"Gedenken an den Holocaust" hat viele Facetten. Wie und an welchem Ort angemessen gedacht wird, setzt die Auseinandersetzung mit der Frage voraus, was "Gedenken an den Holocaust" meint. Sprechen wir von Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an spezifische historische Ereignisse, Opfergruppen oder im Nationalsozialismus ermordete Individuen? Von den jährlichen Gedenkveranstaltungen im Deutschen Bundestag am 27. Januar? Von kleinen Gedenkhandlungen, die den Zielgruppen von Gedenkstätten nach einer Bildungsveranstaltung ermöglichen sollen, das Erfahrene und Erlernte zu verarbeiten? Oder begreifen wir Gedenken weiter, als umfassenderen Begriff, der die Voraussetzungen, Aushandlungsprozesse und Formen des Gedenkens einbezieht?
Grundsätzlich kann Gedenken, ebenso wie Erinnern, nicht ohne das Wissen um die Ereignisse im Kontext der Geschichte stattfinden. Welches Wissen zum Nationalsozialismus und Holocaust wie vermittelt und verhandelt wird, ist Teil eines gesamtgesellschaftlichen, sich stetig wandelnden Prozesses, an dem staatliche Institutionen, schulische und außerschulische Einrichtungen, die NS-Gedenkstätten, die Politik und auch die Medien beteiligt sind. Sehen wir Gedenken in Zusammenhang mit dem Wunsch der Überlebenden, die direkt nach der Befreiung der Konzentrationslager einen Bezug herstellten zwischen Gedenken, Mahnen und Lehrenziehen für ein "Nie wieder", dann geht es darüber hinaus auch um die Frage von Verhaltens- und Einstellungskontinuitäten in der Gesellschaft. Die Aushandlungsprozesse spiegeln sich ebenso wie die Schlussfolgerungen im Hinblick auf die formulierten Lehren in den unterschiedlichen Gedenktagen, -reden und -veranstaltungen.
Im Folgenden gehe ich ausgehend von diesen Überlegungen kursorisch historischen und aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Gedenken an den Holocaust in Politik und Gesellschaft nach und frage immer wieder nach der Rolle der historisch-politischen Bildung, insbesondere in und von Gedenkstätten.
Gedenken an Gedenktagen
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges waren es vor allem Überlebende, die sich an den Jahrestagen der Befreiung "ihrer" ehemaligen Haftstätten versammelten, um an ermordete Mithäftlinge und Familienangehörige zu erinnern. Orte, von denen Deportationszüge deutsche Städte verlassen hatten, wie die Grunewaldrampe in Berlin, dienten lange Zeit nur einer kleinen Minderheit, um den Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden zu gedenken.
Vor allem kirchliche Gruppen in der DDR erinnerten seit Ende der 1970er Jahren im Rahmen von Gedenkveranstaltungen an die von den Nazis zynisch als "Reichskristallnacht" bezeichneten Pogrome des 9. November.
Seit den 1980er Jahren gab es im Zusammenhang mit dem Wandel im Umgang mit der Vergangenheit in weiten Teilen der westdeutschen Gesellschaft ein verstärktes Bewusstsein für die Notwendigkeit des Gedenkens. Dieses spiegelte sich beispielsweise in der Vielzahl historischer Ereignisse, die in (Gedenk-)Veranstaltungen aufgegriffen wurden. Die Machtübergabe an Hitler diente dazu ebenso wie die Überfälle auf die Sowjetunion und Polen oder die Novemberpogrome, die bedeutend für das Gedenken blieben, weil an diesem Tag viele lokale Initiativen an die gewaltsame Verschleppung ihrer jüdischen Bürger*innen und der damit verbundenen Zerstörung jüdischen Lebens in ihren Gemeinden erinnerten.
Dass der Jahrestag des Mauerfalls dann ebenfalls auf den 9. November fiel, führte seit den 1990er Jahren allerdings dazu, dass in manchen Jahren die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen wieder nur von einer kleinen Minderheit begangen wurden, während eine Mehrheit das Ende der DDR feierte. Andere Daten, wie etwa der Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion, verschwanden zunehmend aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein. 1996 wurde der 27. Januar, der Tag, an dem die Rote Armee 1945 das Konzentrations- und Todeslager Auschwitz befreite, als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus gesetzlich verankert.
