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Griechischer, türkischer oder "zypriotischer" Kaffee | Zypern | bpb.de

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Griechischer, türkischer oder "zypriotischer" Kaffee

Yiannis Papadakis

/ 13 Minuten zu lesen

"Kaffee" und "Esel" sind Metaphern für höchst umstrittene Meinungen über nationale Identität auf Zypern. Analysiert werden Modelle von Nationalismus sowie die Schwierigkeiten einer Einigung über eine föderale Lösung.

Einleitung

Als sich die beiden Vertreter der zypriotischen Volksgruppen, der Grieche Dimitris Christofias und der Türke Mehmet Ali Talat, am 21. März 2008 zum ersten Mal trafen, stellte ein Journalist eine schwierige Frage: "Haben Sie griechischen oder türkischen Kaffee getrunken?" "Zypriotischen Kaffee", antwortete Christofias. Auf eine andere Frage sagte er später: "Herr Talat und ich sind Freunde, wir können niemals Feinde werden." Talat schien beidem zuzustimmen.


Beide Aussagen sind sehr wichtig und zugleich fragwürdig. Die erste wegen ihrer politischen Bedeutung: Selbst Kaffee weckt in Zypern politische Assoziationen. Bei der zweiten stellt sich die Frage nach ihrer Verlässlichkeit und Beständigkeit, woran Zweifel aufkommen, wie sich heute, nur wenige Monate später, zeigt. Aber eigentlich bringen beide dasselbe zum Ausdruck, nur mit anderen Worten. Eine damit verbundene Frage, die allerdings nicht gestellt wurde, hätte die Kaffeetasse betroffen, aus der die beiden Politiker getrunken haben, aber darauf werde ich an Ende zurückkommen.

Das mit dem Kaffee ist eigentlich lächerlich, denn jeder weiß, dass dieser sich durch nichts unterscheidet. Zum Beispiel verkauft eine Firma in Deutschland den gleichen Kaffee in zwei verschiedenen Verpackungen: eine mit griechischer Beschriftung und der Abbildung des Parthenon, die andere mit türkischer Aufschrift und dem Bild einer Moschee. Die Diskussion über die Zugehörigkeit des Kaffees ist ein Beispiel für die Macht des Nationalismus, der selbst gemeinsame Aspekte der Alltagskultur zu entzweienden Themen machen kann. Das beste Beispiel dafür ist ein zweisprachiges Schild vor einem öffentlichen Bad auf der griechisch-zypriotischen Seite. Auf griechisch steht da "Ellinikon Loutron" (Griechisches Bad), die englische Übersetzung lautet "Türkisches Bad".

Über Esel und nationale Identität

Kaffee und auch die zypriotischen Esel sind zu Metaphern für höchst umstrittene Meinungen über Identität geworden. Die Diskussion um die Esel begann im Februar 1999, als der türkisch-zypriotische Volksgruppenführer Rauf Denktaş einer akademischen Besuchergruppe erklärte, dass es keine zypriotische Nation gebe, sondern nur zypriotische Esel. Dies führte zu heftigem Protest, insbesondere von Seiten der türkisch-zypriotischen Linken. Talat, Vorsitzender der sozialdemokratischen CTP (Republican Turkish Party), reagierte mit einer Presseerklärung, in der er Denktaş' Aussage als schwerwiegenden Angriff auf türkische Zyprioten bezeichnete. Linke Zeitungen druckten Artikel mit Überschriften wie "Das Volk antwortet Denktaş mit einer Stimme: Wir sind Zyprioten, keine Esel". Ein anderer Artikel bezeichnete Zypern im Scherz als "Land der Esel (Eshekistan)". Es gab viele aufgebrachte Leserbriefe: "Wie viele Esel werden Denktaş dieses Jahr wählen"? oder "Natürlich sind wir Esel, wie könnten wir sonst diese schwere Last tragen?", womit die aktuelle Führung gemeint war. Talat warf Denktaş außerdem vor, dass er nie an eine Föderation und die Wiedervereinigung geglaubt, sondern immer eine Teilung Zyperns angestrebt habe. Özker Özgür, der vorherige Vorsitzende der CTP, schrieb in einem Artikel unter der Überschrift "Denktaş ist der gleiche Denktaş", dass dieser in der Vergangenheit viele ähnliche Bemerkungen gemacht habe, dass es in Zypern keine Zyprioten gebe, weder türkische noch griechische, nur Türken auf der einen und Griechen auf der anderen Seite.

