Einleitung
Mut zum Frieden - Mut zur Veränderung" - so lautete der Titel der Regierungserklärung, in der Bundeskanzler Gerhard Schröder am 14. März 2003 die Agenda 2010 vorstellte. Den Kern dieses Reformprogramms bildeten die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie die Fortführung der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.
Bislang wurde jedoch kaum darauf hingewiesen, dass die Politik der Agenda 2010 die Dualisierung des Arbeitsmarktes explizit förderte.
In Deutschland manifestiert sich dies oberflächlich in Form getrennter Rechtskreise. Versicherungsbasierte Leistungen wie unter anderem das Arbeitslosengeld I (ALG I) sind Gegenstand des Sozialgesetzbuches III (SGB III), während die neu eingeführte Grundsicherung für Arbeitslose, auch Arbeitslosengeld II (ALG II) bzw. "Hartz IV" genannt, im SGB II geregelt wird. Grundlegend ist, dass damit letztlich zwei weitgehend getrennte Systeme sozialer Sicherung mit stark differierenden sozialen Rechten geschaffen wurden. Die entsprechende Dualisierung zeigt sich bei den kollektiven Mitbestimmungsrechten in den jeweiligen Leistungsverwaltungen, den Differenzen hinsichtlich Höhe und Struktur der Transferleistungen, den Regelungen der Arbeitspflicht und den Formen der Beschäftigungsförderung sowie der Arbeitsmarktintegration. Darüber hinaus setzt sich die Spaltung sowohl in der Familienpolitik wie auch bei den jüngsten Sparbeschlüssen fort.
In der Folge hat ein immer geringerer Teil der Arbeitnehmer Zugang zu den für das konservative Wohlfahrtsmodell als typisch angesehenen statussichernden Leistungen der Arbeitslosenversicherung (oder auch des Elterngeldes), während immer mehr Arbeitnehmer auf den Kreislauf zwischen prekärer Beschäftigung und Grundsicherung bzw. deren Mix verwiesen werden.
Verwaltungsorganisation und Mitbestimmung
Obgleich die Grundzüge der Arbeitslosenversicherung weitgehend erhalten blieben, erfolgten hier bereits Anfang der 2000er Jahre Veränderungen der Organisationsstrukturen, die sich auch in der Umbenennung der Bundesanstalt für Arbeit zur Bundesagentur für Arbeit (BA) ausdrückten. Dabei wurde das bislang für das konservativ korporatistische deutsche Wohlfahrtsstaatsmodell als charakteristisch geltende Selbstverwaltungs- und Mitbestimmungsprinzip innerhalb der Organisation der Arbeitslosenversicherung geschwächt, allerdings nicht gänzlich aufgegeben. Seitdem wird der Vorstand der BA nicht mehr paritätisch unter Beteiligung der Sozialpartner besetzt, sondern (befristet) hauptamtlich ernannt. Der weiterhin drittelparitätisch zusammengesetzte Verwaltungsrat ist auf Beratungs- und Kontrollfunktionen beschränkt.
Mit der im Rahmen der Agenda 2010 realisierten Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe (ALH) und Sozialhilfe (SH) wurde eine neue Organisationsstruktur für erwerbsfähige Hilfebedürftige nach SGB II aufgebaut. Das ursprüngliche Ziel, "Leistungen aus einer Hand" unter dem Dach der BA zu erbringen, konnte im Rahmen der föderalen Entscheidungsstrukturen nicht erreicht werden. Die entstandenen Organisationsstrukturen zur Förderung von ALG-II-Beziehern zeichnen sich durch eine hohe Fragmentierung aus: Es sind 365 Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) als Kooperationsorganisationen der lokalen Agenturen für Arbeit und der kommunalen Träger entstanden. Diese sind intern weiterhin stark arbeitsteilig organisiert, vor allem mit Blick auf Arbeitsförderung und Leistungsverwaltung.
Die infolge eines Bundesverfassungsgerichtsurteils bewirkte Verfassungsänderung (Artikel 91e) mit Bezug zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung zwischen Bund und Kommunen hat im Juli 2010 das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung ermöglicht.
