Einleitung
Der Klimawandel ist zweifellos das größte Drama des 21. Jahrhunderts. Seine Komplexität und Dringlichkeit überwältigen uns. Seit fast zwanzig Jahren wird weltweit über etwas diskutiert, das zwar bekannt ist, aber nicht akzeptiert wird. Händeringend wird nach Entschuldigungen gesucht, warum nicht gehandelt wird, obwohl die Wissenschaft längst bestätigt hat, dass der Klimawandel real ist: Er hat mit dem Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und anderen Emissionen zu tun, die wiederum mit weltweitem Wirtschaftswachstum und Wohlstand zusammenhängen. Mit anderen Worten: Der Klimawandel ist vom Menschen gemacht und kann die Welt, so wie wir sie kennen, zu Grunde richten.
Wir wissen heute, wie akut der Klimawandel uns gefährdet. Wir wissen, dass wir zur Bekämpfung dieser Gefahr die Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren müssen. Wir wissen auch, dass vor allem die Armen, die in vielerlei Hinsicht besonders schutzlos sind, die schmerzhaften Auswirkungen der Klimaveränderungen am eigenen Leibe zu spüren bekommen: unter anderem durch zunehmende Niederschlagsschwankungen und immer heftigere Tropenstürme. Die Aufgaben liegen klar vor uns. Aber die Lösungsansätze gehen unter in Ausflüchten und Vorwänden.
Dass der Klimawandel "das größte Marktversagen" (Nicholas Stern) sei, ist inzwischen zu einem geflügelten Wort geworden. Trotz jahrelanger Verhandlungen und im Kyoto-Protokoll festgelegter Zielvorgaben ist bislang kein Land in der Lage, sein wirtschaftliches Wachstum von der Zunahme des CO2-Ausstoßes abzukoppeln, keines hat bis jetzt gezeigt, wie man eine CO2-arme Wirtschaft entwickelt. Die unbequeme Wahrheit ist nicht, dass es den Klimawandel tatsächlich gibt, sondern dass es darum geht, das wirtschaftliche Wachstum zwischen Völkern und Nationen zu teilen. Die reichen Länder müssen sich einschränken, damit die armen wirtschaftlich wachsen können. Auf dieser Grundlage wurden sowohl 1992 die Klimarahmenkonvention in Rio als auch 1997 das Kyoto-Protokoll unterzeichnet. Letzteres verpflichtet die Industrieländer dazu, ihre Emissionen zwischen 2008 und 2012 durchschnittlich um 5,2 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren. Aber die globale Gemeinschaft hat es mit dieser Vereinbarung nie ernst gemeint. Die Fakten sind eindeutig: Der CO2-Ausstoß ist in vielen Industrieländern sogar noch erheblich angestiegen. Das ist untragbar. Schätzungen zufolge gehen sieben von zehn Tonnen CO2, die seit Beginn der Industriellen Revolution emittiert worden sind, auf das Konto der Industrieländer. Das sind Schulden an der Natur, die wie finanzielle Schulden abbezahlt werden müssen. Auch beim gegenwärtigen Ausstoß ist die Differenz eindeutig: Zwischen 1980 und 2005 beliefen sich die Emissionen der USA auf nahezu die doppelte Menge dessen, was in China ausgestoßen wurde, und mehr als sieben Mal so viel wie in Indien. Umgerechnet auf Emissionen pro Kopf ist dieses historische Ungleichgewicht geradezu unmoralisch. Und bisher ist noch kein Wandel zu erkennen - no change that we can believe in.
Gemeinsames Kohlenstoffbudget
Man geht heute weithin davon aus, dass es notwendig ist, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius über dem Niveau der vorindustriellen Zeit (1850) zu begrenzen, um zu verhindern, dass der Klimawandel von "gefährlich" in "katastrophal" umschlägt. Soll die Erderwärmung in Grenzen gehalten werden, muss sich die Weltgemeinschaft eingestehen, dass die Emissionen, durch die der Temperaturanstieg verursacht wird, begrenzt werden müssen. Das Zwei-Grad-Ziel ist nur zu halten, wenn die Konzentration aller Treibhausgase in der Atmosphäre 450 Teilchen pro eine Million (ppm) nicht nicht übersteigt. Das noch verbliebene Kontingent muss so budgetiert werden, dass die bisherigen Nutznießer den neuen Anspruchsberechtigten Platz machen, und zwar nach fair bemessenen Quoten. Anders gesagt, das Emissionsbudget muss gerecht unter den Nationen aufgeteilt werden. Ohne eine solche Übereinkunft über einen Budgetausgleich wird die Temperaturdeckelung faktisch zu einer Emissionsdeckelung für die Entwicklungsländer - schließlich wird uns, den aufstrebenden Ökonomien, gesagt, dass auch wir mittelfristig den Emissionshöhepunkt erreichen und dann spürbar von unserem kohlenstoffreichen Kurs abkommen müssen.
Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Die Handlungsspanne ist sehr beschränkt. Wir wissen, dass die Konzentration der Treibhausgase schon fast 430ppm erreicht hat. Berücksichtigt man einige Abkühleffekte durch Aerosole in der Atmosphäre, beläuft sich der Wert auf etwa 390 bis 400ppm. Alles in allem bleibt also nicht viel Freiraum übrig, der in unserer extrem ungleichen Welt aufgeteilt werden könnte.
Aber nicht nur das beunruhigt die Wissenschaftler. Treibhausgase haben eine lange Lebensdauer in der Atmosphäre. Noch heute befinden sich dort Gase, die etwa seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert emittiert wurden. Genau dies sind die an die Natur rückzuzahlenden Schulden. Aus diesem Grund setzte das Kyoto-Protokoll den Industrieländern Ausstoßgrenzen - sie sollten ihre Emissionen reduzieren, damit die Entwicklungsländer ihre heraufsetzen könnten. Doch die Emissionen der Industrieländer sind seitdem nachweislich weiter angestiegen. Demzufolge bleibt für die Entwicklungsländer noch weniger atmosphärischer "Freiraum". Es ist offensichtlich, dass die Industrieländer nichts gegen diese Entwicklung unternommen haben, sondern sich beeilt haben, den Raum selbst einzunehmen. Es sind nur noch Brosamen, um die wir uns streiten.
Kein Wunder also, dass westliche Wissenschaftler wie Lord Nicholas Stern Appelle an die Entwicklungsländer richten, eigene Zielvorgaben für die Emissionsminderung festzulegen, da - und hier ist die Logik bei allem Manövrieren simpel - der Raum für Wachstum ausgeschöpft sei. "Ihr habt nicht das Recht, die Umwelt zu verschmutzen" - das ist ihre Botschaft an die Entwicklungsländer. Doch damit können wir uns nicht zufriedengeben. Wir wissen, dass Wirtschaftswachstum mit CO2-Ausstoß verbunden ist. Eine Festlegung von Ausstoß-Obergrenzen ohne vorherige gerechte Zuteilungen hieße, die bestehende Ungerechtigkeit festzuschreiben.
Natürlich ist die Festlegung von Emissionsbudgets politisch höchst brisant, da davon abhängt, wie die Weltgemeinschaft das gemeinsame Kontingent und das Wirtschaftswachstum unter sich aufteilt. Nur wenn wir uns auf eine Formel einigen, wie wir den verbliebenen atmosphärischen Raum teilen, können wir uns darüber verständigen, bis wann und in welchem Umfang die bereits industrialisierten Länder ihre Emissionen verringern müssen und bis wann und in welchem Umfang dies die restlichen Länder (einschließlich Indien) tun müssen.
Stattdessen stecken wir fest. Die industriell entwickelten Länder wollen sich keine Zwischenziele zur drastischen Emissionsminderung setzen, sondern lieber das Bezugsjahr von 1990 auf 2005 bzw. 2007 verschieben. Das bedeutet zum einen, sie wollen in den kommenden Jahren weiter ökonomisch wachsen (also das Emissionskontingent weiter ausreizen), zum anderen soll der bereits von ihnen besetzte Freiraum - ihre Emissionen sind nämlich zwischen 1990 und 2007 erheblich angestiegen - nicht angerechnet werden. Wenn das Konzentrationslimit von 450ppm nicht überschritten werden soll, müssen die Industrieländer innerhalb weniger Jahre ihren Emissionshöhepunkt erreichen und ihren CO2-Ausstoß dann bis 2020 drastisch senken - gemessen am Stand von 1990 um mindestens 40 Prozent. Aber warum sollte man das tun, wenn man sich einfach in den Restfreiraum hinein drängeln kann?
