Einleitung
Die internationale Klimapolitik ist inzwischen 20 Jahre alt. 1990 beschloss die UN-Generalversammlung, Verhandlungen über einen internationalen Vertrag zum Klimaschutz aufzunehmen. 1992 mündeten diese Verhandlungen in der Verabschiedung der Klimarahmenkonvention, dem "Grundgesetz" der internationalen Klimapolitik. Der Konvention folgte 1997 als Weiterentwicklung das Kyoto-Protokoll, in dem sich die Industrieländer verpflichteten, ihre Treibhausgasemissionen in der sogenannten ersten Verpflichtungsperiode (2008-2012) um insgesamt mindestens 5,2 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Der Anlage des Kyoto-Protokolls zufolge sollen der ersten Verpflichtungsperiode nach 2012 weitere Schritte mit immer weiter verschärften Emissionszielen folgen. Das Kyoto-Protokoll läuft also nicht 2012 aus, wie oft dargestellt wird, sondern nur die erste Runde von Reduktionsverpflichtungen.
Trotz der inzwischen zwei Jahrzehnte währenden Geschichte der internationalen Klimapolitik sind deren praktische Erfolge jedoch bisher eher bescheiden. Zwar lagen die Emissionen der sogenannten Annex-I-Länder - jene (Industrie-)Länder, die im Anhang 1 (Annex I) der Klimarahmenkonvention aufgeführt sind und sich darin zur Emissionsminderung verpflichtet haben
Vor diesem Hintergrund laufen seit 2005 die Verhandlungen über die Zukunft des internationalen Klimaschutzes, bislang jedoch sehr zäh. Entgegen dem Fahrplan, der 2007 verabredet worden war, gelang es auf der Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 nicht, ein neues Abkommen zu vereinbaren. Wie es nach diesem Tiefpunkt mit den Verhandlungen weitergehen kann, zeichnet sich erst langsam ab. Dieser Artikel beleuchtet den aktuellen Stand der Verhandlungen und mögliche Entwicklungslinien für die Zukunft. Als erstes wird der Hauptstreitpunkt näher betrachtet: die Verteilung der erforderlichen Emissionsreduktionen unter den einzelnen Ländern. Zweitens werde ich darlegen, über welche Themen konkret verhandelt wird und was die wesentlichen "Knackpunkte" sind. Drittens soll der Verhandlungsverlauf in Kopenhagen nachvollzogen werden, um dann abschließend den Blick auf die Zukunftsperspektiven zu richten.
Zwischen ehrgeizigem Klimaschutz und gerechter Verteilung
Leitlinie der internationalen Klimapolitik ist Artikel 2 der Klimarahmenkonvention. Laut diesem ist "das Endziel dieses Übereinkommens und aller damit zusammenhängenden Rechtsinstrumente [wie dem Kyoto-Protokoll, W.S.] (...) die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird".
Dieses Ziel ist einerseits angesichts der derzeitigen Emissionstrends sehr ambitioniert, andererseits aber wenig handlungsweisend, denn es enthält keine Definition dessen, was als "gefährlich" angesehen wird, wo also die Schwelle liegt, deren Überschreiten vermieden werden soll. Die Definition dieser Schwelle ist jedoch nötig, um festlegen zu können, auf welchem Niveau die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre stabilisiert werden soll und welchen Verlauf dementsprechend die globalen Emissionen nehmen müssen.
Eine Einigung auf eine Definition von "gefährlich" war bei den Klimaverhandlungen lange Zeit nicht möglich. Insbesondere die Europäische Union vertrat die Auffassung, dass der Anstieg der durchschnittlichen Temperatur der Erdatmosphäre auf unter zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung begrenzt werden sollte. Den meisten anderen großen Staaten erschien diese Temperaturschwelle allerdings zunächst zu ehrgeizig, denn um diese Zielvorgabe zu erreichen, müssten sie umgehend erhebliche Einschnitte in ihren Emissionen hinnehmen. Demgegenüber weisen kleine Inselstaaten wie etwa Mauritius oder die Karibikinseln darauf hin, dass zwei Grad Celsius schon mehr als ausreichend seien, um viele von ihnen unter dem steigenden Meeresspiegel verschwinden zu lassen.
