Einleitung
Die meisten Staaten haben in den vergangenen zehn Jahren eine Abkehr von der mehr oder weniger stark praktizierten Politik der Frühverrentung hin zu einer Strategie des aktiven Alterns vollzogen. Am weitesten fortgeschritten sind dabei die skandinavischen, sozialdemokratisch geprägten und die liberalen Wohlfahrtsstaaten.
Eine Politikwende konnte in diesen Ländern einfacher vollzogen werden, da von der Frühverrentung - als Reaktion auf Strukturprobleme des Arbeitsmarktes seit den 1970er Jahren - weniger Gebrauch gemacht wurde: in den skandinavischen Ländern durch eine starke Beteiligung der öffentlichen Hand, den Ausbau staatlicher Dienstleistungen und den Einsatz aktiver Arbeitsmarktpolitik, in den liberalen Staaten dagegen durch Marktmechanismen, das heißt ein niedrigeres Niveau der Sozialleistungen, einen wenig regulierten Arbeitsmarkt und flexible Löhne.
Kontinentale Wohlfahrtsstaaten "ohne Arbeit"
Die Entwicklung in Deutschland und seinen Nachbarländern Frankreich, Österreich und den Niederlanden folgte einem anderen Muster. In diesen kontinentalen bzw. konservativen Wohlfahrtsstaaten "ohne Arbeit"
Die großflächige Frühverrentung führte in ein Dilemma: Obwohl der Handlungsdruck groß war, erwies sich eine Kehrtwende in Anbetracht der vielfältigen Ausstiegspfade und tief verwurzelten Einstellungsmuster, der Interessen und erworbenen (sozialen) Rechte von Gewerkschaften, Arbeitnehmern und Arbeitgebern als schwierig.
Unterschiede zwischen kontinentalen Wohlfahrtsstaaten
Länder eines Typs werden in der Regel im Lichte ihrer Gemeinsamkeiten analysiert.
Deutschland: Inkonsistente Reformen
Im Vergleich zu seinen Nachbarländern war die Frühverrentung in Deutschland weniger stark ausgeprägt. Die Erwerbstätigenquote Älterer, vor allem älterer Männer, betrug selbst auf dem Tiefpunkt Ende der 1990er Jahre noch rund 46 Prozent. Bei Frauen war der Trend zur Frühverrentung weniger offensichtlich, da sich zugleich die Erwerbstätigkeitsquote jüngerer Frauen erhöhte (vgl. Abbildungen 1-2 der PDF-Version).
Frühverrentungspfade wurden bereits in der Nachkriegszeit von der christdemokratischen Koalitionsregierung geschaffen und von der sozialliberalen Koalition ab 1972 ausgeweitet: Frauen machten seit 1957 vor allem Gebrauch vom niedrigeren Renteneintrittsalter (60 Jahre). Der Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente ab 60 wurde von Arbeitern auf Angestellte ausgedehnt (1957). Im Zuge der Expansion des Sozialstaats erhielten langjährig Versicherte das Recht auf eine volle Rente ab 63 Jahren (35 Beitragsjahre), Schwerbehinderte konnten ab 60 Jahren eine Altersrente beziehen (1973).
In den 1980er Jahren kam es bei steigender Arbeitslosigkeit zu einer Ausweitung der Arbeitslosenversicherung: Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Ältere wurde von zwölf auf 32 Monate (1984 - 1988) ausgedehnt und die zeitlich befristete, bis Ende 2007 immer wieder verlängerte Ausnahme, wonach über 58-Jährige bis zum Bezug der Rente nach Arbeitslosigkeit mit 60 Jahren von der Stellensuche befreit waren, beschlossen (1986). Arbeitslose konnten so ab einem Alter von 55 Jahren und vier Monaten die Zeit bis zur Altersrente durch Nutzung dieses "Arbeitslosentunnels" überbrücken.