Emissionsminderung - weder billig noch einfach
Wie die Weltgemeinschaft den CO2-Ausstoß rasch und umfangreich senken könnte, ist die entscheidende Frage. Wir müssen erfinderisch sein, um Wirtschaftswachstum künftig umweltfreundlich und unabhängig von fossilen Brennstoffen zu gestalten. Doch dieses Erfordernis ist im Lärm kleinlichen und gehässigen Geschachers untergegangen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die reiche Welt, die bereits mit gesetzlichen Verpflichtungen zur Emissionsminderung zu tun hat, weiß nicht, wie sie die Emissionen tatsächlich reduzieren soll, ohne dass sie ihre Wirtschaft in die Knie zwingt. Es wird nach Ausreden gesucht.
Wenn wir die verschiedenen Optionen in Augenschein nehmen, durch die der CO2-Ausstoß reduziert werden könnte, lassen sich drei Kategorien unterscheiden, gegliedert nach Kosten und Verfügbarkeit der Technologie. Zur ersten gehört all das, was Länder auf jeden Fall tun können und tun sollten, weil es wenig kostet bzw. weil es sich auch bei größerem Kapitaleinsatz schnell bezahlt macht - die Option der Negativkosten. Dazu zählen alle wenig schmerzhaften Maßnahmen wie der Austausch von Glühlampen gegen Energiesparlampen, verschärfte Standards für Haushaltsgeräte, die Wärmedämmung von Häusern sowie sonstige Maßnahmen zur Optimierung der Energieeffizienz in Industrie und Verkehr. Zur zweiten Kategorie gehören die Maßnahmen, die weniger als 30 US-Dollar pro eingesparter Tonne Kohlenstoff kosten und weitgehend mit der Land- und Forstwirtschaft zu tun haben. Man kann zum Beispiel die Abholzung von Wäldern beschränken oder Bäume pflanzen, die das CO2 absorbieren. Das dritte Handlungsfeld betrifft die Maßnahmen, die das Energieversorgungssystem selbst modernisieren. Sie kosten deutlich mehr, nämlich 50 bis 150 US-Dollar pro eingesparter Tonne Kohlenstoff. Hierzu gehören die Einrichtung von Solarenergiesystemen, die Förderung von Wind- und Nuklearenergie sowie die Nachrüstung und der Bau von Kohlekraftwerken mit (derzeit noch sehr experimenteller) Technologie, durch die das CO2 aufgefangen und unterirdisch gespeichert wird.
Von der Konferenz in Rio 1992 über die Konferenz in Kopenhagen 2009 bis heute wurde im reichen Teil der Welt nach kleinformatigen Lösungen für das große Problem gesucht. Zunächst sah man das Allheilmittel darin, Kulturpflanzen anzubauen, die die Welt mit Biotreibstoff versorgen könnten. Doch rasch stellte sich heraus, dass dieses Geschäft Nachteile hatte, denn die Lebensmittelpreise schossen in die Höhe. Der nächste technische Kniff sollte die Verbesserung der Treibstoffbilanz von Fahrzeugen sein, bis man herausfand, dass mit zunehmender Effizienz der Autos die Leute am Ende mehr Autos kaufen und mehr damit fahren. Es lief also auf dasselbe hinaus, die Emissionen sind weiter angewachsen. Inzwischen setzt man auf Hybridfahrzeuge. Die westliche Welt weigert sich, zu begreifen, dass wir für eine Veränderung des geforderten Ausmaßes mehr brauchen als nur eine Effizienzrevolution. Unser Ziel muss sein, nicht mehr zu verbrauchen, als wir uns leisten können.
Wegen dieser Ignoranz stehen die Industrieländer nun bei uns, den Schwellenländern, vor der Tür. Das ist die Realpolitik des Klimawandels: auf der einen Seite die Bewältigung der Kosten für wirkliche Emissionsminderungen, auf der anderen Seite smarte Spielchen, um diesen aus dem Weg zu gehen. Sei es beim Weltklimarat IPCC oder bei privaten Beratungsfirmen wie McKinsey, es wird gebetsmühlenartig immer dieselbe Aussage wiederholt: Am billigsten lassen sich die Emissionen in den Entwicklungsländern senken. Darum will man uns unbedingt in den "globalen Deal" einbeziehen. Die Last des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft soll uns aufgebürdet werden. Schlimmer noch, die reichen Länder wollen nicht einmal die realen Kosten dafür übernehmen.
