Einleitung
Nur wenige regionale Konflikte waren von so langer Dauer wie der indisch-pakistanische um das umstrittene Gebiet von Jammu und Kaschmir.
Die Ursprünge dieses Konflikts sind vielschichtig und gehen auf den Prozess des Rückzugs der britischen Kolonialmacht von dem Subkontinent im Jahre 1947 zurück. Kurz nachdem sie unabhängig geworden waren, erhoben beide Nachfolgestaaten des Britisch-Indischen Empires, Indien und Pakistan, Anspruch auf den Fürstenstaat Jammu und Kaschmir.
In der Hoffnung, sein Reich als unabhängigen Staat erhalten zu können, verweigerte der Monarch, Maharaja Hari Singh, schließlich sowohl einen Beitritt zu Indien als auch zu Pakistan. Die Dinge spitzten sich zu, als Ende Oktober 1947 im westlichen Teil des Landes eine Stammesrevolte ausbrach. Bald darauf erreichten die Rebellen, wesentlich unterstützt von Pakistan, Srinagar, den Sommersitz des Monarchen. Den drohenden Fall seiner Hauptstadt unmittelbar vor Augen, appellierte er an Indien mit der Bitte um militärische Hilfe. Der indische Premierminister Jawaharlal Nehru versprach seine Unterstützung nur unter zwei Bedingungen: In Ermangelung eines Referendums, in dem die Wünsche der Bevölkerung Kaschmirs ermittelt worden wären, müsse erstens Scheich Mohammed Abdullah, der an der Spitze der größten und populärsten, säkularen politischen Partei des Staates stand (Jammu and Kashmir National Conference), seine Einwilligung geben. Zweitens müsse der Maharadscha formell den Beitritt zu Indien erklären. Nachdem diese Bedingungen erfüllt worden waren, wurden indische Truppen nach Srinagar geflogen, um den Vorstoß der Stämme zu stoppen, allerdings erst, nachdem ein Drittel des Staates bereits in pakistanische Hände gefallen war.
Die Kriegserfahrungen
Der Kaschmirkonflikt hat die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan lange geprägt und teilweise zur Nuklearisierung des Subkontinents beigetragen. Einige Wissenschaftler und politische Beobachter haben immer wieder auf die Möglichkeit der Eskalation des Konflikts in der Region hingewiesen, seit Indien und Pakistan 1998 den nuklearen Rubikon überschritten.
In den ersten drei Kriegen besaß keine der beiden Konfliktparteien bedeutende militärische Mittel. Folglich konnten diese auch keine allzu großen Opfer fordern. Da die oberen Ränge beider Armeen auf ein gemeinsames koloniales Erbe zurückblickten, nutzten sie zudem ähnliche Kampftaktiken und Strategien. Persönliche Kontakte unter den älteren Militärangehörigen ermöglichten zudem die Festlegung kriegsinterner Beschränkungen der Gewaltanwendung. So trafen zum Beispiel die Vorgesetzten der beiden Luftwaffen in dem Krieg von 1965 die informelle Vereinbarung, stark bevölkerte Gebiete nicht zu bombardieren.
Es muss auch gesagt werden, dass beide Länder die Waffenstillstandsabkommen einhielten und Kriegsgefangene im Einklang mit der Genfer Konvention behandelten.
Der Frage der Begrenzung von Konflikten auf bestimmte geografische Gebiete kam im Kargil-Krieg 1999 enorme Bedeutung zu. Trotz eines chauvinistischen Regimes in Neu Delhi und einer bedeutenden Militärmaschinerie mit hinreichenden Reserveverbänden beschloss die indische Regierung, keine Strategie der horizontalen Eskalation zu verfolgen. Insgesamt vermied sie es, den Konflikt weiter zu verschärfen, aus Sorge, dies könne in Pakistan Ängste vor einem größeren Krieg und einer weiteren Zerteilung des Landes provozieren. Diese Bedenken könnten wiederum der Auslöser dafür gewesen sein, dass Pakistan mit dem Einsatz von Nuklearwaffen gedroht hat.
