"Was gut ist für Indien, ist auch gut für die Welt." Diese Worte des indischen Premierministers Manmohan Singh in einem Interview kurz vor dem Staatsbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Oktober illustrieren nicht nur Indiens gewachsenen Stellenwert auf der globalen Landkarte, sondern auch das neue Selbstbewusstsein des Landes als zweite asiatische Supermacht, die den Lauf der Welt entscheidend mitbestimmt. Mag China aufgrund der bevorstehenden Olympischen Spiele in Peking derzeit mehr im Fokus der Öffentlichkeit stehen - an Indien kommt die internationale Politik schon längst nicht mehr vorbei. Dabei erscheint Indien vielen westlichen Beobachtern aufgrund seiner demokratischen Ordnung sogar als "das bessere China".
Doch der Aufschwung, mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von über acht Prozent in den vergangenen vier Jahren, hat deutliche Schattenseiten. Im Verhältnis profitieren nur wenige Inder vom Boom, drei Viertel der Bevölkerung leben unter ärmlichsten Bedingungen. Zudem steigt mit dem Wachstum der Energiebedarf und damit der Ausstoß von Treibhausgasen. In den nächsten zehn Jahren wird sich Indien zu einem der größten Umweltverschmutzer entwickeln und den Klimawandel vorantreiben, von dem es zudem viel stärker betroffen sein wird, als die meisten Industrieländer. Auch hier werden vor allem die Armen die Leidtragenden sein.
Der Optimismus, die Probleme lösen zu können, war indes noch nie so groß wie heute. Das demokratische System ist fest etabliert und in der Bevölkerung akzeptiert, so dass weder Armut noch extremistische Auswüchse wie der Hindu-Nationalismus, der sich insbesondere gegen die muslimische Bevölkerung richtet, bislang eine Gefahr für die Demokratie darstellen. Ein Abflauen der Konjunktur ist nicht absehbar. Entscheidend für die Zukunft Indiens wird auch die Entwicklung seines Nachbarn Pakistan sein - solange dort halbwegs stabile Verhältnisse herrschen, ist eine Eskalation des Konflikts der beiden Atommächte um die Region Kaschmir nicht zu befürchten.