Darüber hinaus waren die internationalen Klimaverhandlungen von Beginn an vom Konflikt zwischen den sogenannten Industrie- und Entwicklungsländern geprägt (im Folgenden entsprechend der Begrifflichkeit in den Klimaverhandlungen Annex-I-Länder bzw. Nicht-Annex-I-Länder genannt), wer welchen Anteil an der zum Klimaschutz erforderlichen Anstrengung leisten sollte. Als Grundprinzip wurde hierzu in Artikel 3.1 der Klimarahmenkonvention vereinbart: "Die Vertragsparteien sollen auf der Grundlage der Gerechtigkeit und entsprechend ihren gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und ihren jeweiligen Fähigkeiten das Klimasystem zum Wohl heutiger und künftiger Generationen schützen. Folglich sollen die Vertragsparteien, die entwickelte Länder sind, bei der Bekämpfung der Klimaänderungen und ihrer nachteiligen Auswirkungen die Führung übernehmen."
Entsprechend diesem Grundsatz verpflichtet das Kyoto-Protokoll nur die Annex-I-Länder auf verbindliche Emissionsziele. Der Konflikt um die Beteiligung der Nicht-Annex-I-Länder hat sich jedoch neu entzündet, seitdem über die Zukunft des Klimaregimes verhandelt wird.
Ein Paukenschlag war vor diesem Hintergrund die Veröffentlichung des vierten Sachstandsberichts des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) im Jahr 2007. Dieser deklinierte für die Politik durch, welcher Anstrengungen es bedarf, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen: Der Anstieg der globalen Emissionen müsse bis 2015 gestoppt werden, und bis zur Jahrhundertmitte müssten die globalen Emissionen um 50 bis 85 Prozent gegenüber dem Stand von 2000 reduziert werden. Tatsächlich aber hat der globale Emissionsanstieg in den vergangenen Jahren sogar noch an Dynamik gewonnen. Hält man sich zudem vor Augen, dass die meisten Emissionen von langlebigen Wirtschaftsgütern wie Kraftwerken und Gebäuden verursacht werden, die nur in sehr langen Zeiträumen ersetzt werden, bedeutet der IPCC-Bericht also: Der Bremsweg ist nur noch sehr kurz.
Spätestens seit dem IPCC-Bericht befindet sich die Klimapolitik in einem Dilemma zwischen internationaler Gerechtigkeit einerseits und den ökologischen Erfordernissen andererseits. Nicht nur die Industrieländer, auch die sogenannten Entwicklungsländer müssten das Steuer inzwischen drastisch herumreißen. Letztere sind jedoch historisch am wenigsten für die Entstehung des Klimaproblems verantwortlich. Zudem sind ihre Emissionen pro Kopf auch nach dem starken Anstieg der vergangenen zehn Jahre immer noch sehr niedrig. China hat zwar inzwischen die USA als größten Emittenten überholt. Das liegt aber daran, dass 300 Millionen US-Amerikanern 1,2 Milliarden Chinesen gegenüberstehen. Pro Kopf verursacht jeder US-Amerikaner im Durchschnitt 20 Tonnen an Kohlendioxidemissionen, jeder Chinese hingegen lediglich fünf Tonnen. In Indien ist es sogar nur eine Tonne.
Der IPCC hat in seinem Bericht folgende Aufteilung nahegelegt: Eine Reduktion der Annex-I-Emissionen um mindestens 25 bis 40 Prozent bis 2020 gegenüber dem Stand von 1990 sowie eine "substantielle Abweichung" vom prognostizierten Emissionswachstum in den Nicht-Annex-I-Ländern. Für diese "substantielle Abweichung" hatte der IPCC keine Quantifizierung vorgenommen. Eine spätere Veröffentlichung der beiden Hauptautoren der Tabelle beziffert diese jedoch auf 15 bis 30 Prozent.