Denktaş reagierte heftig auf die Kommentare der Linken. Seine Äußerungen seien absichtlich falsch interpretiert worden. Im Gegenzug beschuldigte er Talat, dass dieser jetzt die Gelegenheit nutze, seine, Denktaş', Äußerung zu verdrehen, weil er einst Wählerstimmen mit dem Statement "Die Türkei ist nicht mein Vaterland" verloren habe. Damit wolle er sich jetzt reinwaschen. Außerdem beschuldigte Denktaş Talat, er versuche "uns unter dem Deckmantel der Cypriotness unser Türkentum vergessen zu lassen". Und er fügte hinzu: "Wir sind nur in geografischer Hinsicht Zyprioten. Wir sind Türken, ein Teil der türkischen Nation, der niemals abgeschnitten oder getrennt werden kann." Sodann berief er sich auf einen vermeintlichen Verbündeten für sein Argument. Er behauptete, der verstorbene griechisch-zypriotische Führer Makarios habe einst etwas Ähnliches gesagt. Denktaş erzählte, dass er Makarios gefragt habe, wie er als Präsident der zypriotischen Nation für Enosis, den Anschluss Zyperns an Griechenland, eintreten könne. Makarios habe geantwortet, dass es keine zypriotische Nation gebe: "Wir sind Griechen, die in Zypern leben", habe er gesagt und hinzugefügt, dass das einzige Lebewesen auf Zypern, das von sich behaupten könne, ein Zypriote zu sein, der Esel sei. Türkisch-zypriotische Kommentatoren zeigten sich erstaunt, dass sich Denktaş nach all den Jahren und all den Kämpfen gegen Makarios jetzt daran erinnere, dass er sich mit Makarios über etwas einig war.

Hat sich Makarios jemals so geäußert? Der Teil über die Esel lässt sich schwer nachweisen, aber Makarios hat einige Bemerkungen darüber gemacht, dass es in Zypern keine zypriotische Nation gebe. Diese fielen hauptsächlich nach 1960, als griechische Zyprioten trotz der Unabhängigkeitserklärung immer noch Enosis und türkische Zyprioten Taksim, die Teilung, anstrebten. Dies änderte sich allerdings nach 1974, als die griechischen Zyprioten eine Wiedervereinigung wollten. Die griechisch-zypriotischen Führer sprachen nun offiziell von "einem Volk" in Zypern, weil sie auf eine Wiedervereinigung hofften, während die türkisch-zypriotische Führung in dieser Zeit von "zwei Völkern" sprach, weil sie die Teilung - in welcher Form auch immer - erhalten wollte. Das ist ein wichtiger Streitpunkt nicht nur zwischen griechischen und türkischen Zyprioten, sondern auch unter den türkischen Zyprioten selbst. Linke türkisch-zypriotische Parteien sind eher für eine Wiedervereinigung als rechte. Die ganze Diskussion über die Esel und ob es ein zypriotisches Volk oder eine zypriotische Nation gebe, bringt diese Uneinigkeit unter den türkischen Zyprioten zum Ausdruck: Diejenigen, die eher für eine Wiedervereinigung sind, vor allem die Linken, sprechen mehr über Gemeinsamkeiten zwischen den beiden zypriotischen Volksgruppen; diejenigen, die eher für eine Teilung sind, wie etwa die türkisch-zypriotischen Rechten, mehr über die Unterschiede von Griechen und Türken in Zypern.

Vertreter der türkisch-zypriotischen Linken prophezeiten, dass türkische Zyprioten bald zu einer seltenen und bedrohten Art wie der zypriotische Esel werden könnten, weil immer mehr türkische Zyprioten ins Ausland zögen und sich mehr und mehr Menschen aus der Türkei in Zypern niederließen. Obwohl sich türkische ebenso wie griechische Zyprioten an ihre Nachbarländer Türkei und Griechenland mit dem Wunsch nach Schutz und internationaler Unterstützung wenden, äußern sie auch oft ihr Misstrauen gegenüber Griechen und Türken. Misstrauen besteht jedoch in beide Richtungen: Wenn sich Griechen über griechische Zyprioten aufregen, kommt der altbekannte zypriotische Esel wieder ins Bild. "Oh, diese zypriotischen Esel", heißt es dann bei den Griechen, wenn sie griechische Zyprioten meinen.

