Einleitung
"Die Politik des Staates sollte darauf gerichtet sein, wirtschaftliche Machtgruppen aufzulösen oder ihre Funktionen zu begrenzen. Jede Festigung der Machtgruppen verstärkt die neufeudale Autoritätsminderung des Staates." Walter Eucken
Mit zunehmender Tiefe und Tragweite der gegenwärtigen Krise sind plötzlich Gedanken erlaubt, die noch vor Jahresfrist töricht oder illusionär erschienen wären. So wird öffentlich darüber diskutiert, die Finanzmärkte radikal zu verschlanken, nicht nur bei den Landesbanken werden ganze Geschäftsbereiche abgewickelt. Im folgenden Text wird die These vertreten, dass das Bankenwesen aus Gründen der Kontrollierbarkeit, der Transparenz, der Stabilität und der ökologischen Nachhaltigkeit auf seinen produktiven Kern gestutzt werden muss. Dabei unterlässt es der Verfasser, sich Gedanken über die Durchsetzbarkeit oder Anschlussfähigkeit seiner Thesen zu machen, da die Krise täglich alte Gewissheiten zu Makulatur erklärt.
Banken sind "nur" Makler
Der Daseinszweck von Banken wird vernebelt, wenn von "Produkten" gesprochen wird, die von ihnen "vertrieben" würden. Ihre Rolle besteht nicht darin, alltägliche Dienstleistungen zu produzieren, sondern dafür Sorge zu tragen, dass jene in einer arbeitsteiligen Gesellschaft produziert werden können. Banken haben die öffentliche Aufgabe zu erledigen, die Versorgung der Gesellschaft mit Krediten sicherzustellen; sie sind keine gewöhnlichen Unternehmen. Hierzu organisieren sie den Geldkreislauf: Geld wird von Menschen, die im Moment zu viel, an Menschen umverteilt, die zu wenig davon haben. Mit anderen Worten: Banken sind in allererster Linie Makler, das heißt, sie bringen einen Überschuss- mit einem Defizitsektor zusammen. Überschüsse sammeln sich zumeist auf Seiten der privaten Haushalte an, Defizite beim Staat und bei (vor allem kleinen oder neu gegründeten) Unternehmen, die Investitionen vorfinanzieren müssen. Deshalb funktionieren Banken umso effizienter, je reibungsloser das Geld durch sie hindurchgereicht wird. Je mehr auf dem Verwaltungswege verloren geht, desto weniger Kredit wird geschöpft.
Beim Kreditgeschäft, dem Durchreichen des Geldes durch die Bank, hat jene allerhand Probleme zu meistern. Bei der Fristentransformation hat die Bank mit den relativ kurzen Einlagehorizonten ihrer Sparer im Vergleich mit den deutlich längeren Kreditlaufzeiten von Unternehmen zu kämpfen und trägt deshalb ein erhebliches Zinsänderungs- und Refinanzierungsrisiko. Und mittels der Risikotransformation versucht die Bank zu garantieren, dass die Spareinlagen ihrer Sparer zu 100 Prozent sicher sind, obwohl Kredite immer mit einem Ausfallrisiko behaftet sind, weil sie erst in prinzipiell unsicherer Zukunft bedient werden. Banken müssen also Informationen sammeln - sie müssen kreditwürdige Investitionen erkennen und fragen: Welcher Kredit wird mit maximaler Wahrscheinlichkeit selbst bei möglichst hohen Zinsen zurückbezahlt? Dieses ureigenste Interesse der Banken gehört zum Kern des Kapitalismus: Investitionen werden so gelenkt, dass sie dem Bankenwesen maximal nutzen. Im Folgenden wird ebenfalls die Frage zu erörtern sein, ob dies auch maximalen gesellschaftlichen Nutzen spendet.
Ein Blick auf die deutsche Bankenlandschaft offenbart, dass die Banken sich in ihrem Selbstverständnis und in ihren Organisationsformen und damit auch in der Effizienz ihrer Maklertätigkeit deutlich unterscheiden. In Deutschland existieren drei völlig unterschiedlichen Arten von Banken parallel nebeneinander ("Drei-Säulen-Modell"):
Genossenschaftliche Institute haben einen Anteil von ca. 15,5 Prozent an der Bilanzsumme aller Banken. Hierzu zählen die ca. 1 300 Raiffeisen-, Volks-, und Spardabanken, deren Zentralinstitute Westdeutsche Genossenschafts-Zentral- (WGZ) und die Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank (DZ), Union Investment, genossenschaftliche Hypothekenbanken, die VR Leasing, die R+V Versicherung sowie kirchliche Genossenschaftsbanken und Spezialinstitute.