Dieser neue Deal zielt ab auf die Bildung einer coalition of the willing, wie sie bei der Konferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 erzwungen wurde. Das Rezept lautet: Zuerst sollen wir die Emissionen bei uns zu Hause reduzieren, finanziert mit unseren eigenen Mitteln. Indien zum Beispiel soll die vollen Kosten tragen für die Senkung der Kohlenstoffintensität um 20 bis 25 Prozent bis 2020. Dann bekommen wir Geld und technische Mittel für die Maßnahmen, die wir zusätzlich ergreifen. Wir sollen auch die Waldbestände stabilisieren und den Kahlschlag der Wälder verhindern. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber die Welt vergisst, dass wir die Wälder nicht einfach aus Spaß abholzen. Wälder werden gerodet, weil die Menschen nichts anderes zum Verfeuern und auch kein Land haben. Bäume sind Teil ihres Lebensraums, nicht nur Brennstoff.
Die USA und der Rest der Welt haben uns auch deutlich gemacht, dass wir nicht viel Geld zur Finanzierung des Übergangs erwarten sollten. Vielmehr heißt es jetzt, wir sollen unsere eigene Zeche bezahlen, weil wir nun mit am Honoratiorentisch der Umweltsünder sitzen und zugestimmt haben, uns selbst nationale Zielvorgaben zur Emissionsminderung aufzuerlegen: Nun gebe es keine Unterschiede mehr zwischen ihren und unseren Handlungen.
Für Geld können wir sogenannte offsets an die Industrieländer verkaufen, das heißt, sie werden dann nicht im eigenen Land die Emissionen reduzieren, sondern uns dafür bezahlen, dass wir dies bei uns tun. Und vergessen wir nicht, dass sie die billigsten Maßnahmen ihrem eigenen Konto gutschreiben lassen wollen. Die reichen Länder gehen davon aus, dass sie ihre einheimischen Zielvorgaben schaffen, indem sie ihre Aufgaben auf unseren Hinterhöfen erledigen.
Es muss deutlich gesagt werden: Natürlich sind wir daran interessiert, eine kohlenstoffarme Wirtschaft aufzubauen, unsere Städte mit öffentlichem Nahverkehr auszurüsten und Wälder anzupflanzen. Aber all das wird viel Geld kosten. Auch die entwickelte Welt muss ihre immensen Emissionen abbauen, und zwar rasch. Kein anderer globaler Deal sollte gelten.
"Gerechte" Rahmenbedingungen
Wie also geht es weiter? Erstens müssen wir uns darauf verständigen, dass die reiche Welt ihre Emissionen drastisch verringern muss. Hierbei sollte es weder Missverständnisse noch Ausflüchte geben. In der Atmosphäre lagert schon ein Bestand an Treibhausgasen, der sich im Prozess der Schaffung von Wohlstand über Jahrhunderte hinweg aufgebaut hat. Dadurch hat sich das Klima bereits destabilisiert. Ärmere Völker vergrößern diesen Bestand durch ihren dringenden Bedarf an Wirtschaftswachstum. Aber das ist keine Entschuldigung für die reichen Länder, sich strengen und verbindlichen Zielvorgaben für die Reduzierung von Emissionen zu entziehen. Das Prinzip muss lauten: Sie müssen sich einschränken, damit wir wachsen können.
Weiterhin ist Einigkeit darüber geboten, dass die armen und die aufstrebenden Länder Wachstum brauchen. Ihre Verpflichtungen werden zwar nicht rechtsverbindlich sein, aber auf nationalen Zielen und Programmen basieren. Vor allem müssen kohlenstoffarme Strategien für Schwellenländer gefunden werden, ohne dass ihr Recht auf Entwicklung beeinträchtigt wird.
Das ist machbar. Natürlich haben Länder wie China und Indien die Gelegenheit, zusätzliche Emissionen zu "vermeiden", denn sie sind erst noch dabei, ihre Energie-, Verkehrs- und Industrieinfrastruktur aufzubauen und können in zukunftsweisende Technologien investieren, um Umweltverschmutzungen zu verhindern. Das heißt, wir sollten unsere Städte mit öffentlichen Verkehrsmitteln versorgen, die Energieversorgung durch lokale und dezentrale Systeme sicherstellen - sowohl durch Biotreibstoffe als auch durch erneuerbare Energien - und in der Industrie, welche die meiste Energie verbraucht, möglichst die schadstoffärmsten Technologien verwenden.
