Einleitung
Unsere Zeit ist maßgeblich von einem Trend zur Herausbildung moderner, sogenannter "Wissensgesellschaften" gekennzeichnet.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Förderung wissenschaftlicher Infrastruktur nicht zu einer zentralen Aufgabe auch entwicklungspolitischer Bemühungen werden müsste, um den Entwicklungsländern das Tor zum 21. Jahrhundert zu öffnen.
Wissenschaftlicher Rückstand
Gerade in Afrika ist auf diesem Weg aber noch eine weite Strecke zurückzulegen, denn die dortigen Wissenschaftssysteme sind nach wie vor kaum international konkurrenzfähig. Die Gründe für Afrikas vergleichsweise schwache wissenschaftliche Infrastruktur sind dabei zu vielfältig und komplex, um sie hier erschöpfend zu erörtern. Ein unverkennbarer Aspekt ist jedoch das schwerwiegende Erbe der Kolonialzeit. Der allgemeine Befund, die Dekolonisation sei ein "Fehlstart in die Unabhängigkeit mit schwerwiegenden Geburtsfehlern" gewesen,
Wie Maßnahmen aus jüngeren Jahren zeigen, erkennen zahlreiche afrikanische Staaten die Förderung ihrer Wissenschaftssysteme weiterhin als zentrale Herausforderung an. Äthiopien etwa will mit seinem umfangreichen "University Capacity Building Program"
Diese schlaglichtartigen Beispiele verdeutlichen, welche vielfältigen Anstrengungen in Afrika im Gange sind, um die Voraussetzungen für Wissenschaft und Forschung nachhaltig zu verbessern. Im Ergebnis äußert sich dies unter anderem in einer deutlichen Zunahme der Anzahl afrikanischer Universitäten, begleitet von einer Diversifikation des Hochschulsektors, in welchem nunmehr vermehrt auch private Hochschulen sowie Fernuniversitäten anzutreffen sind. Letztlich konnte der Bevölkerungsanteil immatrikulierter Studierender in den vergangenen zwei Jahrzehnten so durchschnittlich um 8,7 Prozent jährlich gesteigert werden.
Auch erlangen die Forschungsergebnisse afrikanischer Wissenschaftler selten internationale Anerkennung. Analysen von Publikationsdatenbanken zeigen, dass zwar durchaus Erfolge bei der Veröffentlichung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verzeichnen sind, doch sind diese eher punktuell und konzentrieren sich auf verhältnismäßig wenige Länder. Zudem gelingt die Verwertung der entsprechenden Ergebnisse in Form von Patenten selten. Die Vernachlässigung ingenieurs- und naturwissenschaftlicher Fächer, niedrige Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie fehlende Kontakte zum Privatsektor sind wesentliche Gründe hierfür.
Bedingte Attraktivität
Angesichts der mangelnden Leistungsfähigkeit afrikanischer Wissenschaftssysteme stellt die internationale Wissenschaftskooperation für Afrika eine wichtige Chance dar, Zugang zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, Methoden und Technologien zu erhalten. Problematisch ist in diesem Zusammenhang aber die Tatsache, dass sich das Interesse internationaler Kooperationspartner häufig auf wissenschaftlich besonders leistungsfähige Nationen konzentriert, wie auch das Beispiel Deutschland deutlich zeigt. Die sogenannte "Internationalisierungsstrategie" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) etwa, verfolgt vorrangig das Ziel, "der deutschen Wissenschaft und Wirtschaft Kompetenzgewinne und Innovationsvorsprünge zu verschaffen und diese nachhaltig zu sichern".
Nichtsdestotrotz existieren diverse Kooperationsformen zwischen deutschen Wissenschaftsinstitutionen und afrikanischen Partnern. Hervorzuheben ist hierbei der Deutsche Akademische Austausch Dienst (DAAD). Er finanziert den wissenschaftlichen und studentischen Austausch zwischen Afrika und Deutschland, indem er vor allem Afrikanerinnen und Afrikanern einen Aufenthalt in Deutschland ermöglicht, aber auch umgekehrt. Insgesamt wurden in diesem Zusammenhang im Jahr 2008 gut 1000 deutsche sowie 3500 afrikanische Studierende und Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler unterstützt. Letztlich ist Subsahara-Afrika aber auch im Portfolio des DAAD diejenige Weltregion, mit der - zumindest rein quantitativ betrachtet - am wenigsten Austauschbeziehungen bestehen. Überdies stellt der DAAD unter den wissenschaftlichen Institutionen gewissermaßen eine Ausnahme dar: Da das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter seinen Geldgebern eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt, besitzt er neben seinem wissenschaftlichen auch einen entwicklungspolitischen Auftrag.
