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Ost-westdeutsche Integrationsbilanz | Deutschland seit 1990 | bpb.de

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Ost-westdeutsche Integrationsbilanz

Anna Klein Wilhelm Heitmeyer Wilhelm Anna Klein / Heitmeyer

/ 10 Minuten zu lesen

Das Ausmaß der Desintegration und der subjektiven Wahrnehmung von Benachteiligung ist in Ostdeutschland höher – mit Folgen insbesondere für schwache gesellschaftliche Gruppen.

Einleitung

Fast 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sind abwertende Einstellungen gegenüber schwachen Gruppen in Ost- und Westdeutschland nach wie vor unterschiedlich ausgeprägt. Die Analysen zum Thema "Grup-penbezogene Menschenfeindlichkeit" (GMF), d.h. zu abwertenden Einstellungen gegen-über Minderheiten und schwachen Gruppen in der Gesellschaft, bestätigten immer wieder, dass in Ostdeutschland rassistische, islamophobe und fremdenfeindliche Einstellungen weiter verbreitet sind als in Westdeutschland. Aus welchen Gründen kommt es zu dieser unterschiedlichen Einstellungsverteilung?




Im Forschungsprojekt "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" rückte diese Differenz bereits mehrfach in den Fokus von Ursachenanalysen. Wir konnten anhand der Daten der jährlich erhobenen repräsentativen Bevölkerungsbefragungen zeigen, dass die unterschiedlichen Lebensbedingungen und wechselseitigen Wahrnehmungen in den beiden Landesteilen die unterschiedlichen Einstellungen gegenüber schwachen Gruppen begründen. Anlässlich der nun fast 20-jährigen gemeinsamen Geschichte von Ost- und Westdeutschland richten wir unseren Blick hier auf die Integrationsbilanz, d.h. auf die Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenwachsen. Konnten annähernd gleiche Teilhabechancen in beiden Landesteilen etabliert werden? Wie ist das Verhältnis der Deutschen zueinander, und wie hängt dieses wechselseitige Verhältnis mit Einstellungen gegenüber Minderheiten und schwachen Gruppen in Deutschland zusammen?


Soziale Desintegration

Das Zusammenwachsen zweier unterschiedlicher Gesellschaften ist abhängig von individuellen Integrationschancen und den als "gerecht" empfundenen Gelegenheitsstrukturen zur Wahrnehmung dieser Chancen. Sind diese nicht vorhanden, und kommen Ungerechtigkeits- und Benachteiligungsgefühle auf, dann kann sich Solidarität weder zwischen Deutschen in Ost- und Westdeutschland noch gegenüber schwachen Gruppen in der Gesellschaft entwickeln. Der Blick auf die Entwicklungen der Integrationsmöglichkeiten in Ost- und Westdeutschland steht daher im Mittelpunkt, will man die Frage beantworten, ob der Vereinigungsprozess "gelungen" ist.

Die Theorie Sozialer Desintegration geht von drei Dimensionen aus, in denen Integration gelingen oder misslingen kann. Sie thematisiert erstens die Einbindung auf der sozialstrukturellen Ebene (funktionale Systemintegration). Hier gerät der Zugang zu wichtigen gesellschaftlichen Teilsystemen, etwa dem Arbeitsmarkt oder Bildungsinstitutionen, in den Blick. Aus dieser Einbindung erwächst ein subjektives Gefühl positionaler Anerkennung. Konnte Integration in Ost- und Westdeutschland in diesem Bereich erreicht werden, oder, anders gefragt: Haben Ostdeutsche in ihrer Wahrnehmung dieselben Zugangschancen wie Westdeutsche?

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit verläuft seit Beginn der Vereinigung eindeutig. Die Quoten in Ostdeutschland liegen deutlich höher, und die Differenz nimmt nicht ab. Schaut man auf die regionalen Entwicklungen, so ist erkennbar, dass ein Großteil der Kreise, in denen seit 2002 eine negative wirtschaftliche Entwicklung stattgefunden hat und eine hohe Abwanderung festgestellt werden kann, im Osten Deutschlands liegt. Angesichts dieser objektiv schlechteren wirtschaftlichen Lage ist es kaum überraschend, dass Ostdeutsche ihre Situation hinsichtlich der eigenen wirtschaftlichen Lage schlechter einschätzen als Westdeutsche und häufiger Angst vor Arbeitslosigkeit haben (Abbildung 1 der PDF-Version).

