Einleitung
Kanada gilt in vielfacher Hinsicht als Paradebeispiel einer Einwanderungsgesellschaft: Zum einen lässt der bloße Umfang der staatlich gesteuerten Einwanderung dieses Land zu einem zentralen Bezugspunkt in der Diskussion über die Erfahrungen und Herausforderungen der Anwerbung sowie der Arbeitsmarktintegration von Immigranten werden. Relativ zur Bevölkerung des Landes (knapp 34 Millionen) hat Kanada die weltweit höchsten Einwanderungszahlen: Etwa 250 000 Migrantinnen und Migranten werden jährlich angeworben, neben denen noch einmal fast 200 000 Einwanderer mit befristeten Aufenthaltsgenehmigungen ins Land kommen. Der Anteil der im Ausland geborenen Bevölkerung liegt bei fast 20 Prozent (19,8 Prozent im Jahr 2006), in Vancouver und Toronto beträgt er sogar 38 bzw. knapp 44 Prozent. Jüngsten Prognosen zufolge werden im Jahr 2017 Angehörige der "erkennbaren Minderheiten", der sogenannten visible minorities, in kanadischen Großstädten die Mehrheit bilden.
Zum anderen gilt Kanada vielen als Vorbild für eine offene, faire und in ihren sozioökonomischen Folgen überaus erfolgreiche Immigrationspolitik. Das Punktsystem, auf dessen Grundlage ein Großteil der Einwanderer ausgewählt wird, sowie die Selbstverpflichtung der kanadischen Gesellschaft auf ein plurikulturelles Miteinander, das von Prinzipien der Chancengleichheit und der Toleranz gegenüber kultureller Differenz geprägt ist, wird von vielen Beobachtern als nachahmungswürdiges Modell angesehen.
Der gleichberechtigte Zugang zum Arbeitsmarkt und berufliche Aufstiegschancen sind zentrale Elemente dieses Modells, dessen Grundlage der Gedanke ist, dass Einwanderer entscheidend zum Wohlstand des Gemeinwesens beitragen und volkswirtschaftlicher Erfolg eng an den Zuzug von qualifizierten Ausländerinnen und Ausländern geknüpft ist. Gleichzeitig ist die Arbeitsmarktintegration von Neuankömmlingen das ausschlaggebende Kriterium bei der Bewertung der kanadischen Einwanderungspolitik: Der Erfolg oder Misserfolg von Migranten im Erziehungssystem oder auf dem Arbeitsmarkt wird als wesentlicher Maßstab dafür herangezogen, ob die Eingliederung von Neuankömmlingen gelingt und ob bestehende Formen sozialer Ungleichheit zwischen Immigranten und im Land Geborenen überwunden werden.
Die Neugestaltung der staatlichen Immigrationssteuerung in den 1960er Jahren hat Erwartungen und normative Ansprüche an die erfolgreiche Integration von Migranten formuliert, die für den Arbeitsmarkt von besonderer Bedeutung sind: Die Idee gleicher Lebenschancen für Neuankömmlinge kann in Kanada als ein gesellschaftlich weitgehend akzeptiertes, in seiner konkreten politischen Umsetzung jedoch umstrittenes Gebot angesehen werden.
Von der White Settler Society zur multikulturellen Gesellschaft
Gegen den Versuch, Kanada als Modell für Deutschlands Weg zu einer modernen Immigrationspolitik heranzuziehen, ließe sich einwenden, dass die gesellschaftlichen Grundlagen in klassischen Einwanderungsgesellschaften wie Kanada prinzipiell nicht mit denen der europäischen Nationalstaaten vergleichbar sind. Bei dieser Argumentation wird aber unterschlagen, dass die kanadische Immigrationspolitik seit Mitte der 1960er Jahre einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen hat. Zuvor war die Auswahl von Einwanderern - der europäischen Erfahrung durchaus nahe - stark von der Idee des nation building, das heißt der Schaffung und des Schutzes einer "nationalen Gemeinschaft" und ihrer ethnisch-kulturellen Identität, geprägt. Mit der Einwanderungspolitik sollte die (post-)koloniale Identität Kanadas als white settler society gestärkt werden; bis tief in das 20. Jahrhundert hinein wurden Einwanderer fast ausschließlich aus Europa angeworben - möglichst aus Großbritannien oder Frankreich. Erst eine radikale Modernisierung der Immigrations- und Integrationspolitik hat Kanada zu einem der Länder werden lassen, die sich der staatlich gesteuerten Einwanderung und dem entsprechenden sozial-kulturellen Wandel durch Migrantenströme aus aller Welt weitgehend verschrieben haben.