Wenn allerdings ein konventioneller Krieg in der Region ausbricht, könnte er noch blutiger sein. Die Bande, die zwischen den dienstälteren Rängen der beiden Armeen bestanden haben, sind zu Artefakten der Vergangenheit geworden. Die heutige Generation der indischen und pakistanischen Militärs blickt auf keine gemeinsame Ausbildungszeit oder auf gemeinsame Kampferfahrungen zurück. Es fehlt ihnen daher die Fähigkeit, in Krisenzeiten oder bei drohenden Spannungen formlos miteinander zu kommunizieren.
Der beiderseitige Erwerb von Kernwaffen hat die Wahrscheinlichkeit eines größeren konventionellen Konflikts vermutlich verringert, aus Sorge vor einer Eskalation auf nuklearer Ebene. Die Verwicklung Pakistans in einen Aufstand der einheimischen Bevölkerung, der seit 1989 in dem umkämpften Staat Jammu and Kaschmir wütet, lässt die Möglichkeit eines weiteren lokalen Konflikts aber offen. Pakistan hat seit geraumer Zeit den Hang, sich in Indiens innere Konflikte einzumischen, und die offene Beschaffung von Atomwaffen könnte seine Führung in dem Glauben bestärkt haben, dieses ungestraft zu können.
In den vergangenen Jahrzehnten hat die Verwicklung in innere Aufstände die beiden Länder mehrmals an den Rand eines Krieges gebracht, nämlich 1987, 1990 und 2001/02. In den 1980er Jahren, als sich der indische Staat mit dem Sikh-Aufstand auseinandersetzen musste, nahm Indien die konsequente pakistanische Unterstützung der Aufständischen zum Anlass, entlang der Ost-West-Achse in der Wüste Rajasthans die Operation "Brasstacks" durchzuführen.
Das Ausmaß, der Ort und die Dauer des Manövers löste bei den Pakistanis einige Unruhe aus und wurde als möglicher Auftakt zu einer Invasion angesehen. In der Folge ließ die militärische Führung Pakistans, nachdem die Streitkräfte ihre Winterübungen bereits abgeschlossen hatten, einige größere Einheiten an einem strategisch wichtigen Punkt im pakistanischen Teil des Punjab stationieren. Der indische Geheimdienst konnte den genauen Standort dieser pakistanischen Einheiten nicht bestätigen, was wiederum bei den Indern die Befürchtung auslöste, Pakistan könnte vorhaben, sich mit den aufständischen Sikhs zu verbünden. In diesem Umfeld steigender Spannungen boten amerikanische und sowjetische Botschafter ihre guten Dienste an, um beide Seiten zu veranlassen, einen ungewollten Konflikt zu vermeiden, wodurch die Krise abgewendet werden konnte. Es herrscht weitgehend die Auffassung, dass die Führungsspitze Pakistans als Folge dieser Krise beschloss, die Entwicklung ihres Atomwaffenprogramms weiter voranzutreiben. Wenn sie im Besitz dieser nuklearen Möglichkeiten wären, so die Überlegung, würden sie in der Lage sein, Indien davon abzuhalten, sie strategisch in die Zange zu nehmen.
Die nächste Krise, die beinahe in einen Krieg mündete, nahm ihren Ausgang in Indiens Enttäuschung über Pakistans Rolle bei einer Revolte, die im Dezember 1989 in Kaschmir ausbrach.
Es ist schwierig, einen bestimmten Vorfall oder eine provokante Stellungnahme als Auslöser der Krise festzumachen. Sie begann wohl sicherlich erst, als die pakistanische Armee nach Abschluss ihrer militärischen Winterübungen "Zarb-i-Momin" ihre Offensiveinheiten nicht aus den Gebieten um Bahawalpur und Bhawalnagar nahe der indischen Grenze abzog. Der indische Geheimdienst entdeckte diese fortbestehende Stationierung pakistanischer Streitkräfte in der Nähe eines strategisch wichtigen Punktes. Später, im Februar 1990, sandte Indien zwei seiner neuen Panzereinheiten an eine Schützenlinie in Mahajan in Rajasthan. Die Stationierung dieser Panzereinheiten bewertete die pakistanische Führung als Indiz dafür, dass Indien einen Angriff über die Grenze Rajasthans hinweg planen könnte, und brachte dieses Thema gegenüber amerikanischen Militärs zur Sprache. Diese teilten die Bedenken dem indischen Verteidigungsministerium mit. Indische Verteidigungsbeamte versuchten, diese Befürchtungen zu zerstreuen, und betonten, es handele sich um kaum mehr als um militärische Routineübungen.