Alles in allem lagen in Deutschland die Altersgrenzen bei den meisten Regelungen höher als in den Vergleichsstaaten. Zudem hatten andere Ausstiegspfade wie spezielle Vorruhestandsprogramme kaum Bedeutung. Der Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente war weniger verbreitet, weil bereits früh durch die Heraufsetzung der Beitragsjahre (1984) der Zugang eingeschränkt wurde und Rehabilitationsmaßnahmen eine Integration in den Arbeitsmarkt förderten.
Ausgehend von einer günstigeren Ausgangslage war jedoch die Abkehr von der Frühverrentung im Kontext lang anhaltender hoher Arbeitslosigkeit nach der Wiedervereinigung durch Widersprüche, zunehmend konflikthafte Aushandlungsprozesse und wechselnde Interessenkoalitionen gekennzeichnet. Die politischen Akteure folgten dem Muster "Mehrere Schritte vor, ein Schritt zurück".
Mit der im Konsens der großen Parteien CDU/CSU und SPD im Jahr 1989 verabschiedeten Rentenreform ("Rentenreform 1992") wurde in einem ersten Schritt das Rentenalter vereinheitlicht und sowohl für von Arbeitslosigkeit Betroffene als auch für Frauen auf 65 Jahre heraufgesetzt; eine Frühverrentung sollte erst ab 63 Jahren und mit Abschlägen von 3,6 Prozent pro Jahr möglich sein. Die anfänglich eingebauten extrem langen Übergangsfristen wurden in einem zweiten Schritt gegen den Widerstand der sozialdemokratischen Opposition und der Gewerkschaften drastisch gekürzt, so dass die Wirkung von Rentenabschlägen mit dem Jahr 1997 einsetzte.
Gleichzeitig sah sich die christdemokratisch-liberale Koalition gezwungen, zur Abfederung der explodierenden Arbeitslosigkeit in den ostdeutschen Bundesländern von 1990 bis Ende 1992 eine großzügige befristete Vorruhestandsregelung für Arbeitslose ab 55 Jahren in Form des "Altersübergangsgelds" einzuführen, die mehrere Jahrgänge förmlich vom Arbeitsmarkt fegte.
Im Parteienwettbewerb um Wählerstimmen nahm die rot-grüne Koalition nach ihrem Regierungsantritt 1998 zunächst einige Restriktionen wie die Reform der Erwerbsunfähigkeitsrente zurück. Bald darauf setzte sie den Reformkurs in höherem Tempo fort, nun in einer "verkehrten Allianz" vorangetrieben durch die CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat und unterstützt vom Arbeitgeberlager. Eingeschränkt wurden insbesondere der Zugang zur Erwerbsunfähigkeitsrente und der "Arbeitslosentunnel": Mit der Zusammenlegung der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente (2000) fiel der Berufsschutz weg, im Rahmen der konfliktträchtigen Hartz-IV-Reformen (2003) wurde ab 2005 die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds für Ältere von maximal 32 auf 18 Monate verkürzt, und mit dem Renten-Nachhaltigkeitsgesetz (2004) wurde das früheste mögliche Rentenalter nach Arbeitslosigkeit und Altersteilzeit ab 2006 stufenweise auf 63 Jahre angehoben.
Nach dem Ende der rot-grünen Regierung setzte die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD den widerspruchsvollen Kurs auch in einer Situation des Wirtschaftsaufschwungs fort: Der Bundestag verabschiedete im März 2007 die Heraufsetzung des Rentenalters von 65 Jahren auf 67 Jahre, allerdings schleichend von 2012 bis 2029, um den potentiellen Wählerunmut in Grenzen zu halten. Auch die "58er-Regel" (§ 428 SGB III), die Ältere von der Pflicht der aktiven Stellensuche ausnahm, ist nach mehr als zwanzig Jahren nicht mehr verlängert bzw. für Langzeitarbeitlose eingeschränkt worden.
Dadurch neu entstandene Härten für ältere Arbeitslose wurden durch einen erneuten kleinen Rückschritt abgemildert: Um in einer Situation des zunehmenden Parteienwettbewerbs mit einer neuen Linkspartei das soziale Profil zu schärfen, beschloss die Große Koalition (SPD/CDU/CSU), dass ältere Arbeitslose rückwirkend ab Januar 2008 bis zu 24 Monaten, also bis zu sechs Monaten länger Arbeitslosengeld erhalten.
