Einleitung
Seit Mitte der 1990er Jahre lassen sich in Deutschland Entwicklungen beobachten, die demokratietheoretisch alarmierend sind und zunehmend als Krise der Demokratie diskutiert werden. Im Einzelnen handelt es sich um Prozesse der gesellschaftlichen Differenzierung, der zunehmenden Individualisierung sowie der Erosion des sozialen Zusammenhalts. Damit verbunden sind ein Wandel der Lebensbedingungen und der -einstellungen sowie ein Vertrauensverlust in das Funktionieren unserer Demokratie. Die aktuelle, globale Finanzkrise tut ihr Übriges.
Die strukturellen Ursachen dieser veränderten Einstellungen sind nicht einfach zu entschlüsseln: Viele Menschen haben Zukunftsängste, fürchten sich vor sozialem Abstieg und machen das demokratische System dafür verantwortlich. Das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Politik schwindet, und die Massenmedien schüren das Misstrauen mit Nachrichten, die sich in erster Linie gut verkaufen lassen. Das ist keine gute Entwicklung, denn das demokratische System ist "die einzige Herrschaftsform (...), die in ständiger erneuter Kraftanstrengung gelernt werden muss".
Die Politikwissenschaft sollte die zurückhaltenden bis feindlichen Haltungen gegenüber demokratischen Institutionen und Ritualen sehr ernst nehmen. Bislang ist eher das Gegenteil zu beobachten: Die Politikwissenschaft - so die These dieses Beitrags - stellt sich der Herausforderung der Demokratieentwicklung zu zögerlich. Damit verspielt sie eine ihrer wichtigsten Aufgaben, nämlich der Zukunftsverantwortung gerecht zu werden und die Revitalisierung der Demokratie zu forcieren. Es waren gerade diese Herausforderungen, die in den 1950er Jahren von den Gründungsvätern als zentrale Aufgaben der Politikwissenschaft in Deutschland angesehen wurden. Die Lieferung von Orientierungswissen hinsichtlich Gerechtigkeit, Gleichheit, Öffentlichkeit sowie sozialer und rechtsstaatlicher Fragen prägten noch in den 1970er und 1980er Jahren die öffentliche Debatte.
Es ist lohnenswert, sich die Geschichte der Politikwissenschaft genauer anzusehen. Zuvor allerdings möchte ich nach den Ursachen für die aktuelle Krise fragen: Woran bemisst sich eine "Krise der Demokratie"? In der Wissenschaft wird mit "Krise" eine schwierige Situation, eine Zuspitzung von Problemen umschrieben. Häufig ist eine Krise auch mit dem Hinweis auf die Einbuße von Kontrolle verbunden. Hinsichtlich einer "Krise der Demokratie" haben wir es mit mehreren Faktoren zu tun, die in interne und externe Krisenphänomene unterteilt werden können. Im Folgenden möchte ich mich weitgehend auf die internen Befunde konzentrieren, auch wenn in den meisten Fällen komplexe Wechselwirkungen bestehen und interne mit externen Faktoren verwoben sind.
Ein erster interner Befund lautet: "Immer mehr Menschen verlieren das Vertrauen in die Demokratie". Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vom Frühjahr 2008 glaubt jeder dritte Bundesbürger, dass die Demokratie keine Probleme mehr lösen kann - in Ostdeutschland sind sogar 53 Prozent der Bürger dieser Ansicht.
Die Diskussionen um eine Krise der Demokratie implizieren neben einem wachsenden Bewusstsein für die politischen und sozialen Folgen neoliberaler Modernisierungspolitiken auch ein steigendes Interesse an einer aktiveren Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungsprozesse. Die Beteiligung an der gesellschaftlichen Gestaltung wird von Demokratietheoretikern als zentrales Element für die Demokratieentwicklung herausgestellt. Demzufolge werde ich erstens einige demokratietheoretische Überlegungen präsentieren, zweitens Probleme der neuen Governance-Systeme und deren demokratische Defizite in den Blick nehmen und drittens die Rolle der Politikwissenschaft kritisch diskutieren.