Viele Nicht-Annex-I-Länder bestreiten jedoch, dass diese Zahlen eine faire Teilung der Anstrengung darstellen. Zudem haben die am stärksten vom Klimawandel bedrohten Länder - die kleinen Inselstaaten und die am wenigsten entwickelten Länder - inzwischen die Forderung aufgestellt, den Temperaturanstieg auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. In Kopenhagen verteidigten sie ihre Position mit präzedenzloser Entschlossenheit und stellten klar, dass sie nicht angereist seien, "um einen Suizidpakt zu unterschreiben".
Konfiguration der internationalen Verhandlungen
Artikel 4 der Konvention hält die grundsätzliche Balance des "Deals" zwischen Annex-I- und Nicht-Annex-I-Ländern fest. Laut Artikel 4.1 (b) sollen alle Länder "nationale und gegebenenfalls regionale Programme erarbeiten, umsetzen, veröffentlichen und regelmäßig aktualisieren, in denen Maßnahmen zur Abschwächung der Klimaänderungen durch die Bekämpfung anthropogener Emissionen (...) sowie Maßnahmen zur Erleichterung einer angemessenen Anpassung an die Klimaänderungen vorgesehen sind". Darüber hinaus sind die reichsten Annex-I-Länder (aufgelistet im "Annex II") laut Artikel 4 dazu verpflichtet, die Nicht-Annex-I-Länder finanziell und technologisch zu unterstützen, um sie in die Lage zu versetzen, die Konvention umzusetzen. Artikel 4.7 hält zudem fest: "Der Umfang, in dem Vertragsparteien, die Entwicklungsländer sind, ihre Verpflichtungen aus dem Übereinkommen wirksam erfüllen, wird davon abhängen, inwieweit Vertragsparteien, die entwickelte Länder sind, ihre Verpflichtungen aus dem Übereinkommen betreffend finanzielle Mittel und die Weitergabe von Technologie wirksam erfüllen, wobei voll zu berücksichtigen ist, dass die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie die Beseitigung der Armut für die Entwicklungsländer erste und dringlichste Anliegen sind."
Im Rahmen der aktuell laufenden Verhandlungen waren die Annex-I-Länder von Beginn an bestrebt, einen höheren Grad an Verbindlichkeit für die Nicht-Annex-I-Länder zu erreichen. Laut Artikel 3.9 des Kyoto-Protokolls sollte mindestens sieben Jahre vor dem Auslaufen der ersten Verpflichtungsperiode mit Verhandlungen über zukünftige Verpflichtungen der Annex-I-Länder begonnen werden. Auf der Klimakonferenz 2005 in Montreal forderten diese jedoch, den Prozess auch auf andere Länder auszuweiten. Letztendlich konnten sich die Nicht-Annex-I-Länder jedoch im Wesentlichen durchsetzen, und es wurde eine "Ad Hoc Working Group on Further Commitments for Annex I Parties under the Kyoto Protocol" (AWG-KP) ins Leben gerufen, die sich ausschließlich mit neuen Emissionszielen für die Annex-I-Länder befasst.
Parallel zu diesem "Kyoto-Pfad" wurde jedoch ein weiterer Verhandlungspfad im Rahmen der Konvention eingeschlagen, um breiter über Themen wie Emissionsminderung, Anpassung an die Folgen des Klimawandels und technologische Zusammenarbeit verhandeln zu können und auch diejenigen Annex-I-Staaten mit ins Boot zu holen, die das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben - zum damaligen Zeitpunkt neben den USA auch Australien. Zudem strebten die Annex-I-Länder an, in diesem Rahmen auch über verstärkte Maßnahmen der Nicht-Annex-I-Länder zu verhandeln. Aufgrund des Widerstands der USA gegen ein ernsthaftes Engagement erhielt der so ins Leben gerufene "Dialogue on long-term cooperative action to address climate change by enhancing implementation of the Convention" jedoch nur ein sehr schwaches Mandat.
