Einleitung
Im Schatten der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise ist die Problematik des vom Menschen verursachten Klimawandels in den vergangenen Monaten kurzfristig in den Hintergrund getreten - trotz des jüngsten Weltklimagipfels von Kopenhagen. Doch der anthropogene Klimawandel existiert und hat längst begonnen, soviel steht außer Frage. Ob das nun bedeutet, dass unsere Gesellschaft sich auf direktem Wege in eine Klimakatastrophe befindet, hängt davon ab, welche Auswirkungen des Klimawandels als "katastrophal" zu bezeichnen sind und wie der Klimawandel weiter voranschreitet.
Ob das Fragezeichen am Ende der Überschrift umgehend in ein Ausrufezeichen zu verwandeln ist, hängt von der Interpretation aktueller Forschungsergebnisse, der Definition einer Klimakatastrophe und von den künftigen Treibhausgasemissionen ab. Je länger die Weltgemeinschaft jedoch wartet, konkrete Ziele in der Klimapolitik zu bestimmen und auch umzusetzen, desto weniger mögliche Entwicklungen des Klimasystems bleiben übrig, die nicht als Katastrophe interpretiert werden müssten.
Klimawandel - die wissenschaftliche Basis
Drei messbare Tatsachen bilden die Grundlage des globalen Klimawandels.
Darüber hinaus ist seit langem bekannt, dass CO2 ein Treibhausgas ist, denn langwellige Strahlung, also Wärme, wird von den CO2-Molekülen reflektiert. Sie haben damit denselben Effekt wie das Glasdach eines Gewächshauses. Aufgrund dieser dritten Tatsache lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen dem Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre und der globalen Mitteltemperatur herstellen. Diese als Klimasensitivität bezeichnete Größe gibt die Erhöhung der Temperatur bei einer Verdopplung des vorindustriellen CO2-Gehalts der Atmosphäre an.
Dieser Zusammenhang ist keine neue wissenschaftliche Erkenntnis. Bereits im Jahre 1896 publizierte der dänische Nobelpreisträger Svante Arrhenius eine Studie, in der er den Zusammenhang zwischen globaler Temperatur und atmosphärischem Kohlendioxidgehalt darstellte. Er berechnete eine Klimasensitivität von 4 bis 6 Grad Celsius; das liegt im Bereich der heutigen konservativen Schätzung von 3±1 Grad C. Kohlendioxid ist nicht das einzige Treibhausgas anthropogenen Ursprungs, es gilt aber stellvertretend, da alle anderen üblicherweise in Kohlendioxidäquivalente umgerechnet werden. Eine Folge dieser Tatsachen ist der bereits messbare Anstieg der globalen Mitteltemperatur, der während des 20. Jahrhunderts ungefähr 0,8 Grad Celsius betrug. In Zukunft wird dieser Anstieg wesentlich deutlicher werden.
Abgesehen vom Zusammenführen dieser Fakten ist es möglich, alternative Ursachen für die globale Erwärmung auszuschließen. Keine mögliche Quelle natürlicher Klimaerwärmung, wie beispielsweise die Sonnenaktivität, die Orbitalparameter oder kosmische Strahlung, weist einen derartigen Trend auf. Darüber hinaus entspricht das Ausmaß der Erwärmung exakt der aufgrund der CO2-Konzentration erwarteten. Auch ist es nicht möglich, die Entwicklung des Klimas ohne einen dominanten anthropogenen Treibhauseffekt zu modellieren.
Konsequenzen
Die Tatsache, dass es eine globale Klimaerwärmung gibt und diese fortschreiten wird, so denn auch deren Ursache, die Erhöhung der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre, weiterhin erfolgt, ist nicht sinnvoll zu bezweifeln. Sie beruht auf grundlegenden physikalischen Zusammenhängen und Messungen. Diese anzuzweifeln, bedeutete, wesentliche Grundlagen des modernen Lebens in Frage zu stellen. Die bisher erfolgte Erhöhung der globalen Temperatur um 0,8 Grad C ist, verglichen mit der künftig zu erwartenden Temperaturerhöhung, noch gering - jedoch stark, gemessen an vergangenen Klimaveränderungen.
