Einleitung
Wir treffen uns an einem kritischen Punkt der menschlichen Geschichte. Unser Planet erwärmt sich in gefährlichem Maße." Mit diesen Worten forderte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon während des Weltwirtschaftsgipfels zum Klimawandel in Kopenhagen Ende Mai 2009 Unternehmen aus aller Welt dazu auf, sich verstärkt in den Kampf gegen den Klimawandel einzubringen.
Doch nicht nur Unternehmen sind aufgerufen, sich den Herausforderungen des Klimawandels zu stellen. Bei der Produktion, vor allem jedoch bei der häufig energieintensiven Nutzung von Produkten verbrauchen Konsumenten in den Industrieländern deutlich zu viel Energie und andere knappe Ressourcen.
Das Ende der Konsumfreiheit?
Konsumprodukte und konsumnahe Dienstleistungen versprechen das Leben derjenigen, die sie kaufen oder für die sie gekauft werden, schöner, bequemer, interessanter, einfach "besser" zu machen. Werden Produkte gekauft, dann bedeutet das im Zirkelschluss, dass sie einen Nutzen für Konsumenten haben, und ob sie wirklich nützlich sind, entscheidet allein der Konsument. Die sich am Markt artikulierenden Präferenzen der Konsumenten, welche es auch immer sein mögen, sind sakrosankt. Ihnen nach eigenem Gusto nachzugehen, gilt häufig als eindrucksvollster Beleg einer freien Gesellschaft. Nur dort, wo gravierende Risiken für die Gesundheit und Sicherheit der Konsumenten auftreten, erlaubt sich der Staat, die Konsumfreiheit einzuschränken. Er verbietet beispielsweise preiswertes Gammelfleisch, schränkt Werbung für Zigaretten ein und verbannt Cadmium aus dem Kinderspielzeug. All dies dient dem Konsumenten, seiner Sicherheit und Unversehrtheit. Wird die Gesundheit der Konsumenten durch eine umsichtige Verbraucherpolitik geschützt und steht ein vielfältiges Produktangebot zur Verfügung, dann ist die Konsumfreiheit weitgehend garantiert. Verfügen Konsumenten nun auch noch über genügend Kaufkraft und existiert auf den Märkten ein funktionierender Qualitäts- und Preiswettbewerb, dann ist das Konsumparadies nicht mehr weit. Die von der Standardökonomie unterstellte Basiserwartung der Konsumenten, "viel Leistung für wenig Geld", kann dann in aller Regel erfüllt werden. Nachhaltig ist dieses Konsumparadies jedoch nicht. Der Befund ist eindeutig: Der vorherrschende Konsumstil ist alles andere als gerecht und zukunftsfähig. Sind mit diesem Befund die Tage einer Gesellschaft, die ihren Wohlstand vor allem über den Konsum definiert, die dem Konsumismus in der einen oder anderen Form huldigt und die Konsumfreiheit des Einzelnen nur in Ausnahmen einschränkt, schon gezählt? Die prominenten Stimmen derjenigen, die ein Umsteuern des Lebens- und Konsumstils fordern, wie er in den Industrieländern gepflegt wird, sind nicht zu überhören.
Aber wer soll anfangen, seinen Konsumstil zu ändern? "I will if you will" heißt eine britische Broschüre, die schon im Titel versucht, der Trittbrettfahrermentalität den Wind aus den Segeln zu nehmen.
In vielen Industrieländern setzt sich die Einsicht durch, dass die westlichen Länder, in denen 20 Prozent der Weltbevölkerung leben und deren Wirtschaft und Konsum für 80 Prozent des Umweltverbrauchs verantwortlich sind, mit gutem Beispiel vorangehen und ihren Ressourcenverbrauch drastisch senken müssen.
Bereits in den 1970er Jahren wurde vereinzelt vorgeschlagen, dem Verbraucher eine umfassendere Verantwortung für die Gesellschaft bzw. für die Umwelt zuzusprechen. Von "qualitativem Konsum" oder auch "ökologisch verantwortlichem Konsum" wurde gesprochen.
