Mit dem Ende der unmittelbaren Zeitzeugenschaft der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft über Deutschland und weite Teile Europas sowie mit der Historisierung des Nationalsozialismus steht die demokratische Erinnerungskultur vor einem tief greifenden Wandel. Wie künftig erinnern? Welchem Zweck kann historisches Erinnern an die Verbrechen der Diktaturen des 20. Jahrhunderts dienen? Was ist daraus für eine universale Menschenrechtserziehung zu lernen?
Eine Modernisierung der erinnerungskulturellen Praxis scheint vonnöten. Es gilt zukunftsorientierte Antworten zu finden, welche über die klassische historisch-politische Bildung mit dem Ethos eines "Nie wieder", über Anklage, Dokumentation der Verbrechen und würdiges Totengedenken hinausweisen. Es geht um eine demokratische Zivilgesellschaft der Zukunft, die sich über den dünnen Firnis der Zivilisation bewusst ist. Noch am Ende des 20. Jahrhunderts belegten die Ereignisse im zerfallenden Jugoslawien oder die Massaker in Ruanda deren Fragilität. Nicht rückwärtsgewandtes Erinnern oder gar Opferkonkurrenz, sondern die Sensibilisierung für eine permanente Gefährdung könnten in den Fokus einer pluralen, vielleicht sogar transnationalen Erinnerungskultur rücken.
Nicht nur unter Jugendlichen unterstützt "virtuelles Erinnern" in der digitalen Welt zunehmend die klassischen Aufklärungsmedien wie Printprodukte und Oral History. Die Zukunft der Erinnerung liegt auch in crossmedialen Formaten sowie in Konzepten etwa für "Event-Museen". Zudem stellen die migrationsbedingten Veränderungen der Gesellschaftsstruktur den Geschichtsunterricht vor neue Herausforderungen: Die Gesellschaft wird heterogener. In manchen deutschen Großstädten weisen bereits nahezu die Hälfte der Erstklässler einen "Migrationshintergrund" auf.