Einige direkte Folgen lassen sich heute schon beobachten. Die Erwärmung der Erde führt nicht nur zu einem Anstieg der Temperatur in der erdnahen Atmosphäre, sondern auch zur Erwärmung der Ozeane um ungefähr den gleichen Wert. Da wärmeres Wasser eine geringere Dichte hat, also mehr Platz benötigt, resultiert daraus ein Anstieg des Meeresspiegels. Eine weitere unmittelbare Folge der Erwärmung ist das Abschmelzen großer Eismassen. Nahezu alle Gletscher der Erde sind in den vergangenen Jahrzehnten erheblich kleiner geworden. Zusammen mit der thermischen Ausdehnung des Wassers führt dies zu einem Meeresspiegelanstieg um 15 bis 20 Zentimeter. Auch die Eisbedeckung des arktischen Ozeans ist von diesem Abschmelzen betroffen. Während vor 1980 die im Sommer durchschnittlich von Eis bedeckte Fläche ungefähr sieben Millionen Quadratkilometer betrug, lag sie im Sommer 2007 bei weniger als vier Millionen. Der diesjährige Tiefpunkt war am 12. September erreicht und betrug 5,1 Millionen Quadratkilometer.
Der negative Trend der Meereisbedeckung zeigt sich zunehmend deutlich seit Beginn der Satellitenmessungen 1979. Die Erwärmung der Arktis ist damit bis zu vier Mal stärker als die globale Erwärmung. Aufgrund des sogenannten Eis-Albedo-Rückkopplungseffekts reagieren Eismassen besonders sensibel auf Temperaturerhöhungen. Durch das Schmelzen des Eises wird dunkler Untergrund freigelegt, der im Gegensatz zu weißen Eisflächen die Sonnenstrahlung nicht reflektiert, sondern absorbiert. Daher verstärkt sich die Erwärmung der Region durch die Veränderung des Reflektionsvermögens, der Albedo, des Untergrunds. Das Ökosystem der Arktis ist durch diese erhebliche Veränderung des Lebensraums schon jetzt stark gefährdet.
Künftige Risiken
Neben diesen direkten, eindeutig auf die globale Erwärmung zurückzuführenden Folgen gibt es viele weitere Veränderungen des Klimas, die wahrscheinlich ebenfalls Folgen der Temperaturerhöhung sind. Ein Beispiel hierfür ist die Zunahme in Häufigkeit und Intensität tropischer Stürme und Hurrikane. Diese ziehen ihre Energie aus warmem Ozeanwasser. Eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Entstehung eines Hurrikans ist die Ozeanoberflächentemperatur. Diese muss mindestens 26,5 Grad C betragen. Aufgrund der globalen Erwärmung ist diese Voraussetzung häufiger gegeben.
Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es in Zukunft mehr und stärkere Wirbelstürme geben wird. Da Hurrikane verheerende Folgen haben können, spricht man von einem hohen Risiko einer Zunahme dieser Stürme als Teil des globalen Klimawandels. Das Risiko eines bestimmten Ereignisses bestimmt sich aus den Folgen beziehungsweise Schäden des Ereignisses und der Wahrscheinlichkeit, dass es eintrifft. Die das Risiko bestimmende Wahrscheinlichkeit hängt entscheidend davon ab, wie stark sich die globale Temperatur erhöhen wird, und wie viel Kohlendioxidemissionen in die Atmosphäre gelangen. Im schlimmsten Fall, wenn sich der globale Energieverbrauch in derselben Richtung und Geschwindigkeit wie bisher entwickelt, wird ein Großteil der heute bekannten fossilen Brennstoffvorkommen verbrannt. Damit würde sich der atmosphärische CO2-Gehalt von heute 387 ppmv bis zum Jahr 2200 bei einer Klimasensitivität von 3 Grad C auf nahezu 1900 ppmv erhöhen.
Das erklärte Ziel der Bundesregierung und der Europäischen Union, die globale Erwärmung auf 2 Grad C zu beschränken, bedeutet eine Reduktion der Emissionen um mindestens 50 Prozent bis zum Jahr 2050. Im Anbetracht der Tatsache, dass diese Emissionen global zu senken sind, ist dies ein politisch sehr ehrgeiziges Ziel. Denn entweder müssen die Reduktionen global einheitlich erfolgen, unabhängig davon, ob der Emittent ein Entwicklungs-, ein Schwellen- oder ein Industrieland ist: Da der Lebensstandard in den Industrieländern sehr hoch ist und diese den Klimawandel in den vergangenen Jahrzehnten überhaupt erst verursacht haben, wäre dies eine Forderung, die als extrem ungerecht von allen sich derzeit stark entwickelnden Ländern, allen voran China und Indien, empfunden wird und daher von diesen Ländern nicht mitgetragen würde. Oder aber eine Reduktion soll "gerechter" erfolgen: Dann müssten die derzeitigen Hauptverursacher, die traditionellen Industriestaaten, ihre Emissionen überproportional verringern, während Indien seine Emissionen lediglich stabilisieren müsste. Der Verteilungsschlüssel der weltweiten Emissionen könnte sich danach richten, dass jedem Menschen das Recht auf gleiche Emissionen zugestanden wird. Dies bedeutet, dass in vielen afrikanischen Ländern die Emissionen für eine Übergangszeit sogar steigen dürften, Europa und die USA aber 90 Prozent ihrer Emissionen bis zum Jahr 2050 einsparen müssten. Diese mathematische Tatsache macht die Durchsetzung dieses Ziels zu einer enormen politischen Herausforderung.