Demokratietheoretische Überlegungen
Demokratietheorien gibt es mannigfach: Normative, empirische, vergleichende, dynamische, demokratiefreundliche und -feindliche. Bei vielen Demokratietheoretikerinnen und -theoretikern ist das Verständnis von Demokratie weit gespannt, wodurch dem Begriff oftmals eine gewisse Beliebigkeit zukommt. Um dieser entgegenzuwirken, plädiert Heidrun Abromeit für eine "Rückbesinnung" auf den "Zweck von Demokratie". Diesen sieht sie in der Ermöglichung der Selbstbestimmung von Individuen. Demzufolge formuliert sie ihre enge (sparsame) Demokratiedefinition folgendermaßen: "Demokratie ist die Verlängerung der individuellen Selbstbestimmung in den Bereich kollektiver Entscheidungen hinein; sie konkretisiert sich in der Beteiligung der Individuen an den Entscheidungen, von denen sie betroffen, denen sie unterworfen sind."
Diese Demokratiedefinition knüpft an älteren Ideen der partizipatorischen Demokratie an.
Der Demokratie wird in den partizipativen Demokratietheorien erzieherische Funktion zugesprochen. Demzufolge gewinnen die Möglichkeiten der Maximierung von Beteiligungschancen hohen Stellenwert. Eine zentrale These dieser Demokratietheorien lautet, dass Individuen und Institutionen in einer Gesellschaft nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Die Existenz repräsentativer Elemente bzw. Institutionen wird als nicht ausreichend für ein demokratisches System eingeschätzt. Für die politische und soziale Stabilität von Gesellschaften im Sinne einer starken Demokratie ist kontinuierliche und breite Partizipation notwendig, die wiederum an die kontinuierliche, individuelle Praxis demokratischer und psychologischer Qualitäten gebunden ist. Denn partizipative Qualitäten und Kompetenzen sind keinesfalls einfach zu vermitteln; dazu gehören persönliche Entwicklungsprozesse, die gewährleistet sein müssen. Die öffentliche Diskussion und Kommunikation werden zu bedeutenden Elementen, um Gemeinwohl zu generieren. Partizipation wird vor allem auf den Entscheidungsprozess bezogen, und es wird die Herstellung einer gleichberechtigten Einflussnahme auf die Politikergebnisse gefordert. Mit anderen Worten: Möglichst viele Bürgerinnen und Bürger sollen an der Aussprache, der Willensbildung und der Entscheidung über öffentliche Angelegenheiten beteiligt werden. Voraussetzung für eine funktionsfähige partizipative Demokratie sind daher anspruchsvolle Prozeduren für die Regeln der Kommunikation und der Zusammenschlüsse. Denn die demokratischen Ansprüche müssen auch innerhalb der Gremien und Organisationen gewährleistet sein. Der Vorgang der Meinungsbekundung, die Beteiligung, der Diskurs, die Willensbildung und die Entscheidung benötigen faire und präzise einzuhaltende Verfahren.
In der Realität stehen Beteiligungsmöglichkeiten allerdings nur eingeschränkt zur Verfügung, vor allem dann, wenn die Beteiligung keinen bestimmten Zweck erfüllt (etwa, wenn keine Expertise oder Unterstützung benötigt wird). Auf der nationalen, der europäischen und auch der internationalen Ebene (etwa bei Klimaverhandlungen) gibt es mittlerweile eine völlig intransparente, selektive Beteiligung von zivilgesellschaftlichen und privaten Akteuren. Die Einbeziehung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) erfolgt vor dem Hintergrund ihrer konsultativen Funktion. Ihre Haupttätigkeit auf internationaler Ebene ist Lobbyarbeit. Auf die Gestaltung der Willensbildungsprozesse können sie aber nicht einwirken. Die Gruppen werden einbezogen, wenn ihre Expertise gebraucht wurde, und aus Gründen der Konfliktvermeidung oder der Kompromisssuche auch schnell wieder ausgeschlossen.
