Einleitung
Die These von der Herausbildung sogenannter "Neuer Kriege" hat in der Friedens- und Konfliktforschung eine starke Kontroverse ausgelöst. Viele der Charakteristika, die Mary Kaldor,
In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Politikberaterinnen und Politikberater - zum Teil in Auseinandersetzung mit der These von den "Neuen Kriegen", zum Teil unabhängig davon - die Funktionsweise von Gewaltökonomien untersucht und Gegenstrategien identifiziert und evaluiert. Im Mittelpunkt standen dabei Gewaltökonomien, die sich aus dem Handel mit natürlichen Ressourcen speisen. Prominente Beispiele sind der Diamantenschmuggel, ohne den die Kriege in Angola und Sierra Leone in den 1990er Jahren kaum hätten (weiter)geführt werden können, und der Drogenschmuggel, der bewaffneten Gruppen in Kolumbien und Afghanistan hohe Einnahmen einbringt. Der vorliegende Artikel konzentriert sich ebenfalls auf Gewaltökonomien, die auf dem Handel mit natürlichen Ressourcen basieren. Nach einer einführenden Begriffsklärung (1) folgt ein Abschnitt zu den Bedingungen und Implikationen (2); im dritten Teil werden Instrumente zur Schwächung von Gewaltökonomien vorgestellt und bewertet (3).
Begriffsklärung
Der Begriff Gewaltökonomie wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet. Einem engen Verständnis folgend bezeichnet der Begriff schlicht die Art und Weise, wie Staaten und nichtstaatliche Akteure gewaltsame Konflikte finanzieren.
Befürworter der These von den "Neuen Kriegen" unterscheiden Gewaltökonomien, die sich im Kontext der Kriege nach 1990 herausgebildet haben, von Gewaltökonomien, die für frühere Kriege - vor allem die des Ost-West-Konflikts - kennzeichnend waren. Demnach haben sich die Konfliktparteien der sogenannten Stellvertreterkriege abhängig von ihrer (vorgegebenen) ideologischen Ausrichtung insbesondere über Zuwendungen von Groß- und Supermächten finanziert. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, als die Zuwendungen ausblieben oder zumindest zurückgingen, bauten vor allem nichtstaatliche bewaffnete Gruppen Gewaltökonomien auf, um sich unabhängig von der Gunst mächtiger Staaten versorgen zu können.
Ressourcenbasierte Gewaltökonomien zeichnen sich durch transnationale Netzwerkstrukturen und eine Verbindung zur sogenannten Schattenglobalisierung aus.
Bedingungen und Implikationen
Die Beobachtung, dass seit dem Ende des Ost-West-Konflikts Kriege vermehrt über den Schmuggel natürlicher Ressourcen finanziert werden, hat Forschungen zu den Bedingungen und Implikationen solcher Gewaltökonomien angestoßen. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei der Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Ressourcenreichtum eines Landes und dem Ausbruch eines gewaltsamen Konflikts zuteil. Die Befunde sind bislang nicht eindeutig. Paul Collier und Anke Hoeffler gehen davon aus, dass das Risiko, dass in einem Land ein gewaltsamer Konflikt ausbricht, nicht zwangsläufig mit dessen Ressourcenreichtum steigt. Vielmehr sei das Risiko dann am größten, wenn der Export von Primärgütern etwa ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts ausmacht.
Andere Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass Staaten, die von der Ausbeutung natürlicher Ressourcen abhängig sind und in denen Konflikte um die Art und Weise der Ausbeutung und die Einkommensverteilung bestehen, einem überdurchschnittlich hohen Kriegsrisiko ausgesetzt sind. Dies erkläre sich dadurch, dass natürliche Ressourcen bewaffnete Konflikte nicht nur finanzieren sondern auch motivieren können und Ressourcenreichtum zudem häufig zur Herausbildung klientelistischer Herrschaftsstrukturen und somit zur Degenerierung politischer Systeme führt.
Eine zweite Frage, mit der sich die Forschung auseinandersetzte, war, ob und wenn ja wie natürliche Ressourcen die Dauer gewaltsamer Konflikte beeinflussen. Demzufolge dauern bewaffnete Konflikte und Kriege, in denen sich nichtstaatliche Gewaltakteure über den Schmuggel natürlicher Ressourcen versorgen können, überdurchschnittlich lange.
