Einleitung
Trotz immer wieder konstatierten Fachkräftemangels werden die Kompetenzen von hochqualifizierten Migrantinnen und Migranten in Deutschland häufig nicht anerkannt. Viele dieser Migranten denken über einen Umzug in das Land ihrer Vorfahren nach, in dem ihre Fertigkeiten ihnen eher eine Karriere ermöglichen. Sie wandern teilweise nicht "zurück", sondern "aus", denn die meisten sind in Deutschland geboren oder haben den Großteil ihres Lebens in Deutschland verbracht. Da sie weiterhin starke Bindungen nach Deutschland beibehalten und ihr Migrationsprozess durchaus noch nicht abgeschlossen ist, sprechen wir bei dieser Gruppe von hochqualifizierten Transmigrantinnen und Transmigranten.
In der aktuellen bildungspolitischen Debatte in der Bundesrepublik Deutschland spielt die Anwerbung hochqualifizierter Arbeitskräfte aus dem Ausland eine wichtige Rolle. Sie begann mit der Greencard-Initiative unter Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2000 und leitete einen sogenannten Paradigmenwechsel in der deutschen Migrations- und Integrationspolitik ein, der im neuen Zuwanderungsgesetz von 2005 auch seinen juristischen Ausdruck fand. Im Mittelpunkt dieses Wandels, der überwiegend ökonomisch und demografisch motiviert war, stand und steht der "Kampf um die besten Köpfe" im internationalen Wettbewerb, da in Deutschland bekanntermaßen der "Generationen-Vertrag" brüchig zu werden scheint und junge und qualifizierte Einwanderer gebraucht werden, um im internationalen Standortwettbewerb nicht zurück zu fallen.
Ein Blick in die aktuellen Printmedien - exemplarisch sei auf die Süddeutsche Zeitung (SZ) verwiesen - belegt die angesprochene Situation: "Intelligente Zuwanderung" lautet die Überschrift zum Leitartikel, in dem darauf hingewiesen wird, dass "ein kräftiges Plus an 'gut ausgebildeten Gastarbeitern' der deutschen Wirtschaft 'sehr nützlich sein' (werde)" und dass "der Satz schon 42 Jahre alt ist".
Der erwähnte Paradigmenwechsel in der Migrations- und Integrationspolitik fand und findet sein Pendant in der deutschen Migrations- und Integrationsforschung. Er zeichnet sich dadurch aus, dass immer mehr Studien auf die Ressourcen, Potenziale und Kompetenzen der (Kinder und Enkel der) Einwanderer schauen, statt wie bisher die Probleme, Konflikte und Defizite dieser Menschen in den Mittelpunkt zu rücken.
Seit der scheinbaren Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise in Deutschland im Sommer 2010 wird diese neue bildungs- und wirtschaftspolitische Debatte wieder öffentlich-politisch, weniger wissenschaftlich, geführt. Sie wurde durch die PISA-Studien (seit 2000) eingeleitet, da empirisch belegt und offensichtlich wurde, dass Deutschland im Vergleich zu ähnlich entwickelten Staaten in Bezug auf die Kompetenzen seiner jungen Menschen scheinbar hoffnungslos abgeschlagen ist. So wie der "Sputnik-Schock" seinerzeit (1957) die Mobilisierung der Begabungsreserven durch eine Reform des Bildungssystems zur Folge hatte, versucht die Regierungspolitik derzeit, die Begabungsreserven durch Einwanderung zu rekrutieren - statt die enormen quantitativen und qualitativen Kapazitäten und Ressourcen der Kinder und Enkel der Einwanderer in Deutschland zu fördern, zumal die Zuwanderung Hochqualifizierter in diesem Jahrhundert wesentlich geringer ausfiel als erhofft und erwartet.