Darüber hinaus lässt sich seit einigen Jahren ein Trend der Verlagerung von politischen Entscheidungen in Expertengremien beobachten. Dabei werden kollektiv verbindliche Entscheidungen zunehmend zwischen Verwaltungsapparaten und gesellschaftlich potenten Gruppen ausgehandelt und von den Parlamenten in der Regel nur nachträglich bestätigt. An die Stelle von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden und großen gemeinnützigen Interessengruppen etwa treten zunehmend einzelne Unternehmen als politische Akteure. Damit werden wesentliche Bereiche der demokratischen Steuerung entzogen: "Heute sind eher die Staaten in Märkte als die Volkswirtschaften in staatliche Grenzen eingebettet."
Demokratische Probleme neuer Governance-Systeme
Sehr grob aufgegliedert lassen sich in den neuen Verhandlungssystemen, den sogenannten Governance-Systemen, fünf demokratische Probleme benennen: Erstens kann in den meisten Governance-Systemen Unklarheit über das gemeinsame, gesellschaftlich getragene Ziel beobachtet werden: In den Klimaverhandlungen etwa weisen die Entwicklungsländer auf die Verantwortung der Industrieländer hin, während letztere auf die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns drängen. Ein gemeinsames Ziel lässt sich oft nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner formulieren (wie im Kyoto-Protokoll mit den sehr geringen Reduktionsvorgaben von 5,2 %). Zweitens ist die Beteiligung zivilgesellschaftlicher und privater Akteure äußerst intransparent: Je nach Wissenslage und Unterstützungsanforderungen werden die Akteure äußerst selektiv einbezogen. Die Beteiligung erfolgt vor allem dann, wenn Regierungen auf die Einbindung organisierter Interessen angewiesen sind, um handlungsfähig zu bleiben.
Drittens gibt es keine Regeln für die Beteiligung: Die Grundlage für die Teilnahme an Verhandlungssystemen entspricht spezifischen Ressourcen der Teilnehmer, Finanzmitteln, Expertenwissen oder aber öffentlichen Mobilisierungspotenzialen; diese können in einer Gesellschaft sehr ungleich verteilt sein. Während sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf jene zivilgesellschaftlichen Organisationen konzentriert, die vernachlässigte Interessen und globale Probleme anwaltschaftlich artikulieren, ist gerade das europäische und das UN-System mit Organisationen bevölkert, die stark durch die Interessen von Staaten, internationalen Organisationen, Verbänden und transnationalen Unternehmen geprägt sind. Der Finanzbedarf von NGOs, um an den Governance-Systemen teilzunehmen, erhöht Kooptationsgefahren und fördert die Instrumentalisierung durch Regierungen.
Mit der ungleichen Ressourcenausstattung geht die generell unterschiedliche Organisationsfähigkeit von Interessen einher. Es deutet einiges darauf hin, dass in Governance-Arrangements die besser organisierten und besser finanziell ausgestatteten Akteure beziehungsweise solche, die einen besseren Zugang zum politischen System haben, eher beteiligt werden als andere Interessengruppen. Zwar wird in offiziellen Papieren die Einbeziehung von so genannten Stakeholdern bzw. Betroffenen gefordert, allerdings existiert kein institutioneller Rahmen, der die Entscheidung über die Einbeziehung oder die Exklusion von Gruppen regelt.
Viertens lassen sich unklare Machtverhältnisse beobachten - nicht nur zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, sondern auf internationaler Ebene auch massiv zwischen Staaten bzw. Staatengruppen. In der Klimapolitik zeigte sich sehr schnell, dass die USA den Ton angeben und andere Staaten zuerst auf die amerikanische Haltung hören. Auch wenn offiziell das Einstimmigkeitsprinzip herrscht, fanden während der Verhandlungsrunden wichtige strategische Absprachen in kleineren - ad hoc zusammengesetzten - Runden statt, auf welche nichtbeteiligte Staaten kaum Einfluss hatten.