Öffentlich-Rechtliche Institute sind für ca. 45,5 Prozent der Bankbilanzen verantwortlich. Das sind ca. 500 Sparkassen und deren Zentralinstitute, die Landesbanken und die Deka-Bank, hinzu kommen die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und zehn Landesbausparkassen (LBS).
Privatbanken sind kleine, häufig exklusive Privatbanken wie Sal. Oppenheim oder Berenberg, Pfandbriefbanken wie die Hypo Real Estate sowie private Bausparkassen. Von ehemals fünf großen Privatbanken (mit einem Marktanteil von knapp 25 Prozent an der Bankenbilanz) bleiben nach den aktuellen Übernahmen (Deutsche Bank und Postbank, Commerz- und Dresdner Bank) nur drei, wobei die Hypovereinsbank seit 2005 eine Tochter der italienischen Unicredit ist. Hinzu treten weitere ausländische Privatbanken wie die City-Bank oder Fortis.
Jede Säule bietet alles
Das Besondere an diesem System ist, dass jede der drei Säulen alle Bankangebote für Sparer und Unternehmer bereithält. Vom Börsengang über Währungsgeschäfte bis zur Immobilienfinanzierung - alles ist überall möglich, zwar nicht in der Raiffeisenbank vor Ort, aber innerhalb der Säule durch die im Besitz der Genossenschaftsbanken befindliche DZ- oder WGZ-Bank. Dasselbe gilt für Sparkassen mit ihren Zentralinstituten. Durch die Parallelstruktur erhofft man sich bei hoher Wettbewerbsintensität niedrige Preise für Bankdienstleistungen. Gleichzeitig wird etwa vom Sachverständigenrat eine starke Fragmentierung bei nur geringer Rentabilität beklagt.
Too big to fail - Große Banken machen große Probleme
Die gegenwärtige Art, die Finanzkrise zu meistern, ist Ausdruck gesellschaftlicher Grundüberzeugungen und Machtverhältnisse. So verwundert es nicht, dass auf eine Wiederherstellung des Status quo, wie er vor der Bankenkrise bestand, hingewirkt wird. Beherzte Restrukturierungen, die auf ernsthaften Konsequenzen aus den Ursachen der Krise beruhen, bleiben aus: Durch Fusionen irreal gewachsene, weltweit operierende Banken haben in der Vergangenheit via politischem Lobbying mit großem Erfolg staatliche Regulierungen geschliffen oder dabei mitgeholfen, sie zu umgehen.
Leider ist es nicht nur ein Problem der Banken, wenn sie sich verspekulieren. Großbanken sind regelmäßig "too big to fail": zu groß, um untergehen zu dürfen. Nach den Kettenreaktionen, die auf die Pleite von Lehman Brothers folgten, werden Großbanken auch de facto nicht mehr fallengelassen werden, trotz Heerscharen radikalliberaler Wirtschaftsberater, deren Zenit überdies überschritten sein dürfte. Deshalb wird es in den nächsten Jahrzehnten ein Wunschtraum bleiben, Banken wie gewöhnliche Unternehmen zu behandeln. Vergleichbar den Wasserwerken einer Kommune steht im Hintergrund der Banken ein Gemeinwohl, das deren Verschwinden verhindern wird, weil ihr Vorhandensein und Funktionieren von grundlegendem gesellschaftlichem Interesse ist. Alle müssen dem Bankenwesen vertrauen können, damit es überhaupt funktionieren kann.
In einem zukunftsfähigen Bankensystem werden von vornherein Regulierungen und Kontrollen festgeschrieben sein, die eine mögliche Sozialisierung von Verlusten im Krisenfall regeln - was nichts anderes bedeuten kann, als die Möglichkeiten der privaten Aneignung der Überschüsse von Banken deutlich zu begrenzen und unter Vorbehalt zu stellen. (Das kann etwa bedeuten, das Salär des Führungspersonals zum Teil unter Vorbehalt auszubezahlen.) Dagegen wird eine Unternehmensform, in der die Maximierung und private Aneignung von Gewinnen erklärtes Ziel ist, im Krisenfall stets zu Ungerechtigkeiten führen, weil die privatisierten Gewinne nicht mehr zur Begleichung von Verlusten zur Verfügung stehen.