Auf der anderen Seite wurde vergessen, dass immer mehr Nachkommen der einstigen "Gastarbeiter" inzwischen den steinigen Weg einer Bildungskarriere über das Abitur bis zum Studium erfolgreich bewältigt haben und auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen. Neben den "Bildungsinländern", die in Deutschland ihre Bildungsabschlüsse gemacht haben, gibt es weiter eine große Anzahl "Bildungsausländer", vor allem aus Mittel- und Osteuropa, die nach ihrer Ausbildung zu uns kamen und kommen. Bei beiden Gruppen gibt es wiederum eine große Anzahl "Hochqualifizierter", das heißt an Fachhochschulen oder Universitäten akademisch ausgebildete Fachkräfte. Das Potenzial und die Kompetenzen der ersten Gruppe werden nach wie vor zu gering (an)gefordert und in der Schule zu wenig gefördert; die Qualifikationen der zweiten Gruppe werden immer noch - aber da ist ein Wandel im Gange - selten, vor allem bei akademischen Abschlüssen aus Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), wie bei Lehrkräften und Ärzten, anerkannt.
Aus diesen Beobachtungen ergibt sich die Frage, ob eine gesellschaftliche Nichtakzeptanz migrationsbedingter Kompetenzen gegebenenfalls zu einer Abwanderung bestimmter Personengruppen und ihrer Fähigkeiten aus Deutschland führt, wie es Probanden in einer unserer ersten Studien
Die Studie richtet den Blick auf bildungserfolgreiche Migranten mit türkeistämmigem Migrationshintergrund, welche die gesamte Schulzeit oder aber den Großteil ihrer Schullaufbahn in Deutschland verbracht haben, hier das Abitur erreicht und ein Studium abgeschlossen haben. Trotz ihres Bildungserfolges hat sich für diese Hochqualifizierten eine Situation ergeben, die zu einer Auswanderung in das Land ihrer Vorfahren führte. Den Transmigrationsansatz
"Ich werde es Euch zeigen!"
Der Defizitorientierung bisheriger Forschungsansätze entsprechend, finden sich zahlreiche Ansätze und Untersuchungen zur Erklärung von Schulmisserfolg, die sich häufig auf sozialisatorische Faktoren stützen. Sie weisen auf Zusammenhänge zwischen schulischen Lern- oder Leistungsschwierigkeiten und einem sozio-ökonomischen und sozio-kulturell benachteiligenden Milieu hin.
Der Bildungsweg der Befragten ist in der Regel nicht geradlinig verlaufen. Es handelt sich häufig um "verschlungene Bildungspfade"
Es wurde aber auch deutlich, dass Lehrkräfte ihnen häufig weniger zugetraut haben und die Jugendlichen gegen deren Empfehlungen höhere Schulen besucht haben: "(...) auch wenn es so Kleinigkeiten gab, wo der Lehrer mir dann gesagt hat, möchtest du dir vielleicht eine andere Schule überlegen, möchtest du wirklich doch nicht etwas anderes machen (...). Und da hab ich gesagt, nein ich versuch es einfach!" "Ich habe viel Zeit verloren, dank der Vorurteile." "Wir hatten eine Lehrerin, die meinte: "Ja, Herr A., warum sollen die Kinder denn studieren nach dem Gymnasium? Sie werden die Kinder doch sowieso irgendwie zurückziehen, das Mädchen wird heiraten, und der Sohn geht in die Türkei zurück."
Bildungserfolgreiche Migranten haben sich hoch gekämpft. Nicht selten hat sie ihr Ehrgeiz, aber auch Trotz angetrieben, nach dem Motto: Ich werde es Euch zeigen! Auffällig ist insgesamt, dass auch wenn die primäre (familiäre) Sozialisation bei allen Probanden eher im türkischen (sprachlich-kulturellen) Kontext statt fand, die sekundäre und tertiäre Sozialisation (Schule und Universität) demgegenüber dominant war, was Kognition, Abstraktion und Reflexion, also soziale beziehungsweise professionelle Kompetenzen, betrifft. In sprachlich-kognitiver Hinsicht und in Bezug auf die Wissenschaftssprache und akademisches Denken überwiegen auch noch heute nach der Auswanderung in die Türkei deutsche Sprachkompetenzen gegenüber türkischen. Häufig können sie diese in ihren Arbeitsfeldern in der Türkei positiv nutzen.