Vorrangiger Antrieb dieses tiefgreifenden Politikwandels war der aus der demographischen Entwicklung des Landes resultierende Zwang zur sozioökonomischen Modernisierung. Die boomende Wirtschaft der 1960er Jahre ließ den Druck auf die Politik zusätzlich wachsen, die höchst selektive und diskriminierende Anwerbepraxis grundlegend zu überdenken. Mit dem 1967 eingeführten Punktsystem ersetzten Kriterien individueller Qualifikation und Eignung (wie etwa Ausbildung, Sprachkompetenz, berufliche Erfahrung, Anpassungsfähigkeit und Alter) die der Herkunft der Bewerber. Die Auswahl der Migranten wurde pragmatisch an die wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnisse des Landes gekoppelt und gänzlich von dem Ziel befreit, die sich schnell wandelnde nationale Identität Kanadas zu schützen.
Zwar ist das Punktsystem seit 1967 verschiedenen Reformen unterzogen worden - 2001 wurde das System von der Fixierung auf Bedürfnisse des Arbeitsmarktes auf das generelle Ausbildungs- und Erfahrungsniveau der Einwanderer umgestellt -, doch definiert es bis heute, wie die "ökonomischen Einwanderer" (economic immigrants)
Auswahl und Multikulturalismus
Das Umstellen auf den wirtschaftlichen Nutzen als Organisationsprinzip und primäre Legitimationsgrundlage der kanadischen Immigrations- und Integrationspolitik hat tiefgreifende Folgen für die Gestaltung der Einwanderung gehabt: Die Öffnung des Landes für Migranten aus der ganzen Welt und deren Auswahl auf der Grundlage individueller Voraussetzungen, die sich an gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Zielvorgaben orientiert, hat die Gruppe der economic immigrants stark anwachsen lassen. Während die mit dem Punktsystem individuell ausgewählten Einwanderer 1985 noch 31 Prozent der gesamten Immigrantenpopulation ausmachten, ist diese Zahl auf über 60 Prozent im Jahr 2006 angestiegen (gegenwärtig macht der Familienzuzug 26 Prozent und der Anteil der Flüchtlinge und Asylsuchenden 8,5 Prozent aller ohne Aufenthaltsbeschränkung Eingewanderten aus). Auch haben sich die Schwerpunkte hinsichtlich der hauptsächlichen Herkunftsregionen grundlegend verschoben: Während in den 1960er Jahren noch über 90 Prozent der Migranten aus Europa kamen, stellen nunmehr Asiaten mit 58,3 Prozent den weitaus größten Anteil (die wichtigsten Herkunftsländer sind China, Indien und Pakistan).
Entscheidend für die gute Situation der Einwanderer auf dem Arbeitsmarkt ist ihr hohes Bildungsniveau - was insbesondere, aber keineswegs ausschließlich für die Gruppe der economic immigrants gilt. Von der in Kanada geborenen Bevölkerung verfügten 2006 23 Prozent über einen Universitätsabschluss, während in der jüngsten Migrantenkohorte diese Rate für Männer bei 58 Prozent und für Frauen bei 49 Prozent lag. Diese Zahlen stehen in einem auffälligen Gegensatz zum Bildungsniveau der nach Deutschland Eingewanderten, deren Großteil zur unteren Bildungsschicht gehören; fast 50 Prozent der im Ausland geborenen Bevölkerung in Deutschland verfügt lediglich über einen einfachen Schulabschluss.
Im Punktsystem werden die Migranten auf der Grundlage ihrer Bildung, Arbeitserfahrungen und sprachlichen Kompetenzen ausgewählt. Im Bemühen, den sozioökonomischen Nutzen der Migration weiter zu optimieren und die Einwanderung und den Arbeitsmarkt so effektiv wie möglich aufeinander abzustimmen, hat der kanadische Staat in den vergangenen Jahren die Differenzierung und Dezentralisierung des Auswahlverfahrens vorangetrieben. Die Provinzen (entsprechen den deutschen Bundesländern) haben weitreichende Kompetenzen erhalten, zum Beispiel mit sogenannten provincial nominee programs Einwanderer gezielt und in einem beschleunigten Verfahren auszuwählen, um auf ihre jeweiligen wirtschaftlichen Erfordernisse reagieren zu können. Des Weiteren hat die Einwanderungsbehörde (Citizenship and Immigration Canada, CIC) auf föderaler Ebene eine Vielzahl kleinerer Programme aufgelegt, um ganz gezielt bestimmte Berufsgruppen ins Land zu holen (etwa Kranken- und Altenpfleger). Weiterhin wird das zuallererst auf die Qualifikationen und beruflichen Erfahrungen der Migranten abstellende Auswahlverfahren durch umfangreiche Integrationsprogramme begleitet, die Neuankömmlingen insbesondere den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Die sogenannten settlement services bieten vorrangig Sprachtraining an, doch sind Kurse zu Bewerbungsverfahren und gezieltem professionellen Training zunehmend Teil des Angebotes.