Nach zweijähriger Verhandlungszeit brachte die Konferenz auf Bali in 2007 einen wesentlichen Durchbruch. Zum einen vollzogen die sogenannten Schwellenländer einen deutlichen Strategiewechsel. Hatten sie bisher jegliche stärkere Beteiligung strikt abgelehnt, traten sie nun eines nach dem anderen ans Podium, um zu erklären, sie seien bereit, ihren "fairen Anteil" zu leisten. Zum zweiten war der Druck auf die USA inzwischen so groß, dass sie sich der Aufnahme von weiterführenden Verhandlungen nicht mehr verweigern konnten. Mit der Verabschiedung des Bali-Aktionsplans wurde der "Dialog" daher in einen echten Verhandlungsprozess überführt und eine zweite Arbeitsgruppe eingerichtet, die "Ad Hoc Working Group on Long-term Cooperative Action under the Convention" (AWG-LCA).
Der Bali-Aktionsplan enthält vier wesentliche building blocks: Emissionsminderung, Finanzierung, Technologiekooperation und Anpassung. Hinsichtlich der Emissionen sieht er für die entwickelten Länder vor, über messbare, überprüfbare und national angemessene Minderungsverpflichtungen zu verhandeln, um die Vergleichbarkeit der Bemühungen der verschiedenen Länder sicherzustellen. Das heißt: Auch wenn die USA das Kyoto-Protokoll weiterhin nicht ratifizieren, sollen sie sich dennoch im Rahmen der Konvention zu vergleichbaren Anstrengungen verpflichten. Auch die Entwicklungsländer sollen über national angemessene Minderungsmaßnahmen verhandeln, jedoch "im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Entwicklung, unterstützt und ermöglicht durch Technologie, Finanzmittel und Kapazitätsaufbau, in messbarer, zu berichtender und überprüfbarer Weise".
Der Bali-Aktionsplan hält damit die Balance zwischen den Anstrengungen in Nord und Süd aufrecht, die in der Konvention vorgesehen ist, hebt diese aber auf eine neue Stufe. Für die Nicht-Annex-I-Länder geht es statt der rein qualitativen Verpflichtung in Artikel 4 der Konvention nun um messbare und überprüfbare Anstrengungen. Im Gegenzug sollen die Unterstützungsleistungen von Seiten der Annex-I-Länder in Zukunft ebenso messbar und überprüfbar sein.
Beinahe-GAU in Kopenhagen
Gemäß dem Bali-Aktionsplan hätte die neue Klimaschutzvereinbarung bis zur Konferenz in Kopenhagen unter Dach und Fach gebracht werden sollten. Im Laufe des Jahres 2009 wurde aber zunehmend deutlich, dass die Positionen der Länder noch zu weit voneinander entfernt waren.
Die Kontroversen betrafen nicht zuletzt die rechtliche Form eines neuen Abkommens. Die Annex-I-Länder forderten in unterschiedlicher Abstufung die Schaffung eines neuen universellen Rahmens, der das Kyoto-Protokoll ablösen und alle Länder einbinden sollte. Als Argument brachten sie vor, dass es dadurch einfacher wäre, alle wichtigen Emittenten zu beteiligen. Die Nicht-Annex-I-Länder haben diese Vorschläge als "killing Kyoto" zurückgewiesen. Ihnen ist an der Weiterführung des Protokolls gelegen, um die Unterscheidung zwischen Annex-I- und Nicht-Annex-I-Ländern aufrechtzuerhalten. Die Schaffung eines universellen Rahmens würde ihrer Meinung nach eine "abschüssige Fahrbahn" schaffen, auf der bald auch von ihnen verlangt würde, sich bindende Emissionsziele aufzuerlegen.
