Einleitung
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gehören in Deutschland 1,6 Millionen Bürger einer Partei an.
Obwohl eine umfassende Untersuchung dieses Phänomens in der Partizipationsforschung bisher fehlt, wird davon ausgegangen, dass parteiübergreifend vor allem die männlich geprägten Organisationsstrukturen sowie die Formen der parteipolitischen Arbeit Frauen vom Engagement abhalten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es den Parteien in sehr unterschiedlichem Maße gelingt, weibliche Mitglieder zu gewinnen. Dies wiederum zeigt, dass die Zurückhaltung von Frauen, in Parteien einzutreten, vielfältige Ursachen hat und dass die Angebote der Parteien zur Mitarbeit und Identifikation für Frauen unterschiedlich attraktiv sind.
Die Frage, warum Frauen in eine Partei eintreten und auf welche Art und Weise sie mitarbeiten, ist bislang kaum erforscht worden. Nach wie vor "wartet die Parteienforschung auf eine große empirische Untersuchung über Frauen in Parteien."
Parteibeitritt und Erfahrungen in der Partei
Die Motive, Anreize und Aktivitäten von Parteimitgliedern sind nur selten Gegenstand empirischer Studien.
Laut Beate Hoecker
Die Bereitschaft zur Übernahme eines Amtes ist bei Männern und Frauen, die bereits Mitglied einer Partei sind, nahezu gleichermaßen vorhanden. Unter den passiven Mitgliedern befinden sich sogar mehr Frauen als Männer, die sich bereit erklären, ein Amt zu übernehmen. Somit bergen gerade die nicht-aktiven weiblichen Parteimitglieder noch Potenzial. Genau wie beim Parteibeitritt überwiegt als Auslöser für Kandidaturen bei Frauen die Fremdrekrutierung gegenüber der Selbstrekrutierung. Gerade am Beginn der politischen Laufbahn geben Aufforderung und Ermunterung durch Dritte - in erster Linie lokale Verbände und Funktionsträger - häufig erst den Ausschlag für eine Kandidatur. Da vor allem in Parteien mit Quotenregelungen Frauen ermuntert werden, sich sowohl für innerparteiliche Posten als auch für kommunale Mandate aufstellen zu lassen, bewertet Brigitte Geißel die Ermutigung zur Kandidatur als "effektives Mittel zur Erhöhung der politischen Beteiligung von parlamentarisch wenig vertretenen Gruppen".
Betrachtet man weiterhin, wann Frauen überwiegend die Aussicht auf eine erfolgreiche innerparteiliche Kandidatur eingeräumt wird, bestätigt sich folgendes Muster: Die besten Chancen bestehen grundsätzlich dann, wenn die Partei oder deren Funktionäre ausdrücklich eine Frau für eine bestimmte Position in Betracht ziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn einer Kandidatin bei der Bewerbung um ein Amt bessere Chancen eingeräumt werden als einem männlichen Bewerber, wenn öffentliche Erwartungen den Einsatz einer "Alibi-Frau" erfordern oder wenn kein anderer Bewerber zur Verfügung steht, weil die Kandidatur von vornherein als wenig aussichtsreich gilt.
Insgesamt zeigt sich, dass die größte Hürde für Frauen im innerparteilichen Nominierungsprozess besteht. So gibt es zahlreiche Beispiele von Politikerinnen, denen nach Bekanntgabe ihrer eigenen Kandidatur unerwartet ein männlicher Gegenbewerber präsentiert wurde, der mitunter auch die Unterstützung der Parteikollegen erhielt. Konnten Kandidatinnen sich jedoch gegen diesen erfolgreich durchsetzen, wurden sie meist mit guten Wahlergebnissen für ihre Durchsetzungskraft belohnt und mit noch besseren Wiederwahlergebnissen in ihrer Arbeit bestätigt.
Parteistrukturen
Viele Politikerinnen sind der Meinung, dass die traditionell männlich geprägten Strukturen im Parteienbetrieb kaum veränderbar sind und sich auch durch die zunehmende Präsenz von Frauen nur schwer verändern lassen. Auffällig ist, dass Frauen bei der Frage nach Parteistrukturen in erster Linie an die Versammlungspraxis zu denken scheinen, denn immer wieder wird zuallererst auf das für Frauen bestehende Zeitproblem aufgrund ihrer Mehrfachbelastung durch Familienaufgaben hingewiesen. Empirische Studien belegen, dass gerade unsichtbare Hürden, wie die mangelhafte Einbindung in informelle Entscheidungs- und Machtstrukturen und subtile Diskriminierung, die man unter Umständen beim Abstimmungs- und Nominierungsverhalten der Männer beobachten kann, als Karrierebremsen für Frauen gelten.