Das fünfte demokratische Problem liegt in fehlenden Kontrollmöglichkeiten. Sehr viele Bürgerinnen und Bürger haben das Gefühl, dass sie Ergebnisse der (internationalen) Politik nicht mehr kontrollieren oder gar beeinflussen können. In der Folge gerät die Legitimationsbasis der Governance-Systeme und damit auch der Entscheidungsergebnisse unter Druck. In diesem Zusammenhang bedarf es von politikwissenschaftlicher Seite an zusätzlichem Orientierungswissen. Damit könnten frühzeitig Ideen und Konzepte vorgeschlagen werden, mit deren Hilfe die Erneuerung demokratischer Strukturen und damit die Demokratisierung vorangetrieben wird.
Rolle der Politikwissenschaft
In der politikwissenschaftlichen Literatur und in der breiten Diskussion über Governance-Systeme finden sich trotz der vielfältigen Herausforderungen für demokratische Fragestellungen nur wenige Studien, die sich schwerpunktmäßig mit diesem Thema beschäftigen. Meist finden sich allgemeine Formulierungen, die etwa auf die demokratische Gestaltung in Form einer Beteiligung von nichtstaatlichen Akteuren hinweisen. In welcher Form diese Beteiligung stattfindet und welche Akteure beteiligt werden, wird nicht diskutiert. Dies hat mit der Zielsetzung der politikwissenschaftlichen Governance-Analysen zu tun, die eher an der Problemlösung und nicht am politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess interessiert sind.
Die Bedeutung der Demokratieentwicklung wird indes vor allem dann offensichtlich, wenn der Auftrag und die Rolle der Politikwissenschaft in ihrer historischen Entwicklung in den Blick genommen werden. Die Etablierung der politischen Wissenschaft verstanden die Gründungsväter (Gründungsmütter gab es damals leider nicht) nach dem Zweiten Weltkrieg als politische Aufgabe, die an historischen Ereignissen anknüpfen und als umfassender Auftrag zur demokratischen Bildung der Bevölkerung angesehen werden sollte. Politikwissenschaft und pluralistische Demokratie standen in einem wechselseitigen Verhältnis: Die meisten Professoren der ersten Generation traten deutlich und öffentlich für eine partizipative und pluralistische Politik ein. Ernst Fraenkel formulierte: "Eine funktionierende Demokratie erfordert, dass der Prozess der Gestaltung politischer Entscheidungen öffentlich kontrolliert wird. Kontrolle der Regierung durch öffentliche Meinung setzt eine systematische Analyse der einzelnen Phasen des Prozesses der politischen Entscheidung voraus."
Was die Forschungsgebiete dieser ersten Generation der Politikwissenschaftler anbelangte, so standen die Auseinandersetzung mit der deutschen Zeitgeschichte, also die Analyse des Scheiterns der ersten Demokratie, die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten sowie Herrschaft und Geschichte des "Dritten Reichs" an erster Stelle.
Prägend für die zweite Phase der Politikwissenschaft war eine Denkschrift von M. Rainer Lepsius, in der er auf die Notwendigkeit einer umfassenden Etablierung, Institutionalisierung und Internationalisierung der Politikwissenschaft hinwies.
Gleichzeitig bildeten sich drei Theorieströmungen bzw. Metatheorien, und mit ihnen auch unterschiedliche Schulen oder auch Lager. Wolf-Dieter Narr entwickelte für diese metatheoretischen Strömungen folgende Trias: erstens eine normativ-ontologische Theorie, die sich der ideengeschichtlich begründeten Herausarbeitung von klassischen Ordnungsvorstellungen und der Überprüfung der aktuellen Politik an übergeordneten Werten wie dem Gemeinwohl verpflichtet fühlte; zweitens eine empirisch-analytische Theorie, welche die Wissenschaft als Herausarbeitung von allgemeingültigen Sätzen durch die empirische Überprüfung der Wirklichkeit verstand; drittens eine dialektisch-kritische Theorie, die sich an Hegels Dialektik von These, Antithese und Synthese orientierte und die Kritik des Kapitalismus in der politischen Ökonomie aufgehen lassen wollte.
