Einleitung
Die Beseitigung unterschiedlicher Mehrheitsverhältnisse in Bundesrat und Bundestag war Ende 2005 eines der Hauptargumente für die Bildung der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD. Abgesehen davon, dass das Ergebnis der Bundestagswahlen vom 18. September 2005 ohnehin keine überzeugende andere Alternative als ein schwarz-rotes Regierungsbündnis übrig ließ, begründeten die beiden Parteien ihre Koalition hauptsächlich damit, dass dadurch das parteipolitisch motivierte Blockadepotenzial des Bundesrats überwunden werden könne. SPD-Fraktionschef Peter Struck brachte es nach der ersten Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel im November 2005 auf den Punkt: "Die große Koalition ist auch deshalb gut, weil die Reformblockade im Bundesrat aufgelöst wird und Bund und Länder Deutschland endlich gemeinsam reformieren können."
Ganz anders die Situation bei der ersten Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD (1966 - 1969). Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat spielten 1966 für die Begründung des ersten schwarz-roten Bündnisses auf Bundesebene keine Rolle.
Die Ausgangslage 1966 und 2005
Die Ursachen für die Gründung der ersten Großen Koalition von 1966 waren vielfältig.
Die Vorgängerregierung der zweiten Großen Koalition, das rot-grüne Bündnis unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (1998 - 2005), hat hingegen fast ständig einer "gegnerischen" Bundesratsmehrheit gegenüber gestanden. Nur fünf Monate lang, nämlich bis zum Februar 1999, hatten die SPD-geführten "Regierungsländer" im Bundesrat mit 35 von 69 Stimmen eine Mehrheit im Bundesrat gehabt. Bei den darauf folgenden Landtagswahlen verlor Rot-Grün jedoch nach und nach die Mehrheit. Seit der Niederlage der letzten rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen im Juni 2005 gab es im Bundesrat kein einziges Bundesland mehr, dessen Regierung parteipolitisch identisch mit der Bundesregierung war. Die von der CDU/CSU geführten "Oppositionsländer" verfügten dagegen mit 43 der 69 Stimmen beinahe über eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat.
Unter den Bedingungen dieser Form des devided government konnte der Bundesrat nicht nur zur Durchsetzung von Länderinteressen gegenüber dem Bund, sondern auch in einer parteipolitischen Dimension als "institutioneller Vetospieler"
Die Kombination dieser beiden Entwicklungen - SPD-Niederlagen in den Ländern und begrenzte Handlungsfähigkeit der rot-grünen Koalition durch das Vetopotenzial des Bundesrats - führte am Ende wohl auch dazu, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2005 die Vertrauensfrage stellte, mit dem Ziel der Auflösung des Bundestags und anschließender Neuwahlen. Bezeichnenderweise gab er seinen Entschluss bekannt, nachdem in NRW das letzte rot-grüne Bündnis in einem Bundesland abgewählt worden und damit die letzte rot-grüne Bastion im Bundesrat gefallen war. Nach außen hin begründete Schröder seinen Entschluss mit der "destruktive(n) Blockadehaltung" der "Bundesratsmehrheit".
Parteipolitische Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat
Auf den ersten Blick scheinen die parteipolitischen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat in Zeiten Großer Koalitionen ziemlich eindeutig zu sein. Geht man von der üblichen Unterscheidung zwischen "Regierungsländern" (R-) "Oppositionsländern" (O-) und "Mischländern"
Erste Große Koalition (1966 - 1969)
Bei der Bildung der ersten Großen Koalition konnte die Parteienlandschaft der Bundesrepublik noch klar als Dreiparteiensystem - bestehend aus CDU/CSU, SPD und FDP - charakterisiert werden. Zwar gelang nach 1966 der rechtsextremen NPD der Einzug in einige Länderparlamente,
Aufgrund dieser parteipolitischen Konstellation gab es in den Ländern lediglich zwei Regierungsformate: Alleinregierungen einer Partei (z.B. die SPD in Hamburg oder die CSU in Bayern) und Koalitionen zweier Parteien. Bei den Zweier-Bündnissen kamen lediglich drei Koalitionsmuster in Betracht: schwarz-gelbe, rot-gelbe oder schwarz-rote. Alle drei wurden zur Zeit der ersten Großen Koalition praktiziert. Unter diesen Bedingungen verfügte die erste Große Koalition von ihrem Beginn im Dezember 1966 an bis zu ihrem Ende im Dezember 1969 über eine knappe Mehrheit im Bundesrat.
