auf welchen Grundlagen eine strategische deutsche und europäische Chinapolitik aufbauen sollte, ist "Chinakompetenz" ein verbreitetes Schlagwort geworden.
China macht es einem aber auch nicht leicht. Die Erwartung des Westens, die Marktöffnung der Volksrepublik würde Liberalisierung und Demokratisierung in Politik und Gesellschaft nach sich ziehen, hat sich nicht erfüllt. Stattdessen ist der Staat seit dem Machtantritt Xi Jinpings 2012 innenpolitisch rigider und außenpolitisch ausgreifender geworden, verortet sich selbst in einer Systemkonkurrenz zum Westen und sieht sich auf der seidenen Gewinnerstraße. Auch das gehört zu einem differenzierten Bild von China dazu.