Im Hinblick auf die Gewährung sozialer Rechte ist ausschlaggebend, dass die rechtliche Verankerung des Mitbestimmungsprinzips der Sozialpartner keinen Eingang in die Strukturen fand. Die Mehrheit der genannten Organisationen hat zwar freiwillig "Beiräte" eingerichtet, in diesen sind jedoch neben den Tarifpartnern unter anderem auch die Wohlfahrtsverbände vertreten.
Transferleistungen
Das im Nachkriegsdeutschland entwickelte dreistufige System der sozialen Sicherung für Arbeitslose wurde mit dem in der Agenda 2010 anvisierten "Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen" - auch Hartz IV genannt - auf ein zweistufiges reduziert.
Das als beitragsfinanzierte Leistung geregelte Arbeitslosengeld I blieb im Zuge der Reformen weitgehend unverändert. Das ALG I ist eine Lohnersatzleistung, die unverändert in Höhe von 60 Prozent des vorangegangenen Nettoeinkommens, respektive 67 Prozent desselben für Arbeitslose mit mindestens einem Kind, für eine Dauer von bis zu zwölf Monaten geleistet wird. Die älteren Arbeitnehmern mit entsprechend langen Beitragszeiten gewährte Verlängerung bis zu 32 Monaten wurde zunächst gekürzt, um dann 2008 für über 58-Jährige erneut bis zu 24 Monate verlängert zu werden. Eingeschränkt wurde jedoch der Zugang, indem die für den Bezug von ALG I vorausgesetzte zwölfmonatige Dauer einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nunmehr innerhalb einer Rahmenfrist von zwei anstatt zuvor von drei Jahren erbracht werden muss. Die soweit alles in allem geringfügigen Änderungen machen gleichwohl deutlich, dass mit dem ALG I sowohl am Prinzip der Statussicherung festgehalten wird als auch den sogenannten abgeleiteten sozialen Rechten im Rahmen des Ernährermodells weiterhin Rechnung getragen wird.
Mit der Einführung des Arbeitslosengeld II wurden die frühere ALH und die SH in Form einer einheitlichen und unbefristeten Grundsicherungsleistung für alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen verschmolzen. Das ALG II ist am Niveau der SH angelehnt, ausschließlich steuerfinanziert und am Prinzip der Armutsvermeidung orientiert. 2010 betrug die monatliche Höhe der Grundsicherungsleistung 359 Euro (364 Euro ab 1.1.2011) für Arbeitslose plus Wohn- und Heizkosten ("soweit sie angemessen sind") sowie anteilige Zuschläge in Abhängigkeit von Zahl und Alter weiterer Haushaltsangehöriger. Zugang wie auch Dauer sind bedürftigkeitsgeprüft und entsprechend zeitlich nicht limitiert.
Mit der Abschaffung der ebenfalls bedürftigkeitsgeprüften, aber gleichwohl als Lohnersatzleistung auf niedrigem Niveau konzipierten ALH wurde die Statussicherung für Langzeitarbeitslose aufgegeben. Dies trug vor allem bei Langzeitarbeitslosen, die vor ihrer Arbeitslosigkeit gut verdient hatten, zu einer Verschlechterung ihrer finanziellen Lage bei.
Eine Re-Kategorisierung der als "arbeitslos" definierten Personen bedeutet, dass nunmehr alle erwachsenen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft arbeitslos gemeldet sind, sofern sie nicht in Ausbildung sind, Beschäftigungsmaßnahmen wahrnehmen oder aufgrund der Kinderbetreuung oder Pflege von der Erwerbspflicht entbunden sind. Entsprechend zählen jetzt auch nicht erwerbstätige Partnerinnen von ALG-I-Beziehern ohne Kinder unter drei Jahren beim Übergang in ALG II automatisch als arbeitslos.
Innerhalb der Gruppe der als arbeitslos kategorisierten Leistungsempfänger in Deutschland stellten im Jahr 2010 die rund eine Million ALG-I-Bezieher mit 32 Prozent mittlerweile die Minderheit dar. Die Mehrheit der registrierten Arbeitslosen, respektive 2,2 Millionen, bezog ALG II.