Angesichts der Geschichte des indisch-pakistanischen Konflikts und der zunehmenden Truppenbewegungen in einem Umfeld wachsender Spannungen fühlten sich amerikanische Politiker gezwungen, zu handeln. Präsident George H. W. Bush entsandte den stellvertretenden Nationalen Sicherheitsberater Robert Gates und ein ranghohes Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates, den Verantwortlichen für den Nahen Osten und Südasien, Richard Haass, in die Region. In Pakistan informierte die Gesandtschaft die pakistanische Führung unverblümt, dass die USA eine Reihe möglicher indisch-pakistanischer Kriegsszenarien simuliert hatten. In jedem dieser Szenarien ging Pakistan eindeutig als Verlierer hervor. Sie drängte die pakistanische Führung daher, die Aufständischen in Kaschmir nicht länger zu unterstützen und gleichzeitig von unbeherrschter Rhetorik Abstand zu nehmen. Auf ihrer nächsten Station in Neu Delhi rieten die Abgesandten zu Zurückhaltung, da zu befürchten sei, dass ein militärisches Vorgehen außer Kontrolle geraten und sogar auf nuklearer Ebene eskalieren könne.
Die jüngste Krise wurde durch einen dreisten Anschlag auf das indische Parlament am 13. Dezember 2001 ausgelöst. Die Terroristen, die an diesem Angriff beteiligt waren, waren Mitglieder der Jaish-e-Mohammed, einer von Pakistan aus agierenden terroristischen Organisation. Nach diesem Angriff stellte die indische Regierung eine Reihe von Forderungen an Pakistan, einschließlich der Auslieferung von etwa zwanzig Verdächtigen, die in Indien wegen vermuteter Beteiligung an terroristischen Aktivitäten auf der Fahndungsliste standen. Neu Delhi forderte, dass Pakistan ab sofort dem Aufstand in Kaschmir keine Unterstützung mehr zukommen lasse und alle Trainingscamps auf pakistanischem Boden zerstört werden. Gleichzeitig mobilisierte es massiv seine militärischen Kräfte, um Druck auf das Militärregime von General Pervez Musharraf auszuüben.
Das Regime in Islamabad verweigerte die Auslieferung der angeblichen Terroristen und behauptete, diese würden sich nicht in Pakistan befinden. Auf amerikanischen und indischen Druck wurden allerdings Ende Dezember 2001 mehrere Extremisten verhaftet. Nach intensivem Drängen Indiens nahmen die USA außerdem die Jaish-e-Mohammed und eine weitere terroristische Organisation, die von Pakistan aus operierte (die Lashkar-e-Taiba), in die vom State Department geführte Liste der Foreign Terrorist Organizations auf. Konfrontiert mit den nicht nachlassenden Bedenken der Europäer und der Amerikaner, es stünde mit terroristischen Organisationen in Verbindung und würde sie unterstützen, war das Regime bemüht, die Kritik zu zerstreuen. Am 12. Januar 2002 hielt General Musharraf eine bedeutende Ansprache im pakistanischen Fernsehen, in der er versprach, dass pakistanisches Territorium nicht zur Vorbereitung terroristischer Angriffe im Ausland missbraucht werden dürfe. Er unterstrich jedoch neuerlich, dass Pakistan sich weiterhin in Sachen Kaschmir engagieren werde.
Nachdem General Musharraf öffentlich erklärt hatte, den islamischen Terrorismus nicht mehr zu unterstützen, fühlte sich die indische Politik genötigt, Pakistan einen gewissen Handlungsspielraum einzuräumen. Am Status der militärischen Bereitschaft entlang der Grenzen mit Pakistan oder innerhalb Kaschmirs wurde jedoch nichts geändert. Indiens Strategie der coercive diplomacy, der Durchsetzung politischer Veränderungen auf dem Wege militärischer Drohungen, wurde aufrecht erhalten.