Auswanderungsmotive und -gründe
Befragt nach dem Motiv, Deutschland zu verlassen, vermischen sich bei den Befragten rationale Überlegungen mit eher emotionalen Gründen. Unter die rationalen Aspekte fallen ökonomische Gründe beziehungsweise die Aussicht auf eine bessere Stelle oder bessere oder schnellere Aufstiegschancen in dem Zielland. So war die berufliche Perspektive in Deutschland - teilweise trotz Promotion - bei einzelnen Personen ungewiss. Hinzu kamen attraktive Stellenangebote in der Türkei. Stärker emotional geprägt sind Erläuterungen, die sich auf eine geringe Anerkennung ihrer Person und ihrer Kompetenzen in der deutschen Gesellschaft beziehen: "Ja es gab natürlich mehrere Gründe, zum einen (...), dass ich in Deutschland (...) auf längere Zeit hin doch immer der Fremde bleiben werde. Also die Anerkennung war nicht da, sie war unter Gleichen natürlich da, aber nicht in der Gesellschaft, also ich wollte einfach 100-prozentige Anerkennung." Andere Probanden schildern das Gefühl folgendermaßen: "Der ewige Ausländerstatus türkischer Migranten belastete mich sehr. Auch in Istanbul blieb ich Ausländerin, jedoch mit einem höheren Status als in Deutschland." "Ich habe immer gesagt, ich möchte als ein Staatsbürger erster Klasse leben, (...) das heißt ich möchte theoretisch auch Staatspräsident des Landes werden können. In der Türkei kann ich das, in Deutschland nicht. (...) Ich wollte jemand sein, der zur Elite gehört. In Deutschland ist das schwer zur Elite zu gehören, in der Türkei ist das nicht so."
Die Beispiele zeigen, wie wichtig es den Befragten ist, dass ihre "Rückkehr" nicht als Versagen ihres Migrationsprojektes gedeutet wird. Sie haben heute in der Türkei gute berufliche Positionen, in denen sie häufig ihre besonderen interkulturellen Kompetenzen einsetzen können (wie in internationalen Unternehmen oder Institutionen, aber auch im universitären Bereich). Einzelne Probanden können sich aber durchaus vorstellen, wieder (für ein paar Jahre) nach Deutschland zu kommen, vorausgesetzt, dass sie (beruflich) voll anerkannt werden.
Die bildungserfolgreichen Migranten wurden damit konfrontiert, dass sie anders sind. Trotz Abitur und akademischen Status fühlen sie sich "exkludiert", "nicht zugehörig", also subjektiv nicht "integriert". Das Hauptproblem im Themenkontext "Anerkennung"
Besonderheiten bildungserfolgreicher Transmigranten
Bei den bildungserfolgreichen Transmigranten ließen sich sogenannte transnationale Sozialräume
Diese bildungserfolgreichen Transmigranten stellen bisher gebräuchliche Grundlagen der Migrationssoziologie infrage. Ihre Biografien, Lebensprojekte und Einstellungen entsprechen weder einer Vorbereitung auf eine endgültige Rückkehr noch der Forderung einer vollständigen Assimilation in die Gesellschaft. Wir haben es also innerhalb dieser neuen Perspektive mit "sozialen Lagen jenseits und diesseits nationalstaatlicher Rahmungen, in 'Zwischenräumen' und/oder in einer 'gleichzeitigen' Zugehörigkeit zweier (oder mehrerer) Räume" zu tun. Also mit Menschen, die "bi-national oder regional, in grenzüberschreitenden sozialen Räumen, Arbeitsmärkten und Organisationen, oder in der Weltgesellschaft" agieren.
Konzeptionelle Konsequenzen
Mit der "transnationalen Perspektive" gelangen innovative Aspekte und neue Fragen in die Migrationsforschung: Gibt es eine transnationale Elite, die quasi raum- und regionübergreifend (inter)agiert, hochqualifizierte Transmigranten, die nationalstaatlich nicht zu verorten sind und deren Identität entsprechend transnational und transkulturell hybrid ist? Bildet diese neue Elite eine Art globale entgrenzte "Parallelgesellschaft" und eine neue "Kultur der geographischen Mobilität", oder fördert das Internet Transnationalisierungs- und Globalisierungsprozesse auch in Richtung der Bevölkerung insgesamt, vor allem der aktiven jungen Menschen? Wie können derlei transnationale und kulturübergreifende Migrations- und Mobilitätsprozesse theoretisch-analytisch erfasst und innerhalb der Interaktionen zwischen nationalen Räumen und innerhalb von transnationalen Räumen analysiert werden? Ulrich Beck postuliert in diesem Zusammenhang eine "kosmopolitische Soziologie", einen "kosmopolitischen Blick", der "die Prämissen und Dualismen einer nationalstaatlichen Soziologie - wie national und international, Wir und die Anderen - (...) reflektiert und auf diese Weise einen neuen soziologischen Blick (...) [beispielsweise auf Prozesse der Migration, Anm.d.V.] gewinnt".