Trotz der beschriebenen kleineren Rückbewegungen haben die Reformen dank eines günstigeren Ausgangsniveaus bei der Frühverrentung dazu beigetragen, dass sich Deutschland seit 2001 von einem Nachzügler zu einem der schnell voranschreitenden Länder der EU gewandelt hat. Sogar seinen Nachbarn, die Niederlande, hat es, vor allem durch den Anstieg der Beschäftigung älterer Frauen, überflügelt (vgl. Abbildungen 1-2 der PDF-Version).
Niederlande: Vom "kranken Land" zum "Beschäftigungswunder" für Ältere
Obwohl in den Niederlanden das Beschäftigungsniveau Älterer tiefer gesunken war als in Deutschland (vgl. Abbildungen 1-3 der PDF-Version), wandelten sich diese im Gegensatz zu Österreich und Frankreich in den 1990er zu einem Land mit Vorbildwirkung: Mit einem gewissen Zeitverzug hatte sich in dem "kranken" Land, so Premierminister Ruud Lubbers 1990, ein Beschäftigungswunder für Ältere vollzogen. "Krank" war das Land deshalb, weil mit der früh und stark einsetzenden Arbeitsmarktkrise, die Anfang der 1980er Jahre zu einer Arbeitslosigkeit von bis zur zwölf Prozent geführt hatte, die großzügigen Regelungen für den Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente (WAO) zunehmend genutzt wurden. Ab 1973 konnten ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus "Arbeitsmarktgründen" als erwerbsunfähig erklärt werden.
Hinzu kam als zweiter zentraler Ausstiegspfad das nach dem Prinzip der Generationensolidarität "Jung für Alt" eingeführte Vorruhestandsprogramm der freiwilligen Frühverrentung (VUT). Es beruhte auf einer Vereinbarung der Sozialpartner und unterlag damit nur begrenzt staatlichen Regelungen. Seit der Vereinbarung von Wassenaar (1982), die mit einer im Konsens der Sozialpartner beschlossenen Lohnzurückhaltung zum bald einsetzenden Beschäftigungswunder beitrug, wurde sie auch steuerlich gefördert. Der Ausstieg über die Arbeitslosenversicherung als ein dritter Pfad erreichte deshalb nie eine vergleichbare Bedeutung wie in Deutschland, auch wenn Arbeitslose ab 57,5 Jahren seit 1982 von der aktiven Arbeitssuche ausgenommen waren.
Das "Beschäftigungswunder", das in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre einsetzte, wurde nicht nur durch ein sinkendes Arbeitszeitvolumen mit Hilfe einer Teilzeitstrategie, sondern wesentlich auf Kosten älterer Arbeitnehmer erreicht. So lag das Land nicht nur beim Beschäftigungsrückgang älterer Männer in den 1980er Jahren im EU-Vergleich an der Spitze; als Folge des ausgeprägten "Ernährer-Hausfrauenmodells" war auch die Beschäftigungsquote älterer Frauen besonders niedrig (vgl. Abbildung 2 der PDF-Version).
Früher als in den Nachbarländern wurden die Weichen für ein nachträgliches Beschäftigungswunder für Ältere gestellt. Bereits Mitte der 1980er Jahre begann die niederländische Arbeitsmarktpolitik sich an Engpässen des Angebots auf dem Arbeitsmarkt auszurichten. Erleichtert wurden anschließende Reformen, weil die Frühverrentung nicht an die besonders konfliktträchtigen Regelungen des Altersrentensystems gekoppelt war. Die Rentenversicherung folgt in den Niederlanden dem Organisationsprinzip einer universalistischen, steuerfinanzierten Grundsicherung, nicht dem der Status erhaltenden Lebensstandardsicherung. Die Politikwende wurde außerdem durch das bewährte "Poldermodell" gefördert, in dem die Sozialpartner maßgeblich in Aushandlungsprozesse der Regierung einbezogen sind und moderate Gewerkschaften zu einem konsensuellen Politikstil beitragen.