In Anlehnung an die klassische Nachhaltigkeitsdefinition der Brundtland-Kommission ist Konsum dann nachhaltig, "wenn er zur Bedürfnisbefriedigung aller heute lebenden Menschen führt und die Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen nicht gefährdet."
Beim nachhaltigen Konsum handelt es sich offensichtlich um ein normatives Leitbild, das sich mit dem Festhalten an den Grundprämissen der Konsumfreiheit nur sehr mühsam umsetzen lässt. Die paradoxe Frage, die den schwierigen Kompromiss zwischen Konsumfreiheit und Nachhaltigkeit thematisiert, lautet: Was kann getan werden, damit Konsumenten wollen, was sie sollen? Sind Konsumenten überhaupt bereit und sind sie dazu in der Lage, ihren Konsum in Richtung Nachhaltigkeit freiwillig, durch eigene Einsicht oder durch die schleichende Einübung neuer Konsummuster zu verändern? Und was bedeutet das im Einzelnen für unterschiedliche Konsumentengruppen, von denen einige - schlichtweg deshalb, weil sie ein geringes Haushaltsbudget haben - über alles Mögliche, aber nicht über einen "nachhaltigen Konsum" nachdenken? Was kann der Staat, was kann die Wirtschaft, können Hersteller und Einzelhandel tun, damit nachhaltige Produkte und Dienstleistungen verstärkt nachgefragt werden? Sorgen neue Informationsangebote, die nachhaltige Produkte deutlich kenntlich machen, tatsächlich dafür, dass unser Konsum "nachhaltiger" wird? Oder müssen - wie die Vertreter der Standardökonomie argumentieren - schlichtweg die Preise für weniger nachhaltige Produkte erhöht werden?
Mit der Leitidee des nachhaltigen Konsums sind zurzeit mehr Fragen als überzeugende Antworten verbunden. Die Politik konzentriert sich im Wesentlichen auf die explizite Auslobung, die argumentative und punktuell auch um die finanzielle Förderung des nachhaltigen Konsums. Allerdings ist mit dieser Auslobung immer auch schon die Unterscheidung von "richtigem" und "falschem" Konsum verbunden. Die Verlockungen, durch steuerliche Anreize, aber auch durch Auflagen und Verbote die Konsumfreiheit schrittweise einzuengen und den Konsum - und damit auch die Produktion - fallweise in Richtung Nachhaltigkeit zu steuern (siehe Glühlampenverbot), sind deshalb nicht zu unterschätzen.
Die beiden wichtigsten Ansatzpunkte, wie in der Europäischen Union die Leitidee des nachhaltigen Konsums umgesetzt wird, konzentrieren sich auf die Förderung energieeffizienter Produkte und eine verbesserte Information der Konsumenten.
Effizientere Produkte als Lösung?
Die wichtigsten Impulse für einen nachhaltigen Konsum werden zurzeit durch die Entwicklung und Vermarktung besonders energie- und ressourcenschonender Produkte gesetzt. Die Botschaft dieser Effizienzstrategie ist verlockend. Die Konsumenten können weiterhin ihre Lebensqualität durch den vermehrten Kauf und die Nutzung vieler Produkte verbessern. Voraussetzung ist "nur", dass diese Produkte besonders energieeffizient hergestellt werden und ebenso funktionieren, dass sie also insgesamt umweltverträglicher sind. Diese Effizienzstrategie kann in den Unternehmen einen beträchtlichen Erfinder- und Innovationsgeist in Gang setzen. Es wird die Suche nach immer neuen Produkten, Leistungen und Produktionsverfahren ausgelöst, die bei gleicher oder gar besserer Leistung weniger Energie, Wasser und andere Ressourcen verbrauchen, die keine oder sehr geringe Emissionen und insgesamt keine gravierenden negativen Auswirkungen auf das Ökosystem haben. "Angesichts des großen (...) Marktpotenzials ergibt sich für uns als Unternehmer ... die Motivation und Notwendigkeit, unsere kreative Kraft auch bei Produktinnovationen und beim Produktmarketing noch stärker auf ,Klimaschutz` und hierbei auf die spezifischen Erfordernisse und sozialen Möglichkeiten der Verbraucher auszurichten", heißt es in einer von führenden Markenartikelunternehmen herausgegebenen Studie.