Dennoch trauen sich viele Politikerinnen aus Sorge vor persönlichen Nachteilen nicht, an den bestehenden Strukturen und Ritualen Kritik zu üben. Sie halten es vielmehr für unerlässlich, sich mit den Abläufen, Spielregeln und Gepflogenheiten des politischen Tagesgeschäftes vertraut zu machen und handeln nach dem "pragmatisch ausgerichtete(n) Defizitansatz";
Ein weiteres großes Defizit besteht bei der ungenügenden Vernetzung von Frauen, sowohl untereinander als auch mit ihren männlichen Kollegen. Während viele Frauen erst nach der Familienphase politisch aktiv werden, sind Männer auch aufgrund ihres früheren Parteibeitritts und ihrer langjährigen Mitgliedschaft besser vernetzt und folglich mit den Gepflogenheiten des politischen Geschäfts besser vertraut.
Parteien im Vergleich
Der verfassungsrechtliche Auftrag der Parteien ist, die aktive Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger am politischen Leben zu fördern sowie zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befähigte Bürger heranzubilden.
Als erste Partei beschlossen die Grünen bereits bei ihrer Gründung 1979 eine Frauenquote, nach der mindestens die Hälfte aller Ämter und Mandate weiblich und Wahllisten alternierend mit Männern und Frauen zu besetzen sind. Die SPD beschloss 1988 eine Frauenquote von 40 Prozent für alle Ämter und Mandate. Die CDU plante im Dezember 1994 eine Quote mit einem Anteil von einem Drittel einzuführen, was bei der Abstimmung zunächst scheiterte. Stattdessen führte sie 1996 ein sogenanntes Frauenquorum ein, demzufolge Frauen und Männer zu mindestens einem Drittel an Parteiämtern und öffentlichen Mandaten beteiligt sein sollen.
An den Frauenanteilen in den entsprechenden Gremien der Parteien ist zu sehen: Je verbindlicher die Quotenforderungen sind, desto höher ist die Beteiligung und die konkrete Machtverschiebung zugunsten von Frauen in der jeweiligen Partei auf allen Ebenen - von innerparteilichen Ämtern bis hin zu den Parlamentsabgeordneten. Aufgrund der Notwendigkeit, immer ausreichend Kandidaturen von Frauen für quotierte Wahlen zu haben, werden in jenen Parteien vermehrt Frauen angesprochen und zu Kandidaturen ermuntert. Berücksichtigt man das Partizipationsverhalten von Frauen, die häufiger als Männer erst durch gezielte Ansprache politisch aktiv werden, kann die Verpflichtung zur Aufforderung von Frauen unter Umständen eine sinnvolle Maßnahme darstellen.
Auf der anderen Seite halten Quotengegner und -gegnerinnen diese Art der Unterstützung von Minderheiten für undemokratisch und diskriminierend. Derlei Mittel und Instrumente zur Erlangung der Gleichheit werden als ungerecht, unwirksam und den Interessen der Frauen geradezu entgegengesetzt empfunden.
Grundsatzprogramme
Ein vergleichender Blick auf die Grundsatzprogramme der Parteien verdeutlicht, dass den Frauen- und Gleichstellungsbelangen unterschiedliche Ideologien zugrunde liegen.
Grundsatzprogramm der CDU: Die CDU hat in ihrem aktuellen Grundsatzprogramm von 2007 auf ein eigenes Frauen- und Gleichstellungskapitel verzichtet. Dennoch wird das Thema Gleichstellung im Kapitel "Freie Entfaltung der Person" angesprochen, mit dem Ziel, "für Frauen und Männer, Mädchen und Jungen gleiche Chancen zu schaffen und Benachteiligungen in allen Bereichen abzubauen". Darüber hinaus spricht sich die CDU für eine "nachhaltige Mitwirkung von Frauen" auf allen Ebenen aus, ohne dabei jedoch präzise Forderungen zu nennen. Wie auch die CSU tritt die CDU für die "Aufwertung der Familienarbeit" ein und zwar noch vor der Forderung nach "Vereinbarkeit von Familie und Beruf". Nichtsdestotrotz verlangen sie die "partnerschaftliche Aufteilung von Erziehungsarbeit".
Grundsatzprogramm der CSU: Auch die CSU hat in ihrem aktuellen Grundsatzprogramm von 2007 auf ein Frauenkapitel verzichtet, in der Annahme, dass die Gleichberechtigung so weit fortgeschritten sei, dass sich ein gesonderter Blick auf Männer und Frauen als weder notwendig noch angemessen erweise.