Ein anderes wichtiges Element des kanadischen Integrationsregimes ist der Multikulturalismus, der sich als staatliche Praxis des Schutzes kultureller Identität wie auch als Ethos der Pluralität und der zwanglosen Integration von Immigranten beschreiben lässt. Er ist von der Idee geprägt, dass ethnisch-kulturelle Vielfalt keine Gefährdung der sozialen und politischen Integrität des Gemeinwesens darstellt, sondern eine Bereicherung, die es staatlich anzuerkennen und zu fördern gilt. Zuletzt im Multiculturalism Act aus dem Jahr 1988 wurde die Anerkennung und Förderung von verschiedenen Kulturen rechtlich festgeschrieben und der Schutz sprachlicher und ethnisch-kultureller Minderheiten auf eine Stufe mit dem Schutz des Kanons individueller Freiheitsrechte gestellt.
Herausforderungen und Probleme
Nach der sehr erfolgreichen Arbeitsmarktintegration von Migranten bis in die 1990er Jahre hinein sieht sich die kanadische Immigrations- und Integrationspolitik seit einem Jahrzehnt vor einer Reihe ernster Herausforderungen. Im Kern geht es um eine wachsende und in ihren Konsequenzen zunehmend schwieriger zu rechtfertigende Diskrepanz zwischen der beabsichtigten bedarfsorientierten Auswahl und reibungslosen Eingliederung von Einwanderern einerseits und einer sozialen Realität, in der sich insbesondere der Übergang in den Arbeitsmarkt als schwierig erweist, andererseits. Auf den ersten Blick erscheint die Situation paradox: Kanada wählt seine Einwanderer sorgfältig mit Blick auf Bildungstitel und Arbeitserfahrungen aus, doch dann gelingt es nur unzureichend, diesen Neuankömmlingen berufliche Positionen zu eröffnen, die ihrer Qualifikation entsprechen.
Ein Indiz für dieses Problem ist die im vergangenen Jahrzehnt wachsende Kluft zwischen dem Einkommensniveau der im Land geborenen und der zugewanderten Bevölkerung. Diese Einkommensschere öffnet sich seit den frühen 1990er Jahren zunehmend: Während beispielsweise der 1980 in Kanada eingewanderte economic immigrant zunächst ein Einkommen bezog, das 23 Prozent über dem kanadischen Durchschnitt lag, so verschwand dieser Vorteil bis Mitte der 1990er Jahre und wandelte sich in einen 20 Prozent niedrigeren Verdienst. Aktuell liegt das Durchschnittseinkommen der in den zurückliegenden zehn Jahren zugewanderten Migranten um 35 Prozent unter der vergleichbaren Gruppe der in Kanada Geborenen. Die für klassische Einwanderungsnationen so entscheidende Annahme, dass es nur einer geringen Übergangsfrist bedürfe, um als Immigrant gleichberechtigt an den beruflichen Möglichkeiten und dem Wohlstand der neuen Heimatgesellschaft teilhaben zu können, lässt sich immer weniger aufrechterhalten.
Ein anderer, hiermit verbundener Aspekt der Arbeitsmarktintegration von Einwanderern ist deren Beschäftigung in minderqualifizierten beruflichen Positionen. Die kanadische Öffentlichkeit hat überrascht zur Kenntnis genommen, dass jüngste Migrantengruppen geringeren Erfolg auf dem Arbeitsmarkt haben, obwohl sich das Bildungsniveau der Einwanderer in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter erhöht hat und sie über größere Arbeitserfahrungen aus ihren Heimatländern verfügen. Durch die mangelnde Nutzung der Qualifikationen und der Arbeitserfahrung von Immigranten entstünde, so Jeffrey Reitz, ein volkswirtschaftlicher Schaden von über zwei Milliarden Dollar im Jahr.