Die gegenwärtige Krise zeigt, dass selbst die Einlagensicherungsfonds - die gesetzlichen bei der KfW, beim Sparkassen- und Giroverband, beim Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) ebenso wie beim privaten Bankenverband - Schönwetterveranstaltungen sind. Sie werden zwar bei einem Missmanagement einzelner Banken Sparguthaben retten, aber eine umfassendere Krise können sie nicht abfedern. Kommt es hart auf hart, muss immer der Staat einspringen, genauer: der Steuerzahler.
Doch nicht erst in der Krise, schon beim täglichen Bankengeschäft ist die Gewinnmaximierungsabsicht problematisch. Nimmt man die eingangs dargestellte Maklertätigkeit der Banken ernst, so muss das Kreditgeschäft im Zentrum ihrer Tätigkeiten stehen. Dabei erfüllt eine Kreditbank ihre Maklertätigkeit umso besser, je geringer ihr Zinsüberschuss aus Krediten und Spareinlagen sein muss, um alle Kosten der Banktätigkeit (Löhne, Rücklagenbildung) zu decken. Millionenboni oder Dividendenausschüttungen erhöhen den notwendigen Zinsüberschuss, eine schlanke Verwaltung verringert sie. In diesem einfachen Bild ist eine Bank vergleichbar mit einem karitativen Verein, bei dem umso mehr Hilfsgelder bei Bedürftigen ankommen, je geringer der Verwaltungsaufwand ist. Eine Bank, die dem Anreiz der Gewinnmaximierung folgt, kann kein guter Makler sein: Entweder ihre Kredite werden teuer, oder sie versucht, Geld in anderen Bereichen zu verdienen, etwa durch den Kauf riskanter Wertpapiere - eine Ursache der gegenwärtigen Probleme, die zur Vernachlässigung des Kreditgeschäfts führte. Soll die Konzentration auf das Kreditgeschäft in Zukunft ein Politikziel sein, so bedeutet dies nebst einer beherzt anzugehenden Schrumpfung der Banken vor allem auch deren Organisation in einer Rechtsform, die sie nicht zur Gewinnmaximierung verleitet. Als Kapitalgesellschaften werden Banken somit sicher nicht länger firmieren dürfen.
Hiesiges Bankenwesen prädestiniert
Es mag illusionär klingen, doch das deutsche Bankenwesen wäre für diese Entwicklungsrichtung prädestiniert, denn Genossenschaftsinstitute und Sparkassen sind schon heute kleinteilig organisiert und keinen Gewinnmaximierungsinteressen unterworfen. Die regionalen Banken erfreuen sich reichlich neuer Kunden und Kundeneinlagen, und wenn sie nicht für Verluste von deren Zentralinstituten einstehen müssen, wird die gegenwärtige Krise an ihnen vergleichsweise glimpflich vorüber gehen.
Von Vorteil ist auch die Konzentration des Geschäftsbetriebs der Kleinbanken auf eine Region: Sie dient der Regionalentwicklung. Die Beschränkung der Bewegungsfreiheit von Sparkassen aufgrund des Regionalprinzips führt dazu, dass sie gar nicht anders können, als ihre Region zu entwickeln. Dieses Ziel im Blick, werden Regionalbanken die Akkumulation von Wissen bezüglich der örtlichen Gegebenheiten, der Stabilität und Struktur der örtlichen Wirtschaft oder der Kenntnis öffentlicher Belange auch in wenig profitablen Bereichen vorantreiben.
Probleme der Landesbanken lösen
Systemische Risiken aus dem Bankensystem zu eliminieren und die Bankentätigkeit auf das Kreditgeschäft zu fokussieren, legt die Entwicklung und Stärkung einer kleinteiligeren Bankenlandschaft nahe. Vor diesem Hintergrund war es unverantwortlich der Deutschen Bank eine Übernahme der Postbank zu gewähren; das gilt auch für die Fusion zwischen Commerz- und Dresdner Bank. Vielmehr müssen Großinstitute konsequent zerlegt und gestutzt werden - ein Prozess, der bei der BayernLB auch schon auf den Weg gebracht wird.
Das Desaster der Landesbanken hängt erstens mit deren Geschäftsmodell zusammen. So ist zum Beispiel bei der BayernLB weniger als ein Fünftel der Bilanzsumme dem öffentlichen Auftrag, das heißt der Wirtschaftsförderung bei Auslandsengagements, Aufgabenerfüllung für das Land Bayern oder Unterstützung von Kommunen und Sparkassen, zuzurechnen.