In diesen Ländern weiß man auch, dass es nicht in ihrem Interesse liegt, erst die Umwelt zu verschmutzen und sie dann zu sanieren bzw. erst ineffizient zu wirtschaften und anschließend Energie zu sparen. Aber Technologie ist teuer. Es ist nicht so, dass China und Indien versessen darauf sind, in umweltverschmutzende und energieineffiziente Technologien zu investieren. Aber sie gehen so vor, wie man es in dem Teil der Welt gemacht hat, der inzwischen reich ist: Zuerst werden die Emissionen gesteigert, dann wird Geld verdient und schließlich in die Effizienz investiert. Dieser Tatsache muss in einem Abkommen Rechnung getragen werden. Zudem müssen Geld und Technologie zur Verfügung gestellt werden, um den Wandel in der Welt zu ermöglichen.
Wir können einen neuen Weg einschlagen. Aber die Welt muss echte Veränderungen wollen, a change we can believe in. Die Weltgemeinschaft sollte sich ernsthaft mit dem Konzept der Pro-Kopf-Emissionsrechte auseinandersetzen, so dass die Reichen Abstriche machen und die Armen nicht über ihre Emissionskontingente hinausschießen. Wir brauchen klimabewusste, effektive Maßnahmen.
Die Aufteilung der globalen CO2-Absorbtionsfähigkeit für jede Nation je nach Bevölkerungszahl wird ein System der Pro-Kopf-Emissionszertifikate schaffen, die in der Summe das zulässige Niveau der Emissionen in einem Land ergeben. Das ergäbe den Rahmen des Emissionshandels zwischen den Völkern; denn ein Land, das seine jährliche CO2-Quote überschritten hat, könnte mit jenen Ländern Handel treiben, die die zulässigen Emissionswerte nicht überschritten haben. Dieser finanzielle Anreiz könnte dazu beitragen, dass die Länder ihre Emissionen so weit wie möglich beschränken und einen kohlenstoffarmen Wirtschaftskurs einschlagen.
Ebenso dringlich, wie die Weltgemeinschaft ein System der Fairness unter den Nationen braucht, braucht sie auch ein System der Fairness innerhalb der Nationen. So sind es nicht die Reichen in Indien, die weniger als ihren global bemessenen Anteil an Emissionen verursachen. Es sind die Armen Inderinnen und Inder, die keinen Zugang zu Energie haben und uns damit Raum zum Atmen lassen. Indien verursachte im Jahr 2005 Emissionen von 1,5 Tonnen pro Jahr und Kopf. Doch verbirgt diese Zahl ein enormes Ungleichgewicht zwischen dem energieintensiven und verschwenderischen städtischen Industriesektor und dem Sektor der energiearmen, genügsamen ländlichen Subsistenzwirtschaft. Schätzungen zufolge nutzen nur 31 Prozent der ländlichen Haushalte Elektrizität. Alle Dörfer Indiens mit Strom zu versorgen, wird eine teure und schwierige Angelegenheit sein. Hier gleich mit einem kühnen Schritt zu netzunabhängigen Lösungen auf der Grundlage von regenerativen Energietechnologien voranzuschreiten, wre wirtschaftlich am sinnvollsten.
Wenn in Indien Emissionszertifikate pro Kopf zugewiesen würden, so dass die reicheren Bürger ihren größeren Energieverbrauch bei den Armen bezahlen müssten, dann würde das Ressourcen freimachen und Anreize dafür schaffen, dass diejenigen, die bisher wenig Energie verbrauchen, emissionsfreie Technologien anwenden. Auf diese Weise würde auch ein Rahmen geschaffen, in dem sich die Nachfrage nach Investitionen in erneuerbare Energien stark beleben würde.
Diese rechtebasierte Agenda ist bei der Meisterung der Aufgaben, vor die uns der Klimawandel stellt, entscheidend. Tatsächlich lehrt uns gerade der Klimawandel, dass wir in einer gemeinsamen Welt leben. Hat der reiche Teil der Welt gestern übermäßige Mengen an CO2 ausgestoßen, so tun es heute die aufstrebenden Schwellenländer. Wir lernen auch, dass ein Abkommen von Fairness und Gleichheit bestimmt sein muss, damit dieses große gemeinschaftliche Vorhaben gelingen kann.
Übersetzung aus dem Englischen: Dr. Juliane Lochner, Leipzig.