Die Theorie Sozialer Desintegration betrachtet zweitens die Ebene der institutionellen Sozialintegration. Hier geht es um die Frage nach einem gerechten Interessenausgleich zur Vermeidung sozialer Spaltung und der Gewährleistung politischer Partizipation. Unsere Ergebnisse bilden die subjektiv nicht gelungene Durchsetzung von sozialer Gerechtigkeit ab. Sowohl die wahrgenommenen Gefühle der Machtlosigkeit als auch die Wahrnehmung sozialer Spaltung sind jeweils in den vergangenen sieben Jahren stabil unterschiedlich zwischen Ost- und Westdeutschland - und hinsichtlich der sozialen Spaltung mit einem aufholenden Trend im Westen (Abbildung 2 der PDF-Version). Wenn diese Machtlosigkeit als ausbleibende Chancen zu politischer Partizipation und die Entwicklung immer stärkerer sozialer Spaltung als Ausdruck der mangelhaften Durchsetzung von Gerechtigkeitsprinzipien gesehen werden, dann muss sich dies auch auf Einstellungen zur Demokratie niederschlagen.

Die dritte Dimension der Theorie Sozialer Desintegration fokussiert auf die sozial-emotionale Ebene, in der es um die Herstellung emotionaler Bindungen im sozialen Nahraum geht (kulturell-expressive Sozialintegration). Auch hier finden wir eine subjektiv höhere Desintegrationsbelastung in Ostdeutschland (Abbildung 3 der PDF-Version).

Betrachtet man diese Beschreibungen entlang der Dimensionen der Theorie Sozialer Desintegration, dann zeigen sich klare Unterschiede in Ost- und Westdeutschland. Die sozialen Desintegrationsängste und -gefahren in Ostdeutschland sind höher, mitsamt den Auswirkungen auf die Einstellungen zueinander, zum politischen System und gegenüber schwachen Gruppen. Allerdings zeigt sich bei einigen Indikatoren ein aufholender Trend in Westdeutschland, insbesondere hinsichtlich der Wahrnehmung sozialer Spaltung und mangelnder sozialer Unterstützung.

Benachteiligungsgefühle: Relative Deprivation

Ähnlich wie die Theorie Sozialer Desintegration argumentiert auch die Theorie Relativer Deprivation. Darin wird jedoch nicht die objektive Teilhabemöglichkeit von Personen in den Mittelpunkt gerückt, sondern die relative Position von Personen oder Gruppen innerhalb einer Gesellschaft. Es geht hier um die subjektive Wahrnehmung, im Vergleich zu anderen ungerechtfertigt benachteiligt zu sein. Unterschieden wird die individuelle relative Deprivation, der Vergleich der persönlichen Situation mit der Lage anderer Personen aus der eigenen Gruppe ("Persönliche Lage im Vergleich zu anderen Deutschen") und die fraternale relative Deprivation, der Vergleich der Eigengruppe im Vergleich zur Situation einer anderen Gruppe (hier: "Lage der Ostdeutschen im Vergleich zur Situation der Westdeutschen"). Dieses Gefühl der Benachteiligung erzeugt Missgunst gegenüber der Gruppe, die angeblich zuviel bzw. mehr erhält.

Benachteiligungsgefühle könnten sich unmittelbar negativ auf schwache Gruppen auswirken, wenn diesen die Schuld an der Benachteiligung gegeben wird. Insofern ist erwartbar, dass Personen, die sich benachteiligt fühlen, vermehrt zur Abwertung schwacher Gruppen neigen. Die Abwertung schwacher Gruppen verhilft dazu, die eigene Aufwertung in der gesellschaftlichen Gesamthierarchie zu betreiben. Dazu bietet das Gefühl der eigenen Benachteiligung eine Legitimierung für die Abwertung und Diskriminierung anderer. Allerdings erscheint es wahrscheinlich, dass dies insbesondere solche schwachen Gruppen betrifft, die auch als Konkurrenten um Statuspositionen wahrgenommen werden. Dies gilt zuallererst für die Gruppe der Ausländer, denn fremdenfeindliche Einstellungen werden häufig im Zuge von Konkurrenzlogiken begründet: "Die vermeintliche Überforderung der gesellschaftlichen Reichtumsproduktion wird auf die Existenz und Ansprüche von Ausländern zurückgeführt."