Nichtsdestotrotz würde auch die Erreichung dieses ehrgeizigen Zieles eine Erwärmung der Erde um 2 Grad C bedeuten. Die Temperaturerhöhung von 0,8 Grad C, die bisher eingetreten ist, wird sich daher in jedem politisch denkbaren Fall mehr als verdoppeln. Das Klima wird sich also in jedem Fall verändern. Der Klimawandel ist folglich keine eventuelle zukünftige Herausforderung, sondern eine Tatsache, mit deren Folgen die Menschheit umgehen muss.
Kippschalter
Das Klimasystem der Erde ist ein komplexes, nichtlineares System. Auch kleine Störungen, beispielsweise durch Treibhausgase ausgelöst, können große Auswirkungen haben. Während des Holozäns, der Warmzeit, in der wir uns seit etwa 10.000 Jahren befinden, war das Klima außergewöhnlich stabil. Ob dies in Zukunft so bleiben wird, ist ungewiss. Denn innerhalb des Klimasystems gibt es Regime und Prozesse, die besonders sensibel auf Klimaveränderungen reagieren. Diese sogenannten Kippelemente könnten durch den Klimawandel derart gestört werden, dass sie in einen grundlegend anderen Zustand "kippen".
Deshalb gehören sowohl das arktische Meereis als auch das grönländische und das westantarktische Eisschild zu den bisher eindeutig identifizierten Kippschaltern. Das Abschmelzen des arktischen Meereises ist außerdem ein Beispiel für ein Kippelement, dessen Umkippen bereits eindeutig begonnen hat. Unter anderem aufgrund des Eis-Albedo-Mechanismus ist die Erderwärmung im Bereich der Arktis deutlich höher als die durchschnittlichen 0,8 Grad C und erhöht sich mit fortschreitendem Rückgang des Eises. Dies hat zur Folge, dass auch die Temperaturerhöhung in Europa größer ist als im globalen Durchschnitt. In Folge einer weiteren Zunahme von Kohlendioxidemissionen beschleunigt sich dieser Prozess bis hin zu einer eisfreien Arktis im Sommer. Das System wäre gekippt, wenn auch die Meereisbedeckung im arktischen Winter so gering ist, dass der folgende Sommer wiederum eisfrei ist. Neben den offensichtlichen Konsequenzen für das arktische Ökosystem könnte eine eisfreie Arktis zu starken Veränderungen der großskaligen nordatlantischen Zirkulation, des Zusammenspiels der arktischen Hochdruckzone mit den atlantischen Tiefdruckgebieten, führen. Diese Zirkulation ist bestimmend für das europäische und nordamerikanische Wetter, und sie verändert sich bereits eindeutig.
Ein weiteres Element, das mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit bereits bei einer Erderwärmung von bis zu 2 Grad C kippt, ist das grönländische Eisschild. Ein komplettes Abschmelzen des grönländischen Eises würde einen globalen Meeresspiegelanstieg von ungefähr sieben Metern bedeuten. Die Dauer eines solchen Abschmelzens ist derzeit allerdings hochgradig unsicher. Schätzungen reichen von wenigen Jahrzehnten bis zu einem Jahrtausend. Länder wie Bangladesch oder die Niederlande lägen dann zu großen Teilen unterhalb des Meeresspiegels. Die Wahrscheinlichkeit für das Kippen anderer wichtiger Komponenten des Klimasystems, wie eine Veränderung der thermohalinen Ozeanzirkulation,
Auch wenn viele der identifizierten Kippschalter, ihr Kipppotential und die Folgen eines tatsächlichen Kippens betreffend, sehr unsicher sind, zeigt ihr Vorhandensein und die Tatsache, dass einige bereits im Wandel begriffen sind, dass wir das Klimasystem massiv verändert haben und weiterhin verändern. Ob es sich bei diesen Änderungen tatsächlich um eine irreversible Verschiebung des Klimasystems aus seinem stabilen Zustand heraus handelt, ist derzeit nicht festzustellen. Einige Wissenschaftler, etwa Nobelpreisträger Paul Crutzen, sprechen jedoch davon, dass bereits ein neues Erdzeitalter, das Anthropozen, begonnen habe.