Unglücklicherweise nahm die Krise eine Wende zum Schlechteren, als am 14. Mai 2002 an einer indischen Militärbasis in Kaluchak nahe Jammu ein zweiter Terroranschlag verübt wurde, bei dem 33 Menschen getötet wurden, zumeist Frauen und Kinder des Militärpersonals. Infolge des Anschlags geriet die politische Führung Indiens unter Premierminister Atal Behari Vajpayee unter massiven Druck, entschieden militärisch gegen Pakistan vorzugehen. Wieder traten hochrangige amerikanische Stellen, allen voran das Verteidigungsministerium unter Donald Rumsfeld, in Aktion und ermahnten General Musharraf, hart durchzugreifen, um der terroristischen Bedrohung, die von Pakistan ausgehe, Einhalt zu gebieten. Gleichzeitig wirkten sie weiterhin auf Indien ein, sich trotz dieser jüngsten und schwerwiegenden Provokation in Zurückhaltung zu üben.
Trotz amerikanischer Ermahnungen verfolgte Indien seine Kriegspläne weiter und stationierte größere Einheiten in Schussweite des pakistanischen Territoriums. Um ihre Befürchtungen in Hinblick auf einen bevorstehenden Krieg zwischen Indien und Pakistan deutlich zu machen, gaben die Vereinigten Staaten eine Reisewarnung für den Subkontinent heraus und zogen das Personal, das nicht unbedingt vor Ort gebraucht wurde, aus den diplomatischen Vertretungen in Indien ab. Großbritannien, Deutschland und Japan folgten sehr bald ihrem Beispiel. Gleichzeitig wurde weiterhin diplomatischer Druck auf Pakistan ausgeübt.
Anfang Juni 2002 gaben die indischen Behörden bekannt, dass sie einen deutlichen Rückgang der Infiltrationsquote aus Pakistan in das von Indien kontrollierte Kaschmir beobachteten. Gegen Mitte Juni begann die Krise abzuflauen, doch Indien beschloss trotzdem, sein strategisches Konzept nicht zu ändern und seine Truppen nicht abzuziehen. Diese blieben im Wesentlichen tatsächlich bis Anfang Oktober stationiert.
Was hielt Indien trotz zahlreicher Provokationen davon ab, Pakistan anzugreifen? Drei Erklärungen sind möglich. Erstens: Wiederholte und rechtzeitige amerikanische Interventionen haben die Lage gerettet. Zweitens: Indien verfügte nicht über die erforderlichen konventionellen militärischen Möglichkeiten, um Pakistan anzugreifen, wann und wo es wollte. Drittens: Der beiderseitige Besitz von Atomwaffen war der entscheidende Faktor für Indiens Zurückhaltung. Tatsächlich ist von diesen drei Erklärungen die letzte wohl die plausibelste. Zwar hat der von Seiten Amerikas ausgeübte Druck eine bedeutende Rolle dabei gespielt, dass Indien überhaupt erst von einem Angriff abgesehen hat. Es ist ebenso wahr, dass Indien unmittelbar nach dem Angriff vom 13. Dezember 2001 einfach nicht über die notwendigen militärischen Mittel verfügte, um einen raschen, entscheidenden Schlag gegen Pakistan auszuführen. Doch keine dieser Erklärungen trifft gleichermaßen auf die zweite Phase der Krise zu, die durch den Angriff vom 14. Mai 2002 auf die Militärbasis in Kaluchak ausgelöst wurde. Indien verfügte über ausreichende militärische Mittel und hätte Pakistan einen beachtlichen Schlag versetzen können. Ein solcher Schlag wäre zwar keine große Überraschung gewesen, denn die pakistanischen Streitkräfte wären darauf vorbereitet gewesen. Trotzdem hätte er Pakistan empfindlich treffen können. Letzten Endes hielt sich Indien deshalb zurück, weil es erkannt hatte, dass ein umfassender konventioneller Angriff auf Pakistan dessen Militärregime möglicherweise dazu getrieben hätte, mit Atomwaffen zu drohen.