Welche Bedeutung haben Benachteiligungsgefühle für das Verhältnis der Ost- und Westdeutschen zueinander? Sind sich Ost- und Westdeutsche einander fremd? Und wie wird die Vereinigung nach fast 20 Jahren beurteilt? Dazu haben wir in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage im Juni 2008 eine Reihe von Fragen gestellt, die das Verhältnis von West- und Ostdeutschen zueinander und deren Meinungen zur Wiedervereinigung näher beleuchten.

Gut die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger in Ost- und Westdeutschland sind der Ansicht, dass die "Wende" viele Nachteile für den jeweiligen Landesteil gebracht hat. Ostdeutsche sehen sich von Benachteiligung gegenüber Westdeutschen betroffen (Tabelle 1 der PDF-Version). Rund 64 Prozent der Ostdeutschen geben an, sich als Bürgerinnen und Bürger "2. Klasse" zu fühlen. Zudem sind 77 Prozent der Ostdeutschen der Ansicht, dass sie im Vergleich zu den Westdeutschen "weniger als ihren gerechten Anteil" bekommen, und fast drei Viertel fühlen sich auch heute noch gegenüber den Westdeutschen benachteiligt. Umgekehrt hegen nur wenige Westdeutsche ein Gefühl der Benachteiligung gegenüber Ostdeutschen.

Die erheblichen Benachteiligungsgefühle von Ostdeutschen gegenüber Westdeutschen werden in Umfragen immer wieder sichtbar. Schon 1992 gaben 81 Prozent der Ostdeutschen an, sehr viel oder etwas weniger als ihren gerechten Anteil am Lebensstandard in der Bundesrepublik zu bekommen; im Jahr 2002 sahen dies noch 60 Prozent so. Zudem können wir zeigen, dass Benachteiligungsgefühle unter jüngeren Ostdeutschen weniger verbreitet sind als in der älteren Generation. Von einem eindeutigen positiven Trend ist trotzdem nicht auszugehen, da sich immer wieder erhebliche Skepsis zeigt, die sich bisweilen auch vergrößert. Im Hinblick auf die Angleichung der Lebensverhältnisse glaubten zu Beginn der 1990er Jahre in beiden Landesteilen nur knapp über zehn Prozent, die Lebensverhältnisse würden sich nie oder erst in zehn Jahren angleichen, im Jahr 2004 waren aber 68 Prozent der Ostdeutschen und 43 Prozent der Westdeutschen dieser Meinung.

Folgen für schwache Gruppen

Was haben die Probleme der deutschen Einheit mit Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu tun? Das schwierige Verhältnis der Ost- und Westdeutschen zueinander schlägt sich auf andere, insbesondere auf schwache Gruppen nieder. Knapp die Hälfte aller Westdeutschen und mehr als zwei Drittel der Ostdeutschen fordern, mehr Geld für die Einheit statt für die Integration von Ausländern auszugeben. Die gefühlte Benachteiligung führt dazu, dass dritten Gruppen weniger gegönnt wird und diesen gegenüber Restriktionen gefordert werden. Gefühlte Benachteiligung steht in einem deutlichen Zusammenhang mit allen Facetten abwertender Einstellungen gegenüber schwachen Gruppen, die wir als Syndrom Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bezeichnen: "Da angenommene Ungleichwertigkeit den gemeinsamen Kern aller (...) Elemente ausmacht, sprechen wir von einem Syndrom Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit."

Aufgrund des auffälligen Befunds, nach dem insbesondere fremdenfeindliche, islamophobe und rassistische Einstellungen in Ostdeutschland weiter verbreitet sind, analysieren wir im Folgenden, ob die Verbreitung abwertender Einstellungen gegenüber diesen drei Gruppen auf die in Ostdeutschland verbreiteteren Benachteiligungsgefühle zurückzuführen sind.

Unter fremdenfeindlichen Einstellungen verstehen wir die Abwehr von Gruppenangehörigen anderer ethnischer Herkunft, die zum einen auf (vermutete) Konkurrenz um (knappe) Ressourcen und zweitens auf die Etikettierung von "kultureller" Rückständigkeit ausgerichtet ist. Betrachtet man die Aussagen zur Messung fremdenfeindlicher Einstellungen, so zeigt sich: Insgesamt sind Ostdeutsche deutlich häufiger der Meinung, dass zu viele Ausländer in Deutschland leben, und sie stimmen ebenfalls häufiger der Aussage zu: "Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken." (Abbildung 4 der PDF-Version) Vergleicht man nur Personen, die sich gegenüber dem anderen Teil Deutschlands benachteiligt fühlen, dann verschwinden die Unterschiede, d.h. Westdeutsche, die sich gegenüber Ostdeutschen benachteiligt fühlen, sind ebenso fremdenfeindlich eingestellt wie Ostdeutsche, die sich gegenüber Westdeutschland benachteiligt fühlen. Da die Benachteiligungsgefühle in Ostdeutschland viel weiter verbreitet sind, kommt es zu höheren Gesamtwerten.