Das Desaster hat zweitens seine Ursache in der mangelhaften Kontrollierbarkeit der Landesbanken, die als "verlängerter Arm der Politik" (so der Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums Wolfgang Gerke)
Die konsequente Lösung: Entweder Landesbanken werden nicht von Landespolitikern kontrolliert - oder sie dürfen ihnen keinen Nutzen spenden. Mögliche Abhilfe:
Die Unterstützung der Landespolitik nebst Landeswirtschaftsförderung wird bei genau auf diese Aufgaben zugeschnittenen Spezialinstituten gebündelt, wie z.B. der LfA Förderbank Bayern. Dabei dürfen Förderbanken allerdings keine Gewinne ausschütten, das wäre widersinnig.
Zukünftige Kernaufgabe der Landesbanken ist (nebst dem Geschäft mit Gewerbeimmobilien und Großkundenkrediten)
die Erbringung von Dienstleistungen für Sparkassen. Die Landesbanken sind vollständig den Sparkassen zu unterstellen und dürfen - wie die Sparkassen selbst - zukünftig keine Gewinne mehr ausschütten.
Immerhin gehen die Schrumpfungspläne der BayernLB ein kleines Stück in diese Richtung: Abbau des Auslandsgeschäftes, Abbau riskanter Positionen, Konzentration auf den regionalen Mittelstand und Service für Sparkassen. Denn selbst in normalen Zeiten ist es Unfug, US-Immobilien statt regionale Anliegen zu fördern, was in dem Stoßseufzer eines Landrats zum Ausdruck kommt: "Unsere Mittelständler haben um Kredite betteln müssen, und in Übersee hat man das Geld zum Fenster hinausgeworfen."
Nachhaltigkeit und Transparenz
Da Kredite im Allgemeinen Investitionen zur Folge haben, gestalten Banken unsere Zukunft. Vergangene Investitionen hatten diese Gegenwart zur Folge, was schon angesichts der offenkundigen Umweltprobleme dazu zwingt, die Grundlage der Kreditentscheidungen von Banken zu überdenken.
Die Annahme, dass die rentabelste Investition auch der Gesellschaft maximal nutzt, weil sie das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts maximiert, ist ein Fundament des Kapitalismus. Andere, etwa ökologische Kriterien, könnten danach das Wachstum verringern. Es gibt jedoch zahllose Belege dafür, dass die Lebenszufriedenheit der Menschen in den Industriestaaten trotz ungebrochenen Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts seit Jahrzehnten in etwa konstant geblieben ist.
Leider gibt es nur sehr wenige Banken, die sich Nachhaltigkeit und Transparenz als Geschäftsprinzip auf die Fahnen geschrieben haben - was natürlich auch mit mangelhaftem Interesse von Bankkunden zu tun hat.
Warum sollten nicht alle Banken dazu verpflichtet werden, ihr Anlageportfolio detailliert, übersichtlich und leicht auffindbar im Internet zu veröffentlichen? Dies könnte dazu beitragen, wenig nachhaltige Geschäftspraktiken schnell publik werden zu lassen und die Kontrolle der Banken zu erleichtern. Vielleicht würde es sogar Kunden zu kritischen Nachfragen ermuntern und dazu führen, dass sie ihr Geld den Banken weniger aufgrund der gebotenen Zinsen, sondern stärker aufgrund der getätigten Zukunftsinvestitionen anvertrauen.
Die notwendigen Veränderungen, um zukunftsfähige Kreditvergabe zur Normalität werden zu lassen, sind natürlich weitaus tief greifender und damit schwieriger umzusetzen als etwaige Transparenzverpflichtungen. Nur ein kleiner Schritt in diese Richtung wird bisher getan: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau stellt Förderkredite zur Verfügung, wenn zum Beispiel Kommunen oder Unternehmen ihre Energieeffizienz (etwa durch Sanierungen) erhöhen oder Privathaushalte ökologisch bauen wollen. Das heißt, sie subventioniert Kredite, indem sie diese unterhalb der marktüblichen Zinssätze anbietet, und fördert auf diese Weise nachhaltige Investitionen. Zukünftig wird es um eine Ausweitung dieser Praxis der Zinssteuerung auf möglichst viele umweltsensible Investitionsvorhaben gehen - nicht nur im Hinblick auf eine Verbilligung nachhaltiger, sondern auch um die Verteuerung umweltschädigender Investitionen. Den Zinssatz als Ordnungsinstrument zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung zu nutzen, könnte der Einstieg in ein anderes Gesellschaftsmodell sein, indem nicht mehr zielblind Individuen ihren Eigennutz maximieren, sondern eine Gemeinschaft entscheidet, welche Investitionen zukunftsträchtig und damit Gewinn bringend sind.