Mit der Effizienzstrategie verbindet sich die Hoffnung, dass wir mit ökologisch effizienteren Produkten unseren Wohlstand mehren können, ohne dass der Ressourcenverbrauch dabei steigt und ohne dass mehr CO2-Emissionen freigesetzt werden. Das Zero-Emission-Auto ist die perfekte Zukunftsvision dieser Strategie: moderne Mobilität, die ganz unseren zeitgemäßen Bedürfnissen entspricht - bei keinerlei Emissionen und sehr geringen Auswirkungen auf die Umwelt. Die energiesparendsten Kühlschränke, die energie- und wassersparendsten Waschmaschinen, die Heizung, die ihre Energie aus der Sonne bezieht, sind weitere Helden der Effizienzstrategie.
Die beträchtlichen Hoffnungen, allein durch effizientere Produkte den Zielen des nachhaltigen Konsums näher zu kommen, werden bisher jedoch enttäuscht. So hat sich beispielsweise die Effizienz (in diesem Falle gemessen am Durchschnittsverbrauch) der in Deutschland zugelassenen PKW in den letzten Jahren durchaus verbessert. Allerdings sind diese Verbesserungen durch mehr gefahrene Kilometer mehr als nur kompensiert worden.
Drei Punkte fallen für den Erfolg oder für den Misserfolg der Effizienzstrategie ins Gewicht.
Die Effizienzziele sind nicht ambitioniert genug und/oder sie werden nicht in den avisierten Zeiträumen erreicht.
Die Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten entwickeln sich in einer so ungünstigen Art und Weise, dass die Effizienzgewinne überkompensiert werden.
Es reicht nicht, effiziente Produkte zu produzieren und zu kaufen, sondern sie müssen auch bei der Nutzung und Entsorgung umsichtig verwendet werden.
Die Effizienzstrategie benötigt eine verbesserte Information über die Produktinnovationen, aber auch über die Art, wie diese Produkte genutzt werden müssen.
Bessere Information als Lösung?
Die Nachhaltigkeitseigenschaften von Produkten, die im Prinzip von der Herstellung über die Nutzung bis zur Entsorgung reichen, sind den Produkten "nicht auf die Stirn geschrieben". Es handelt sich in aller Regel um sogenannte Vertrauenseigenschaften, die von den Verbrauchern weder vor noch nach dem Kauf wirklich beurteilt werden, sondern im Wesentlichen nur "geglaubt" werden können. Es bedarf deshalb gesonderter und besonders "glaubwürdiger" Informationsangebote, um die nachhaltigen Qualitäten von Produkten und Dienstleistungen sichtbar und erkennbar zu machen.
In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl von Informationsangeboten über soziale und ökologische Produktqualitäten beträchtlich erhöht, auch wenn es bisher nur ein einziges branchenbezogenes Label gibt, das sich als explizites Nachhaltigkeitslabel für Konsumenten versteht und neben ökologischen auch soziale Kriterien berücksichtigt.
Neben den Produktkennzeichen und Labels sind die Veröffentlichungen der Stiftung Warentest und in Teilen auch die der Zeitschrift "Öko-Test" wichtige Informationsressourcen für den nachhaltigen Konsum. So führt die Stiftung Warentest seit 2005 neben den Produkttests punktuell auch vergleichende Unternehmenstests durch. Diese Corporate Social Responsibility- bzw. CSR-Tests liefern Informationen über das ethische, soziale und ökologische Verhalten von Unternehmen, die für einen nachhaltigen Konsum wichtig sind.