Wie lässt sich dieses Paradox erklären, dass die "besten Köpfe" angeworben werden, doch nur mangelhaft Zugang zu den beruflichen Positionen finden, für die sie qualifiziert sind und durch die sie im Auswahlverfahren erfolgreich waren? Dieser Befund ist umso irritierender, als die als permanent residents angeworbenen Migranten der kanadischen Bevölkerung rechtlich gleichgestellt sind und nicht unter den institutionellen Formen der Exklusion vom Arbeitsmarkt zu leiden haben, denen sich viele Zuwanderer in Deutschland ausgesetzt sehen.
Ökonomen verweisen vor allem auf die Veränderungen des kanadischen Bildungssystems und des Arbeitsmarktes selbst, deren Erwartungen mit den Fähigkeiten der Zugewanderten immer weniger in Einklang zu bringen seien: So seien dort spezifische Qualifikationen und Standards gefordert, die insbesondere durch die primären aktuellen Entsendeländer nur unzureichend bereitgestellt würden. Darüber hinaus beklagen Arbeitgeber mangelnde soziale Kompetenzen (soft skills), derer es bedürfe, um sich in einer zunehmend kommunikativ vernetzten Wirtschaft durchzusetzen. Der kanadische Staat hat hierauf mit einer Vielzahl von Programmen reagiert, die hochqualifizierte Migranten mit Blick auf ihre jeweiligen Berufsfelder fortbilden und sie auf Vorstellungsverfahren vorbereiten.
Anerkennung von Bildungstiteln und Arbeitserfahrung
Bei der Frage nach den Eintrittsbarrieren in den Arbeitsmarkt, welche die marktgemäße Bewertung der Arbeit und Erfahrungen von Immigranten unterlaufen, spielt die Anerkennung von Bildungstiteln eine maßgebliche Rolle.
Obgleich auf Provinzebene sogenannte credential assessment services eingerichtet wurden, bedarf es tatsächlich der Zusammenarbeit von staatlichen Stellen, Berufsverbänden, Ausbildungsinstitutionen und Arbeitgebern, um Qualifikationen und Bildungstitel zu prüfen und anzuerkennen. Wiederholt werden hierbei insbesondere von den Berufsverbänden - etwa für Ingenieure, Ärzte oder Architekten - Standards eingefordert, die von den Einwanderern selbst oftmals als willkürliche Eintrittsbarrieren bzw. Ausschlussverfahren wahrgenommen werden. Gegenwärtig arbeitet der kanadische Staat an einer einheitlichen Foreign Credentials Recognition Agency auf föderaler Ebene, welche die 13 Verwaltungsgerichtsbarkeiten, 15 Berufsverbände und über 400 mit der Bewertung von ausländischen Bildungstiteln befassten regulativen Institutionen in einem vereinfachten Verfahren zusammenführen soll.
Neben der Schließung des Arbeitsmarktes durch Verbände spielt das fehlende Wissen um Ausbildungswege und den Arbeitsmarkt insbesondere in den nicht-europäischen Entsendeländern eine große Rolle. So gilt es in manchen Berufsfeldern fast als Regel, dass Einwanderer einen Großteil, wenn nicht den gesamten Bildungsweg nochmals durchlaufen und einen kanadischen Abschluss erwerben müssen, um Zugang zum Arbeitsmarkt in ihrem Bereich zu finden. Entscheidend ist aber vor allem, dass fast ausschließlich in Kanada erworbene Arbeitserfahrungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt als relevant anerkannt werden. Diese lassen sich jedoch häufig nur durch unbezahlte Praktikumsstellen sammeln. Hierbei besteht die Gefahr für Immigranten, in einen Kreislauf aus unterqualifizierter Arbeit und fehlender einschlägiger Arbeitserfahrung zu geraten (besonders Frauen sind hiervon betroffen). Das fehlende Wissen um den Prozess der Anerkennung von Bildungstiteln oder der Verfügbarkeit von Fort- und Sprachausbildung tragen weiter dazu bei, dass viele Einwanderer aus ihren erlernten Berufen zurückweichen und ihre professionellen Fähigkeiten ungenutzt lassen. Der eingewanderte taxifahrende Ingenieur oder Arzt ist nicht nur in Frankfurt oder Berlin, sondern eben auch in Toronto oder Vancouver anzutreffen.