Das ALG II kann dagegen als eine Art universeller working-age-benefit betrachtet werden, der neben den als arbeitslos registrierten Personen auch verschiedene aktuell nicht am Arbeitsmarkt verfügbare Gruppen einschließt wie etwa Mütter mit Kindern unter drei Jahren, aber auch Erwerbstätige mit Haushaltseinkommen unterhalb der Armutsgrenze (working poor) oder Teilnehmer von Beschäftigungsmaßnahmen. Die Gesamtzahl der erwerbsfähigen Leistungsempfänger des ALG II lag daher noch deutlich höher, nämlich bei insgesamt knapp 5,4 Millionen im August 2010. Ferner leben weitere knapp zwei Millionen nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige (z.B. Kinder) in Bedarfsgemeinschaften.
Arbeitspflicht, Beschäftigungsförderung und Arbeitsmarktintegration
Der im Zuge der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik geprägte und in der Agenda 2010 vertretene Slogan "fördern und fordern" wird im Einklang mit der Dualisierung der Transferleistungen ebenfalls stark unterschiedlich umgesetzt. So sieht die Regelung der "Arbeitspflicht" bei Beziehern des ALG I vor, dass sie in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit "angemessene" Beschäftigungen akzeptieren. Selbst danach müssen nur solche Beschäftigungen angenommen werden, die mindestens ein Einkommen in Höhe des gewährten Arbeitslosengeldes garantieren. Demgegenüber wird von arbeitslosen ALG-II-Empfängern gefordert, dass sie grundsätzlich jede Beschäftigung akzeptieren, selbst wenn die Bezahlung unter dem ortsüblichen Tariflohn liegt.
Im Widerspruch zum Ziel des "Förderns" steht in Deutschland ein genereller Abbau der Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung wie auch der Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung in Form sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung seit Mitte der 1990er Jahre. Dies wird letztlich nur bedingt kompensiert durch den Ausbau von eher kurzfristigen Trainingsmaßnahmen sowie von Eingliederungszuschüssen und der Förderung der Selbständigkeit. Eine positive Neuerung im Zuge der Einführung des ALG II bestand darin, dass die Bezieher generell Zugang zu den nach SGB III geregelten Maßnahmen der Beschäftigungsförderung haben sollten - womit die Inklusion der früheren Sozialhilfeempfänger angestrebt wurde.
Bei der Umsetzung zeigt sich jedoch, dass der Anteil der Förderung durch Qualifizierungsmaßnahmen bei den ALG-II-Empfängern im Jahre 2009 deutlich geringer war als bei ALG-I-Empfängern (etwa 23% zu 51%). Gleiches gilt für die Förderung durch die erfolgreichen Eingliederungszuschüsse (etwa 15% zu 39%). Knapp 40 Prozent der ALG-II-Empfänger wurden - wie zuvor die Sozialhilfeempfänger - durch Beschäftigungsgelegenheiten gefördert.
Insgesamt kann damit konstatiert werden, dass ALG-II-Empfänger in deutlich geringerem Umfang Zugang zu den Maßnahmen haben, die Beschäftigungsfähigkeit nachhaltig fördern bzw. eine Integration in qualifizierte Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt gewährleisten. Gleichzeitig sind sie einem deutlich stärkeren Druck als ALG-I-Empfänger ausgesetzt, auch sozial prekäre Beschäftigungsverhältnisse einzugehen.
Die Agenda 2010 hat somit dazu beigetragen, dass flexible bzw. prekäre Beschäftigungsverhältnisse stark zugenommen haben. Insbesondere ALG-II-Bezieher gehen häufig parallel zum Leistungsbezug oder im Anschluss daran einer prekären Arbeit nach. Ein direkter Zusammenhang zeigt sich exemplarisch anhand der Deregulierung der Minijobs und der Förderung selbständiger Beschäftigung seit 2003. Erstere hat zu einer massiven Expansion der nicht sozialversicherungspflichtigen Teilzeitarbeitsverhältnisse auf 7,3 Millionen bis Dezember 2009 beigetragen.