Gesellschafts- und migrationspolitische Konsequenzen
Migration wird weiterhin einen starken Einfluss auf die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft haben, und Transmigranten werden zukünftig, vor allem unter akademischen und qualifizierten Ausgebildeten, zunehmen. Auch unsere Ergebnisse zeigen, dass es einerseits weltwirtschaftliche Veränderungen, Globalisierung und die sich anpassende Organisation international agierender Unternehmen sind, die sich auf Migrationsverhalten von Bildungserfolgreichen auswirken, andererseits ist es aber auch die Art und Weise, wie eine Gesellschaft mit ihren Mitgliedern und in diesem Fall ihren hochqualifizierten Mitgliedern "mit Migrationshintergrund" umgeht. Wenn diese sich nicht ausreichend anerkannt sehen, kann dies ebenfalls zu einer (vorübergehenden) Auswanderung führen. Experten rechnen sogar mit einer anhaltenden Fluktuation unter den Zugewanderten. Mitverantwortlich hierfür ist, dass die Attraktivität Deutschlands für besser qualifizierte Neuzuwanderer geringer ist als in vergleichbaren Staaten. Angesichts dessen sollten Politik und Wirtschaft ihre Praktiken in Bezug auf Anwerbung und Einwanderung überdenken.
Mit der Transmigration treten die bisher vorherrschenden Fragestellungen um das Thema Integration in den Hintergrund. Denn wenn Migration zum "Normalfall" der Geschichte - nicht nur in Deutschland - geworden ist, wenn Transmigration in bestimmten Sektoren eine unausbleibliche Folge wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Globalisierung ist, wenn "ungenutzte Potenziale" in Deutschland bei vielen Migranten konstatiert werden, dann müssen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um der gesellschaftlichen und ökonomischen Realität Rechnung zu tragen. Das sind nicht nur erleichterte Einreisebedingungen für Hochqualifizierte und die Anerkennung ihrer Diplome und Zertifikate, sondern vor allem die rechtlichen Bedingungen für bereits im Land lebende Migranten, die sich qualifizieren. Die erleichterte Einbürgerung von lange Jahre in Deutschland lebenden Migranten via doppelter Staatsbürgerschaft wäre ein Weg, (Hoch-)Qualifizierte im Lande zu halten. Zwar führt "nicht allein die Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft zu gesellschaftlicher Inklusion", dennoch dürfte sie "der Entwicklung einer allgemeinen Einwanderungsmentalität (dienen), die sich durch die Akzeptanz gemischt-kultureller Identitäten und einen grundsätzlichen Inklusionswillen auszeichnet".
Konsequenzen für die erziehungs- und sozialwissenschaftliche Diskussion
Die Frage nach bildungspolitischen und pädagogischen Konsequenzen stellt sich umso nachdrücklicher, weil die oben präsentierte Studie auf die Generierung von Kriterien und Inhaltsaspekten zur Überwindung von Bildungsbenachteiligungen und gesellschaftlichen Partizipationsdefiziten für die große Zahl von Migranten gerichtet und nicht einer Eliteforschung zuzuordnen ist. Bei der Auseinandersetzung mit der Bildungssituation von Schülern "mit Migrationshintergrund" herrscht beispielsweise immer noch ein relativ traditionelles Modell von Migration vor. Dieses ist mit der Unterstellung verbunden, dass es sich in der Regel um einen unidirektionalen Prozess handelt: "Auswanderung - Einwanderung - Integration am neuen Lebensort nach ein oder zwei 'Generationen'".
Ein weiterer zu diskutierender Aspekt sind die mehrsprachigen Kompetenzen bildungserfolgreicher Transmigranten. Welche Auswirkungen hat Transmigration zukünftig auf die Diskussion um die Förderung von Mehrsprachigkeit beziehungsweise die sogenannte Zweisprachigkeitsdebatte, wie sie aktuell unter anderem in Deutschland geführt wird? Ingrid Gogolin und Ludgar Pries konnten zeigen, dass der Bereich der sprachlichen Lebensgestaltung zu den ersten Feldern gehörte, in denen aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive das Konzept der Transmigration beachtet wurde.
