Einleitung
In den vergangenen zwanzig Jahren ist Bildung zu einem Hauptthema der Politik und einem marktfähigen, umkämpften Rohstoff geworden, der in der globalisierten Welt als entscheidendes Instrument zur Sicherung der Produktivität und nationalen Wettbewerbsfähigkeit gilt. Das britische Schulsystem, seine Zeitpolitik und die Reformierung zu einem wettbewerbsfähigen, marktorientierten System bilden einen Gegensatz zu anderen europäischen Schulmodellen, insbesondere dem deutschen.
Das ehemals dezentrale System ist heute stark zentralisiert. Gleichzeitig gibt es immer wieder Vorstöße, Bildungsgrundsätze im größeren Rahmen der Kinderbetreuung und der sozialen Verantwortung zu verankern. In diesem Zusammenhang werden Förderprogramme für die Alterstufe bis zu drei Jahren, Kinderzentren, an Eltern gerichtete Fortbildungsangebote zu Erziehungsfragen sowie um Horte erweiterte Schulen vorgeschlagen, was zur Umstrukturierung des Schultages führen würde.
Mit dem Ausbau der Kinderbetreuungsangebote und einem verlängerten Schultag soll vor allem Müttern der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Alle Erwachsenen - ob männlich oder weiblich, jung oder alt - werden zunehmend als Humankapital geschätzt, weshalb sie auf die Arbeitswelt vorzubereiten, zum Arbeiten zu ermutigen und notfalls auch zu zwingen sind. Die früher angefallenen Kosten des Wohlfahrtsstaates gelten als zu hoch und als im Wettbewerb der globalen Marktwirtschaft nicht aufrechtzuerhalten; Bildung, einst eine Säule des Sozialstaates, wird heute in Großbritannien als Vorstufe zum Wirtschaftsleben betrachtet.
In der folgenden Skizze wird das Hauptaugenmerk auf die 2003 entwickelte "Jedes-Kind-zählt"-Agenda (Every Child Matters Agenda) gelegt.
Zeitpolitik und Bildungswesen
Das staatliche Bildungssystem in Großbritannien entstand im 19. Jahrhundert aus einem Kompromiss zwischen privaten Anbietern und Kirchen-, Wirtschafts- und Arbeiterverbänden. Obwohl die allgemeinen staatlichen Schulen von Beginn an auf Ganztagsunterricht ausgelegt waren, konnte der Unterricht zunächst teilweise nur halbtags stattfinden, da die ersten Volksschulen dem Ansturm der Schüler räumlich oft nicht gewachsen waren. Anfang des 20. Jahrhunderts beschulten Volksschulen Kinder der Arbeiterklasse im Alter von fünf bis zwölf Jahren sowie weiterführende Klassen Kinder bis 14 Jahren. Oberschulen (Grammar Schools) versorgten die mittlere und untere Mittelschicht, während Kinder der Oberschicht gebührenpflichtige Privatschulen besuchten, die ihnen das Tor zur akademischen Bildung öffneten.
Die staatliche Schulausbildung umfasste vom beginnenden 20. Jahrhundert an auch medizinische und soziale Fürsorge, in deren Rahmen Schulspeisungen eingeführt wurden. Ab 1944 lag es im Aufgabenbereich der Gemeinden, Schüler mit "Milch, Mahlzeiten und weiteren Erfrischungen" zu versorgen und eine Mittagsmahlzeit anzubieten. Die gebührenpflichtigen Privatschulen waren traditionell als Internate ausgelegt oder umfassten zumindest verlängerte Schultage. Ein Grund für die in staatlichen Schulen angebotene Seelsorge war die Auffassung, Volksschulen stellten ein Mittel zur Zivilisierung und Kontrolle der Arbeiterklasse dar - vor allem, solange Arbeiterinnen in Fabriken und als Dienstpersonal tätig waren. Während des Zweiten Weltkrieges arbeiteten Frauen aller Schichten außerhalb des eigenen Heims. Die Kinderbetreuung wurde ausgebaut, doch nach 1945 wurden die Einrichtungen wieder geschlossen. Die Länge des Schultages wurde indes nicht in Frage gestellt.
Ein einstimmig verabschiedetes Gesetz von 1944 verlangte mehr Chancengleichheit in der Bildung, setzte eine Trennung von Grund- und Sekundarschulen beim Alter von elf Jahren an und erhöhte das Entlassungsalter auf 15 (1973 auf 16) Jahre, behielt jedoch die Aufteilung mit elf Jahren für Ober-, Haupt- (Secondary Modern Schools) und vereinzelt Mittelschulen (Technical Schools) bei. Der Wiederaufbau in der Nachkriegszeit verlangte einen raschen Einsteig der Arbeiterkinder ins Wirtschaftsleben. Die einflussreiche Elite wurde weiterhin in gebührenpflichtigen Schulen außerhalb des staatlichen Systems erzogen. Das Gesetz erhöhte die sozialen Angebote - neben den Mahlzeiten wurden der kostenlose Schultransport, Kleidergeld und zusätzliche ärztliche Untersuchungen eingeführt. Der Schultag endete gegen 16 Uhr, so dass einige Mütter einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen konnten.
