Einleitung
Die Forderung nach Bevölkerungsbeteiligung bei der Planung und Umsetzung von entwicklungspolitischen Maßnahmen fehlt derzeit in kaum einem Geberkonzept. Neben dem Anspruch auf Gleichstellung der Geschlechter, der Selbstverpflichtung auf die Vorgaben der "Millennium-Entwicklungsziele" der UN (d.h. Armutsbekämpfung) oder dem Konzept der Nachhaltigkeit spielt die sogenannte "Stakeholder-Partizipation", die Mitwirkung aller an Entwicklungsmaßnahmen Beteiligten, vor allem aber die Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung, eine wichtige Rolle. Das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat hierfür ein eigenes Partizipationskonzept,
Bei der Stakeholder-Partizipation wird gemeinhin unterschieden zwischen bloßer Information der Bevölkerung, ihrer Konsultation, ihrer Mitwirkung oder Beteiligung, ihrer Mitbestimmung sowie als weitestgehende Forderung ihrer Selbstbestimmung.
Erhebungen hierzu haben ergeben, dass sich in der Praxis kaum eine Geberorganisation an die eigenen konzeptionellen Vorgaben hält.
Entwicklungspolitische Prioritätensetzung
Ein erheblicher Widerspruch besteht in der Praxis zwischen dem Antragsprinzip, auf das sich fast alle Geberorganisationen berufen, und der Forderung nach umfassender Bevölkerungsbeteiligung. So gibt es einerseits die Fiktion, dass Entwicklungsvorhaben ganz überwiegend von der Partnerregierung bestimmt werden und die Geber nur die Vorhaben dieser Partner unterstützen. Tatsächlich stellen die am Ende bewilligten Vorhaben jedoch einen Kompromiss zwischen den politischen Vorstellungen beider Seiten dar, wobei viele Geberländer zunehmend Umweltaspekte in den Vordergrund stellen, während die Partnerseite eher an Investitionen in die Infrastruktur interessiert ist. Im Ergebnis werden oft beide und auch weitere Schwerpunktbereiche bedient, wobei alle Beteiligten übersehen, dass es der armen Bevölkerung - würde sie direkt gefragt - primär um die unmittelbare Verbesserung ihrer Lebensbedingungen ginge.
Zwar gibt es ungeachtet aller Klischees auch in Afrika etliche demokratisch gewählte Regierungen, aber andere besitzen kaum Legitimität, und selbst dort, wo diese durch freie Wahlen besteht, werden die Interessen der Armen und benachteiligter soziokultureller Gruppen von den Regierungen nur mangelhaft vertreten. Eine ownership (im Sinne von Eigenverantwortung und Zueignung) bei entwicklungspolitischen Zielvorgaben ist hier höchstens eine ownership seitens der Regierung, nicht des Landes. Entsprechend verhindert das Antragsprinzip in seiner jetzigen Ausgestaltung - die stets nur die Regierung eines Landes als antragberechtigt ansieht -, eine ernsthafte Bevölkerungsbeteiligung bei der Festlegung der Förderprioritäten und damit des gesamten entwicklungspolitischen Portfolios einer bilateralen Zusammenarbeit.
Nationale Armuts- bekämpfungsstrategien
Um sicherzustellen, dass die Entschuldung im Rahmen der HIPC-Initiative
Fast alle Staaten des subsaharischen Afrikas haben in den Jahren zwischen 2000 und 2004 eigene Strategiepapiere erarbeitet; viele befinden sich inzwischen in der Umsetzungsphase mit einem zweiten bzw. dritten auf jeweils drei Jahre ausgerichteten PRSP. Während in Ghana bereits das erste Paper relativ offen und mit wichtigen zivilgesellschaftlichen Akteuren diskutiert wurde, war die mauretanische Strategie ein typisches Beispiel für einen kaum partizipativen Prozess. Zwei Grundprobleme, die in vielen Ländern auch heute noch nicht überwunden sind, zeigten sich hier ganz eklatant: Erstens war das Parlament - eigentlich einer der wichtigsten Akteure - während der gesamten Erarbeitungsphase des PRSP kaum beteiligt,
Der PRS-Prozess endet natürlich nicht mit der Vorlage und Verabschiedung eines Strategiepapieres. Ebenso wichtig ist die Umsetzung der Strategie, das begleitende Monitoring und gegen Ende des Planungszeitraumes die Revision und Neuformulierung eines PRSP. Erst alle drei Elemente zusammen bilden einen vollständigen Zyklus. Die oft geringe und fast immer unsystematische Beteiligung wichtiger Akteure bei der Strategieentwicklung setzt sich in den meisten Ländern in den beiden folgenden Sub-Zyklen fort.