Zweite Große Koalition seit 2005
Heute hat sich die Parteienlandschaft Deutschlands im Vergleich zum Zeitraum 1966 bis 1969 deutlich verändert. Aus dem früheren Dreiparteiensystem hat sich im Bund sowie in vielen Ländern durch das Hinzutreten von Grünen und Linkspartei ein Fünfparteiensystem entwickelt.
In der Tat wurden in den Bundesländern seit der Wiedervereinigung drei Regierungsformate (Alleinregierungen, Zweier-Bündnisse und Dreier-Bündnisse) sowie insgesamt sieben Koalitionsvarianten
Wie sahen vor diesem Hintergrund die parteipolitischen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat seit dem Beginn der zweiten Großen Koalition aus? Zum Zeitpunkt des Amtsantritts der Regierung Merkel waren in Bayern (CSU, 6 Stimmen), Hamburg (CDU, 3), Hessen (CDU, 5), im Saarland (CDU, 3) und in Thüringen (CDU, 4) Unions-Alleinregierungen an der Macht. Hinzu kamen CDU-FDP-Koalitionsregierungen in Baden-Württemberg (6), Niedersachsen (6), Nordrhein-Westfalen (6) und Sachsen-Anhalt (4) sowie CDU-geführte Große Koalitionen in Sachsen (4) und Schleswig-Holstein (4). Die SPD stellte den Ministerpräsidenten in den SPD-geführten Großen Koalitionen in Brandenburg (4) und Bremen (3), in der SPD-FDP-Koalition in Rheinland-Pfalz (4) und in den SPD-Linkspartei-Koalitionen in Berlin (4) und Mecklenburg-Vorpommern (3).
Nach den Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 26. März 2006 kam es zu einigen Verschiebungen im Bundesrat, so dass die "R-Länder" über 44 von 69 Sitzen verfügen. Als nach den Landtagswahlen vom 17. September 2006 in Mecklenburg-Vorpommern eine Große Koalition gebildet wurde, besaßen die Regierungsparteien aus Union und SPD mit insgesamt 47 Stimmen sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat. Diese Zwei-Drittel-Mehrheit bestand bis zum Regierungswechsel im Bundesland Bremen, in dem nach den Wahlen vom 13. Mai 2007 eine rot-grüne Koalition die Große Koalition ablöste. Danach umfasste die Gruppe der "R-Länder" bis zum Februar 2008 wieder 44 Stimmen.
Derzeit (März 2008) werden fünf der 16 Bundesländer von Regierungen geführt, deren parteipolitische Zusammensetzung identisch mit derjenigen der Bundesregierung ist. Dazu kommen die Alleinregierungen von CDU und SPD. Damit verfügen die "R-Länder" momentan über 36 der 69 Stimmen.
Bis Anfang 2008 hatten die von der CDU allein regierten Länder Hamburg (3 Stimmen) und Hessen (5 Stimmen) die Gruppe der R-Länder im Bundesrat noch verstärkt: Union und SPD konnten sich bis dahin im Bundesrat auf 44 der 69 Stimmen stützen. Die Landtags- bzw. Bürgerschaftswahlen führten im Februar 2008 in Hessen und Hamburg jedoch zu einem Ende der CDU-Alleinregierungen. Das Ergebnis der Regierungsbildung ist in beiden Ländern momentan offen. Sollten in Hessen und Hamburg andere Regierungsbündnisse als eine Große Koalition zustande kommen, würde dies die Gruppe der "M-Länder" zusätzlich mit acht Stimmen stärken. Auch dann hätte die Berliner Große Koalition aber noch eine Mehrheit von 36 zu 33 Stimmen. Zu den "M-Ländern" mit derzeit insgesamt 25 Stimmen zählen Baden-Württemberg (CDU/FDP, 6), Niedersachsen (CDU/FDP, 6), Nordrhein-Westfalen (CDU/FDP, 6), Berlin (SPD/Linke, 4) und Bremen (SPD/Grüne, 3). "O-Länder", also Bundesländer, deren Regierungen vollständig von Parteien gebildet werden, die im Bund zur Opposition zählen, kennt die parteipolitische Architektur des Bundesrats wie schon während der Kanzlerschaft Kurt Georg Kiesingers nicht.