Betrachtet man hingegen diejenigen deutschen Institutionen, deren Zielsetzung genuin wissenschaftspolitisch ist, so rückt Afrika zumeist in den Hintergrund. Die Aktivitäten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) etwa, die als national größte Förderorganisation ihr Hauptaugenmerk auf die Exzellenz der wissenschaftlichen Partner legt, sind in Afrika eher begrenzt und konzentrieren sich vornehmlich auf wenige, wissenschaftlich relativ leistungsfähige Partner wie Ägypten, Marokko und Südafrika. Die DFG steht damit stellvertretend für zahlreiche andere deutsche Wissenschaftsorganisationen, die verhältnismäßig selten mit afrikanischen Ländern kooperieren.
Entwicklungspolitische Schwerpunktsetzung
Die Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit widmeten sich in Afrika bislang nur selten der Förderung von höherer Bildung und Forschung. Hingegen hatte man schon in kolonialer Zeit in Form von christlichen Schulen und Kolonialschulen ein großes Augenmerk auf die Vermittlung grundlegender schulischer Bildung gerichtet.
Entwicklungspolitische Maßnahmen, die Wissenschaft und Forschung in Afrika zugute kommen, waren hingegen nur punktuell zu beobachten und wurzeln zumeist in anders gelagerten Schwerpunkten der Entwicklungszusammenarbeit. So wurden beispielsweise Agrarforschungszentren in zahlreichen afrikanischen Ländern von verschiedenen nationalen wie internationalen entwicklungspolitischen Akteuren unterstützt, weil man sich davon Fortschritte in der Bekämpfung des Hungers versprach. Ähnlich gelagerte Schwerpunkte existieren in den Umwelt- und Ingenieurwissenschaften (Bereitstellung von Wasser und Energie) sowie Lebenswissenschaften, Medizin und Pharmazie (Bekämpfung von HIV/AIDS und tropischen Krankheiten, Biodiversitätsforschung). Eine systematische und gezielte Förderung von Forschung oder tertiärer Bildung durch entwicklungspolitische Institutionen ist für Afrika hingegen (noch) nicht zu erkennen.
Wissenschaft für Entwicklung
Neuere Erkenntnisse vor allem der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung sorgen jedoch seit einigen Jahren dafür, dass die Förderung von Wissenschaft und Forschung in Entwicklungsländern zunehmend in einem anderen Licht betrachtet wird. So setzen sich seit den 1980er Jahren vermehrt wachstumstheoretische Erkenntnisse durch, welche die zuvor als sehr stark eingeschätzte Bedeutung primärer Bildung für wirtschaftliches Wachstum relativieren und stattdessen die Rolle der tertiären Bildung stärker akzentuieren. Eine effektive universitäre Bildung hat nach diesen Erkenntnissen vielfältige positive Effekte auf die ökonomische Entwicklung einer Gesellschaft. So führt ein höherer Bildungsgrad in der Regel zu höheren Löhnen und damit höheren Sparquoten sowie zur Investitionsfähigkeit eines größeren Teils der Bevölkerung. Für die entsprechenden Staatshaushalte ist damit eine Erhöhung des Steuereinkommens verbunden.
Auch die nachhaltige und langfristige Verbesserung primärer und sekundärer Bildung wird von Wissenschaftlern als wichtiger Effekt einer intensiveren tertiären Bildung betrachtet. Denn nur dort, wo genügend Universitäten existieren, um Lehrer auszubilden und wo das Einkommen der entsprechend ausgebildeten Eltern ausreicht, um ihren Kindern wiederum eine ausreichende Schulbildung zuteil werden zu lassen, ist ein langfristiger gesellschaftlicher und ökonomischer Ertrag zu erwarten.
