Einleitung
Die Selbststeuerung der Forschung und Lehre durch die wissenschaftliche Gemeinschaft, deren disziplinäre Spezifizierung in der Treuhänderschaft der Fachgesellschaften und die akademische Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden in der Universität bilden die institutionelle Grundlage für die funktionale Ausdifferenzierung der Wissenschaft in der Moderne. Sie hat einerseits das ungehinderte Vorantreiben des Erkenntnisfortschritts und andererseits die produktive Umsetzung von unverfälschtem wissenschaftlichem Wissen in der Gesellschaft ermöglicht.
Es ist daran zu erkennen, dass die funktionale Ausdifferenzierung der Wissenschaft und ihre Leistungsverflechtung mit der Gesellschaft auf höchst singulären institutionellen Bedingungen beruhen, die sich keineswegs von selbst in einem evolutionären Prozess herausbilden. Sie sind in einem historischen Vorgang entstanden und können ebenso in einem historischen Prozess wieder verschwinden und einem anderen institutionellen Arrangement Platz machen.
Wissenschaft als ökonomischer Prozess
Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass sich in der Gegenwart ein historischer Wandel der Wissenschaft vollzieht. Im Zentrum dieses Prozesses steht die Ablösung der Treuhänderschaft der wissenschaftlichen und der akademischen Gemeinschaft sowie der Fachgesellschaften für den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt und dessen Verbreitung in der Gesellschaft durch einen Markt, auf dem unternehmerisch geführte Universitäten miteinander um Wettbewerbsvorteile in der Attraktion von Forschungsgeldern, Wissenschaftlern und Studierenden konkurrieren.
Dieser Wettbewerb ist so angelegt, dass es Sieger und Besiegte geben muss. Darin unterscheidet sich der neue Wettbewerb zwischen unternehmerisch geführten Universitäten grundsätzlich vom Wettbewerb der Forschenden um Anerkennung durch die wissenschaftliche Gemeinschaft. Die Forscherinnen und Forscher verstehen ihre Beiträge als Erwiderung des Geschenks der Mitgliedschaft in dieser mit höchster Ehre ausgestatteten Gemeinschaft. Sie forschen in kollektiver Anstrengung zwecks Erzeugung von neuem wissenschaftlichem Wissen als einem Kollektivgut.
Was bedeutet es, wenn die Wissenschaft in einen Markt umgestaltet wird, auf dem Universitäten um Marktanteile konkurrieren? Das Neue ist zunächst, dass die Universität einen Akteursstatus erhält, den sie zuvor nicht hatte, und dass dieser Akteursstatus in Analogie zu Wirtschaftsunternehmen interpretiert wird.
In operativer Hinsicht muss sich die universitäre Unternehmensführung von den Fesseln der akademischen Selbstverwaltung befreien und sich einen Durchgriff in alle Abteilungen hinein verschaffen. Über die Einstellung eines Mitarbeiters an einem Lehrstuhl entscheidet deshalb nicht mehr der Lehrstuhlinhaber, sondern die Universitätsleitung. Der in eigener Verantwortung handelnde Professor wird zum Angestellten des Universitätsunternehmens degradiert. In diesem anscheinend unbedeutenden Schritt zeigt sich die ganze Tragweite der sich vollziehenden Machtverschiebung: Sie impliziert, dass ein Universitätsmanagement weit ab vom realen Geschehen von Forschung und Lehre das Heft in die Hand nimmt, nach global verbreiteten Rationalitätsmodellen über das strategische Geschäft entscheidet und die Operationen kontrolliert. Der Professor muss sich nun sagen lassen, was zu tun ist, um zu punkten. Sein Wissen ist nur noch Rohmaterial, das es per Rückmeldung in das "moderne" Wissensmanagement einzuspeisen gilt.
Per Gesetz wird den Universitäten eine Kosten- und Leistungsrechnung verordnet. Der Betrieb wird einem von oben gesteuerten und überwachten "Prozess-Management" unterworfen, bei dem das Endprodukt - der Student und der Wissensverwerter als zufriedener Kunde - vorgibt, was von der Universitätsleitung über die Verwaltung bis zum einzelnen Lehrer/Forscher getan werden muss, um ans Ziel zu gelangen. Von dieser managerialen Umgestaltung der Wissenschaft verspricht man sich messbare Effizienzgewinne, das heißt mehr und tief greifendere wissenschaftliche Durchbrüche sowie reflektiertere und erfolgreichere Absolventen in kürzerer Zeit. Es wird auf diese Weise ein klassisches professionelles Tätigkeitsfeld einer externen Kontrolle unterworfen, das ein Höchstmaß an grundsätzlich nicht messbarer, auf Abweichung von Standards zielender und nicht voraussagbarer Kreativität verlangt und von einem kaum zu übertreffenden Maß an intrinsischer Motivation mit einem Arbeitseinsatz von gut 60 bis 80 Stunden in der Woche geprägt ist.