Zustimmungsversagungen und Einsprüche des Bundesrats
Dass der Bundesrat in Zeiten divergierender Mehrheiten seine potenzielle Vetomacht häufiger nutzt als in Perioden, in denen die Bundestagsmehrheit im Bundesrat eine kooperationswillige parteipolitische Mehrheit ihrer Couleur auf ihrer Seite hat, lässt sich statistisch leicht nachweisen.
Wie aber sieht die Bilanz in Zeiten Großer Koalitionen aus? Wie oft und mit welchem Erfolg wurden die Vetomöglichkeiten des Bundesrats in diesen Phasen wahrgenommen? Ein Blick auf die Statistik offenbart hierbei deutliche Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Großen Koalition. Zwischen 1966 und 1969 war die Zahl der Zustimmungsversagungen des Bundesrats - insgesamt bei zehn Gesetzen, was einem Anteil von 2,2 Prozent der vom Bundestag verabschiedeten Gesetze entsprach - sogar höher als in den beiden vorherigen Legislaturperioden.
Fast ebenso groß sind die Unterschiede, was die Anrufungen des Vermittlungsausschusses anbelangt. Zwischen 1966 und 1969 wurde der Vermittlungsausschuss insgesamt 39 Mal angerufen, davon allein 34 Mal durch den Bundesrat. Seitdem die zweite Große Koalition im Amt ist, wurde der Vermittlungsausschuss hingegen erst dreimal
Sehr unterschiedlich fielen bisher auch die Erfolgsquoten der Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat aus. Zur Zeit der ersten Koalition wurden neun der 39 vom Vermittlungsausschuss behandelten Gesetze endgültig nicht verkündet. Anders ausgedrückt: Fast ein Viertel (23 Prozent) aller vom Vermittlungsausschuss behandelten Gesetze sind zwischen 1966 und 1969 gescheitert.
Konfliktgegenstände und Konfliktlösungsmechanismen
Dass die Mehrheitsbildung im Bundesrat nicht nur von parteipolitischen Motiven
Warum aber gab es zur Zeit der ersten Großen Koalition mehr Zustimmungsversagungen und Vermittlungsverfahren als bislang während der zweiten Großen Koalition? Die These dieser Analyse ist, dass einige Reformvorhaben der Regierung Kiesinger, aus der Bund-Länder-Perspektive betrachtet, konfliktträchtiger waren. Zudem existieren derzeit relativ gut funktionierende Konfliktverhinderungsmechanismen.
Die Konfliktgegenstände
Beide Großen Koalitionen traten mit dem Anspruch an, Strukturreformen durchzuführen. Aber einige Gesetzesvorhaben der ersten Großen Koalition berührten den Bundesrat in seiner Eigenschaft als Vertretung der Länder in besonderer Weise. Denn bei den beiden wichtigsten Reformprojekten der Regierung Kiesinger, der Finanzverfassungsreform und der Einführung der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, ging es an die Substanz von Länderkompetenzen. Die Reform zielte darauf ab, finanzpolitische Zuständigkeiten von Bund und Ländern neu zu definieren und das undurchschaubar gewordene System an Mischfinanzierungen zu bereinigen.
Der Konflikt brachte die erste Große Koalition in eine Zerreißprobe. Zwar verabschiedete der Bundestag die Reform nach zweijährigen Verhandlungen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD. Den Parteiführungen beider Parteien gelang es jedoch nicht, die Zustimmung "ihrer" Landesregierungen zu erhalten. Am 7. Februar 1969 lehnte der Bundesrat die Bundestagsvorlage ab und rief den Vermittlungsausschuss an. Doch auch dort war eine Vermittlung zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern nur schwer zu erreichen. Den ersten Vermittlungsvorschlag wies der Bundesrat im März 1969 mit den Stimmen der sechs finanzstarken Bundesländer gegen die der vier finanzschwachen bei Enthaltung Berlins ab.