Was diese angeht, kommen die Angebote der Annex-I-Länder bisher noch nicht einmal den IPCC-Zahlen nahe. An der Oberfläche beliefen sich ihre Offerten in Kopenhagen auf eine Emissionsminderung von 11 bis 19 Prozent im Vergleich zu 1990. Hier gibt es jedoch gravierende Schlupflöcher: Das erste ist das Vorhandensein erheblicher Überschüsse von Emissionsrechten in der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls aufgrund der wirtschaftlichen Krise der ehemaligen Ostblockstaaten in den 1990er Jahren. So muss etwa Russland seinen Treibhausgasausstoß laut Kyoto-Protokoll nur auf dem Niveau von 1990 stabilisieren, seine tatsächlichen Emissionen liegen jedoch durch den Zusammenbruch der russischen Wirtschaft in den 1990er Jahren aktuell um ca. 30 Prozent unter dem Niveau von 1990. Russland hat also einen erheblichen Überschuss an Emissionsrechten, den es in eine neue Verpflichtungsperiode übertragen und damit die dortigen Ziele entsprechend aufweichen kann. Ähnliches gilt für die anderen Transformationsländer. Rechnet man dieses und andere Schlupflöcher zusammen, hätte das Ergebnis von Kopenhagen statt einer Emissionsreduktion den Annex-I-Ländern sogar einen Emissionsanstieg von 2 bis 8 Prozent im Vergleich zu 1990 erlauben können.
Im Gegensatz dazu haben die großen Nicht-Annex-I-Länder in den vergangenen zwei Jahren umfangreiche nationale Klimaschutzpläne vorgelegt. Laut UN-Klimasekretariat könnten diese bis 2020 eine Emissionsreduktion von bis zu 28 Prozent unter den vorausgesagten Emissionen erzielen. Der damalige Exekutivsekretär des Sekretariats der Klimarahmenkonvention Yvo de Boer fasste auf seiner abschließenden Pressekonferenz in Kopenhagen zusammen, dass die Angebote der Nicht-Annex-I-Länder am oberen Ende ihrer "Bandbreite" lägen, wohingegen die Annex-I-Länder noch nicht mal das untere Ende ihrer vom IPCC vorgeschlagenen Bandbreite erreicht hätten.
Weitere Kontroversen drehen sich um die finanzielle und technologische Unterstützung der Nicht-Annex-I-Länder. Zahlreiche Studien haben die Kosten für Emissionsminderung und Anpassung in diesen Ländern auf über 100 Milliarden oder sogar mehrere hundert Milliarden US-Dollar beziffert.
Dissens besteht auch über die Kanäle, über die Unterstützung geleistet werden soll. Die Annex-I-Länder bevorzugen, entweder bilaterale Unterstützung zu leisten oder etablierte Institutionen wie die Weltbank zu nutzen. Sie argumentieren, dass die vorhandene Expertise dieser Institutionen genutzt werden sollte und verweisen auf die Kosten, welche die Einrichtung neuer Mechanismen mit sich bringen würde. Demgegenüber nehmen die Nicht-Annex-I-Länder die bestehenden Institutionen wie die Weltbank als von den Gebern dominiert wahr. Sie beklagen auch, dass die Verfahren dieser Institutionen zur Mittelvergabe viel zu kompliziert seien und große Verzögerungen mit sich brächten. Sie fordern daher, einen neuen Fonds unter dem Dach der Konvention einzurichten, der den Vertragsstaaten verantwortlich wäre und nach einem zwischen Nord und Süd ausgewogenen Kräfteverhältnis geleitet würde.