Um diese Transformation der akademischen Lehre und Forschung zu vollenden, muss ein wachsender Kontrollapparat mit neuen Verwaltungsstellen aufgebaut werden, der die Forschenden und Lehrenden mit laufender Berichterstattung über ihr Tun in Atem hält und für Forschung und Lehre kaum mehr Zeit lässt. Es wächst der Verwaltungsapparat, und es schrumpfen Forschung und Lehre. Die versprochenen Effizienzgewinne können deshalb nicht als tragfähige soziologische Erklärung dafür dienen, dass sich die manageriale Umgestaltung von Forschung und Lehre so unaufhaltsam ausbreitet, wie es in der Gegenwart zu beobachten ist. Vielmehr bietet sich eine neoinstitutionalistische Erklärung an.
Aufwändige Verfahren des Qualitätsmanagements sollen die "Qualität" von Forschung und Lehre sichern.
Jetzt schon sichtbar wird aber die zunehmende Aufblähung der Management- und Kontrollakte. Dazu kommt, dass alte Verwaltungstätigkeiten wie die Führung von Prüfungsakten und die Buchführung über eingenommene und ausgegebene Drittmittel und neue Aufgaben der Administration - wie die Dokumentation von Forschungs- und Lehrtätigkeit zwecks Kontrolle durch das Universitätsmanagement - den Lehrstühlen aufgebürdet werden. Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter und Sekretariate müssen einen zunehmenden Teil ihres Zeitbudgets für diese "fortschrittliche" Art der Administration verwenden. Für Forschung und Lehre bleibt immer weniger Zeit. Im Interesse der strategischen Positionierung ihrer Universitätsunternehmen müssen sie zudem einen wachsenden Aufwand der Initiierung, Beantragung, Koordination, Dokumentation, Vor-, Begleit- und Nachevaluation von Forschungsverbünden betreiben und selbst regelmäßig als Gutachter an der Evaluation anderer Forschungsverbünde teilnehmen.
Damit kann ein Professor mit Mitarbeitern Woche für Woche, Jahr für Jahr sein gesamtes Zeitbudget aufbrauchen. Umso mehr Mitarbeiter werden deshalb benötigt, damit überhaupt noch geforscht, publiziert und gelehrt werden kann. Typischerweise will das neueste Programm der Forschungsförderung, die selbst diese totale Fesselung von Forschung und Lehre verursacht hat, einzelnen glücklichen Forschern eine Auszeit gewähren, z.B. an einem der neu geschaffenen Centres for Advanced Studies der neuen "Exzellenz-Universitäten". Oder sie dürfen sich in ein neu geschaffenes geisteswissenschaftliches Forschungszentrum zurückziehen. Gleichzeitig wird zur Kompensation dieses neuen akademischen Luxus eine wachsende Schar von habilitierten Ersatzlehrkräften benötigt. Man forciert auf diese Weise die Trennung von Forschung und Lehre und entzieht der Wissenschaft eine wesentliche Ressource ihrer ständigen Erneuerung. Die Geisteswissenschaften verlieren die Bodenhaftung in der akademischen Lehre und verirren sich in Höhen, zu denen die Studierenden keinen Zugang mehr finden. Letztere wandern deshalb gleich in die praxisorientierten Studiengänge ab. Die Geisteswissenschaften machen sich für das normale Studium überflüssig.
Akkumulation von Kapital
Im strengen Sinn muss es in der unternehmerischen Universität in erster Linie um die Akkumulation von Kapital gehen. Sie investiert in Bildung und Forschung, um Renditen zu erzielen, die wiederum in Bildung und Forschung fließen können.