Daher sollte neben die weiterhin unverzichtbare Förderung der Grundbildung künftig ein zusätzliches Augenmerk auf die sekundäre und tertiäre Bildung gerichtet werden, um nachhaltige, stabile und wissenschaftlich fundierte Bildungssysteme zu etablieren. Beispiele verdeutlichen, welche positiven Wirkungen von qualitativ verbesserten und quantitativ ausgebauten Wissenschaftssystemen auf die afrikanischen Staaten ausgehen könnten. So sind etwa die Straßenbaukosten in Subsahara-Afrika genauso hoch wie in den westlichen Industriestaaten, weil nicht nur entsprechende Materialien importiert werden müssen, sondern auch das Heranziehen externer Expertise notwendig ist. In Entwicklungsländern, welche über ausreichend ausgebildete Fachkräfte verfügen, belaufen sich die Baukosten hingegen auf ein Drittel.
Neue Kooperationsformen
Die Auffassung, dass die Förderung von Wissenschaft und Forschung in Entwicklungsländern größere entwicklungspolitische Relevanz hat, als bisher angenommen, wurde seit Ende der 1990er Jahre gezielt unter den Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit verbreitet. Maßgeblich verantwortlich hierfür war zunächst die Weltbank. Sie gab dem von ihr veröffentlichten Weltentwicklungsbericht 1998/99 den Untertitel "Wissen für Entwicklung" und unterstrich dabei auch die Notwendigkeit, tertiäre Bildung zu fördern. Als positives Beispiel aus Afrika wurde die Gründung der African Virtual University im Jahr 1995 genannt, die von ihrem Hauptquartier im kenianischen Nairobi aus 27 afrikanische Länder über digitale Medien mit universitärer Bildung- und Weiterbildung versorgt.
Die Aussagen der genannten Dokumente fielen vor allem in der entwicklungspolitischen Community, aber auch im wissenschaftspolitischen Bereich auf fruchtbaren Boden. So wurden nicht nur die Bemühungen der Entwicklungszusammenarbeit um Wissenschaft und Forschung intensiviert, sondern auch neue Kooperationsformen unter einem verstärkten Engagement wissenschaftlicher bzw. wissenschaftspolitischer Akteure erprobt: Im Rahmen eines von BMZ und BMBF geförderten und vom DAAD umgesetzten Pilotprojekts wird seit 2007 ein internationales Master-Programm zum Wasser- und Ressourcenmanagement gefördert, dessen Fokus allerdings nicht auf Afrika, sondern auf Lateinamerika liegt. Im ebenfalls vom DAAD durchgeführten Förderwettbewerb "Hochschulexzellenz in der Entwicklungszusammenarbeit" fiel überdies am 9. Juni dieses Jahres die Entscheidung, fünf deutsche Hochschulen bei der Verwirklichung ihrer entwicklungspolitischen Konzepte für zunächst fünf Jahre mit jeweils bis zu fünf Millionen Euro zu unterstützen. Zwar ist auch dieses Programm nicht explizit auf Afrika zugeschnitten, doch sind unter den Partnern der deutschen Hochschulen Institutionen in Äthiopien, Kenia, Mozambique, Südafrika und Tansania zu finden.
Gemeinsame Mission von Wissenschafts- und Entwicklungspolitik
Im Rahmen der Verwirklichung neuer Kooperationsformen wissenschafts- und entwicklungspolitischer Akteure zur Förderung der Wissenschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern sind zwischenzeitlich auch von offizieller Seite Voraussetzungen geschaffen worden: BMZ und BMBF wollen - gemäß einer im Januar 2008 von den Staatssekretären der Ministerien unterzeichneten Vereinbarung - Wissenschaftlich-Technologische Zusammenarbeit und Entwicklungszusammenarbeit künftig "stärker aufeinander abstimmen und Wege zu einer engeren Zusammenarbeit identifizieren". In der Vereinbarung stellten die beiden Ministerien weiter fest, "dass ihre Politikziele gemäß ihrer Zuständigkeit und Aufgabenstellung in Teilen übereinstimmen und dass sie bei ihren internationalen Tätigkeiten geographische und fachliche Berührungspunkte haben".