Selbst politische Eselsproteste haben ihre eigene Geschichte auf dieser Insel, die einst für ihre Esel bekannt war, als diese noch ein seltenes und wertvolles Kapital waren, bevor sie durch Pick-ups ersetzt wurden. In den späten 1950er Jahren stellte der britische Gouverneur von Zypern den griechisch-zypriotischen EOKA-Kämpfern, welche die Vereinigung mit Griechenland anstrebten, ein Ultimatum zur Kapitulation. Diese schickten einen Esel mit der Aufschrift "Ich ergebe mich" durch die Straßen, bis er von der britischen Polizei aufgegriffen wurde. Während der britischen Kolonialzeit von 1878 bis 1960 entwickelten sich zwei gegensätzliche Nationalismen in Zypern: griechischsprachige Christen (wobei manche auch Türkisch sprachen), die sich als Griechen und türkischsprachige Muslime (wobei viele auch Griechisch sprachen), die sich als Türken bezeichneten. Beide fühlten sich der Nation ihres jeweiligen "Mutterlandes" Griechenland oder Türkei zugehörig. Die Repressionen der britischen Kolonialbehörden und deren sture Behauptung, dass es nie eine griechische oder türkische Nation in Zypern gegeben habe, sondern nur eine "zypriotische Melange", ein gestaltloses Gemisch, hat die beiden ethnischen Gruppen dazu gebracht, noch stärker auf ihren griechischen und türkischen Identitäten zu beharren. Die beiden Nationalismen nahmen damit noch schärfere Formen an. Die Gewalt zwischen den Volksgruppen begann in Zypern damit, dass die Briten türkisch-zypriotische Polizisten einstellten, um den EOKA-Aufstand zu bekämpfen - ganz im Sinne ihrer gut einstudierten Teile-und-Herrsche-Politik. Die eskalierenden interkommunalen Auseinandersetzungen der 1960er Jahre verstärkten die bereits vorhandenen Gefühle gegenseitiger Intoleranz noch.

Griechen und Türken, oder Zyprioten?

Trotz der unterschiedlichen politischen Ziele hatten beide Nationalismen in Zypern die gleiche Form. Es war ein ethnischer Nationalismus, der die Gemeinsamkeiten mit den Menschen der "Mutterländer" Türkei und Griechenland im Hinblick auf Geschichte, Abstammung, Sprache, Kultur und Religion betonte. In der Zeit nach 1974 wurde diese Form des Nationalismus von türkisch-zypriotischen und griechisch-zypriotischen Parteien aus dem rechten Lager verfochten, insbesondere von der türkisch-zypriotischen UBP (National Unity Party) und der griechisch-zypriotischen DISY (Democratic Rally). Sie beherrschte auch die Geschichtsbücher auf beiden Seiten. Die beiden linken Parteien, die griechisch-zypriotische AKEL (Uprising Party of the Working People) und die Republikanisch-türkisch CTP übernahmen dagegen ein anderes Nationalismusmodell: den staatsbürgerlichen Nationalismus. Dieser setzte den Schwerpunkt auf den geopolitischen Raum Zyperns und betonte die Gemeinsamkeit aller Bewohner in der Hoffnung, dass eines Tages ein gemeinsamer Staat zustande kommt. Die CTP und ihre Anhänger befürworteten die Wiedervereinigung und sahen die Türkei kritisch.

Als die CTP 2003 an die Macht kam, wurden die Geschichtsbücher umgeschrieben, in denen bislang eine Teilung befürwortet wurde. Das türkeiorientierte Geschichtsmodell wurde nun zu einem zypernorientierten Modell. Dabei vermied man weitgehend, die Geschichte - wie in den bisherigen türkisch-zypriotischen Büchern - als lange Liste barbarischer Angriffe von griechischen auf türkische Zyprioten darzustellen. In den neuen Geschichtsbüchern wird der Entstehung einer nationalen Identität in Zypern während des 19. und 20. Jahrhunderts nachgegangen. Dabei wird ein sozialkonstruktivistisches Denkmuster verfolgt, und es werden zugleich kulturelle Wechselwirkungen, interne Spaltungen und Diskontinuitäten aufgezeigt. Der ideologische Wechsel zeigt sich auch auf dem Buchumschlag, der Zypern in Umrissen als Ganzes ohne Trennungslinie darstellt, im Gegensatz zu den Zypernkarten der Rechten, die immer die geteilte Insel zeigen und die Türkei ganz oder teilweise mit abbilden. Auch die AKEL hat vor kurzem erklärt, den Geschichtslehrplan als Teil einer breiteren Revision des Bildungssystems ändern zu wollen. Dies stieß jedoch auf starken Widerstand.