Neu mit einem Globalhaushalt in die Autonomie entlassene universitäre Unternehmen verstehen das ihnen zur Verfügung stehende Budget nicht mehr kameralistisch als einen Betrag, den man bis Jahresende zu verausgaben hat, um im folgenden Jahr vom Wissenschaftsministerium erneut mit einem Budget ausgestattet zu werden. Das Budget ist nun ihr Kapital bzw. ihr Kapitalstock, den es strategisch zum Zweck der Vermehrung des Kapitals zu investieren gilt. Unternehmerisch geführte Universitäten müssen deshalb in erster Linie an Tätigkeiten interessiert sein, die Geld einbringen, und zwar mehr, als vorher verausgabt wurde. Die ständige Erhöhung des verfügbaren Kapitals muss das Ziel jeder Entscheidung sein. Um das zu erreichen, wirbt man um Sponsoren, die damit geehrt werden, dass die gestifteten Einrichtungen - Professuren, Bibliotheken, Gebäude, Forschungszentren - ihren Namen tragen. Man bemüht sich um reputierte Forscher, die Drittmittel einwerben oder den Namen der Universität durch viel beachtete Publikationen in die Öffentlichkeit tragen, und man sucht Studierende, die selbst schon viel kulturelles Kapital mitbringen, um als erfolgreiche Absolventen die Universität in den höheren Rängen von Wissenschaft, Wirtschaft, Medien, Politik und Verwaltung zu repräsentieren.
Wird ein Studiengang als ein auf einem Markt zu veräußerndes Produkt begriffen, und werden Studierende nicht mehr als Teil einer akademischen Gemeinschaft betrachtet, in der sie in ihrer Rolle eine Mitverantwortung an der Gestaltung des Studiums tragen, sondern als Kunden, die es zu bedienen gilt, dann müssen Studiengänge durch Programme angereichert werden, die weit über die akademische Lehre hinausgehen, z.B. durch ein umfangreiches Angebot an Sprach-, Kommunikations- und Trainingskursen zur Selbstvermarktung und durch einen attraktiven Service der Jobvermittlung an renommierte Arbeitgeber. All das verlangt Investitionen in Begleitprogramme, die der akademischen Lehre selbst entzogen werden müssen, wenn das Unternehmen nicht in Geld schwimmt.
Die Erhöhung der Attraktivität von Studiengängen geht deshalb unter Bedingungen der Finanzknappheit - das heißt im mittleren und unteren Preissegment - mit der Senkung ihrer wissenschaftlichen Qualität einher. Der Wettbewerb um Studierende ist demnach ein Überbietungswettbewerb, der das Studieren immer teurer macht. Das ist ganz nahe liegend, wenn Universitäten in Unternehmen umgewandelt werden. Unternehmen wollen Geld verdienen, und sie erreichen das in der Regel dadurch, dass sie mit hohem Marketingaufwand die Bereitschaft von Ministerien, Sponsoren und Studierenden erzeugen, Geld in das Produkt zu investieren, weil sie sich davon selbst materielle (bessere Verdienstchancen) oder symbolische (höhere Reputation) Gewinne versprechen.
In den USA ist bereits zu beobachten, dass sich auf dem universitären Bildungsmarkt eine Stratifikation in ein Premiumsegment der teuren Elitebildung, eine kostengünstigere standardisierte Ausbildung für die Mittelschichten und eine billige Notbildung für die neue Unterschicht herausbildet. Dabei wird der Markt für das Premiumsegment von den privaten Universitätsunternehmen mit exorbitant hohen Studiengebühren und nur noch wenigen konkurrenzfähigen staatlichen Universitäten beherrscht, während sich die große Mehrheit der Staatsuniversitäten mit ihren lokalen Dependancen das Geschäft mit der regionalen Mittelklasse teilt und die Community Colleges die unterste Bildungsschicht versorgen.
Auf diesem Bildungsmarkt entscheidet das verfügbare materielle und symbolische Kapital darüber, in welchem Segment eine Universität tätig ist. Von offenem Wettbewerb kann hier nicht die Rede sein. Lediglich die Privatuniversitäten und einige wenige staatliche Universitäten einzelner Bundesstaaten liefern sich einen harten Überbietungswettbewerb durch luxuriöse Studienbedingungen und den Prestigewert ihrer Abschlüsse. Die lokalen Campus der State Universities haben lange Zeit in der Regel als einzige Anbieter den regionalen Markt in ihrer unmittelbaren Umgebung, die Community Colleges einen lokalen Markt bedient. Dabei ergibt sich eine starke Ähnlichkeit des Angebots im jeweiligen Segment. Profilbildung durch Spezialisierung findet infolge der segmentären und regionalen Aufteilung der Klientel nur sehr begrenzt statt. Von einer Differenzierung durch Wettbewerb kann deshalb nicht gesprochen werden. Die tatsächliche Differenzierung bedeutet vielmehr eine segmentäre, regionale und lokale Beschränkung des Wettbewerbs.