Ein weiteres Element der Prekarisierung von Beschäftigung durch Beschäftigungsförderung ergibt sich über die im Rahmen der "Ich-AG" bzw. seit 2006 durch den Gründungszuschuss geförderte selbständige Erwerbstätigkeit. Gefördert wurden jährlich bis zu 120.000 Leistungsbezieher, die zu einem hohen Anteil erneut arbeitslos wurden.
Die soweit skizzierte Dualisierung der Arbeitsmarktpolitik und des Arbeitsmarktes geht mit vergleichsweise wenigen "Übergängen zwischen den Systemen" einher:
ALG-I-Bezieher beendeten im Jahre 2008 zu 45 Prozent den Leistungsbezug durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, während dies auf nur 33 Prozent der arbeitslosen ALG-II-Bezieher zutraf.
Obgleich auch Normalarbeitnehmer in Deutschland vielfach einen "Abstieg" in Hartz IV fürchten, ergeben sich nur zwölf Prozent der Zugänge zum ALG II durch das Ausschöpfen des Leistungsbezugs im ALG I (plus 8% "Aufstocker" wegen zu geringer ALG-I-Leistungen). Von den ALG-II-Beziehern verbleiben etwa 40 Prozent länger als ein Jahr und rund 20 Prozent sogar länger als drei Jahre im Bezug. Merkmale bzw. Merkmalskombinationen wie alleinerziehend, älter als 50 Jahre, gesundheitliche Einschränkungen, geringe Qualifizierung gehen meist mit einer langen Dauer des Leistungsbezugs einher.
Etwa die Hälfte der Bedarfsgemeinschaften überwindet den SGB-II-Bezug nicht dauerhaft, sondern ist innerhalb der nächsten zwölf Monate erneut bedürftig.
Insgesamt ist damit die Dynamik wie auch die Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt bei ALG-I-Empfängern deutlich höher als bei ALG-II-Empfängern. Ferner kann angenommen werden, dass es einen Kreislauf zwischen prekärer bzw. instabiler Beschäftigung und SGB-II-Bezug gibt.
Dieser Befund ist umso drastischer, wenn auch die regionale Verteilung berücksichtigt wird. So ist die durchschnittliche Quote der ALG-II-Empfänger (in Relation zur Bevölkerung unter 65 Jahren) im Durchschnitt aller ostdeutschen Bundesländer mit 17 Prozent deutlich höher als im Westen (8,9%). Bei den entsprechenden Quoten einzelner Bundesländer zeigen sich die größten Disparitäten zwischen Bayern (5%) und Sachsen-Anhalt bzw. Bremen (ca. 18%) und Berlin (21,5%).
Dualisierung des Familienleitbildes und der Familienpolitik
Die traditionelle Orientierung des deutschen Sozialmodells am männlichen Ernährermodell drückt sich unter anderem durch die abgeleiteten sozialen Rechte in den Sozialversicherungen aus (z.B. Hinterbliebenenrente oder kostenlose Mitversicherung von nicht erwerbstätigen Ehepartnern und Kindern in der Krankenversicherung).
Beim Arbeitslosengeld spiegelt sich dies für Leistungsempfänger mit Kindern in einer höheren Lohnersatzrate wider. In der Regulierung des ALG II wird an diesem Leitbild einerseits festgehalten, indem Arbeitslose mit erwerbstätigem Partner nach Ausschöpfen des ALG I im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung vom weiteren ALG-II-Bezug - wie auch weitgehend von der Beschäftigungsförderung - ausgeschlossen werden, da sie als "versorgt" gelten, was überwiegend Frauen betrifft.