Die Folgen einer irreversiblen Verschiebung des Systems Erde wird unabsehbare Folgen für das Leben auf der Erde haben. Ist das System aus dem Gleichgewicht gebracht, wird es einen neuen Gleichgewichtszustand anstreben. Ob dieser dann immer noch ein annehmbares Leben auf der Erde ermöglicht und wie der Weg zu einem neuen Gleichgewicht aussieht, vermag derzeit niemand vorherzusagen. Eine gute Definition dessen, was unter dem Begriff Klimakatastrophe sinnvoll verstanden werden kann, erscheint daher die nachhaltige Verschiebung des gesamten Klimasystems aus seinem derzeitigen stabilen Zustand heraus. Eine solche Verschiebung bedeutet in jedem Fall, dass die Folgen menschlichen Handelns nicht mehr abzuschätzen wären. Schäden für Mensch und Natur sind dann nicht mehr abzuwenden. Unabhängig vom Systembegriff ist demnach auch eine globale Erwärmung von mehreren Grad als Katastrophe zu bezeichnen, denn auch dabei übersteigen die auftretenden Schäden die Möglichkeiten der Anpassung.
Planetare Grenzen
Haben wir mit dem "Antippen" einiger Kippschalter Grenzen überschritten, die nicht hätten überschritten werden dürfen? Eine Gruppe bedeutender Klimaforscher hat diese Frage am 24. September 2009 folgendermaßen beantwortet: Wir haben bereits Grenzen überschritten, innerhalb derer ein sicherer Handlungsspielraum für die Menschheit besteht.
Die Autoren haben neun Grenzbereiche identifiziert, deren Überschreitung ein großes Risiko für die Stabilität des Erdsystems darstellt: Klimawandel; Verlust des biologischen Artenreichtums; Versauerung der Ozeane; Wechselwirkungen mit den Stickstoff- und Phosphorkreisläufen; Veränderungen der Landnutzung; globaler Frischwasserverbrauch; stratosphärischer Ozonverlust; chemische Verschmutzung; atmosphärischer Aerosolgehalt. Für alle diese Prozesse werden Grenzwerte festgelegt, deren Überschreitung den Schritt aus einem sicheren Handlungsspielraum heraus darstellt. Die Überschreitung der Schwellenwerte verändert das Erdsystem und damit die Umwelt in inakzeptabler und nicht beherrschbarer Art und Weise. Die Festlegung der Grenzwerte erfolgt anhand normativer Überlegungen, welches Risiko die Menschheit tragen kann, und anhand der bekannten Risiken und Unsicherheiten einer hohen atmosphärischen Kohlendioxidkonzentration. Alle identifizierten Prozesse hängen direkt oder indirekt von der intensiven Nutzung fossiler Brennstoffe sowie der Landnutzung ab. Orientierungs- und Referenzwerte stellen daher immer die vorindustriellen Werte der jeweils betrachteten Größen dar.
Die Grenze der globalen Erwärmung wird auf eine Kohlendioxidkonzentration von 350 ppmv festgelegt. Diese ist mit dem heutigen Wert von 387 ppmv bereits überschritten. Sehr viel dramatischer ist bisher die Überschreitung des Grenzwertes der jährlich aussterbenden Arten. Während im vorindustriellen Zeitraum jährlich weniger als eine von einer Million Arten ausstarb, sind es heute mehr als hundert. Damit ist der Grenzwert von zehn Arten pro Jahr um ein Zehnfaches überschritten. Die Hauptursachen für dieses massive Artensterben sind die landwirtschaftliche Nutzung oder Urbanisierung ehemals ungenutzten Landes, die Ausbreitung von Wald- und Steppenbränden sowie die Verschleppung von Arten in neue Umgebungen. Mit dem Fortschreiten und der Beschleunigung des Klimawandels werden auch diese Prozesse weiter zunehmen. Der angegebene Grenzwert für das Aussterben von Arten ist mit hohen Unsicherheiten belegt und kann sich aufgrund neuer Forschungsergebnisse durchaus ändern. Sicher ist jedoch, dass für den Bestand und die Stabilität des globalen Ökosystems unter sich verändernden Klimabedingungen eine hohe Anzahl verschiedener biologischer Arten notwendig ist.