Seit den 1980er Jahren haben sich im mittleren Segment private Anbieter von berufsqualifizierenden Abschlüssen deutlich vermehrt, die Bildung explizit als ein Geschäft zwecks Erzielung von Renditen für beide Seiten - Anbieter wie Abnehmer - betreiben.
Profilbildung soll aber auch durch die Konzentration auf besonders starke - in der Regel besser ausgestatte - Fächer geschehen. Zu diesem Zweck soll das Universitätsmanagement schwach "aufgestellte" Fächer schließen und starke Fächer bzw. Teilgebiete in diesen Fächern ausbauen, vor allem, wenn damit eine "Alleinstellung" erreicht wird. Dabei ist "internationale Sichtbarkeit" zum Maß aller Dinge geworden. Das lässt sich nur mit Fächern erreichen, die schon weitgehend internationalisiert sind, so dass Fachkulturen und ihre Verwurzelung in nationalen Traditionen gar keine Rolle mehr spielen. Im Sog von Sonderforschungsbereichen und Exzellenzclustern erfolgt dann ein Maß der Konzentration von Forschungsgebieten auf wenige Standorte, das den Wettbewerb ganz gegen die Begleitrhetorik gerade nicht befördert, sondern beseitigt. An den dominanten Standorten wird mit sinkendem Grenznutzen immer mehr Forschungskapital angehäuft, während der Rest der Standorte an Unterinvestition leidet und im Kampf um Sichtbarkeit untergeht.
Gewiss benötigt ein Fach oder ein Fachgebiet die jeweilige kritische Masse, um in Forschung und Lehre mithalten zu können. Bei welcher Ausstattung dieser Punkt erreicht ist, jenseits dessen jede weitere Investition mit sinkendem Grenznutzen verbunden ist, ergibt sich keineswegs von selbst aus dem Profilierungswettbewerb zwischen den Universitäten. Vielmehr tendiert dieser Wettbewerb unreguliert zur Konzentration von Forschungsmitteln auf wenige Zentren, gegebenenfalls nur auf ein Zentrum, weil sich der Wettbewerb als Überbietungswettbewerb vollzieht, der nicht auf Effizienz, sondern auf Effektivität im Aufbau symbolischer Macht in einem Feld zielt. Es obsiegt nicht die effizientere, sondern die durch Größe und reichhaltigeres Kapital sichtbarere Institution. Es entwickelt sich eine Art von akademischem Kannibalismus, der vom alten Modell der Forschung und Lehre als Gabe für die wissenschaftliche und die akademische Gemeinschaft weit entfernt ist. Die reicheren Universitäten werben den ärmeren die besten Forscher ab. Wer nicht reich ist, kann in dieser Ordnung des Kannibalismus nur durch extreme Spezialisierung auf ganz wenige Fächer überleben.
Verlust der akademischen Freiheit, externe Instrumentalisierung
Wie man sieht, ist es ein ganz anderer Wettbewerb, der zwischen universitären Unternehmen ausgetragen wird, als es dem Wettbewerb der Forscher und Lehrer um Anerkennung durch die wissenschaftliche und die akademische Gemeinschaft entsprechen würde. Die Forscher und Lehrer sind nicht mehr selbständige Akteure in diesem Wettbewerb, sondern "Humankapital", das von einem starken Universitätsmanagement investiert wird, um Rendite zu erzielen. Über das, was geforscht und gelehrt wird, muss deshalb das Universitätsmanagement entscheiden. Das kann nicht mehr den Forschern und Lehrern allein überlassen bleiben, schon gar nicht der korporativen Selbstverwaltung der Universität durch die Professoren. Die Folge davon ist, dass Studiengänge nicht nach ihrer von Fachgesellschaften treuhänderisch bestimmten sachlichen Notwendigkeit, sondern nach Marktgängigkeit angeboten und deshalb von wissenschaftlichem Ballast befreit und um allerlei Begleitprogramme angereichert werden. Forschung findet in Forschungsverbünden statt, die das Potential zur Akkumulation von umfangreichen Drittmitteln haben.
Das hat zur Folge, dass trotz Profilbildungsrhetorik je nach öffentlichem Interesse vielerorts versucht wird, gleichartige Zentren aufzubauen, die für öffentliche und private Drittmittelgeber attraktiv erscheinen. Unter dem OECD-Regime der Mobilisierung von Bildung als Humankapital für zukünftiges Wirtschaftswachstum ist z.B. die Bildungsforschung zu einem solchen "Renner" geworden.