Die Dualisierung der Arbeitsmarktpolitik zeigt sich darin, dass beim "Übergang" ins ALG II immer das Familienleitbild angelegt wird, das eine unmittelbare Kostenminimierung für den Sozialstaat verspricht. Dies drückt sich auch im Rahmen alter und neuer Regelungen familienpolitischer Maßnahmen aus, die für ALG-II-Bezieher jeweils spezifisch wirken: Während das Kindergeld zum ALG I zusätzlich bezogen werden kann, wird es mit den Regelsätzen im ALG II voll verrechnet, so dass es im Sozialgeld aufgeht (Grundsicherungsleistung für die Kinder). Kindergelderhöhungen werden somit für ALG-II-Bezieher letztlich nicht wirksam. Die geplante "Bildungskarte" verspricht eine bedingt erhöhte Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben für die Betroffenen, vertieft aber gleichzeitig über die vorbestimmte Bindung der Leistungen die bereits bestehende Dualisierung sozialer Rechte.
Ferner sind potenzielle Erhöhungen der Leistungen für Kinder vor dem Hintergrund zu bewerten, dass mit dem Bundeshaushalt 2011 im Rahmen des "Sparpakets" weitere allgemeine Kürzungen beschlossen wurden, von denen ebenfalls viele Familien und Kinder im ALG-II-Bezug betroffen sein werden.
Entwicklungen in Nachbarländern
Der Blick über die Grenzen zeigt unterschiedliche Wege der Integration der Transferleistungssysteme von Arbeitslosen wie auch ihrer Arbeitsmarktaktivierung.
Dänemark steht für eine Inklusion der Mehrheit der Arbeitslosen ins Versicherungssystem. Das ALG ist als Lohnersatzleistung reguliert, die für untere Lohngruppen mit bis zu 90 Prozent des vorherigen Lohns vergleichsweise hoch ist. Für höhere Einkommensgruppen wird dagegen eine Lebensstandardsicherung nur bedingt gewährt, da eine Deckelung des Transfers bei etwa 50 Prozent des Durchschnittseinkommens erfolgt. 2006 lag die maximale Höhe des ALG entsprechend bei umgerechnet etwa 23.278 Euro (vor Steuer).
Das zweite Sicherungssystem in Dänemark, die Sozialhilfe, hat eine deutlich geringere quantitative Bedeutung - 2007 gab es etwa halb so viele Sozialhilfeempfänger wie ALG-Bezieher. Neben Jugendlichen sind primär Migranten, die noch keiner Erwerbstätigkeit unter Einbezug in die Arbeitslosenversicherung nachgegangen sind, darauf verwiesen. Die in der Sozialhilfe im Vergleich zur Arbeitslosenversicherung noch deutlich härtere Regulierung der Arbeitspflicht in Form des Nachweises von 300 Stunden Erwerbsarbeit als Voraussetzung für finanzielle Leistungen wird daher vielfach auch als Diskriminierungspolitik kritisiert.
Eine zentrale Voraussetzung für die weiterhin hohe Inklusion der Arbeitslosen in die Arbeitslosenversicherung in Dänemark ist die mittlerweile als universell zu bezeichnende Arbeitsmarktteilhabe. Diese ergibt sich einerseits aufgrund einer sehr geringen Langzeitarbeitslosigkeit (2009: 9%), anderseits muss die mit 76,5 Prozent extrem hohe Beschäftigungsquote von Müttern hervorgehoben werden, die mit einem vergleichsweise geringen Teilzeitanteil einhergeht und durch das umfassend ausgebaute Kinderbetreuungssystem ermöglicht wird.
Das britische System integriert alle Arbeitslosen und Hilfebedürftigen im Rahmen einer einheitlichen Grundsicherung - was einer weitgehenden Aufgabe des Prinzips der Lebensstandardsicherung entspricht. Das "Privileg" der zuvor erwerbstätigen und versicherten Arbeitslosen (2001 bis 2006 etwa 18% der Leistungsempfänger) besteht allein darin, dass für die ersten sechs Monate der Arbeitslosigkeit keine Bedürftigkeitsprüfung als Voraussetzung für den Leistungsbezug erfolgt.