Im Anschluss an diese Krise ließen sich beide Länder endlich von den USA dazu bewegen, den Weg eines Friedensprozesses einzuschlagen und gemeinsame Gespräche zu verschiedenen Themen aufzunehmen, den so genannten composite dialogue.
Die Zukunftsperspektiven
Wie könnte eine Lösung für diesen offenbar unlösbaren Konflikt aussehen? Es muss betont werden, dass Pakistan nach dem Krieg 1971 und der Staatsgründung Bangladeshs, wenngleich noch immer uneins mit Indien, seinen Anspruch auf Kaschmir fast aufgegeben hatte. Erst der Aufstand in Kaschmir 1989 entzündete von neuem den Eifer, die Region von Indien abzuspalten. Seitdem haben zivile und militärische Regime die Aufständischen in unterschiedlichem Maße in dem Bemühen unterstützt, das Land aus Indiens Griff zu befreien.
Dank seiner bewährten Strategie gegen Aufständische, die auf erheblichen (militärischen) Druck setzt, aber politisches Entgegenkommen in Aussicht stellt, solange auf Gewalt und separatistische Absichten (einzelner oder von Gruppen) verzichtet wird, ist es der indischen Regierung gelungen, wieder ein Mindestmaß an Ordnung im Land herzustellen. Durch eine Mischung aus brutaler Gewalt, politischen Konzessionen und der Wiederherstellung freier und fairer Wahlen hat sie es geschafft, der Rebellion den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie erreichte auch die Wiederbelebung des 2004 mit Pakistan begonnenen Friedensprozesses und suchte Gespräche mit verschiedenen unzufriedenen politischen Gruppen. Diese Gruppen, die unter der "All Party Hurriyat Conference" zusammengefasst sind, haben Gewalt bisher gescheut.
Die internen politischen Diskussionen könnten zu Zugeständnissen auf Seiten Neu Delhis und zu einer größeren Autonomie für Kaschmir innerhalb der indischen Union führen. Es ist dennoch äußerst unwahrscheinlich, dass eine indische Regierung im Falle Kaschmirs bedeutende territoriale Konzessionen macht. Indiens unnachgiebige Haltung in Bezug auf Kaschmir hat verschiedene Gründe. Zuallererst belastet die Strategie gegenüber den Aufständischen, entgegen der allgemeinen Auffassung, den indischen Fiskus nicht über Gebühr.
Angesichts Indiens starker Abneigung gegenüber territorialen Konzessionen und Pakistans unbeugsamem Wunsch, den verbleibenden Teil Kaschmirs von Indien zu erhalten, stellt sich die Frage, wie dieser Konflikt schließlich gelöst werden kann. Akademiker und politische Beobachter haben sehr viele einfallsreiche Lösungsvorschläge unterbreitet.
Die Weltgemeinschaft wird die sich abzeichnenden Realitäten der politischen und materiellen Macht auf dem Subkontinent anerkennen müssen. Was die materielle Stärke betrifft, waren die Unterschiede zwischen Indien und Pakistan immer schon beträchtlich. Diese Kluft wird sich in absehbarer Zukunft noch vergrößern.
Schließlich bestehen auch auf normativer Ebene grundlegende Unterschiede zwischen Indien und Pakistan. Zunächst endete Pakistans moralischer (und ursprünglicher) Anspruch auf Kaschmir im Grunde schon, als es 1971 auseinanderbrach und Bangladesh entstand. Wenn der Islam nicht alleine die Grundlage einer Staatenbildung in Südasien sein und seine Glaubensbrüder nicht auf der Basis des Glaubens zusammenhalten konnte, welchen moralischen Anspruch erhob Pakistan dann auf Kaschmir? Möglicherweise wäre der Aufstand von 1989 nicht ausgebrochen, wären nicht die Defizite der indischen Herrschaft in Kaschmir gewesen. Ohne den Aufruhr in Kaschmir hätte Pakistan weder in bilateralen noch in internationalen Foren auf die Kaschmir-Frage aufmerksam machen können. Außerdem steht Indien, wenn man seinen Umgang mit religiösem Extremismus und politischer Gewalt betrachtet, trotz seiner demokratischen Schwächen im Vergleich mit Pakistan ganz gut da.