In einzelnen Fällen räumen Regierungen dagegen weitreichende Beteiligungsrechte ein, indem - wie in Äthiopien oder Ghana - NGOs mit der Umsetzung sozialer Maßnahmen beauftragt werden.
Festlegungen durch Sektoransätze
Während die Frage der Partizipation auf gesamtgesellschaftlicher Ebene zweifelsohne in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat, konzentriert sich die praktische Diskussion um Bevölkerungsbeteiligung innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) weiterhin vor allem auf die Programm- und Projektebene. Die Mitwirkung bei der Planung, Umsetzung und Steuerung von Projekten stellt weiterhin die größte Herausforderung dar - und gerade hier, wo Partizipation mit Blick auf Legitimität und Repräsentativität so einfach erscheint, sind die Probleme besonders groß. Dies gilt auch für die größeren internationalen NGOs wie Care International, World Vision oder Oxfam, die sich in ihrer Arbeitsweise längst staatlichen bilateralen Organisationen angenähert haben.
Das folgende Beispiel stellt daher keine Ausnahme dar: Bei der Planung eines Trinkwasserprojektes im zentralafrikanischen Tschad gingen die Mitarbeiter des Planungsbüros besonders partizipativ vor. In einem Gebiet mit rund 300 Dörfern wurden in 60 Dörfern Fokusgruppendiskussionen organisiert, bei denen zuerst die akuten Probleme der beteiligten Männer und Frauen analysiert wurden. Anschließend wurde ein sogenannter Prioritätenzensus durchgeführt, das heißt, es wurde eine Reihenfolge der Probleme und gewünschten Lösungen festgelegt, sortiert nach ihrer Wichtigkeit. Nahezu einmütig wurden von den Dorfbewohnern in den sehr offenen Gesprächsrunden an erster Stelle höhere (Bargeld)Einkommen und Unterstützung bei der Erzielung höherer Agrarerträge - und damit ebenfalls verbesserter Einkommen - genannt. Es folgten der Bedarf an Trinkwasser, besseren Gesundheitsdiensten, mehr Schulen, besserem Zugang zu Märkten usw. Die Wasserversorgung spielte eindeutig eine wichtige Rolle, rangierte aber dennoch oft nur auf dem zweiten, dritten oder folgenden Rang.
Partizipation als Mitwirkung ernst zu nehmen hätte hier zwingend bedeutet, den externen EZ-Beitrag auf eine Einkommenssteigerung zu fokussieren, zumindest aber die vorrangigen Wünsche der beteiligten Bevölkerung in die geplanten Aktivitäten einzubeziehen. Das Projekt konnte allerdings der erstgenannten Priorität nicht entsprechen, da mit der Regierung bereits eine Intervention im Wassersektor vereinbart worden war (aufgrund des Antragsprinzips).
Aber auch, wenn zwischen den staatlichen Partnern noch nichts verabredet gewesen wäre, hätte vermutlich dem Wunsch der Mehrheit der beteiligten Bevölkerung nicht entsprochen werden können. Hierfür ist der Sektoransatz verantwortlich, der die Vorhaben fast aller Geber dominiert: Das heißt, dass die Politik der EZ-Organisationen stark auf bestimmte Bereiche festgelegt und auch institutionell in Fachbereiche gegliedert ist. Es gibt also nicht Armutsprojekte oder -programme (Ausnahmen bestätigen hier die Regel), sondern Trinkwasser-, Gesundheits-, Bildungs-, Energieversorgungs-, Straßen- und Wegebau- oder Governanceprogramme.
Am offensten sind noch die Vorhaben der sozialen Infrastruktur, die zum Beispiel auf kommunaler Ebene mit deutscher Beteiligung in Burkina Faso oder dem Tschad ein breites Spektrum von Maßnahmen abdecken, angefangen vom Schulbau über ein neues Marktgebäude bis hin zu einem Frauenclub. Aus diesem Spektrum kann die Bevölkerung bzw. können ihre Vertreterinnen und Vertreter die für sie wichtigste Investition aussuchen. Allerdings gilt auch hier, dass die Wahl beschränkt ist, weil eben alle Maßnahmen mit Infrastruktur zu tun haben müssen. Auch bei diesem Ansatz wären direkte Beiträge zur Einkommensschaffung oder die längerfristige Unterstützung bei der landwirtschaftlichen Produktion nicht möglich, selbst bei noch so einmütiger Prioritätensetzung seitens der Bevölkerung. Ein ernst gemeinter Mitwirkungsanspruch muss also zu einer Abkehr vom Sektoransatz und hin zu offenen Programmen führen.