Wenn wir die Reden von Politiker*innen zum diesjährigen, 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz vergleichen mit jenen zum 70. Jahrestag, ist ein nachdenklicherer Ton unverkennbar. Vor fünf Jahren dominierte noch ein "Vom Dunkel zum Licht"-Narrativ, das die Aufklärung über personelle Kontinuitäten vom nationalsozialistischen Regime in die Bundesrepublik quasi als Teil der Erfolgsgeschichte des Umgangs mit der Vergangenheit vereinnahmte. Niemand bezweifelte ernsthaft, dass es 1945 – insbesondere in Westdeutschland – keine "Stunde Null" gegeben hatte, weder in der Gesellschaft, noch im Öffentlichen Dienst, auch nicht in den Bundesministerien, wie Historikerkommissionen hinlänglich bewiesen haben. Dass dennoch eine stabile Demokratie einschließlich einer vielfältigen Erinnerungslandschaft etabliert werden konnte, galt vor diesem Hintergrund als noch größerer Erfolg.
Auch wenn diese Entwicklung in der Tat einen Erfolg darstellt, dürfen die Defizite nicht aus dem Blick geraten. Es wurde kaum je thematisiert, was es für Überlebende der Todeslager und ehemals Verfolgte bedeutet haben musste, in der frühen Bundesrepublik zu (über)leben, einem Land von Tätern*innen und ihres von Schuldabwehr dominierten Diskurses. So scheiterte etwa Joseph Wulf, Überlebender des Todeslagers Auschwitz, mit seinem Anliegen, in der Villa am Wannsee, wo am 20. Januar 1942 hochrangige Vertreter des NS-Regimes über die Organisation des Mordes an elf Millionen Jüdinnen und Juden Europas berieten, ein Dokumentationszentrum zu errichten. Bevor er sich 1974 das Leben nahm, schrieb er seinem Sohn: "Ich habe hier 18 Bücher über das Dritte Reich veröffentlicht, und das alles hatte keine Wirkung. Du kannst dich bei den Deutschen tot dokumentieren, es kann in Bonn die demokratischste Regierung sein – und die Massenmörder gehen frei herum, haben ihr Häuschen und züchten Blumen."
Ideologische Kontinuitätslinien sowie Mythen und Legenden, die über die Jahrzehnte in der Gesellschaft tradiert worden waren, waren nur unzureichend beleuchtet worden und damit eine Basis geschaffen für antisemitische und rassistische Übergriffe seit den 1950er Jahren – mit Wirkungen bis heute. Dass antisemitisches, rassistisches, homophobes und anderes gruppenbezogenes menschenfeindliches Gedankengut zu keiner Zeit verschwunden war, wurde spätestens mit den (Wahl-)Erfolgen rechtspopulistischer Gruppierungen und Parteien seit 2016/17 offensichtlich. Diese Erkenntnis manifestierte sich auch in den Gedenkreden der Vertreter*innen demokratischer politischer Parteien anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz. In besonnener Form wurde nicht nur die Bedrohung der Demokratie und der Erinnerungskultur durch rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppen formuliert, sondern auch selbstkritisch hinterfragt, inwieweit man ausgeblendet hat, dass diese erstarken.
Erinnern oder nicht erinnern
Das in offiziellen Reden formulierte Bekenntnis, die Erinnerung wachzuhalten und aktiv gegen demokratiefeindliche und rechtsextreme Strömungen und Haltungen eintreten zu wollen, zeigt die Politik auch in materieller Hinsicht durch ihre kontinuierliche, vielerorts institutionelle, finanzielle Förderung und durch die Auflage neuer Förderprogramme – wie beispielsweise dem wichtigen Programm "Jugend erinnert". Auch in der Gesellschaft wird (noch) mehrheitlich anerkannt, dass ein Umgang mit der Vergangenheit notwendig ist.
Gleichzeitig stellen rechtspopulistische Politiker*innen und Gruppierungen die Erinnerungskultur zum Nationalsozialismus massiv infrage. In allen Gedenkstätten sind die Nachwirkungen dessen zu beobachten, was in Landtagen und im Bundestag in "Diskussionsbeiträgen" an Relativierungen, Hinterfragungen und (Schlussstrich-)Forderungen formuliert wird. Was als Äußerung im Bundestag erlaubt ist, kann im Rahmen einer Führung nicht falsch sein – so scheint es zumindest für viele zu wirken –, und so ist die Hemmschwelle, an historischen Orten, im Angesicht der Quellen, relativierende und apologetische Kommentare zu äußern, erheblich gesunken.
Die Haltungen in der Gesellschaft zum Umgang mit den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen sind zahlreich und unterschiedlich – es gibt sie nicht, die von den Medien oft gewünschte eine Einstellung. Einerseits verzeichnen die Gedenkstätten steigende Besucherzahlen interessierter Erwachsener, die als Einzelbesucher*innen die historischen Orte aufsuchen. Viele staatliche Institutionen und Berufsgruppen nehmen in ihren Ausbildungsplänen explizit eine im Rahmen von Seminaren in unterschiedlichen Gedenkstätten geführte Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle im Nationalsozialismus auf.