In der Literatur werden vor allem zwei Mechanismen genannt, um den Einfluss natürlicher Ressourcen auf die Konfliktdauer zu erklären. Zum einen sei es für Konfliktparteien schlicht einfacher, Kriege am Laufen zu halten, wenn sie Zugriff auf Ressourcen haben. Und zum anderen verändere der Zugriff auf Ressourcen vielfach auch die Motive der Konfliktparteien. Demnach neigen bewaffnete Gruppen - wie beispielsweise die Kriege in der Demokratischen Republik Kongo in den 1990er Jahren gezeigt haben - mit der fortschreitenden Dauer eines Konflikts in stärkerem Maße dazu, Einkünfte aus dem Handel mit natürlichen Ressourcen zu privatisieren. Um überhaupt Einkünfte zu erzielen, seien bewaffnete Gruppen in der Regel auf das Fortdauern des gewaltsamen Konflikts angewiesen. Die Motivation, den Konflikt beizulegen, sinke entsprechend.
Schließlich wurde untersucht, welche Folgen Gewaltökonomien für die dauerhafte Beendigung gewaltsamer Konflikte haben. Empirische Studien haben dabei gezeigt, dass Gewaltökonomien nach Kriegsende häufig fortbestehen und die Konsolidierung fragiler Friedensprozesse erschweren. Tatsächlich scheiterten in den 1990er Jahren mehrere Versuche der Vereinten Nationen (VN) die Implementierung von Friedensverträgen abzustützen, insbesondere deshalb, weil unzufriedene Konfliktparteien weiterhin Einkünfte aus dem Handel mit natürlichen Ressourcen erzielen konnten. In Angola und Sierra Leone beispielsweise scheiterten entsprechende Versuche auch deshalb, weil die UNITA und die RUF
Instrumente zur Schwächung von Gewaltökonomien
Gerade die großen Schwierigkeiten der VN, gewaltsame Konflikte, die über den Handel mit natürlichen Ressourcen finanziert werden, dauerhaft zu beenden, haben ein Bewusstsein für den Bedarf an effektiven Instrumenten zur Schwächung der für die "Neuen Kriege" typischen Gewaltökonomien geschaffen. Doch welche Instrumente stehen Staaten, internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen (NRO) und privaten Unternehmen zur Verfügung und wie effektiv sind sie? Grob lassen sich zwei Typen unterscheiden: Auf der einen Seite kurzfristig orientierte Instrumente, die das Ende gewaltsamer Konflikte herbeiführen und Friedensprozesse in der Anfangsphase stabilisieren sollen. Auf der anderen Seite langfristig orientierte Instrumente, die Strukturen schaffen sollen, welche die Entstehung von Gewaltökonomien verhindern und die Transformation von Kriegs- in Friedensökonomien erleichtern können.
Ein häufig angewandtes Instrument des ersten Typs sind militärische Interventionen, um bewaffnete Gruppen aus Ressourcengebieten zu verdrängen. Bei solchen Interventionen sind ganz unterschiedliche Akteure zum Einsatz gekommen. In Kambodscha entsandte die Regierung reguläre Soldaten, um die Waldgebiete entlang der Grenze zu Thailand zurückzuerobern. In Angola beauftragte die Regierung ein privates Sicherheitsunternehmen, die UNITA aus den Diamantengebieten zu vertreiben. In Sierra Leone bemühten sich Peacekeeper der VN, ihre Präsenz in die Diamantengebiete auszudehnen. Und in Liberia wurde Charles Taylors Regime entscheidend geschwächt, als von Guinea und der Elfenbeinküste unterstützte Milizen lukrative Waldgebiete unter ihre Kontrolle brachten. Militärische Interventionen haben sich als durchaus effektive Strategie zur kurzfristigen Schwächung von Gewaltökonomien erwiesen.
Ein zweites Instrument ist die Kooptierung bewaffneter Gruppen: Bewaffneten Gruppen wird zugestanden, weiterhin Einkünfte aus dem Handel mit natürlichen Ressourcen zu erzielen, wenn sie die Kriegshandlungen einstellen und sich dazu verpflichten, die Einkünfte nicht für die Ausrüstung von Kampfverbänden zu verwenden. Alternativ wird einzelnen Kommandeuren erlaubt, weiterhin Ressourcen auszubeuten und zu veräußern, wenn sie den bewaffneten Widerstand aufgeben und sich mit ihren Einheiten von der Führung abspalten.
Ein Instrument, das in den vergangenen Jahren große Aufmerksamkeit erfahren hat, sind multilaterale Sanktionen, die den Handel mit natürlichen Ressourcen aus Konfliktgebieten unterbinden oder zumindest einschränken sollen. Der Sicherheitsrat der VN hat seit den späten 1990er Jahren vermehrt den Handel mit natürlichen Ressourcen untersagt, dessen Erlös von nichtstaatlichen aber auch staatlichen Akteuren für die Finanzierung gewaltsamer Auseinandersetzungen verwendet wird.