Exkurs: Das Konstrukt "Menschen mit Migrationshintergrund"
In der politisch-medial-öffentlichen sowie in der wissenschaftlichen und pädagogischen Diskussion hat sich seit einigen Jahren der Terminus "Menschen mit Migrationshintergrund" etabliert und wird in der Regel diskussions- und kritiklos als (optimale) Bezeichnung für eine bestimmte Menschengruppe in unserer Gesellschaft verwendet, konkret für all diejenigen, die nach 1950 eingewandert oder Kinder von Eltern sind, von denen mindestens eine oder einer im Ausland geboren ist. Dieser statistisch durchaus sinnvolle, aber nur scheinbar wertfreie Begriff hat jedoch seine Tücken, auf die im Sinne einer steten Verbesserung der Terminologie für eine immer adäquatere Beschreibung, Erklärung und Verstehen der sozialen Wirklichkeit hingewiesen werden muss. Der Begriff schreibt den problematischen Dualismus im Alltags- und wohl auch Wissenschaftsverständnis ("Wir und die Anderen", "Einheimische und Ausländer") fest, indem er die Bevölkerung wiederum in zwei unterschiedliche und voneinander abweichende Gruppen teilt, wobei jede auch noch so gut gemeinte Abgrenzung immer auch eine Form von Ausgrenzung impliziert. Wenn man bedenkt, dass "neue Begriffe (immer) der Ordnung des Sozialen" dienen und gesellschaftliche Wirklichkeit mit konstruieren, dann liegt im Konstrukt "Menschen mit Migrationshintergrund" durchaus ein Terminus vor, der auch angesichts des realen Wandels der Gesellschaft immer auch den Wandel des Bewusstseins der Bevölkerung beeinflusst.
Angesichts der Heterogenität und Differenziertheit der Migrationsprozesse und der Migranten verbietet es sich, diese Gruppen mit einem Terminus beschreiben beziehungsweise benennen zu wollen. "Migrationshintergrund" ist mit Blick auf die Vielfalt und Komplexität der Merkmale eines Menschen nur ein Attribut von vielen; es reduziert individuelle Komplexität und Einmaligkeit in wissenschaftlich inadäquater und politisch-moralisch unverantwortlicher Weise. Wir haben es mit äußerst differenzierten Einwanderungsgruppen zu unterschiedlichen Zeiten, mit gänzlich verschiedenen Motivlagen, Interessen und biographisch-familiären Erfahrungen sowie (ökonomischer, kultureller und sozialer) Kapitalausstattungen zu tun, wovon über die Hälfte dieser "Menschen mit Migrationshintergrund" die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat. "Das größte Risiko", so Franz Hamburger, "für Kinder und Jugendliche 'mit Migrationshintergrund' ist, als solche identifiziert zu werden. Sie werden dabei als verschieden, 'anders' wahrgenommen, einer Kategorie zugeordnet und zukünftig nur noch - oder: vor allem - als Angehörige dieser Kategorie behandelt".
Es ist deutlich geworden, dass zukünftig junge Menschen mit hochqualifizierten akademischen Kompetenzen und Ressourcen in Gesellschaften und Wirtschaftssystemen wie Deutschland vermehrt benötigt werden, und dass ein großes Potenzial dafür in den Kindern und Enkelkindern der Einwanderer zu finden ist - allerdings nur, wenn unsere Gesellschaft sich ihnen gegenüber öffnet und ihnen gleiche Bildungschancen offeriert. Dass dies möglich ist, wenn auch oft gegen Widerstände (pädagogische Vorurteile, personale und institutionelle Diskriminierungen), aber vor allem auf der Basis von (individuellen) Förderungen durch signifikante Andere wie Eltern, Lehrkräfte, Bezugspersonen und Vorbilder ("Lasso-Effekt"), zeigt unsere Studie zu bildungserfolgreichen Transmigrantinnen und Transmigranten. Transmigration ist das Ergebnis einer veränderten Lebenswirklichkeit für eine wachsende Zahl von jungen Menschen, insbesondere von hochqualifizierten bildungserfolgreichen Migrantinnen und Migranten.