Selbst unter günstigen Kontextbedingungen führten die Restriktionen zu beträchtlichen Konflikten. So gelang die Einschränkung der Erwerbsunfähigkeitsrente WAO erst im zweiten Anlauf (1987, 1993), nachdem die Rolle der Sozialpartner in der Verwaltung der WAO geschwächt worden war. Der restriktive Kurs wurde von der liberal-sozialdemokratischen Regierung unter Ministerpräsident Wim Kok ab 1994 fortgeführt: das umlagefinanzierte Vorruhestandsprogramm VUT ab 1997 schrittweise durch ein kapitalgedecktes System ersetzt, die steuerliche Förderung gestrichen. Früher als in Deutschland galt ab dem Jahr 2000 die Regelung, dass ältere Arbeitslose kein begründbares Arbeitsangebot ablehnen durften, jedoch konnte die Pflicht zur aktiven Arbeitssuche auch für Ältere - aufgrund des Widerstandes der Gewerkschaften - erst ab 2004 eingeführt werden.
Dank einer günstigen Kombination von Kontextfaktoren, intensiven Reformbestrebungen, einer Teilzeitstrategie und der zunehmenden Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt ist es den Niederlanden gelungen, die Erwerbstätigenquote älterer Männer und Frauen zwischen 1996 und 2006 um mehr als 16 Prozentpunkte zu steigern und so zum schnellsten Nachzügler zu werden.
Österreich: Vom "Rentnerstaat" zu abrupter Pfadumkehr
In Österreich erreichte die Frühverrentung Mitte der 1990er Jahre ein ähnliches Ausmaß wie in den Niederlanden (vgl. Abbildungen 1-2 der PDF-Version), obwohl Österreich eine weniger virulente Arbeitsmarktkrise erlebte. Jedoch verhinderten Unterschiede in der Institutionalisierung und eine langjährige Reformblockade in der großen Koalition aus Sozialisten (SPÖ) und der bürgerlichen Volkspartei (ÖVP) bis zum Jahr 2000 eine Wende zu längerer Erwerbsarbeit.
Frühverrentung kann in Österreich geradezu als Grundprinzip bei der Etablierung des Sozialstaats in der Nachkriegszeit betrachtet werden. Wie in Deutschland waren wesentliche Ausstiegspfade an das staatliche Rentensystem gekoppelt, allerdings früher zugänglich: Ein vorzeitiger Rentenbezug war nach Arbeitslosigkeit (1956) oder einer Versicherungsdauer von 30 Jahren (1959) bereits ab einem Alter von 55 Jahren für Frauen bzw. 56,5 für Männer möglich. Für Frauen galt auch hier ein niedrigeres Rentenalter von 60 Jahren. Als Folge lag das Beschäftigungsniveau Älterer in Österreich bereits ab den 1950er Jahren unter dem deutschen Niveau.
Seit den 1970er Jahren wurde Österreich immer mehr zum "Land der Pensionäre".
Zwar kam die Kostendämpfung im Rentensystem auch in Österreich ab Anfang der 1990er Jahre auf die politische Agenda, zumal der Beitritt zur Europäischen Union bevorstand. Aber die Anpassung des österreichischen "Alpenmodells" vollzog sich auf Grund der geringen Reformkapazität der großen Koalition extrem langsam.
Das hohe Ausmaß der Frühverrentung trug dazu bei, die Arbeitslosigkeit in Österreich gering zu halten. So wurden 1993 zwei weitere Formen der Frühverrentung eingeführt, die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit und die Gleitpension: erstere zur Abfederung der hohen Nutzung der Erwerbsminderungsrente, letztere als Sonderform der Frühverrentung für langjährig Versicherte mit einer Reduzierung der Arbeitszeit auf 70 Prozent.