Die Wirksamkeit der Rohstoff-Sanktionen der VN ist bislang durchwachsen. Gleichwohl hat sich gezeigt, dass Sanktionen vor allem dann einen Beitrag zur Lösung von Konflikten leisten können, wenn ihre Implementierung überwacht wird.
Transnationale Zertifizierungsregime für den Handel mit natürlichen Ressourcen sind hingegen explizit auf Dauer angelegte Regelsysteme. Das fortgeschrittenste Regime dieser Art ist das 2003 in Kraft getretene Kimberley Process Certification Scheme, das den Handel mit sogenannten Konfliktdiamanten unterbinden soll und von zahlreichen Staaten, NRO und privaten Unternehmen unterstützt wird. Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich, nur Diamanten zu ex- und importieren, die mit Herkunftszertifikaten nationaler Zertifizierungssysteme ausgestattet sind, die wiederum vereinbarten Mindeststandards entsprechen. Der Kimberley Process hat zweifellos großes Potential, konnte bislang jedoch kaum Erfolge verzeichnen, da die Standards oft nicht durchgesetzt und Verstöße nur in Ausnahmefällen bestraft werden.
Ein weiteres langfristig orientiertes Instrument sind nationale Regelsysteme, die eine gerechte und nachhaltige Ressourcennutzung garantieren. Damit sind Regeln und Verfahren gemeint, welche die breite Bevölkerung angemessen an den Einkünften aus der Nutzung natürlicher Ressourcen beteiligen und Raubbau an der Natur zugunsten kurzfristiger Profite verhindern. Hintergrund ist die Überlegung, dass die Motivation, sich gewaltsam Zugriff zu Ressourcen zu verschaffen, sinken sollte, wenn es auch auf legalem Weg möglich ist, an der Ausbeutung natürlicher Ressourcen zu verdienen. Auch wenn sich mittlerweile viele Regierungen rhetorisch verpflichtet haben, solche Regelsysteme aufzubauen, hapert es durchweg an der Umsetzung. In Kambodscha etwa kam die Regierung ihren Zusagen gegenüber internationalen Gebern nicht nach, den illegalen Holzhandel zu unterbinden und die Vergabe neuer Konzessionen auszusetzen;
Um Gewaltökonomien zu schwächen, die auf dem Handel mit Drogen basieren, stellen transnationale Zertifizierungsregime und Regelsysteme, die eine nachhaltige und gerechte Ausbeutung der Ressourcen eines Landes garantieren sollen, offensichtlich keine geeigneten Instrumente dar. Vielmehr richten sich - wie zum Beispiel in Afghanistan - zahlreiche Bemühungen darauf, alternative Erwerbsmöglichkeiten für die ländliche Bevölkerung zu schaffen, die für ihren Lebensunterhalt auf den Drogenanbau angewiesen ist. Gerade der Fall Afghanistan führt jedoch auch vor Augen, dass dies äußerst schwierig ist.
Schluss
Gewaltökonomien, die auf dem Handel mit natürlichen Ressourcen beruhen, stellen eine Herausforderung für die VN und andere Akteure dar, die Kriege beenden, Friedensprozesse stabilisieren und den Ausbruch gewaltsamer Konflikte verhindern wollen. In den 1990er Jahren wurden die Herausforderungen, die sich aus dem Entstehen neuartiger Gewaltökonomien ergeben, vielfach ignoriert - zum Teil mit verhängnisvollen Folgen. Erst nach und nach bildete sich ein Bewusstsein dafür heraus, dass effektive Gegenstrategien unerlässlich sind, um der Verstetigung gewaltsamer Konflikte entgegenzuwirken und in fragilen Staaten nachhaltige Friedensstrukturen aufbauen zu können.
In den vergangenen Jahren ist unser Wissen über die Entstehungsbedingungen und die Dynamiken von Gewaltökonomien, aber auch über Präventions- und Reaktionsmöglichkeiten kontinuierlich gewachsen. Trotzdem wissen wir noch immer zu wenig darüber, unter welchen Bedingungen welche Instrumente zur Schwächung von Gewaltökonomien wirken und wie verschiedene Instrumente sinnvoll miteinander kombiniert werden können. Außerdem steckt die Forschung zum Zusammenwirken der unterschiedlichen Charakteristika der "Neuen Kriege" noch in den Kinderschuhen. Einige Forscherinnen und Forscher nehmen an, dass der Wandel der Gewaltökonomien andere Transformationsprozesse, die für den postulierten Formwandel des Krieges kennzeichnend sind, angestoßen hat.