Für die anderen identifizierten planetaren Grenzen sind die kritischen Werte noch nicht überschritten. In jedem Fall sind die heutigen Werte jedoch weit entfernt von den vorindustriellen und nahe an den Grenzwerten. Ändert sich das Emissionsverhalten der Menschheit nicht, werden diese mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später erreicht.
Auf dem Weg in die Klimakatastrophe
Bedeutet die Identifizierung systemrelevanter Kippschalter und die Analyse der planetaren Grenzen, dass aus Sicht der Wissenschaft - im Gegensatz zur Politik und insbesondere zur Wirtschaft - die Klimakatastrophe bereits begonnen hat? Ja und nein. Sollte sich an der derzeitigen Emissions- und Landnutzungsentwicklung nichts ändern, wird sich das Klima in der Tat katastrophal verändern. Noch haben wir es in der Hand, diese Entwicklung zu verändern.
Sowohl das Ziel, die Erwärmung auf 2 Grad C zu begrenzen, als auch die planetaren Grenzen sind aufgrund wissenschaftlicher Überlegungen zustande gekommen, die Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten abwägen. Die festgelegten kritischen Werte der systemrelevanten Prozesse sind so gewählt, dass ein sicherer Handlungsspielraum und damit Lebensraum für die Menschheit gewahrt wird, wenn diese Werte nicht überschritten werden. Das bedeutet, die Abschätzungen der Werte erfolgen konservativ; die Bereitschaft, Risiken einzugehen, wird als sehr gering interpretiert.
Im Gegensatz dazu birgt das Ziel von 2 Grad C eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich zumindest Teile des Klimasystems katastrophal verändern können. Das Abschmelzen wichtiger Eismassen, insbesondere auch großer Gebirgsgletscher, deren Einfluss auf die Trinkwasserversorgung weiter Teile der Menschheit nicht zu unterschätzen ist, sei als Beispiel genannt. Eine globale Erwärmung von maximal 2 Grad C ist die Grenze, die sowohl die Wahrscheinlichkeit für großskalige dramatische Klimaveränderungen gering hält und gleichzeitig das weltweite Wirtschaftswachstum nicht erheblich begrenzt. Das Risiko der Zunahme extremer Wetterereignisse und starker Veränderungen sensibler Subsysteme ist jedoch auch bei einer vergleichsweise moderaten Erwärmung hoch.
Auch die ökonomischen Kosten eines katastrophalen Klimawandels sind extrem hoch. Wie Sir Nicolas Stern, ehemaliger Chefökonom der Weltbank, in seinem Report zur Ökonomie des Klimawandels berechnet hat, würden effektive Maßnahmen zur Verhinderung eines ungebremsten Klimawandels ein bis drei Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts kosten, und zwar verteilt auf die nächsten hundert Jahre. Dagegen beliefen sich die Kosten für den Klimawandel, der ohne Gegenmaßnahmen eintreten wird, auf das Fünf- bis Zwanzigfache.
Je mehr Zeit verstreicht, desto eher muss die Frage am Anfang dieses Abschnitts mit ja beantwortet werden. Dies liegt einerseits daran, dass viele Modellrechnungen die Langzeitwirkungen der Kohlendioxidemissionen unterschätzt haben und die Berechnung der Klimasensitivität ohne Einbeziehung starker positiver Rückkopplungsmechanismen, wie sie beispielsweise beim Schmelzen des arktischen Meereises auftreten, erfolgte. Es ist daher anzunehmen, dass die Temperaturerhöhung bei einer Verdopplung der CO2-Konzentration eher bei 4 Grad C liegt. Andererseits werden die notwendigen Reduktionen der Treibhausgasemissionen größer, je länger diese ansteigen. Außerdem müssen sie in kürzerer Zeit erfolgen um noch die berechneten Effekte zu haben.
Wir befinden uns auf dem Weg in eine Klimakatastrophe. Ob wir dort auch ankommen werden, hängt entscheidend von der politischen Bereitschaft und Fähigkeit ab, notwendige Maßnahmen zu beschließen und umzusetzen. Darüber hinaus brauchen wir auch Glück, dass katastrophale Ereignisse mit geringen Wahrscheinlichkeiten nicht eintreffen. Ohne konsequente Maßnahmen hin zu einer Welt, die weitgehend ohne Treibhausgasemissionen auskommt, nützt jedoch auch Glück nichts mehr.