Grundsatzprogramm der SPD: Die SPD schlägt in ihrem neuen Grundsatzprogramm von 2007 deutlich moderatere Töne an als in dem vorausgegangenen Programm von 1989. Forderte sie vor 20 Jahren noch ausdrücklich eine Gesellschaft, in "in der nicht mehr eine Hälfte der Menschen dazu erzogen wird, über die andere zu dominieren, die andere dazu, sich unterzuordnen" und bezeichnete die "herrschende Kultur (als) männlich geprägt", so beschränkte sie sich 2007 auf die Forderung nach Frauenförderung und gender mainstreaming, welches "jede politische Entscheidung auf ihre Auswirkungen auf das Leben von Frauen und Männern, Mädchen und Jungen überprüft und wo nötig verändert". Nachdrücklicher als die Unionsparteien, die in erster Linie die Wahlfreiheit zwischen Familien- und Erwerbsarbeit fordern, verlangt die SPD die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch einen "flächendeckenden und bedarfsgerechten Ausbau von Betreuungseinrichtungen für Kinder" sowie eine Umgestaltung des Steuerrechts in dem Sinne, "dass es für Frauen keine Hürde darstellt, erwerbstätig zu werden".
Grundsatzprogramm der FDP: Fortentwickelt hat sich auch die FDP, allerdings im Gegensatz zur SPD von eher allgemein gehaltenen Aussagen in den "Wiesbadener Grundsätzen", dem Grundsatzprogramm der FDP von 1997, zu ihrem "Deutschlandprogramm" von 2009. Die Ansprüche von 1997 waren sehr unpräzise und eher phrasenhaft und beschränkten sich auf allgemein gültige Forderungen. Wie die Unionsparteien widmen auch die Freien Demokraten in ihrem aktuellen Programm dem Thema Frauen und Frauenpolitik zwar kein eigenes Kapitel, kommen aber an verschiedenen Stellen wie dem Steuerrecht, den Menschenrechten, der Arbeitsmarktpolitik und bei der Familienpolitik immer wieder auf die Belange der Frauen zu sprechen. Dabei berufen sie sich wie die SPD auf das gender mainstreaming und plädieren für eine umfassendere und bedarfsgerechte Kinderbetreuung von der Krippe bis zur Ganztagsschule und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um Frauen gleiche Chancen auf den Zugang zum Arbeitsmarkt zu bieten und ihre Potenziale für Wirtschaft und Gesellschaft optimal zu nutzen.
Grundsatzprogramm der Grünen: Bei den Grünen nimmt das Kapitel "Aufbruch in eine geschlechtergerechte Gesellschaft" zehn Seiten des Grundsatzprogramms von 2002 ein. Gleich zu Beginn wird dabei auf die Frauenbewegung als "wesentliche Quelle bündnisgrüner Politik" verwiesen. Die Grünen wollen "das Verhältnis zwischen Mann und Frau grundlegend neu bestimm(en)" und fordern zu diesem Zweck staatliche Eingriffe zur Durchsetzung der Geschlechterpolitik. Sie "treten dafür ein, auch die Wirtschafts- und Finanzpolitik auf ihre Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis hin zu prüfen".
Grundsatzprogramm der Linken: Die Linke verfügt über kein Grundsatzprogramm, stellt aber auf ihrer Homepage programmatische Eckpunkte dar. Im Kapitel "Geschlechtergerechtigkeit: Anerkennung vielfältiger Formen des Zusammenlebens anstatt Privilegierung der Ehe" wird eine "feministische Lesart ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse und eine entsprechende politische Gestaltung" gefordert. Die Partei tritt für eine staatliche Lenkung der Gleichstellung in der Privatwirtschaft, der Kinderbetreuung sowie im Sozial- und Steuerrecht ein, die Forderungen sind dabei aber weniger präzise als bei FDP, SPD oder Grünen.
Ausblick: Es gibt noch viel zu tun
Der schmalen Forschungslage ist es geschuldet, dass die Kenntnisse über Frauen in den deutschen Parteien eher dürftig sind und auf veraltete Daten zurückgegriffen werden muss. Da die aktuellen Studien über die Situation von Frauen fast ausschließlich auf qualitative Untersuchungsmethoden zurückgreifen, können sie keinen Anspruch auf Repräsentativität oder Verallgemeinerbarkeit der Aussagen erheben, sondern dienen lediglich als explorative Untersuchungen, um Hypothesen formulieren zu können. Ihre Ergebnisse weisen in erster Linie auf Tendenzen hin, die in breiter angelegten Parteimitgliederbefragungen einer quantitativen Überprüfung unterzogen werden müssten.
Um die tatsächliche Lage von Frauen in der Politik und den Parteien einschätzen und verbessern zu können, bedarf es eines abgesicherten, breiten Fundaments, welches bisher noch auf sich warten lässt. Bis es soweit ist, lässt sich nur mit Gewissheit sagen, dass Frauen in allen Parteien mit einer "politik-immanenten Männerorientierung"