So wichtig zutreffende und leicht zugängliche Informationen sind, so wenig dürfen wir hoffen, dass Konsumenten im Alltag, bei Spontankäufen, stets gut informiert entscheiden werden. Konsumenten agieren vielfach gewohnheitsmäßig, nutzen erprobte Muster und wollen ihr Leben und ihren Alltag in aller Regel einfacher und nicht komplizierter gestalten. Und nachhaltiger Konsum ist in aller Regel kompliziert. Er ist es vor allem dann, wenn man es in jedem Einzelfall bis auf jede Nachkommastelle genau wissen will, ob ein Produkt resp. eine Kauf- bzw. Konsumhandlung tatsächlich nachhaltig ist, anstatt danach zu fragen, ob sie - und diese Sicht auf die Dinge ist viel angemessener - zumindest nachhaltiger ist als die anderen zur Auswahl stehenden Alternativen. Der Gebrauchsnutzen eines Produktes muss - nimmt man es ganz genau - mit der ökologischen Verträglichkeit (z.B. Energieverbrauch und CO2-Emissionen) abgeglichen werden, und die sozialen Vorteile, die besonders schwer zu messen sind, müssten ebenso ins Kalkül gezogen werden. Dieses Schielen auf die Nachkommastellen und die ständig wechselnden Blickwinkel auf das, was nachhaltigen Konsum ausmacht, schaden allen Bemühungen, einfache und plausible Grunderkenntnisse über den nachhaltigen Konsum zu kommunizieren. Genau dies ist jedoch erforderlich. Der von der Bundesregierung eingesetzte Rat für Nachhaltige Entwicklung geht in seinem "Nachhaltigen Warenkorb" genau in diese Richtung, indem er - allen Kontroversen zum Trotz - den Mut hat, einfache Faustregeln aufzustellen. Die Gestaltung von Verbraucherinformationen im Bereich des nachhaltigen Konsums sollte insgesamt weniger dem Primat der Handlungsrationalität als vielmehr verstärkt dem Konzept einer "Regelrationalität" folgen und ein übergreifendes Orientierungswissen für den nachhaltigen Konsum erarbeiten. Mit Regelrationalität ist gemeint - so erklärt es Nobelpreisträger Robert J. Aumann -, beispielsweise jeden Morgen mit dem Regenschirm in der Tasche aus dem Haus zu gehen. Das Befolgen dieser Regel könne in einigen Ländern sehr rational und insgesamt sogar besser sein, als jeden Morgen neu zu entscheiden, ob man den Regenschirm nun mitnehmen soll oder nicht.
Der Blick auf das gegenwärtige Konsumverhalten zeigt deutlich, dass wir von einem nachhaltigen Konsum noch weit entfernt sind. Die deutschen Verbraucher - so die mal besorgt, mal sarkastisch formulierte Beobachtung - achten in vielen Fällen nicht auf Nachhaltigkeit, sondern allein auf den Preis. Dies sei das wichtigste und am weitesten verbreitete Kaufmotiv, das rational und irrational zugleich sei und sich in den unterschiedlichsten Situationen mehr oder weniger intensiv durchsetze. Dies ist vor allem das Argument, das auch vom Einzelhandel immer wieder vorgetragen wird, wenn nachgefragt wird, warum denn nicht mehr nachhaltige Produktalternativen im Sortiment gelistet werden. Die Redeweise von "den" Verbrauchern übersieht, dass die objektiven Handlungsmöglichkeiten und die subjektiven Präferenzen der Verbraucher sehr unterschiedlich sind. Neben preisbewussten finden wir qualitätsbewusste Verbraucher, von denen heute immer mehr nicht nur bekunden, nachhaltig konsumieren zu wollen, sondern es fallweise und gelegentlich auch schon fast systematisch tun. Und wo ein Markt ist, da ist auch das Marketing und der Versuch nicht mehr fern, eine besondere Zielgruppe von nachhaltigen Konsumenten zu identifizieren und/oder zu stilisieren. 15 Prozent soll in Deutschland die Zielgruppe der LOHAS (Lifestyles of Health and Sustainability) umfassen, wobei in Teilen der Marketingwissenschaft bezweifelt wird, ob diese "Zielgruppe" tatsächlich existiert oder nur selbst eine Marketingidee darstellt, um eine virtuelle Community mit Content zu versorgen.