Nutzergruppen-Modelle
In Staaten wie Mauretanien, dem Niger, Tschad oder dem Kongo sind staatliche Institutionen in den Provinzen schwach und auf lokaler Ebene kaum vertreten bzw. aufgrund fehlender Budgets nicht handlungsfähig. In dieser Situation finden sich Beispiele für eine besonders weitgehende Bevölkerungsbeteiligung. Der Grund ist folgender: Da bei fehlender staatlicher Verantwortung ein nachhaltiger Betrieb zum Beispiel von EZ-geförderten Brunnen, Schulen, Gesundheitsstationen oder selbst Dorfapotheken nur gewährleistet ist, wenn sich hierfür Trägerstrukturen finden lassen, werden diese Strukturen bei der Bevölkerung selbst gesucht bzw. in den meisten Fällen projektbezogen aufgebaut. Zwar verhindert der genannte Sektoransatz auch hier, dass die Bevölkerung Ziele und Aktivitäten eines Vorhabens selbst bestimmen kann, aber nach der einmal getroffenen Vereinbarung über die EZ-Leistungen übernehmen lokale Organisationen teilweise bereits die Implementierung (z.B. beteiligen sie sich am Bau einer Schule), während der langfristige Betrieb der Maßnahmen ohnehin von ihnen gewährleistet werden soll. Üblich ist hierbei die Gründung von Nutzergruppen und die Wahl von Komitees bzw. Vorständen der Trägerstrukturen. Konsequenterweise übergeben einzelne Geberorganisationen die so entstandenen Brunnenanlagen oder Gesundheitsposten in den Besitz der jeweiligen Gemeinde.
Auch diese Art der Partizipation ist nicht frei von Problemen. Da der Staat seiner Verantwortung nicht nachkommt, muss die Bevölkerung den Betrieb ihrer neuen Brunnen oder Gesundheitsstationen selbst bezahlen (oft bereits einen Prozentsatz der Investitionskosten). Folglich gibt es Nutzergebühren, die in sehr unterschiedlicher Weise bezogen auf eine Familie, pro Kopf oder auf eine bestimmte Leistung (z.B. ein Tongefäß oder einen Kanister mit Wasser) täglich, monatlich oder jährlich (z.B. nach der Ernte) abgerechnet werden. Einerseits kann die Bevölkerung bei Projekten dieser Art mitreden und sie kann eigene, auch für die gesamte Dorfentwicklung verwendbare Selbstverwaltungsstrukturen aufbauen, andererseits wird der Staat aus jeglicher Verantwortung für die Bevölkerung entlassen. Negativ betroffen sind hiervon besonders die Armen, die fast immer dieselben finanziellen Leistungen wie die anderen sozialen Gruppen erbringen müssen. Wäre es für sie möglicherweise besser, sie würden weniger gefragt, dafür aber vom Staat mit kostenlosen Sozialleistungen bedacht?
Ein weiterer Punkt ist bei Nutzergruppen-Modellen wichtig: die kulturelle Angemessenheit der zu vereinbarenden Lösungen. Häufig orientieren sich EZ-Organisationen an bekannten Modellen aus ihrem Heimatland. Das Ergebnis sind Nutzerkomitees mit einem Vorsitzenden, einem Kassierer, einem Schriftführer, monatlichen Beiträgen, schriftlichen Protokollen usw. Diese Modelle sind erprobt und sicher auch jenseits der europäischen Grenzen prinzipiell geeignet, aber sie werden nicht verhindern können, dass traditionelle Autoritäten Einfluss ausüben, Frauen oft an den Rand gedrängt werden und Zahlungen nicht monatlich eingehen. Also sollte nach Modellen gesucht werden, die vor allem das Ziel im Auge behalten: den möglichst guten, nachhaltigen Betrieb der jeweiligen Infrastruktur. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, muss so partizipativ wie möglich für den Einzelfall erarbeitet werden.
Beeinträchtigung legitimer demokratischer Strukturen
Wo der Staat in der Region nicht präsent ist, kann der Aufbau von Basisorganisationen und selbst die Gewährung weitgehender Partizipationsrechte eigentlich keine Konflikte hervorrufen. Problematisch wird es dagegen, wenn die Entwicklungszusammenarbeit zumindest rudimentär vorhandenen oder im Aufbau begriffenen kommunalen Strukturen entgegenarbeitet. In Mali beispielsweise erfolgt derzeit eine Dezentralisation sowohl von politischen Entscheidungsrechten wie auch - leider nicht in hinreichendem Umfang - von Budgets. Seit etwa zehn Jahren werden hier in neu geschaffenen Landgemeinden und städtischen Kommunen Bürgermeister und Gemeinderäte in freien und geheimen Wahlen direkt gewählt.