Schwerpunkt der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik ist hier die unmittelbare Vermittlung der Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Gleichwohl wird nach drei bis vier Monaten quasi ein Recht auf Aktivierung eingelöst, das für Arbeitslose über 25 Jahren ein intensives Bewerbungstraining und die Vermittlung von Basisqualifikationen oder aber für Jugendliche die Option der Beschäftigung in gemeinnützigen Projekten bzw. der Qualifizierung beinhaltet. Viele Frauen bzw. Alleinerziehende werden auch hier lediglich im Rahmen von (geringfügigen) Teilzeittätigkeiten integriert. Zudem bietet der Arbeitsmarkt vor allem für Geringqualifizierte vielfach nur einfache Dienstleistungstätigkeiten im Niedriglohnbereich. Entsprechend ist insbesondere für (Ein-Verdiener-)Haushalte mit Kindern das Risiko hoch, "trotz Arbeit arm" zu sein.
Um die steigende Einkommensungleichheit zu verringern, wurde bereits 1999 unter der Labour-Regierung ein Mindestlohn eingeführt und kontinuierlich erhöht. Im Oktober 2009 lag dieser für Erwachsene bei etwa neun Euro und für unter 21-Jährige bei rund 6,50 Euro. Dies wurde kombiniert mit dem Ausbau der Kinderbetreuung und der Einführung der sogenannten tax credits (working tax sowie child tax credits, bei denen auch Kinderbetreuungskosten bei erwerbstätigen Eltern berücksichtigt werden). Das weitgehend in Form einer negativen Einkommenssteuer konzipierte System dient dazu, geringe Erwerbseinkommen durch Transfers "aufzustocken", wovon vor allem Haushalte mit Kindern profitieren. Anders als im deutschen System des ALG II ist der Mix aus Erwerbs- und Transfereinkommen so reguliert, dass nur 37 Prozent des Erwerbseinkommens auf die Grundsicherung angerechnet wird, so dass das entsprechende Haushaltseinkommen bei jedem durch Erwerbstätigkeit verdienten Pfund um 63 Pennies steigt. Bereits 2006/2007 profitierten davon gut sechs Millionen Haushalte von Geringverdienern, was gleichwohl mit Kosten in Höhe von 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verbunden war.
Eine Beurteilung der verschiedenen Systeme in Bezug auf soziale Gleichheit und Erwerbsintegration lässt Dänemark überdurchschnittlich gut abschneiden. Seit Mitte der 1990er Jahre bis Mitte 2005 haben Einkommensungleichheit und Armut
In Großbritannien war die soziale Ungleichheit vor den Reformen extrem gestiegen, so dass der Erfolg in der Umkehrung des Entwicklungstrends besteht. Die Armutsquote wie auch die Einkommensungleichheit konnte seit Mitte der 1990er Jahre bis Mitte 2005 stark verringert werden. Gleichwohl lag erstere 2007 weiterhin bei 19 Prozent. Die Arbeitslosenquote erreichte 2009 mit 7,6 Prozent ein mittleres Niveau. Ausschlaggebend für die deutlich höhere Armutsquote in Großbritannien dürfte dabei neben dem - im Vergleich zu Dänemark - generell niedrigeren Lohnniveau unter anderem auch die noch deutlich geringere Erwerbsintegration von Frauen bzw. die stark ausgeprägte Teilzeitarbeit sein. Unter diesen Bedingungen gelingt es beispielsweise (gering qualifizierten) Alleinerziehenden nicht, die Armutsschwelle zu überwinden.
Die deutsche Entwicklung kontrastiert negativ zu beiden Ländern, da der hier bis 2005 dokumentierte Entwicklungstrend einen massiven Anstieg der Einkommensungleichheit und der Armut zeigt, der sich infolge der Agenda-2010-Politik weiter fortsetzt. Während die Arbeitslosenquote 2009 mit 7,5 Prozent vergleichsweise stabil blieb, erreichte die Armutsquote 2007 bereits 15 Prozent.
Werden soziale Gleichheit und Inklusion als Maßstab angelegt, ist die Agenda 2010 abschließend also kritisch zu betrachten, da mit ihr eine verstärkte Dualisierung der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik in Deutschland verbunden ist, welche eine Ausgrenzung der Randgruppen am Arbeitsmarkt vorantreibt.