Lifestyle als Lösung?
Auf der subjektiven Ebene der einzelnen Konsumenten ist nachhaltiger Konsum sicher mehr als die Summe vieler einzelner Kauf- und Konsumakte. Dort wo die persönlichen Lebenswerte der Konsumenten, typische Konsumgewohnheiten, ästhetische Vorlieben und Geschmacksmuster in jeweils wiederkehrender und typischer Weise auftreten, wird in der Konsumsoziologie von bestimmten Lebens- und Konsumstilen gesprochen, die näher beschrieben und dann auch kreativ mit einem treffenden Namen versehen werden.
Auch wenn zur Zeit beobachtet werden kann, wie nachhaltige Produkte bei kaufkräftigen jungen Konsumenten geradezu zu Statussymbolen avancieren, gilt es dennoch, genauer hinzusehen, denn es darf vermutet werden, dass die objektiv nachhaltigen Wirkungen dieser LOHAS-Personengruppe nicht besonders "vorbildlich" sind. Wer sich viele Gedanken über Nachhaltigkeit macht und bei seinem Ernährungsverhalten, das seine Gesundheit tangiert, bei Textilien, die seine Haut berühren und bei seiner Kosmetik auf alles Mögliche achtet, aber dennoch gerne schicke Autos (mit Hybridantrieb) fährt und gern in der Freizeit mit dem Flugzeug in die Ferne reist, hinterlässt einen größeren ökologischen Fußabdruck als die Familien, die zwar kein entwickeltes LOHAS-Bewusstsein haben, aber aus Gründen des geringen Familienbudgets oder aus alter Gewohnheit ohne PKW auskommen und Urlaub allenfalls in Deutschland auf dem Lande machen. Menschen, die aufgrund ihrer Situation nicht in der Lage sind, nachhaltige Lösungen umzusetzen, die einen hohen finanziellen Aufwand erfordern, dürfen nicht ausgegrenzt werden. Ein schlechtes Gewissen oder das Gefühl, nicht dazu zu gehören, sind wenig hilfreich auf dem Weg zu einem verantwortlichen Konsum. Es gilt, auch und gerade Menschen mit niedrigerem Einkommen zu ermutigen, mehr Nachhaltigkeit zu wagen. Oft haben sie sogar eine vergleichsweise gute Ausgangsposition, denn im Schnitt bedeutet niedrigeres Einkommen auch geringeren Ressourcenverbrauch und damit einen weniger weiteren Weg zur Nachhaltigkeit.
Das in zahlreichen Studien immer wieder konstatierte Auseinanderklaffen zwischen Bekundungen und tatsächlichem Konsumverhalten stellt nach allem, was wir wissen, keine "anthropologische Konstante" dar, sondern hat in weiten Teilen höchst reale Gründe. Verbraucher sind in vielen Fällen desorientiert über die Möglichkeiten, heute schon nachhaltig zu konsumieren. Es fehlt vor allem aber eine klare - auch von der Politik unterstützte - Botschaft, dass es mit der Umsteuerung des Konsums in Richtung Nachhaltigkeit tatsächlich ernst gemeint ist und dass dieser Zielsetzung ein konsistenter Plan und ein konsistentes und glaubwürdiges Handeln der Politik und anderer Akteure zu Grunde liegt. "I will if you will" gilt auch und vielleicht noch mehr für das Zusammenspiel von Consumer-Citizen und Politik.