Ähnliches zeigt sich für islamophobe Einstellungen. Islamophobie definieren wir als Bedrohungsgefühle und ablehnende Einstellungen gegenüber der Gruppe der Muslime, ihrer Kultur und ihren öffentlich-politischen wie religiösen Aktivitäten. Auch hier sind, vergleicht man die Gesamtbevölkerung in West- und Ostdeutschland, die Ostdeutschen ablehnender: 34 Prozent sind der Meinung, man sollte Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland untersagen, während dies nur 21 Prozent der Westdeutschen meinen. Stellt man einen Vergleich aller Personen in West- und Ostdeutschland an, die sich benachteiligt fühlen, dann relativiert sich diese Differenz; unter Personen mit Benachteiligungsgefühlen sprechen sich ebenso viele Ostdeutsche wie Westdeutsche gegen die Zuwanderung von Muslimen aus, und die Angst vor Überfremdung ist unter sich benachteiligt fühlenden Westdeutschen sogar stärker verbreitet.

Schließlich zeigt sich bei rassistischen Einstellungen ebenfalls der Einfluss von Benachteiligungsgefühlen. Rassismus bezeichnet Einstellungen, welche die Abwertung von Gruppenangehörigen fremder Herkunft auf der Basis konstruierter "natürlicher" Höherwertigkeit der Eigengruppe vornehmen. Es ist der Versuch, eine Dominanz gegenüber Gruppen auszuüben, die auch an biologischen Unterschieden festgemacht werden. Der Aussage, dass "Weiße zu Recht führend in der Welt" seien, stimmen Ostdeutsche ähnlich häufig zu wie Westdeutsche. Betrachtet man nur Personen mit Benachteiligungsgefühlen, dann sind die Zustimmungswerte in Westdeutschland höher. Einzig bei der Frage, ob Aussiedler besser gestellt werden sollten als Ausländer, da sie deutscher Abstammung sind, zeigt sich keine Angleichung oder Umkehr der Werte. Auch in der Gruppe der Personen mit Benachteiligungsgefühlen sind Ostdeutsche rassistischer eingestellt. Allerdings wird auch hier der Einfluss der Benachteiligungsgefühle deutlich, da die Werte in dieser Gruppe höher sind.

Die Analysen zeigen, dass die starken Benachteiligungsgefühle in Ostdeutschland wesentlich zur Erklärung der weiter verbreiteten fremdenfeindlichen, islamophoben und rassistischen Einstellungen beitragen. Wären die Benachteiligungsgefühle in Westdeutschland ähnlich verbreitet wie in Ostdeutschland, so wäre auch mit einer ähnlichen Verbreitung fremdenfeindlicher, islamophober und rassistischer Ressentiments zu rechnen.

Welche Bilanz lässt sich ziehen?

  • Nach wie vor zeigen sich in Ostdeutschland höhere Desintegrationsbelastungen sowohl auf der sozialstrukturellen als auch auf der institutionellen und sozio-emotionalen Ebene.

  • Das subjektive Gefühl der Benachteiligung gegenüber Westdeutschen ist unter Ostdeutschen sehr verbreitet.

  • Desintegrationsbelastungen und Benachteiligungsgefühle haben Auswirkungen auf den Grundwert der Gleichwertigkeit aller Menschen. Personen, die sich selbst nicht anerkannt und benachteiligt fühlen, sind eher bereit, andere abzuwerten. Die höheren Desintegrationsbelastungen und Benachteiligungsgefühle in Ostdeutschland können erklären, warum abwertende Einstellungen gegenüber schwachen Gruppen in Ostdeutschland verbreiteter sind.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass in Ost- und Westdeutschland dieselben Mechanismen abwertende Einstellungen befördern. Desintegrationserfahrungen und Benachteiligungsgefühle begünstigen in Ost- wie Westdeutschland abwertende Einstellungen gegenüber Minderheiten. Das Ausmaß der tatsächlichen Desintegration und der subjektiven Wahrnehmung von Benachteiligung ist jedoch in Ostdeutschland weit höher - mitsamt den Konsequenzen für schwache Gruppen. Hinzu kommt die strukturelle Desintegration, denn in Regionen, in denen Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Rückentwicklung und Abwanderung der jüngeren, gebildeteren Bevölkerungsanteile Realität ist, sind Benachteiligungsgefühle nicht nur eine subjektive Wahrnehmung.