Nach jahrelangem Reformstau kam es zu einem radikalen Kurswechsel, als im Jahr 2000 eine konservativ-rechte Koalition aus ÖVP/FPÖ erstmals eine Regierung ohne Sozialdemokraten bildete. Den Gewerkschaften fehlten damit die entscheidenden Schaltstellen über Abgeordnete der SPÖ. Begleitet von Massendemonstrationen wurden mit der Rentenreform 2000 erste Einschränkungen vorgenommen und mit der Rentenreform 2003 die meisten der bis dahin bestehenden Frühverrentungsmöglichkeiten abgeschafft bzw. deutlich zurückgefahren, so auch die 1993 eingeführten. Da die Aufrechterhaltung des sozialen Friedens an Grenzen gestoßen war, gab es Abfederungsmechanismen wie das Übergangsgeld (2004 - 2006) für direkt betroffene Altersgruppen.
Nicht alle Ausstiegspfade wurden versperrt. Wie in Deutschland besteht nach wie vor die Möglichkeit des Austritts über die seit 1996 bestehende Altersteilzeit in Form eines Blockmodells. Auch wurde bisher ein wesentlicher Pfad kaum angetastet: die Erwerbsminderungsrente.
Frankreich: Beharrungsvermögen des niedrigen Rentenalters
Neben Österreich zählt auch Frankreich bei der Beteiligung Älterer am Arbeitsmarkt zu den Nachzüglern, begründet durch die Vielzahl von Frühverrentungsmöglichkeiten und eine geringe Reformkapazität. Als Reaktion auf wachsende Strukturprobleme in der Schwerindustrie waren in den 1970er Jahren Regelungen zur Frühverrentung überwiegend für über 60-Jährige getroffen worden; zu Beginn der 1980er Jahre betrafen sie dann vor allem Arbeitskräfte von 55 bis 59 Jahren. Wesentlich dazu beigetragen hat die Herabsetzung des gesetzlichen Rentenalters - auch für Männer - auf 60 Jahre (1983, Frauen 1975) nach dem Machtantritt der ersten sozialistisch-kommunistischen Regierung unter Premierminister Pierre Mauroy. Diese Reform wurde als große Errungenschaft betrachtet. Für den Öffentlichen Dienst, zu dem auch die Mitarbeiter verstaatlichter Unternehmen zählten, galten zudem Sonderbestimmungen (Régimes spéciaux).
Der weitere Verlauf ist in Frankreich geprägt von einer wachsenden Zahl von Vorruhestandsprogrammen, wie Sonderleistungen für Ältere ab 55 Jahren aus dem staatlichen Beschäftigungsfonds (AS-FNE), Altersteilzeit mit der Möglichkeit zur Frühverrentung (PRP) und von mehreren Programmen, die über die von den Sozialpartnern verwaltete Arbeitslosenversicherung finanziert wurden. Als Folge der starken und lang anhaltenden Frühverrentung hat sich Frankreich zu einem "extremen Beispiel für den internationalen Trend zu einem früheren Ausscheiden aus dem Erwerbsleben" vor allem bei Männern entwickelt (vgl. Abbildung 1 der PDF-Version).
Die Abkehr von der Frühverrentung wurde ähnlich wie in Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre mit einer Strategie der Kostendämpfung im System der Altersrente eingeleitet. So erhöhte die konservativ-liberale Koalition unter Premierminister Edouard Balladur in einer größeren Rentenreform 1993 die Zahl der Beitragsjahre für eine volle Rente in der Privatwirtschaft von 37,5 auf 40 Jahre (von 1994 bis 2003). Darüber hinaus wurden seit Mitte der 1990er Jahre wesentliche Vorruhestandsprogramme eingeschränkt bzw. abgeschafft wie die AS-FNE oder PRP.