Einige Geber wie die deutsche bilaterale EZ unterstützen die Gemeindeverwaltungen und -räte direkt bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Die Durchführung von Baumaßnahmen und die Budgetbewirtschaftung erfolgt dabei durch die zuständigen Behörden bei permanenter Kontrolle der Räte. Es wird darauf geachtet, dass auch die lokale Bevölkerung mitreden kann, wenngleich ihr nicht die letzte Entscheidung obliegt. Wo es um die Nutzung natürlicher Ressourcen geht, bei der besonders viel Konfliktpotential besteht, ist die Einbeziehung aller beteiligten Gruppen in Entscheidungen allerdings sehr weitgehend.
Andere Geber setzen auch in einer Situation, wie sie für Mali beschrieben wurde, auf eine Direktkooperation mit der Bevölkerung. Unabhängig davon, ob die kommunale Verwaltung und die Räte leistungsfähig sind oder nicht, werden Parallelstrukturen aufgebaut, bei denen die eigentlich den Kommunalräten obliegenden Entscheidungen von mit Geberhilfe neu gegründeten "Community Based Organizations" getroffen werden. Im Extremfall kann dies zu der Konstellation führen, dass eine kleinstädtische Trinkwasserversorgung von einem Geber in Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat errichtet wurde, aber zwei Ortsteile von anderen Gebern eigene kleine Wassersysteme erhalten, die jeweils von einem Nutzerkomitee verwaltet werden. Dabei gibt es für einen Kanister Wasser vielleicht sogar drei verschiedene Preise.
Auch dort, wo es nicht mehrere Geber gibt, kann es zu paradoxen Situationen kommen. Die neu gegründeten Nutzerkomitees bedürfen natürlich erheblicher Unterstützung bei allen Managementfragen. Diese erhalten sie in der Regel auch durch ein Projektteam, aber die bestehende Kommunalverwaltung und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch die gewählten Ratsmitglieder werden, da sie nicht in das Projekt nicht einbezogen sind, gar nicht oder kaum berücksichtigt. Im Ergebnis bleibt die üblicherweise schwache Administration mangels Unterstützung weiterhin wenig leistungsfähig und die gewählten Mandatsträger (die natürlich auch nicht fortgebildet werden) sind frustriert, da sie bei den schmalen Budgets nur wenig Verantwortung übernehmen können und aus dem Entscheidungsprozess für die geberfinanzierten Maßnahmen ausgeschlossen sind.
Partizipation, Legitimität und Konflikte
Die in diesem Beitrag bereits mehrfach erwähnte Legitimitätsfrage bei der Vertretung der Bevölkerung auf verschiedenen Ebenen wird für die Planung und später bei der Durchführung gemeinsamer Maßnahmen auch unabhängig von PRS-Prozessen nur selten gestellt, was in der Regel für beide Partner (die internationalen Geber wie die einheimischen Träger) gilt. Dies hat zur Konsequenz, dass häufig die falschen Personen anwesend sind, wenn in der Kommune, der Region oder auf nationaler Ebene über EZ-Maßnahmen beraten wird, mit der Folge, dass sich die Massen nicht beteiligt fühlen und möglicherweise ihre Akzeptanz und Mitwirkung verweigern werden.
Ganz besonders oft treten NGOs, die gut organisiert und in den Hauptstädten sehr präsent sind, als angebliche Interessenvertreter der Bevölkerung auf. Abgesehen davon, dass die meisten NGOs in Afrika nur wenige Mitglieder haben und nur ausnahmsweise eigene finanzielle Mittel beisteuern, haben sie keinerlei Legitimation, im Namen der Bevölkerung zu sprechen. Hinzu kommt, dass die zumeist gut ausgebildeten, oft in Staatspositionen sitzenden und eher gut verdienenden "NGO-Manager" beim besten Willen auch keinen Repräsentativitätsanspruch haben können. Deshalb müssen andere Formen der Vertretung gefunden und auch beim Aufbau unterstützt werden, die den Ansprüchen auf Legitimität und Repräsentativität deutlich besser entsprechen, auch wenn dies längere Planungszeiträume und vielschichtigere Moderationsprozesse erforderlich macht.