Nachhaltiger Konsum als politische Gestaltungsaufgabe
Eine Umsteuerung der gegenwärtigen Konsum- und Produktionsstrukturen in Richtung Nachhaltigkeit ist nicht im Selbstlauf zu erwarten. Nachhaltiger Konsum erfordert eine bewusste Marktentwicklung, welche die Angebots- und die Nachfrageseite ebenso berücksichtigt wie die Institutionen und infrastrukturellen Rahmenbedingen des nachhaltigen Konsums. Da die Preise auf den meisten Konsumgütermärkten die wahren Kosten und Risiken sowie die Kosten zukünftiger Generationen nicht angemessen abbilden, gehen von dem marktwirtschaftlichen Spiel von Angebot und Nachfrage zu wenige Impulse für einen nachhaltigen Konsum aus. Im Gegenteil: Vielfach werden auf den Märkten die falschen Anreize gesetzt, werden eine Geiz-ist-Geil-Mentalität und ein nicht mehr zukunftsfähiger Konsumismus gefördert. Nachhaltiger Konsum ist eine komplexe gesellschaftliche und politische Gestaltungsaufgabe, an der eine Vielzahl von Akteuren zu beteiligen ist. Sie sollten sich auf Handlungsfelder konzentrieren, die aus der Perspektive der Nachhaltigkeit und der die Menschheit zentral bedrohenden Klimakatastrophe einen besonders schnellen und gravierenden Innovationsschub benötigen. Dies sind vor allem - so die einhellige Expertenmeinung - die Bereiche Ernährung, Mobilität und energieeffizientes Wohnen.
Ohne die Bedeutung anderer wichtiger Akteure für den nachhaltigen Konsum vernachlässigen zu wollen - der Politik und dem staatlichen Handeln kommt eine besondere Verantwortung bei der Förderung nachhaltiger Produktions- und Konsumstrukturen zu. In verschiedenen europäischen Ländern und in der EU hat sich die Förderung des nachhaltigen Konsums als eigenständiges Aufgabengebiet der Wirtschafts- und Nachhaltigkeitspolitik etabliert.
Zu wünschen wäre, dass
in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der nachhaltige Konsum an prominenter Stelle thematisiert und die Zielsetzungen und Richtungsentscheidungen zur Förderung des nachhaltigen Konsums vorgestellt werden;
ein angemessenes Indikatorensystem erarbeitet und eingesetzt wird, mit dem der Erfolg einer Politik zur Förderung des nachhaltigen Konsums gemessen werden kann und
eine regelmäßige Fortschrittsberichtsberichterstattung der Bundesregierung zum nachhaltigen Konsum stattfindet.
Ein besonders wichtiger Impuls für die Marktentwicklung ist das öffentliche Beschaffungswesen. Während in anderen Ländern bereits ernsthafte Bemühungen zu beobachten sind, ein nachhaltiges Beschaffungswesen zu installieren, hinkt Deutschland hinterher. Die Kriterien und Beurteilungsmaßstäbe für den erforderlichen privaten nachhaltigen Konsum müssten sich in den Anforderungen des öffentlichen Beschaffungswesens niederschlagen. Dazu gehört auch, dass Politiker in ihrer Amtsführung als Vorbilder fungieren und zeigen, dass Lebensqualität und Professionalität nicht zwingend durch ressourcenaufwendigen Konsum, große Limousinen oder unnötige Flugreisen zu erreichen sind.
Aufgabe der Politik ist es vor allem, eine für den nachhaltigen Konsum förderliche Infrastruktur bereitzustellen. Schwer erreichbare Einkaufsmöglichkeiten, eine ungünstige Verkehrsinfrastruktur, lange Wege zur Arbeit und ein ausgedünntes Freizeit- und Kulturangebot konterkarieren vielfach individuelle Bemühungen um einen nachhaltigen Konsumstil.
Insbesondere die Schaffung einer vorbildlichen Verkehrsinfrastruktur hat beträchtliche Auswirkungen auf die klimabewusste individuelle Mobilität. So gilt es, den öffentlichen Verkehr zu stärken, notwenige Investitionen in den Ausbau des Schienennetzes zu tätigen und die Kundenorientierung der Anbieter von Verkehrsdienstleistungen zu verbessern.