Der Höhepunkt dieser Ökonomisierung der Wissenschaft findet sich in der strategischen Verwertung von Forschungsergebnissen für Patente, deren Erlöse von den Universitäten zur Kapitalbildung genutzt werden. Das Tor zu dieser lukrativen Welt eines akademischen Kapitalismus hat in den USA 1980 der Bayh-Dole Act geöffnet. Seitdem können Universitäten Patente verwerten, die aus Forschung resultieren, zu der vom Bund Zuschüsse beigesteuert wurden. Anschließend ist die Zahl der von Universitäten angemeldeten Patente sprunghaft gestiegen.
Darin liegt der entscheidende Punkt des sich vollziehenden Wandels: Die wissenschaftliche Gemeinschaft, ihre Fachgesellschaften und die akademische Gemeinschaft werden entmachtet. An ihre Stelle tritt das universitäre Unternehmen, das wissenschaftliches Wissen und akademische Bildung allein unter dem Gesichtspunkt betrachtet, welche Kapitalerträge sich damit erwirtschaften lassen, einschließlich der Akquise von Sponsorengeldern, was durchaus auch geisteswissenschaftlichen Zentren zugute kommen kann. Die Voraussetzung dafür sind Sponsoren, die daran ein ausdrückliches Interesse haben. Davon kann am ehesten die Pflege klassischer Disziplinen wie Archäologie, Früh- und Kunstgeschichte profitieren. Die generelle Folge aber ist die Einschränkung der akademischen Freiheit im Interesse der unternehmerischen Kapitalakkumulation im Innenverhältnis der Wissenschaft und die Instrumentalisierung für externe Zwecke im Außenverhältnis. Die Universität verliert die innere Freiheit und die äußere Balance, die Talcott Parsons und Gerald M. Platt als Errungenschaft der amerikanischen Universität im 20. Jahrhundert beschrieben haben.
Die Forscher im inneren Kern sind nicht mehr Herren des Verfahrens, sondern verwertbares Humankapital. Die Professoren und Studierenden sind nicht mehr Teil einer akademischen Gemeinschaft, die autonom bestimmt, was es zu wissen gilt. Die einen werden zu Verkäufern, die anderen zu Käufern eines Bildungszertifikats, über dessen Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr der Sach-, sondern der Prestigewert entscheidet. Die akademische Bildung in der Hand der akademischen Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden weicht einem segmentär, regional und lokal differenzierten Bildungsmarkt.
Der Transfer des wissenschaftlichen Wissens in die Praxis verliert die Anbindung an die Grundlagenforschung, verselbständigt sich und gerät unter das Diktat der externen Verwertungsinteressen. Die Protagonisten dieses Wandels beschwichtigen Kritiker mit dem Hinweis, dass heute gar nicht mehr eindeutig zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung unterschieden werden könne, vielmehr beides in eins falle. Die Wissenschaftsforschung beschreibt diese Entwicklung als anscheinend zwangsläufigen Prozess hin zum mode 2 der Wissensproduktion.
Auch im Verhältnis zur Öffentlichkeit macht sich eine Instrumentalisierung der Wissenschaft für externe Zwecke bemerkbar.
Fazit
Die unternehmerische Universität entmachtet die wissenschaftliche und die akademische Gemeinschaft und die Fachgesellschaften als Treuhänder des Erkenntnisfortschritts im inneren Kern der Wissenschaft und der Wissensvermittlung in ihrem Außenverhältnis zur Gesellschaft. Die kollektive Suche nach Erkenntnis als Kollektivgut und der kollektive Prozess der Bildung und des Wissenstransfers in die Gesellschaft in der Hand der wissenschaftlichen und der akademischen Gemeinschaft sowie der einzelnen Fachgesellschaften wird von der privatisierten Nutzung des Erkenntnisfortschritts, der Bildung und des Wissenstransfers durch unternehmerische Universitäten im Wettbewerb um Marktanteile abgelöst.
Dieser grundlegende institutionelle Wandel bedroht die innere akademische Freiheit und unterwirft Bildung und Wissenstransfer äußeren Zwecken. Er bedeutet eine zunehmende Engführung der Wissensevolution und die Schrumpfung des aus dem wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt resultierenden Erneuerungspotentials der Gesellschaft. Die globale Hegemonie des Marktparadigmas in allen Funktionsbereichen der Gesellschaft im Zuge der Umwandlung von Organisationen mit ganz unterschiedlichen Aufgaben in Unternehmen ist ein Beweis dafür, wie weit die Verarmung des Wissens in den Gesellschaftswissenschaften schon fortgeschritten ist.