Andererseits sagen diese Befunde wenig aus über die Frage, was an Erkenntnissen zur Geschichte und deren Folgen gewonnen wurde. In der repräsentativen MEMO-Studie II von 2019 äußerten 42,7 Prozent der Befragten, dass sich "zukünftige Generationen in Deutschland ihrer Meinung nach am ehesten [an den Nationalsozialismus] erinnern sollten".
Wissen und wenig wissen (wollen)
Das Rekurrieren auf vermeintliche oder tatsächliche Helden in der Familie könnte ein Wissen um die Dimension der Verbrechen verdeutlichen – wer wünscht sich nicht Vorbilder oder Angehörige zu haben, die anders gehandelt haben? Jedoch zeigt sich bei diesen und ähnlichen Aussagen, dass das Wissen gering darum ist, dass der überwiegende Teil der deutschen nicht jüdischen Bevölkerung an der Ausgrenzung, Vertreibung und Ermordung von als "Anderen" markierten Menschen teilgenommen, davon profitiert und diese vorangetrieben haben. Und dass das bloße Verankern von Gedenktagen natürlich nicht ausreicht, um die notwendige Reflexion anzuregen.
Selbst Jugendliche und junge Erwachsene, die sich freiwillig für Projekte zur Auseinandersetzung mit der Geschichte melden, sprechen sehr oft von Hitler als Alleinverantwortlichem.
Ähnliches gilt im Hinblick auf eine Sensibilisierung für antisemitische Bilder in unserer Gesellschaft. Das Gedenken an die systematische Verfolgung von Jüdinnen und Juden wichtig zu finden und sich praktisch an Gedenkaktivitäten zu beteiligen, bedeutet nicht, frei von antisemitischen Bildern zu sein. So erfahren wir im Rahmen von langjährigen Projekten mit Jugendlichen oder Erwachsenen im Zeitverlauf immer wieder – wenn Vertrauensverhältnisse für Meinungsäußerungen geschaffen sind –, welche Fragmente beispielsweise von Judenfeindschaft aus dem Motiv der Erinnerungsabwehr heraus sich im Gedankengut von Teilnehmenden verbergen.
Das Defizit an Wissen trotz, neben oder wegen einer etablierten Gedenk- und Erinnerungskultur zeigte sich in auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in gravierender Weise. Dass Menschen die Situation des "Shutdowns" mit dem Krieg verglichen, kann fast vernachlässigt werden und ist eher ein Indiz dafür, wie schwierig, wenn nicht gar unmöglich es ist, sich in einen vergangenen Kontext hineinzuversetzen. Und dass die fragwürdigen Versuche von Lehrkräften, ihren Schüler*innen nahe zu bringen, wie die Häftlinge sich im Stammlager Auschwitz gefühlt haben müssten, indem sie ihre Fahrt in die heutige Gedenkstätte im Winter und nicht im Sommer organisieren, nicht tragen können. Dass Teilnehmer*innen von sogenannten Hygienedemonstrationen sich einen Davidstern anhefteten und damit eine vermeintliche Diskriminierung ihrer Haltung mit den Diskriminierungen der verfolgten und ermordeten Jüdinnen und Juden gleichsetzten, muss hingegen für deren Nachfahren unerträglich gewesen sein. Besonders dramatisch, weil sie zum Teil direkte physische Konsequenzen für Betroffene hatten, waren schnell im Umlauf befindliche Verschwörungstheorien, von denen einige – mal wieder – "die Juden" verantwortlich machten. Antisemitische und rassistische Anfeindungen und Angriffe gegen vermeintliche Träger*innen und Verbreiter*innen des Virus zeigen, dass unsere Gesellschaft nach wie vor schnell "Andere" markiert oder als Sündenböcke abstempelt.
Digitales Gedenken in Gedenkstätten
NS-Gedenkstätten sind diejenigen Orte, die das Kontextwissen für die Erinnerung maßgeblich vermitteln sollen.
So wurden in den KZ-Gedenkstätten, die ihre Befreiungsfeierlichkeiten absagen mussten, zahlreiche digitale Alternativen gefunden. Manche Gedenkstätte streamte in Kooperation mit lokalen Medien eine Gedenkveranstaltung, andere stellten kleine Grußbotschaften an die Überlebenden und ihre Angehörigen her, die zum großen Jahrestag angereist wären, weitere entwickelten Podcasts oder verbreiteten Statements der Überlebenden als Videobotschaften. Man merkte den Produkten an, dass lange darüber nachgedacht worden war, welches Ziel sie erfüllen und welches Publikum erreicht werden sollte. Anstelle aufwendiger Gedenkveranstaltungen und vieler Reden von Politiker*innen standen die Überlebenden und Nachfahren im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Nicht nur aus Anlass der Befreiungsfeierlichkeiten waren vermehrt Angebote der Gedenkstätten im Netz zu finden. In der gesamten Schließzeit und darüber hinaus entwickelten Mitarbeiter*innen virtuelle Führungen oder Seminare oder stellten in mehreren Folgen zentrale Objekte oder Aspekte der Gedenkstätte vor. Dort, wo die Frage der Digitalisierung schon länger diskutiert und Produkte erprobt wurden, reagierte man schneller und verknüpfte neue Formen mit bereits bewährten Formaten. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme beispielsweise ist seit Langem sehr aktiv in Social-Media-Kanälen und initiierte zum 75. Jahrestag der Befreiung die Kampagne #75Befreiung. Als Mitarbeiter*innen in Zeiten des "Shutdowns" begannen, kleine Videos zu einzelnen Orten in der Gedenkstätte zu drehen, konnten sie die Kampagne zur besseren Verbreitung nutzen.