Auch im Rahmen der Stadtplanung und Raumordnung können förderliche Rahmenbedingungen für den nachhaltigen Konsum geschaffen werden, indem durch nahe gelegene Einkaufsmöglichkeiten die Alltagswege kurz gehalten werden. Die zu geringe Vermarktung von regionalen Produkten in den leichter erreichbaren Supermärkten, in Einkaufszentren oder auf Wochenmärkten macht ebenfalls gelegentlich lange Anfahrtswege für den Einkauf erforderlich.
Selbstverständlich wird auch bei einer politisch konsequenten Umsetzung der Ziele des nachhaltigen Konsums der Staat den Unternehmen nicht vorschreiben, welche Produkte in welcher Spezifikation zu entwickeln und zu vermarkten sind. Aber überall dort, wo der Staat mit finanziellen Anreizen die Nachfrageseite fördert, dürften in Zukunft stets die nachhaltigen Produktalternativen im Vordergrund stehen. Auch gilt es, die Ziele von Konjunkturprogrammen mit den Zielen der Nachhaltigkeitsstrategie in Übereinstimmung zu bringen und die Subventionen und steuerlichen Begünstigungen des Bundes auf den Prüfstand zu stellen. So sollte nicht jeder Autoneukauf steuerlich entlastet oder bezuschusst werden, sondern nur der Neukauf von besonders emissionsarmen Kraftfahrzeugen. Die geltende Dienstwagenbesteuerung, die nicht verwirklichte CO2-basierte Kfz-Steuer und die fehlenden CO2-Grenzwerte für PKW sind nur einige Beispiele dieser mangelnden Konsistenz zur Förderung nachhaltiger Konsum- und Produktionsstrukturen.
Obwohl nachhaltige Produktinnovationen zur originären Aufgabe des unternehmerischen marktorientierten Erfindergeistes gehören, kann die Politik durch Zielvorgaben - wie die EU dies für einige Produktgruppen vorsieht - Einfluss auf das Tempo der erforderlichen Veränderungen nehmen. Die Bundesregierung sollte bei diesen EU-Festlegungen in Zukunft eine Vorreiterrolle für ambitionierte Zielvorgaben einnehmen und diese in Deutschland konsequent umsetzen.
Schließlich kann die Bundesregierung die vorhandenen und im Kern gut arbeitenden Institutionen der Verbraucherinformation und Verbraucherberatung finanziell angemessen ausstatten, damit sie ihre Glaubwürdigkeit und Kompetenz für die Verbraucheraktivierung und die Stärkung der Nachfrageseite zugunsten eines nachhaltigen Konsums einsetzen können.
Bei der politischen Gestaltung der Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen Konsum sind eine Reihe von Zielkonflikten vorprogrammiert. Die langfristige Veränderung unserer Ernährungsgewohnheiten, zu der es aus der Nachhaltigkeitsperspektive auch gehören wird, weniger Fleisch zu essen, steht beispielsweise im Gegensatz zur Phantasie der nationalen Fleischindustrie, die auf eine Wachstumsstrategie setzt und - gefördert vom Landwirtschaftsministerium - derzeit dabei ist, "deutsches Fleisch" in andere Länder zu exportieren. Ein Landwirtschaftsministerium, das zugleich als Verbraucherministerium den nachhaltigen Konsum ernsthaft und nicht nur symbolisch fördern will, wird hier Zielkonflikte aushalten und austragen müssen. Im Dialog um die gewollte Lebensqualität und die Perspektiven eines nachhaltigen Konsums sind solche Zielkonflikte mit zu thematisieren. Nachhaltigkeit ist eben kein Harmoniemodell, in dem eine einvernehmliche Vision nur noch "umgesetzt" werden muss. Auch die Bürger und Verbraucher erleben diese Zielkonflikte und tragen sie aus. Wie formulierte Robert Gernhardt