Neben dem mangelnden Wissen um die im Ausland erworbenen Bildungstitel und Arbeitserfahrungen spielen auch kulturelle Vorbehalte gegen Einwanderer aus nicht-europäischen Ländern eine Rolle. Wie Shibao Guo und Per Andersson beschreiben,
Systematische Diskriminierung?
Der letzte Punkt wirft die Frage nach der systematischen Benachteiligung von Immigranten im Arbeitsmarkt auf. Die wenigen Befunde zeichnen ein ambivalentes Bild: Auf der einen Seite sei der offene Rassismus im kanadischen Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker zurückgedrängt worden; es könne unterstellt werden, dass das Ethos des Multikulturalismus und das staatlich strikt geschützte Antidiskriminierungsgebot dieser Form der Diskriminierung den gesellschaftlichen Boden entzogen haben. Auf der anderen Seite verweisen andere Beobachter darauf, dass es eine klare "ethnische Voreingenommenheit" kanadischer Arbeitgeber gebe, die beispielsweise Bewerbern aus Südasien zum Nachteil gereiche.
Im Frühsommer 2009 wurde in den kanadischen Abendnachrichten prominent von einer Studie berichtet, bei der "blind" tausende Bewerbungen auf Stellenanzeigen in Toronto verschickt worden waren. Die Forscher hatten dabei jeweils zwei identische Lebensläufe benutzt, die sich lediglich durch den Namen des Bewerbers unterschieden. Das Ergebnis war für die kanadische Öffentlichkeit ernüchternd: Bewerber mit englischen Namen hatten eine dreimal größere Chance, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, als solche mit chinesischen, indischen oder pakistanischen Namen.
Vorbild für Deutschland?
Kanada ist seit seinem Bestehen von Einwanderung geprägt worden und unterscheidet sich dadurch in vielfacher Hinsicht von europäischen Gesellschaften. Gleichzeitig aber hat dieses Land einen grundlegenden Wandel seiner Immigrations- und Integrationspolitik vorgenommen, der nicht zuletzt von demographischen und arbeitsmarktspezifischen Erfordernissen angetrieben wurde. Im Kern sieht sich Deutschland heute mit ähnlichen strukturellen Herausforderungen konfrontiert. Die Umstellung der Anwerbe- und Integrationspraxis in den späten 1960er Jahren zeigt, wie Kanada es verstanden hat, die gezielte und staatlich gesteuerte Einwanderungspolitik zu einem zentralen Bestandteil seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik zu machen. Trotz der oben beschriebenen Herausforderungen ist Kanada ein Land, das es über die vergangenen vierzig Jahre verstanden hat, die professionellen Erfahrungen seiner Einwanderer zu nutzen und diesen weitgehende Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt einzuräumen. Auch ist die sozialstrukturelle Benachteiligung der Migrantenkinder - anders als in Europa - ein weitgehend unbekanntes Phänomen. In dieser Hinsicht kommt Kanada Vorbildcharakter für Deutschland zu: Die Erfahrungen unterstreichen, dass eine an den gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Bedürfnissen orientierte Immigrationspolitik möglich ist, die mit fairen, auf die Qualifikationen von Migranten abzielende Bewerbungsverfahren operiert und die eine weitgehende Akzeptanz in der Politik und Bevölkerung genießt.
Gleichzeitig zeigt der kanadische Fall aber auch, dass der Erfolg der Immigrations- und Integrationspolitik keineswegs selbstläufig, quasi als ein allein marktgeprägter Prozess funktioniert. Das kanadische Modell baut auf einem Management von Migrationsströmen auf, das auf verschiedenen administrativen Ebenen operiert und (auch institutionell) tief in der Zivilgesellschaft verankert ist. Auch in Bezug auf oftmals wenig spektakuläre und in ihren Wirkungen begrenzte Initiativen, wie die Programme für die Arbeitsmarktintegration für Migranten, lohnt der Blick über den Atlantik.
Dabei fällt auch auf, vor welch großen Herausforderungen das kanadische Immigrations- und Integrationsmodell steht. Die Schwierigkeiten, die auch hochqualifizierte Einwanderer bei dem Eintritt in den Arbeitsmarkt erfahren, drohen zu einem gesellschaftlichen und politischen Problem zu werden. Der kanadische Fall verdeutlicht somit schließlich auch, dass die Arbeitsmarktintegration von Migranten durch weitaus komplexere Prozesse gesteuert wird als lediglich durch eine auf wirtschaftliche Imperative abzielende Anwerbepolitik.