Die Digitalisierung scheint auch eine Lösung zu bieten, um das Ende der unmittelbaren Zeitzeugenschaft zu kompensieren. Als Antwort auf die Frage, was sein wird, wenn die Überlebenden nicht mehr ihre Geschichte erzählen können, entwickelte etwa die USC Shoah Foundation die sogenannten interaktiven Zeitzeug*innen. Dazu beantworteten die interviewten Zeitzeug*innen 1000 Fragen, sodass die Antworten unterschiedlichen Fragen zugeordnet werden können. Im Februar 2020 wurde als Kooperation der Shoah Foundation und der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft im Deutschen Technikmuseum zur Erprobung eine Installation der Holocaust-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch eingerichtet.
Diese und andere Herausforderungen rund um die Digitalisierung sind nicht neu, stellen sich aber in diesem Moment dringlicher. Mit Blick auf die Erfahrungen in der Corona-Krise lässt sich bilanzieren, dass digitale Medien angesichts ihrer Verbreitung und Zugänglichkeit für immer mehr Menschen ein sinnvoller, niedrigschwelliger Einstieg in die Beschäftigung mit der Geschichte des Nationalsozialismus sind. Wollen wir aber nachhaltiges Wissen als Grundlage für Gedenken weitergeben, wird die langfristige Beschäftigung und analoge zwischenmenschliche Interaktion notwendig bleiben. Die Diskussion um historische Quellen, um die Deutung von Ereignissen und das gemeinsame Suchen nach immer neuen Formen einer angemessenen Erinnerung, sind wichtige Bestandteile dieser Interaktion, ebenso wie die gemeinsame Reflexion dessen, was es bedeutet, mit einem oder einer virtuellen Zeitzeug*in gesprochen zu haben und die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Zeitzeugenschaft selbst. Betten wir also die in kurzer Zeit erlangten Kompetenzen mit digitalen Medien sinnvoll ein in die jahrzehntelang entwickelten Fähigkeiten zu unseren Kernaufgaben, werden die NS-Gedenkstätten weiterhin diejenigen Einrichtungen sein, die eine wichtige Voraussetzung für das Gedenken an den Holocaust schaffen können.
Ihre Mitarbeiter*innen werden gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Institutionen kontinuierlich die Fragen diskutieren müssen, welchen Sinn offizielle Gedenktage und -veranstaltungen haben sollen, und wen man damit erreichen möchte. Zeigen die Erfahrungen der diesjährigen virtuellen Gedenkangebote, dass jüngere Zielgruppen eher diese Formen präferieren? Oder waren die zahlreichen Klicks eher Ausdruck einer gewachsenen Gruppe, die in Ermangelung realer Gedenkveranstaltungen auf digitale Medien zurückgriffen?
Schluss
Es ist wichtig, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass Erinnern und Gedenken unterschiedliche Formen und Räume haben kann und diese wohldurchdacht sein sollten. Werden beispielsweise in Ausstellungen und der Bildungsarbeit von Gedenkstätten Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und andere Ego-Dokumente von Verfolgten eingesetzt, werden sie gleichzeitig erinnert. Das ersetzt jedoch nicht Rituale, die explizit das Gedenken an die Ermordeten in den Vordergrund stellen. An einem historischen Ort wie der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, an dem wegen des dort stattgefundenen Ereignisses die Perspektive der Täter dominiert, ist eine solche Gedenkzeremonie unpassend. Wenn aber Teilnehmende einer Bildungsveranstaltung am Ende ihres Seminars gemeinsam zum Gleis 17 in Grunewald fahren und dort zusammen einer von ihnen selbst vorbereiteten Gedenkveranstaltung beiwohnen, ist dies für die Gruppe ein wichtiger Abschluss beziehungsweise oft die passende Ergänzung zur vorangegangenen Auseinandersetzung. Wer wie wo warum wem gedenkt, ist nicht nur anlässlich von Gedenktagen eine relevante Frage.