Um die Verabschiedung der Finanzverfassungsreform doch noch zu ermöglichen, vereinbarten die Fraktionsführungen von CDU/CSU und SPD, das Gesetzespaket aufzuschnüren und in drei Einzelgesetze zu zerlegen. Den Ländern wurden zahlreiche Zugeständnisse gemacht, so dass es am Ende doch noch zu einer Einigung kam - auch wenn von der ursprünglichen Regierungsvorlage am Ende "nicht viel mehr als das Etikett übrig"
Ein derartiger Großkonflikt zwischen Bund und Ländern blieb während der zweiten Großen Koalition bisher aus, weil keines der seit Ende 2005 beschlossenen Reformgesetze die Interessen der Länder so berührte, wie dies 1969 bei der Großen Finanzreform der Fall gewesen war. Ob Gesundheitsreform, Klimaschutz oder Familienpolitik - in diesen Projekten der zweiten Großen Koalition mussten weder reiche noch arme Bundesländer allzu viel vom Bund befürchten. Dies gilt auch für die Föderalismusreform des Jahres 2006, die den Ländern keine Kompetenzverluste, sondern - z.B. durch die Abschaffung der Rahmengesetzgebung und die Reduzierungen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung - Kompetenzgewinne brachte. Die konfliktträchtige Thematik der Neuordnung der föderalen Finanzverfassung wurde von der amtierenden Großen Koalition bewusst ausgeklammert und als "Föderalismusreform II" auf einen späteren Zeitpunkt in der Legislaturperiode verschoben.
Bund-Länder-Verhandlungsgremien
Die Institutionalisierung informaler Verhandlungsgremien bildete eine der wichtigsten Konfliktlösungsstrategien der Großen Koalition von 1966. Der ersten Großen Koalition gelang es auch bei schwierigen Fragen - wie der Notstandsgesetzgebung -, Konsens zwischen den Bündnispartnern herzustellen, weil sie tragfähige Kommunikations-, Kompromiss-, und Entscheidungsstrukturen besaß. Der "Kreßbronner Kreis", benannt nach Kiesingers Urlaubsort am Bodensee, in dem im August 1967 erste Gespräche aufgenommen wurden, gilt bis heute als "Urtyp eines Lenkungsgremiums in einer großen Koalition".
Eine Kommunikation mit den Landesregierungen und dem Bundesrat konnte mit dem Kreßbronner Kreis jedoch nicht hergestellt werden: Alle dort Beteiligten waren Bundespolitiker. Es gab darüber hinaus auch kein anderes informelles Gremium, das eine Koordinierung wichtiger Politikvorhaben der Großen Koalition mit den Ländern, insbesondere den Ministerpräsidenten, herbeiführen konnte. Bei der Großen Finanzreform etwa wurden die Ministerpräsidenten erst eingebunden, nachdem der Bundestag den ersten Entwurf Anfang Dezember 1968 bereits verabschiedet hatte: Auf Seiten der SPD ergriffen nun "Schmidt und Wehner (...) im Dezember 1968 sofort die Initiative, um eine Koordinierung mit den Ländern zu bewerkstelligen; allerdings vergeblich".
Seit dem Beginn der zweiten Großen Koalition musste der Vermittlungsausschuss hingegen nur selten in Aktion treten, weil die Regierung Merkel insbesondere auch im Bereich der Bund-Länder-Beziehungen über gut funktionierende informale Verhandlungs- und Verständigungsgremien verfügt. Schon im Koalitionsausschuss der heutigen schwarz-roten Koalition, der sich laut Koalitionsvertrag mindestens einmal im Monat treffen soll, sitzen Bundes- und Landespolitiker an einem Tisch: Ihm gehören die Bundeskanzlerin, der Vizekanzler, die Parteivorsitzenden, die Fraktionsvorsitzenden und der CSU-Landesgruppenvorsitzende an. Mit dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck ist derzeit zugleich ein Ministerpräsident im Koalitionsausschuss vertreten; bis zum Rücktritt von CDU-Chef Edmund Stoiber war ein zweiter mächtiger Ministerpräsident beteiligt.
Im Zuge der Föderalismusreform, auf die sich CDU/CSU und SPD schon im Koalitionsvertrag von 2005 verständigt hatten, kam ein weiteres informelles Bund-Länder-Gremium hinzu, dessen Entstehung allerdings in die Zeit der rot-grünen Vorgängerregierung zurückreicht: Die "Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung". Unter dem Vorsitz von Edmund Stoiber (CSU) und Franz Müntefering (SPD) wurden von dieser Kommission seit 2003 Vorschläge zur Föderalismusreform erarbeitet. In den Verhandlungen zur Bildung einer Großen Koalition im Herbst 2005 einigten sich CDU/CSU und SPD darauf, die Föderalismusreform "auf der Grundlage der Vorarbeiten in der Föderalismuskommission" zügig zu beschließen. Nach abschließenden Beratungen im Bundeskabinett, in den Koalitionsfraktionen und der Ministerpräsidentenkonferenz am 6. März, wurden am 10. März 2006 die Gesetzentwürfe der Großen Koalition in die parlamentarische Debatte eingeführt und gleichzeitig in Bundestag und Bundesrat beraten. Durch dieses Vorgehen war der Erfolg sichergestellt: Im Juli 2006 stimmte der Bundesrat der Reform mit 62 von 69 Stimmen zu.