Im Verlauf des Jahres 2009 gab es zwar Annäherungen in technischen Detailfragen, aber in Bezug auf die oben ausgeführten grundsätzlichen Fragen gab es nur wenig Bewegung. Daran änderte sich auch in Kopenhagen nichts, zeitweise schien die Konferenz sogar am Rande eines vollständigen Scheiterns zu stehen. Schließlich initiierte die dänische Konferenzleitung einen parallelen Verhandlungsprozess mit rund dreißig Ländern, der vollständig hinter verschlossenen Türen stattfand. Als der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen schließlich im Plenum verkündete, er habe Unterstützung für eine Übereinkunft mobilisiert, schlug ihm jedoch harsche Kritik entgegen. Die meisten Nicht-Annex-I-Länder kritisierten die Intransparenz des Prozesses und die Missachtung der formellen UN-Verfahren. So war es schließlich auch nicht möglich, den Text im Konsens zu verabschieden. Stattdessen nahm die Konferenz den Text nur zur Kenntnis und lud interessierte Staaten ein, sich bis Ende Januar 2010 förmlich mit dem "Copenhagen Accord" zu assoziieren.
Die Formulierungen im Copenhagen Accord sind größtenteils ziemlich vage. So enthält der Text zwar ein Bekenntnis zum Zwei-Grad-Ziel und hält auch fest, dass dieses 2015 überprüft werden sollte, einschließlich einer Betrachtung des 1,5-Grad-Ziels - ein Zugeständnis an die verwundbarsten Länder. Der Accord enthält jedoch keinerlei mittel- oder langfristige Emissionsziele, weder für einzelne Länder, noch global, sondern nur zwei leere Anhänge. In Anhang I sollten die Annex-I-Länder bis zum 31. Januar 2010 Emissionsziele eintragen. In Anhang II sollten die Nicht-Annex-I-Länder bis zum gleichen Datum "national angemessene Minderungsmaßnahmen" eintragen. Die meisten Länder hielten sich an diesen Termin, es gab jedoch kaum Veränderungen gegenüber den in Kopenhagen unterbreiteten Angeboten. In der Frage der Finanzierung haben die Annex-I-Länder im Copenhagen Accord zugesagt, im Zeitraum von 2010 bis 2012 30 Milliarden und bis 2020 100 Milliarden US-Dollar jährlich zu mobilisieren. Es gibt jedoch keinerlei Klarheit, aus welchen Quellen dieses Geld kommen oder über welche Kanäle es fließen soll.
Von Kopenhagen nach Cancún und darüber hinaus
Verschiedene Bewertungen der Emissionsziele und Maßnahmen, die in die Anhänge des Copenhagen Accord eingetragen wurden, kommen einhellig zu dem Ergebnis, dass deren Umsetzung statt zu einer Erwärmung unter zwei Grad vielmehr zu einer Erwärmung zwischen drei und vier Grad Celsius führen würde.
Viele Regierungen spielen daher die Erwartungen für die nächste Konferenz im November/Dezember 2010 im mexikanischen Cancún bewusst herunter. Derzeit zeichnet sich ein Szenario ab, nach dem möglicherweise einige konsensfähige Teilbereiche aus dem Bali-Aktionsplan aus dem Gesamtpaket herausgezogen und in Cancún einzeln verabschiedet werden. So waren etwa die Verhandlungen zu wichtigen Themen wie Technologiekooperation, Waldschutz und Anpassung in Kopenhagen bereits sehr weit fortgeschritten, wurden durch die Kontroversen in den grundsätzlichen Fragen jedoch ausgebremst. Die Hoffnung ist, dass durch eine erfolgreiche Verabschiedung und die Umsetzung von Entscheidungen zu diesen Themen eine positive Dynamik erzeugt wird, die dann 2011 zu einer umfassenden Vereinbarung führt.