Eine umfassende Partizipation der Bevölkerung läuft häufig auf eine Ermächtigung von vormals benachteiligten soziokulturellen Gruppen hinaus. Diese werden eventuell aber nur während der Laufzeit eines Projektes bei der Vertretung ihrer Interessen gefördert. Nach Abzug der Projektmitarbeiter kann es zu einer Restauration der vormaligen Machtstrukturen und zu Gewalt gegenüber den vormals und nun erneut Benachteiligten kommen. Auch aus diesem Grund sollten partizipative Vorgehensweisen stets kultur- und gendersensibel sein und bestehende Machtgefüge berücksichtigen, ohne allerdings dabei auf das entwicklungspolitische Ziel des empowerments der Armen zu verzichten.
Notwendige Konsequenzen
Partizipation gerade der betroffenen Menschen an entwicklungspolitischen Entscheidungen ist mit Blick auf die von allen Beteiligten so oft geforderte Nachhaltigkeit von EZ-Maßnahmen eine wichtige Voraussetzung. Daher sollte sie auf allen Ebenen, angefangen von der Projekt- und Programmebene bis hin zu Gemeinschafts- oder Korbfinanzierungen, Sektorreformen und gesamtstaatlichen Ansätzen sehr viel ernster als bisher genommen werden.
Bei geplanten Projekten und Programmen sollten die legitimen Vertreter der betroffenen soziokulturellen Gruppen zu allen wichtigen Entscheidungen hinzugezogen werden. Bei nationalen Planungen und dem Monitoring sowie der Erfolgsbewertung von Maßnahmen innerhalb von nationalen Armutsbekämpfungs- und allgemeinen Entwicklungsstrategien sollte neben der stärkeren Mitwirkung durch die Parlamente auch eine umfassende zivilgesellschaftliche Beteiligung zu den Mindeststandards gehören.
Um eine Mitbestimmung der Bevölkerung bei der Zielsetzung und Gestaltung von Maßnahmen zu ermöglichen, müssten die Sektoransätze soweit wie möglich durch offene Programme ersetzt werden: Wenn zu Beginn geberseitig nur finanzielle Mittel (z.B. als Regionalfonds) sowie gegebenenfalls offene Beratungsangebote bereitgestellt würden, wäre es dem partizipativen Planungsprozess vor Ort überlassen, Festlegungen auf einzelne Schwerpunkte gemäß der Interessen der Bevölkerung zu treffen. So geplante Vorhaben müssen keineswegs teurer sein als solche mit sektoralen Vorgaben, und sie können unterschiedlichen Umfang haben mit direkter Beteiligung auf Dorfebene oder indirekter auf Distrikt- oder Regionalebene. Daher eignen sich offene Fonds auch im Rahmen von neuen Instrumenten innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit wie Korbfinanzierungen oder Regionalprogramme. Sie müssen allerdings den Anforderungen partizipativer Prozesse entsprechen; außerdem sollten hinreichend Zeit und Moderationskapazitäten eingeplant werden.
Die kulturellen Bedingungen von Partizipation müssen deutlich stärker als bisher berücksichtigt und mit Erfordernissen einer modernen, dezentralisierten Verwaltung bzw. Betriebsführung von Trinkwassersystemen, Bildungseinrichtungen oder anderen kommunalen Investitionen harmonisiert werden. Die gute Kenntnis der soziokulturellen Bedingungen in einer Region bzw. in einem Interventionssektor ist auch Voraussetzung für die Einleitung partizipativer Entscheidungsprozesse. Nur wenn die politischen, ökonomischen, sozialen, religiösen und verwandtschaftlichen Strukturen bekannt sind, können Gesichtspunkte der Legitimität mit Aussicht auf Erfolg eingebracht werden. Bevölkerungsgestützte Trägermodelle sollten möglichst immer mit staatlichen Eigenanstrengungen und finanzieller Mitverantwortung gekoppelt werden. Die Träger der Entwicklungszusammenarbeit sollten nicht stellvertretend für den Staat handeln, selbst wenn gerade hierdurch in vielen Fällen die Partizipation der Bevölkerung besonders gefördert werden kann.
Wo kommunale Strukturen bestehen und arbeitsfähig sind, sollten sie auch bei allen Entscheidungen über EZ-Maßnahmen einbezogen werden. Die Herausforderung an eine moderne, beteiligungsorientierte Entwicklungszusammenarbeit (und zwar nicht vorrangig für die Geberseite, sondern für die letztendlich verantwortlichen einheimischen Partnerstrukturen) ist die Harmonisierung des Beteiligungsanspruchs der Bevölkerung ("direkte Demokratie") mit der Notwendigkeit, die Kommunalverwaltungen und -räte (d.h. die "legitimen repräsentativen Strukturen") einzubeziehen, und zwar gemäß ihrer jeweiligen Rolle.