Insgesamt war die Politikwende in einer Situation anhaltend hoher Arbeitslosigkeit auch in Frankreich von Widersprüchen, Konflikten und Protest geprägt. Die Sozialpartner hatten über die von ihnen verwaltete Arbeitslosenversicherung und eine hohe Mobilisierungskraft kommunistisch orientierter Gewerkschaften im Öffentlichen Dienst mehr Einflussmöglichkeiten. Da sie als Folge eines etatistischen Politikstils der Regierung wenig in die Politikgestaltung eingebunden waren, konnten die radikaleren Gewerkschaften verstärkt Massenproteste und Generalstreiks mobilisieren und so beispielsweise 1995 eine Rentenreform für den Öffentlichen Dienst verhindern. Danach richtete die traditional sozialdemokratisch agierende Regierung unter Premierminister Lionel Jospin (1997 - 2002) die Politik an ihrer Wahlklientel, den Arbeitern, aus, verkürzte die Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche und schuf Vorruhestandsprogramme für Gruppen mit belastenden Arbeitsbedingungen.
Erst mit der Rentenreform der bürgerlich-konservativen Regierung von 2003, die gleichzeitig zu einer Angleichung von Privatwirtschaft und Öffentlichem Dienst führte, wurde das im internationalen Vergleich niedrige gesetzliche Rentenalter von 60 Jahren auf 65 Jahre angehoben - allerdings hatten Massenproteste und Streiks zahlreiche Ausnahmeregelungen bewirkt. So ist jüngst ein Ausweichen auf andere Pfade zu beobachten, wie die langjährige Versicherung (zurzeit ab 56 Jahren nach 40 Beitragsjahren) und den "Arbeitslosentunnel" bis zum Rentenalter, da ältere Arbeitslose nicht nur von der Stellensuche ausgenommen sind, sondern über die maximale Bezugsdauer von 42 Monaten hinaus bis zum Erreichen einer vollen Altersrente Arbeitslosengeld beziehen können.
Dessen ungeachtet ist auch in Frankreich seit Ende der 1990er Jahre eine Wende bei der Beschäftigung Älterer eingetreten. Stabil ist sie nicht (vgl. Abbildungen 1-3 der PDF-Version). Weitere Erfolge der Beschäftigungspolitik für Ältere werden vor allem davon abhängen, ob es gelingen wird, die nach wie vor bestehenden Frühverrentungsmöglichkeiten bei Arbeitslosigkeit, Sonderregelungen im Öffentlichen Dienst und im System der Altersrente abzubauen.
Fazit
In kontinentalen Wohlfahrtsstaaten wie Deutschland und seinen Nachbarstaaten gibt es im Vergleich zur Mitte der 1990er Jahre mehr Arbeit für Ältere, die Erwerbstätigenquote ist überall gestiegen. An die Stelle des Hausfrauenmodells tritt mit der steigenden Erwerbsbeteiligung auch für ältere Frauen das Muster der Teilzeiterwerbstätigkeit (vgl. Abbildung 3 der PDF-Version).
Auf der Grundlage dieser Gemeinsamkeiten gab und gibt es beträchtliche Unterschiede, die sich mit folgender Faktorenkonstellation erklären lassen: dem Zeitpunkt und der Form der Institutionalisierung der Frühverrentung, der Arbeitsmarktsituation und politisch-institutionellen Faktoren. Eine Pfadabkehr von der Frühverrentung war erstens umso eher und mit größerer Wirkung möglich, je später Regelungen etabliert wurden, je weniger sie als Rechtsansprüche im System der Altersrente verankert waren, je begrenzter die Zahl der Ausstiegspfade war und je mehr sie staatlich geregelt waren. Zweitens wurde eine Politikwende durch eine günstige Arbeitsmarktsituation erleichtert, da sie den Handlungsspielraum der politischen Akteure erweiterte und die Wirkung von Reformen steigerte.
Damit die Restriktionen nicht in steigender (Langzeit-)Arbeitslosigkeit und Altersarmut münden (vgl. Abbildung 3 der PDF-Version), bleibt es für alle analysierten Länder eine zukünftige Aufgabe, die seit Ende der 1990er Jahre beginnende Förderung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit weiter auszubauen. Vorreiter waren auch hier die Niederlande, die sich zumindest in dieser Hinsicht in die Richtung eines sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates bewegen.