Auch die noch ausstehende Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern ("Föderalismusreform II") soll durch eine gemeinsame Kommission von Bundesrat und Bundestag erarbeitet werden. Die Präsidenten von Bundestag und Bundesrat konstituierten die Kommission am 8. März 2007. Zu Vorsitzenden wurden für den Bundestag der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck und für den Bundesrat der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) gewählt. Bundestag und Bundesrat entsenden jeweils 16 Mitglieder sowie 16 Stellvertreter in die Kommission. Unter den vom Bundestag entsandten Mitgliedern befinden sich dem Einsetzungsbeschluss entsprechend auch mehrere Bundesminister. Fast alle Länder haben ihre Regierungschefs in die Kommission entsandt. Mit Rede- und Antragsrecht, jedoch ohne Stimmrecht, können zudem vier Abgeordnete aus den Landtagen an den Kommissionssitzungen teilnehmen. Ob es dieser Bund-Länder-Kommission erneut gelingen wird, ein konsensfähiges Konzept zu erarbeiten, ist derzeit noch völlig offen. Immerhin geht es dieses Mal, wie schon zur Zeit der ersten Großen Koalition, um das hochsensible Thema einer Finanzreform.
Zugeständnisse
Frühzeitige Zugeständnisse seitens des Bundes sind ein weiterer Grund dafür, dass es seit dem Amtsantritt der zweiten Großen Koalition noch zu keinen größeren Konflikten mit dem Bundesrat gekommen ist. Schon beim ersten großen Gesetzesvorhaben des schwarz-roten Bündnisses, der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent,
Schlussbemerkungen
Aus der Perspektive parteipolitischer Arithmetik betrachtet, hatten die Großen Koalitionen unter Kurt Georg Kiesinger (1966 - 1969) und unter Angela Merkel (seit 2005) jeweils eine Mehrheit im Bundesrat. Aus diesem Grund trat der Bundesrat damals wie heute nicht als Instrument parteipolitischer Vetospieler, sondern vorwiegend als Sachwalter von Länderinteressen in Erscheinung.
Ein Rückblick auf das erste schwarz-rote Regierungsbündnis zeigt jedoch, dass der Bundesrat in Zeiten Großer Koalitionen keineswegs automatisch als Vetospieler ausfällt. Zwischen 1966 und 1969 verweigerte er sogar häufiger seine Zustimmung als in den beiden Legislaturperioden davor. Auch die Zahl der Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat blieb damals annähernd auf dem Niveau der Vorjahre. Dass es seit 2005 im Bundesrat zu wesentlich weniger Bund-Länder-Konflikten kam, liegt zum einen an der Tatsache, dass die Reformprojekte der Regierung Merkel bislang keine substantiellen Länderrechte gefährdeten; zum anderen gelingt den heutigen Koalitionären mittels informaler Prozesse und Gremien die frühzeitige Einbindung von Länderakteuren. Eine Strategie der Zugeständnisse und des Ausklammerns von hoch konfliktträchtigen Themen hat ebenfalls dazu beigetragen, dass es bislang keinen größeren Konflikt der aktuellen Großen Koalition mit dem Bundesrat gegeben hat.
Ob es bei dieser Harmonie bleibt, ist mehr als fraglich. Denn wenn - wie angekündigt - irgendwann die lange aufgeschobene Neuregelung der föderalen Finanzverteilung zur Entscheidung ansteht, könnte sich die Verteilung der Bundesratsstimmen nach der Finanzkraft der Länder als folgenreicher erweisen als parteipolitische Mehrheiten. 1966 bis 1969 hatten die finanzstarken Länder (Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen) eine absolute Mehrheit von 22 Stimmen im Bundesrat. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands besitzen jedoch die finanzschwächeren, beim Länderfinanzausgleich ausgleichsberechtigten, Länder eine starke Mehrheitsposition. Sie kontrollieren 43 von 69 Stimmen. Mit dieser Mehrheit sind heute nunmehr die ärmeren Länder in der Lage, Reformen, die für sie in eine "unliebsame Richtung"