Die beiden linken Parteien sehen sich zuallererst als Zyprioten, während die beiden rechten Parteien die Begriffe Griechen und Türken verwenden. Dies ist die implizite Botschaft von Christofias' Bemerkung über den Kaffee: Die beiden Linken treten für eine recht ähnliche Sicht der Geschichte ein. Sie vertreten die Auffassung, dass das Zypernproblem ein Ergebnis ausländischer, vorrangig britischer und amerikanischer Einmischungen ist (unter anderem die britische Teile-und-Herrsche-Politik während der 1950er Jahre und die US-amerikanische Unterstützung der griechischen Militärjunta, die 1974 den Putsch in Zypern inszenierte). Damit verbunden sind die entzweienden Folgen des griechischen und türkischen Nationalismus in Zypern, die Aktionen rechter Extremisten sowie die zerstörerischen Interventionen Griechenlands (mit dem Putsch von 1974) und der Türkei (mit der Militäroffensive von 1974).

Dass die beiden derzeitigen Führer der Linken enge Freunde sind, ist also kein Zufall. Diese Freundschaft erscheint derzeit allerdings angesichts der üblichen gegenseitigen Anschuldigungen, die auch die laufenden Verhandlungen überschatten, immer wackliger. Die stärkste Basis interkommunaler Kooperation in der Geschichte Zyperns war die Arbeiterbewegung. Gemeinsame Gewerkschaften und Arbeitskämpfe haben eine lange und bedeutende Vergangenheit. Die beiden linken Parteien AKEL und CTP arbeiteten traditionell eng zusammen; sie trafen sich in der Zeit der Teilung nach 1974 zum gegenseitigen Austausch; es gab immer ein starkes Solidaritätsgefühl.

Ein ungeschriebener Teil zypriotischer Geschichte ist die Gewalt nationalistischer Rechter gegen die Linken in ihrer eigenen Volksgruppe. Beide linken Parteien teilen dadurch die Abneigung gegen nationalistische Diskurse und das starke Bewusstsein, dass Gewalt niemals nur eine Sache der anderen Seite ist. Dies ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt, wenn es darum geht, die auf beiden Seiten festgefahrenen Meinungen aufzubrechen, denen zufolge "die andere Seite der alleinige Aggressor und wir die alleinigen Opfer sind", und einen Kompromiss zu ermöglichen. Wenn also jemand ein starkes Interesse an einer föderalen Lösung hat, dann sind das wohl die beiden linken Parteien. Sie haben am meisten zu gewinnen, vorausgesetzt, dass für bestimmte föderal gewählte Schlüsselpositionen eine Zusammenarbeit der politischen Kräfte beider Seiten notwendig ist. Es ist unwahrscheinlich, dass irgendeine andere Partei dies erreichen könnte. Erstmals in der Geschichte Zyperns sind nun zwei linke Führer gleichzeitig an der Macht, die sich einer föderalen Lösung verpflichtet fühlen und die Sichtweise teilen und auch vermitteln wollen, dass eine Lösung nur mit schmerzhaften Kompromissen zu erreichen ist.

Das andere positive Element der derzeitigen politischen Konstellation bezieht sich auf die griechisch-zypriotische Rechte. Die größte Oppositionspartei ist die konservative DISY (die wie die AKEL etwa ein Drittel der Stimmen auf sich vereint), deren Führung 2002 den Annanplan befürwortet hatte (allerdings nicht die Mehrheit ihrer Anhänger). Die DISY befindet sich in der kuriosen Situation, eine Oppositionspartei zu sein, welche die Regierungspolitik in der Zypernfrage - und dies ist das einzige Thema in Zypern - unterstützt. Die eigentliche Opposition zur AKEL kommt von den regierungsbeteiligten Parteien DIKO (Democratic Party) und EDEK (Movement for Social Democracy). Dieses Novum in der Geschichte Zyperns, das der verantwortungsvollen Politik der derzeitigen DISY-Führung zu verdanken ist, hat eine bedenkliche innenpolitische Brisanz. Obwohl die DISY ein anderes Geschichts- und Identitätsmodell als die AKEL verfolgt, haben beide Parteien ihre Unterstützung für die Idee einer föderalen Lösung deutlich geäußert, während DIKO und EDEK dies weitaus skeptischer sehen.