Hier sind politische Konzepte gefragt, die eine strukturelle Stärkung auf den Weg bringen. Wenn dies jedoch nicht von den demokratischen Parteien geleistet wird, sondern wenn im kommunalpolitischen Bereich vor allem die NPD sichtbare Arbeit leistet, dann können sich fremdenfeindliche Einstellungen weiter verbreiten und zur Normalität werden. Wo sich die Probleme dermaßen verdichten, wird es für demokratische Akteure immer schwieriger, gegen abwertende Einstellungen einzutreten.

Es bleibt zu erwähnen, dass sich auch in Westdeutschland strukturschwache Regionen befinden, deren Zustand sich angesichts der massiven Wirtschaftskrise verschärfen dürfte. Dies wird sich auch in den Wahrnehmungen der Bevölkerung niederschlagen. Desintegrationsbedrohungen werden weiter wachsen und sowohl in West- als auch in Ostdeutschland die Situation schwacher Gruppen schwieriger und zum Teil gefährlicher machen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zur Konzeption des Syndroms "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" vgl. Wilhelm Heitmeyer, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Die theoretische Konzeption und erste empirische Ergebnisse, in: ders. (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge 1, Frankfurt/M. 2002, S. 15 - 34.

  2. Vgl. z.B. Sandra Hüpping/Jost Reinecke, Abwärtsdriftende Regionen. Die Bedeutung sozioökonomischer Entwicklungen für Orientierungslosigkeit und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, in: Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge 5, Frankfurt/M. 2007, S. 77 - 101; Christian Babka von Gostomski/Beate Küpper/Wilhelm Heitmeyer, Fremdenfeindlichkeit in den Bundesländern. Die schwierige Lage in Ostdeutschland, in: ebd., S. 102 - 129; Carina Wolf/Ulrich Wagner/Oliver Christ, Die Belastungsgrenze ist nicht überschritten. Empirische Ergebnisse gegen die Behauptung vom vollen Boot, in: Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge 3, Frankfurt/M. 2005, S. 73 - 91.

  3. Vgl. Reimund Anhut/Wilhelm Heitmeyer, Desintegration, Anerkennung und die Rolle sozialer Vergleichsprozesse, in: Wilhelm Heitmeyer/Peter Imbusch (Hrsg.), Integrationspotenziale einer modernen Gesellschaft: Analysen zur gesellschaftlichen Integration und Desintegration, Wiesbaden 2005, S. 75 - 100.

  4. Vgl. S. Hüpping/J. Reinecke (Anm. 2).

  5. Vgl. Samuel A. Stouffer et al., The American Soldier: Adjustment during army life, Vol. 1, Princeton 1949; Walter G. Runciman, Relative deprivation and social justice: A study of attitudes to social inequality in twentieth century England, Berkeley 1966.

  6. Joachim Bischoff/Bernhard Müller, Moderner Rechtspopulismus, in: Joachim Bischoff/Klaus Dörre/Elisabeth Gauthier (Hrsg.), Moderner Rechtspopulismus. Ursachen, Wirkungen, Gegenstrategien, Hamburg 2004, S. 17.

  7. Ausführlich dokumentiert sind diese Ergebnisse in Wilhelm Heitmeyer, Leben wir immer noch in zwei Gesellschaften? 20 Jahre Vereinigungsprozess und die Situation Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, in: ders., Deutsche Zustände. Folge 7, Frankfurt/M. 2009, S. 13 - 49.

  8. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 2004. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2005.

  9. Vgl. Elisabeth Noelle, Eine Aufgabe der Geschichte. Das Zusammenwachsen der Deutschen macht keine Fortschritte, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.6. 2004, S. 5, Institut für Demoskopie Allensbach.

  10. W. Heitmeyer (Anm. 1), S. 21.

Dipl. Päd., geb. 1979; wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG), Universität Bielefeld, Universitätsstraße 25, 33615 Bielefeld.
E-Mail: E-Mail Link: anna.klein@uni-bielefeld.de

Dr. phil. habil., geb. 1945; Professor für Sozialisation und Leiter des IKG (s.o.).
E-Mail: E-Mail Link: ikg@uni-bielefeld.de