Es scheint allerdings unklar, wie bis dahin der nötige politische Wille entstehen soll, um die fundamentalen Meinungsverschiedenheiten zu überbrücken. Die Positionen aller großen Staaten sind vielmehr von der festen Überzeugung geprägt, dass der Klimaschutz erhebliche wirtschaftliche Belastungen mit sich bringt und dass diese "Last" nur getragen werden kann, wenn sie von allen großen Emittenten geteilt wird. Diese Wahrnehmung ist vorherrschend, obwohl es inzwischen eine ganze Serie von Studien gibt, die aufzeigen, dass tatsächlich für die meisten Industriebranchen die Gefahr von Produktionsverlagerungen sehr gering ist und sich die meisten Unternehmen auch ohne besondere Unterstützung an eine verschärfte Klimapolitik anpassen können sollten.
Mit dem politischen Willen fehlt es damit in den meisten Ländern an der entscheidenden nationalen Voraussetzung, um international zu einem erfolgreichen Abschluss zu kommen. Dies wird sich voraussichtlich nur ändern, wenn eine breite Öffentlichkeit das Thema derart hoch auf die politische Agenda setzt, dass niemand mehr darum herum kommt. Wie etwa 2007, als günstige Umstände Rekordtemperaturen, den vierten IPCC-Bericht und den Nobelpreis für den IPCC und Al Gore zusammenbrachten und damit eine öffentliche Erwartungshaltung erzeugten, die maßgeblich zum Durchbruch auf Bali beitrug. Ein anderes Beispiel liefert Großbritannien, wo 2008 ein Klimagesetz verabschiedet wurde, dass verbindlich als Ziel festlegt, die britischen Emissionen bis 2020 um 34 Prozent sowie bis 2050 um mindestens 80 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Dieses Gesetz geht wesentlich auf eine jahrelange Kampagne von Umwelt- und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen zurück.
Grundlegende Strukturbrüche, wie sie zur Bekämpfung des Klimawandels erforderlich sind, erzeugen zwangsläufig Gewinner und Verlierer. Und die voraussichtlichen Verlierer haben üblicherweise ein sehr viel klareres Bild über die anstehenden Verluste und eine sehr viel stärkere Handlungsmotivation als die prospektiven Gewinner. Entsprechend ist die Klimapolitik in den meisten Ländern bisher im Wesentlichen an den sich lautstark artikulierenden Verliererinteressen ausgerichtet. Diese Blockade wird nur überwunden werden können, wenn sich ein entsprechender Gegendruck aufbaut, der eine Orientierung am Gemeinwohl einfordert.
Meilensteine der Klimadiplomatie
1990
UN-Generalversammlung startet Verhandlungen über ein Klimaabkommen
1992
UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung
Ergebnisse: u.a. Verabschiedung der Klimarahmenkonvention (neben der Biodiversitätskonvention, der Agenda 21 und der Rio-Erklärung)
1994
Inkrafttreten der Klimarahmenkonvention
1995
COP 1 in Berlin (1. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention)
Verabschiedung des Berliner Mandats zur Verhandlung eines Zusatzprotokolls zur Konvention
1997
COP 3 in Kyoto/Japan
Verabschiedung des Kyoto-Protokolls
2001
USA erklären Rückzug vom Kyoto-Protokoll
COP 7 in Marrakesch/Marokko
Übereinkommen von Marrakesch zu Details der Umsetzung des Kyoto-Protokolls
2005
Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls
COP 11/CMP 1 (1. Vertragsstaatenkonferenz des Kyoto-Protokolls) in Montreal/Kanada
Beginn der Verhandlungen über zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls, plus "Dialog" unter der Konvention
2007
COP 13/CMP 3 auf Bali/Indonesien
Bali-Aktionsplan: Mandat zur Verhandlung eines Abkommens bis 2009
2009
COP 15/CMP 5 in Kopenhagen/Dänemark
Unverbindlicher "Copenhagen Accord", Verlängerung des Verhandlungsmandats um ein Jahr
November/Dezember 2010
COP 16/CMP 6 in Cancún/Mexiko