Kompromiss und Föderation - zwei schlimme Wörter

Obwohl seit den späten 1970er Jahren Einigung darüber besteht, dass der Rahmen einer Lösung ein föderales System ist, fehlt darüber in der Öffentlichkeit jegliche nachhaltige und gewissenhafte Diskussion. Föderation wird auf beiden Seiten als ein eher unbefriedigendes und undemokratisches politisches Arrangement empfunden, das der jeweils anderen Seite ein Mitspracherecht bei den eigenen politischen Angelegenheiten einräumt. Sie wird nicht als demokratisches System verstanden, das die Rechte der numerischen Minderheit gegenüber einer möglicherweise dominierenden Mehrheit schützen (was die türkischen Zyprioten fordern) und das die Gefahr einer Teilung verhindern kann (was die größte Befürchtung der griechischen Zyprioten ist). Vertrauen und die Kunst des Kompromisses sind die zwei wesentlichen Zutaten einer funktionierende Föderation. Das Vertrauen zwischen den beiden Seiten scheint jedoch zu fehlen, was sich in diesen Tagen schmerzlich zeigt. Selbst die zwei freundschaftlich verbundenen linken Führer, die derzeit miteinander verhandeln, scheinen sich im altbekannten Netz des Misstrauens gegenüber den wirklichen Absichten der jeweils anderen Seite zu verfangen. Auch der Kompromiss wird eher negativ wahrgenommen, obwohl beide Seiten eigentlich ein politisches System wie die Europäische Union (EU) schätzen, das maßgeblich auf den Werten von Kompromissen beruht. "Kompromiss" ist auf beiden Seiten ein fast "schlimmes Wort". Man versteht darunter das "Eingehen auf feindliche Forderungen", die "Aufgabe fundamentaler Rechte" oder die "Akzeptanz historischer Ungerechtigkeiten". Dies beruht auf dem vorherrschenden Denkmuster, wonach sich jede Seite selbst als alleiniges Opfer fühlt und kaum in Betracht zieht, dass auch die anderen gelitten haben und dass jede Seite für das zugefügte Leid auf der anderen Seite der trennenden Linie verantwortlich ist.

Die griechischen Zyprioten sind jetzt Teil der EU und genießen als reichste Volkswirtschaft der zehn neuen Mitgliedstaaten (um genau zu sein: neun und zwei Drittel wegen der Lage auf Zypern) internationale Anerkennung. Die EU-Mitgliedschaft hat die Angst vor einer weiteren türkischen Offensive gedämpft. Das Verhältnis hat sich dadurch komplett verändert. Die türkischen Zyprioten stehen außerhalb der EU, sind vergleichsweise weniger wohlhabend, isoliert, und die "Türkische Republik Nordzypern" wird als Staat weiterhin nicht anerkannt. Umfragen zeigen, dass türkische Zyprioten heute viel zurückhaltender sind in Bezug auf eine föderale Lösung. Ihre bevorzugte Ideallösung geht mehr in Richtung einer Zweistaatenlösung. Auf der griechisch-zypriotischen Seite wäre die Ideallösung dagegen ein einheitlicher Staat wie 1960. Auf beiden Seiten wird die Föderation als zweitbeste Lösung angesehen. Was dies genau bedeutet, ist aufgrund der fehlenden Diskussion und Information über den Begriff Föderation schwer zu sagen.