Als Ausdruck ihrer intensivierten Kooperation treffen sich in jüngster Zeit vermehrt Akteure aus beiden Tätigkeitsfeldern, um über die Abstimmung entwicklungs- und wissenschaftspolitischer Maßnahmen zu diskutieren - so beispielsweise im Mai 2006 anlässlich eines Workshops, in dessen Rahmen die erwähnte DIE-Studie zur wissenschaftlichen Kooperation mit Subsahara-Afrika vorgestellt wurde.
Auf diese Weise bildet sich zunehmend die Wahrnehmung einer zumindest in Teilen gemeinsamen Mission von Entwicklungs- und Wissenschaftlich-Technologischer Zusammenarbeit heraus. Während sich dabei entwicklungspolitische Organisationen von der Kooperation mit der Wissenschaft vor allem eine nachhaltige Verbesserung der Entwicklungschancen von Entwicklungs- und Schwellenländern versprechen, wollen wissenschaftliche und wissenschaftspolitische Akteure über die Zusammenarbeit mit der Entwicklungspolitik zunehmend zur Lösung globaler Probleme beitragen. Entsprechend identifizierten BMZ und BMBF in der bereits zitierten Vereinbarung unter anderem die folgenden gemeinsamen Ziele:
Unterstützung der Partnerländer beim Ausbau ihrer tertiären Bildungssysteme;
Unterstützung der Partnerländer bei der Verbesserung der lokalen Umweltsituation sowie der Trinkwasser- und Sanitärversorgung;
ein gemeinsamer Beitrag zur Bewältigung globaler Probleme, vor allem in den Bereichen Umweltschutz, Klimaschutz, Ressourcenbewirtschaftung, Ökosystemforschung, Gesundheit und Sicherheit.
Zukunftschance für Afrika
Schon auf den ersten Blick umreißt diese Aufstellung eine Vielzahl von Problemfeldern, welche den afrikanischen Kontinent in nicht unwesentlichem Maße betreffen. Afrika sollte daher im Fokus intensivierter Kooperationsformen von entwicklungs- und wissenschaftspolitischen bzw. wissenschaftlichen Akteuren stehen. An der Schnittstelle zwischen den beiden Politikfeldern bietet sich eine einmalige Gelegenheit, um Lösungsstrategien für eine wissenschaftliche, langfristige und nachhaltige Bewältigung spezifisch afrikanischer bzw. globaler Probleme in ihrer afrikanischen Ausprägung zu erarbeiten. Hunger und HIV/AIDS, Umwelt- und Ressourcenprobleme, Wasserversorgung sowie ganz allgemein der Aufbau einer technologisch hochwertigen Infrastruktur sind Aufgaben, deren Bewältigung einerseits wissenschaftlich erfolgen muss, andererseits aber auch entwicklungspolitische Belange berücksichtigen sollte. Afrika muss dabei ein wichtiger und eigenverantwortlicher Partner sein, um die langfristige Wirksamkeit entsprechender Maßnahmen zu gewährleisten und ihre Fortführung zu sichern. Es ist in diesem Sinne eine zentrale Aufgabe sowohl der Entwicklungs- als auch der Wissenschaftspolitik, die afrikanischen Wissenschaftssysteme mit ausreichend Ressourcen zu versehen, um diesen gewaltigen Herausforderungen kompetent und vor Ort begegnen zu können.
An erster Stelle muss dabei eine inhaltliche Abstimmung zwischen den Politikfeldern erfolgen: Die Wissenschaft sollte sich im Rahmen der Kooperation mit Afrika auf jene Themengebiete konzentrieren, welche für die Lösung entwicklungspolitischer Probleme relevant sind. Wissenschaftspolitische Akteure müssen künftig stärker in die Pflicht genommen werden als bisher: Insbesondere ihre Fördergelder dürfen in diesem Zusammenhang nicht ausschließlich - wie das im deutschen Wissenschaftssystem, zum Beispiel im Rahmen der Exzellenzinitiative, häufig Brauch ist - nach reinen Exzellenzgesichtspunkten fließen. Vielmehr muss auch und gerade die Lösung global und regional bedeutender Problemstellungen eine herausragende Rolle spielen.
In dem Maße, in dem Entwicklungszusammenarbeit "als Teil globaler Struktur- und Friedenspolitik" verstanden wird,