Die zweite Phase der Expansion ging einher mit einer Krise der Politikwissenschaft. Diese wurde ausgelöst durch den Wunsch vieler reformgesinnter Politikwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen (die Zahl der Professorinnen erhöhte sich langsam), ihr Fach nicht nur als Demokratie-, sondern als Demokratisierungswissenschaft im Sinne einer Ausweitung der Freiheit und Selbstbestimmung in allen Bereichen der Gesellschaft zu sehen. Die bisherige Wissenschaft wurde als unkritische Herrschaftswissenschaft gesehen, und dementsprechend wurden Forderungen nach einer kritischen Emanzipationswissenschaft formuliert. Diese sollte die Ordnung des Wirtschaftssystems überwinden und zur Entwicklung eines kritischen Bewusstseins in der Öffentlichkeit beitragen.
Die dritte Phase der Politikwissenschaft war dadurch gekennzeichnet, dass der Versuch unternommen wurde, der Krise und auch der Vielfältigkeit der Ansätze entgegenzuwirken. Dazu wurden systematische Definitionen der Theorien der Politikwissenschaft und der von ihr angewandten Methoden aufgestellt. In Anlehnung an die angelsächsischen social sciences wurde der Begriff der Sozialwissenschaft von den Universitäten übernommen. Arbeitsbereiche wie Wahlanalyse, Parteien- und Verbändeforschung sowie Untersuchungen von Eliten nahmen eine Scharnierfunktion zwischen der Politikwissenschaft und der Soziologie ein.
Eine weitere Besonderheit dieser Phase war die Entdeckung der Politikfelder und die damit einhergehende Orientierung auf den Problemlösungsprozess. Ein policy-Modell bzw. Politikzyklus sollte den Ablauf von Problemlösungsprozessen in idealtypisch zu verlaufende Phasen erklärbar machen: Darin stand am Anfang die Agendagestaltung und die Auswahl einer bestimmten Politik, deren Umsetzung in der Implementationsphase erfolgte und schließlich mit der Evaluation wieder in ein neues Modell überführt wurde. Seine Bekanntheit erhielt die policy-Forschung bzw. Politikfeldanalyse also durch die empirischen und praxisbezogenen Arbeiten in den Politikfeldern.
Fazit
Wie ist die Analyse der demokratischen Probleme moderner Governance-Systeme in diesem historischen politikwissenschaftlichen Rückblick zu verorten? Zweifelsohne kann die Governance-Forschung der dritten Phase zugeordnet werden. Häufig geht es in den Analysen um die Untersuchung einzelner Politikfelder. Dabei konzentrieren sich die meisten Governance-Untersuchungen ebenso wie die Politikfeldanalysen auf die Problemlösung. Eine Vergleichsstudie des Verhältnisses der Politikfeldanalyse und der Governance-Forschung steht noch aus.
Offensichtlich ist aber, dass demokratische Probleme und die Demokratieentwicklung nicht mehr im Zentrum der neueren politikwissenschaftlichen Studien stehen. Heidrun Abromeit mahnte in ihrer Abschiedsvorlesung an, dass die Politikwissenschaft mehr und mehr zu "einem selbstreferentiellen System geworden ist (...). Immer dieselben Autoren zitieren sich gegenseitig und erzählen einander immer dieselben Sachen."
Dabei könnte das Nachdenken der Politikwissenschaft über Möglichkeiten der Revitalisierung der Demokratie dem politischen Diskurs neue Impulse geben und dem schwindenden Vertrauen in die Demokratie, gerade angesichts der aktuellen und globalen Finanzkrise, entgegenwirken. Denn demokratische Institutionen werden schnell unwirksam, wenn Menschen sie nicht mit Leben füllen und demokratisch handeln. Anregungen über Möglichkeiten und Grenzen demokratischer Strukturen sind deshalb gefragter denn je. Die getrennt laufenden wissenschaftliche Diskurse über gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen und damit zusammenhängende Fragen der Demokratie auf der einen Seite und die problemlösungsorientierten politikwissenschaftlichen Analysen auf der anderen Seite sollten schleunigst wieder zusammengeführt und mit dem normativen Leitbild einer solidarischen, sozialen und partizipativen Demokratie versehen werden. Mit anderen Worten: Auch Governance-Analysen sollten nicht nur die Problemlösung in den Blick nehmen, sondern verstärkt die Gestaltungsbeteiligung auf den unterschiedlichen Ebenen vorantreiben.