Wenn man die griechisch-zypriotische Seite hinsichtlich ihrer Stabilität, ihres Wohlstands und ihrer Sicherheit betrachtet, ist kaum einzusehen, warum sie ein völlig neues, ungewohnt kompliziertes und riskantes föderales Arrangement eingehen sollte, bei dem sie nicht einmal mehr ihr "eigener Chef" ist. Eine ihrer größten Ängste ist die Vorstellung, ihre Macht mit türkischen Zyprioten teilen zu müssen. Diese Angst wird noch durch die Aussicht verstärkt, dass eine beträchtliche Zahl von Siedlern und Einwanderern aus der Türkei bleiben und nach den Vorstellungen der griechischen Zyprioten vollständig von der Türkei kontrolliert werde.

Dennoch fordern die griechischen Zyprioten weitaus mehr Vereinheitlichung, obwohl dies ihrem Unabhängigkeitsbestreben zuwider läuft. Dieser Widerspruch ist nicht leicht zu verstehen. Er könnte mit dem Wunsch vieler griechisch-zypriotischer Flüchtlinge zusammenhängen, in den Norden zurückzukehren - eine tief verwurzelte Reaktion auf das Trauma der Teilung, welche die griechische Zyprioten als schmerzvolle Amputation erfahren haben. Oder aber es ist eine alte Gewohnheit aus der Zeit, als Denktaş viele Jahre lang die Trennung forderte. Die türkischen Zyprioten hingegen waren tief enttäuscht vom griechisch-zypriotischen Nein im Referendum von 2004, vor allem von der AKEL, die für sie die größte Hoffnung auf der griechisch-zypriotischen Seite verkörpert hatte und die auch die Nein-Kampagne unterstützt hat.

Die Kaffeetasse

Eine beliebte Kaffeetasse im griechisch-zypriotischen Teil der Insel zeigt auf einer Seite einen "schwarzen Diener", der Kaffee serviert. Soweit mir bekannt ist, hat bislang niemand die rassistische Symbolik dieser Kaffeetasse wahrgenommen. Von außen betrachtet ähneln beide Seiten Zyperns immer mehr europäischen Gesellschaften, in denen dunkelhäutige Menschen untergeordnete Jobs verrichten. Eine Folge der fast vollständigen Fokussierung auf das Zypernproblem ist die fehlende Diskussion über andere wichtige soziale Themen wie etwa die Gleichberechtigung der Geschlechter oder die Migration. Beide Seiten fordern vehement, dass die Verletzungen ihrer Menschenrechte als solche begriffen werden. Sie verlieren darüber das Gefühl dafür, dass sie selbst die Menschenrechte verletzen. Auf beiden Seiten herrschen Intoleranz und Geringschätzung gegenüber denjenigen, die als anders wahrgenommen werden: Migrantinnen und Migranten, Frauen, die im Sexgewerbe arbeiten, Hausangestellte, Menschen mit anderen sexuellen oder religiösen Orientierungen. Wenn sie nicht einmal Interesse für die und Respekt vor den Anderen unter sich haben, wie wollen sie dann mit jenen Menschen auf der anderen Seite der trennenden Linie zusammenleben?

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Paschalis Kitromilides, The Dialectic of Intolerance: Ideological Dimensions of the Ethnic Conflict in Cyprus, in: Paschalis Kitromilide/Peter Worsley (eds.), Small States in the Modern World: The Conditions of Survival, Nicosia 1979, S. 143 - 184.

  2. Michael Given, Star of the Parthenon, Cypriot Melange: Education and Representation in Colonial Cyprus, in: Journal of Mediterranean Studies, 7(1997) 1, S. 59 - 82.

  3. Vgl. Anthony Smith, National Identity, London 1991.

  4. Vgl. ebd. Ethnischer und ziviler Nationalismus sind idealtypische Beschreibungen, die einige Gemeinsamkeiten aufweisen können. Letzterer kann beispielsweise eine ethnische Gewichtung der autochthonen Bevölkerung eines Territoriums beinhalten und Migranten dabei ausschließen.

  5. Vgl. Yiannis Papadakis, Echoes from the Dead Zone: Across the Cyprus Divide, London 2005, S. 185 - 206.

  6. Vgl. ders., History Education in Divided Cyprus: A Comparison of Greek Cypriot and Turkish Cypriot Schoolbooks on the "History of Cyprus", in: PRIO Cyprus Center Report, (2008) 2 (www.prio.no/cyprus).

Dr. PhD, geb. 1964; Professor für Sozial- und Politikwissenschaften an der Universität Zypern in Nikosia.
E-Mail: E-Mail Link: papada@ucy.ac.cy