In den 1960er Jahren erkannten alle Parteien die Notwendigkeit einer umfangreicheren Ausbildung für mehr junge Menschen, und es entstand eine Gesamtschulbewegung. Am Ende des Jahrzehnts hatten etwa zwei Drittel der Gemeindebehörden von einer frühen Zuteilung auf die verschiedenen Schulformen Abstand genommen, obwohl bis heute ein Drittel die Aufteilung ganz oder teilweise aufrecht erhält. Um die übrigen Oberschulen entbrannte ein Wettkampf, der mit einer Zunahme des Nachhilfeunterrichts für Kinder einherging. Die Entwicklung eines umfassenden Gesamtschulwesens verzögerte sich aufgrund der Haltung konservativer Kräfte, welche an einer Auslese anhand von "Begabung" und überdurchschnittlicher "akademischer" Bildung für Fach- und Führungskräfte festhielten. Die Labour-Regierung (1974/79) verfolgte eine egalitäre Agenda und verabschiedete 1975 ein Gesetz zur Gleichberechtigung der Geschlechter. Es sollte Forderungen nach gleichwertigen Gehältern und Arbeitsmöglichkeiten für Frauen unterstützen und wurde von der Frauenbewegung mitgetragen. Diese hob die Notwendigkeit für Kinderbetreuung und Krippen hervor, wenn Frauen Ganztagsstellen annehmen sollten.
Bildungsreformen 1980/1997
Ende der 1970er beschuldigten Politiker aller Parteien die Schulen, bei der beruflichen Vorbereitung der zukünftigen Arbeitskräfte versagt zu haben. 1979 übernahm die konservative Partei unter Margaret Thatcher die Regierung und begann mit dem marktwirtschaftlichen Umbau des Bildungswesens. Wettbewerb zwischen den Schulen wurde durch die freie Schulwahl zwar erreicht, bedeutete aber nur, dass Eltern ihre Wünsche angeben durften, dass die Kompetenzen der Kommunalbehörden verringert wurden bei gleichzeitiger Zunahme der privaten und betriebswirtschaftlichen Interessen im Bildungssektor und dass die Lehrinhalte und Leistungsüberprüfungen zentralistisch kontrolliert wurden. Grundschulen durften Kinder im Alter von vier Jahren in die Vorbereitungsstufe aufnehmen, allerdings ohne dafür zusätzliche finanzielle Mittel zu erhalten. Aus diesem Grund fehlte es sowohl staatlichen als auch privaten Vorschuleinrichtungen an Plätzen.
Unter Thatcher veränderte sich das Verständnis von den Verantwortlichkeiten des Staates, und so wurde der Verkauf von Staatsunternehmen sowie die Leitung von Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen möglich. Innerhalb von siebzehn Jahren verabschiedete die konservative Regierung rund zwanzig Gesetze zu Schulstrukturen und -leitung, Finanzierung, Lehrinhalten, zum tertiären Bildungsbereich sowie zur Berufs- und Lehrerausbildung. Mit der Verteilung von Kindergartengutscheinen an Eltern sollte auch die Früherziehung privatisiert werden, doch blieb dieser Ansatz erfolglos. Nach langen Gehaltsverhandlungen Mitte der 1980er Jahre legte der Bildungsminister die Stundenzahl für Lehrkräfte fest, woraufhin viele Lehrer die ehrenamtliche Mittags- und Hortbetreuung aufgaben.
Trotz des Widerstands gegen das Gesamtschulmodell wurde diese Form der weiterführenden Schulausbildung fortgesetzt. Bis zum Jahr 1990 besuchten etwa 85 Prozent aller Schüler eine Gesamtschule und strebten einen Realschulabschluss (General Certificate of Secondary Education/GCSE) mit 16 bzw. die Allgemeine Hochschulreife (Advanced Level) mit 18 an. Der Bildungsstandard, insbesondere der von Mädchen, stieg - gemessen an staatlichen Prüfungen - allmählich an. Frauen waren nun an den Hochschulen und in zuvor von Männern dominierten Arbeitsbereichen stärker vertreten, obgleich die Mehrheit weiterhin schlecht bezahlten Teilzeitbeschäftigungen nachging.
Das Schulreformgesetz von 1988 führte insbesondere für Mütter zu Schwierigkeiten. Eltern mussten für ihre Kinder fortan die Grund- und auch die Sekundarschule "auswählen", statt sie auf eine Schule in der Nachbarschaft zu schicken. Die Mütter trugen die Hauptlast, denn meist waren sie es, die die Kinder zur nun weiter entfernten Schule transportierten.
Die Regierung versuchte, eine direkte Beteiligung des Privatsektors im Bildungswesen zu fördern, indem sie Arbeitgeber als Sponsoren für City Technology Colleges
Bildungswesen, Kinderbetreuung seit 1997
Die 1997 gewählte New-Labour-Regierung machte Bildung zu einer ihrer Prioritäten. Mit Ausnahme von 2003 wurde zwischen 1997 und 2008 jedes Jahr mindestens ein Schulgesetz verabschiedet. Verordnungen, Richtlinien und Initiativen überschwemmten die Schulen. Das von den Konservativen propagierte Vertrauen in die Märkte, einhergehend mit freier Schulwahl, Wettbewerb zwischen Schulen und einem stärkeren Eindringen der Privatwirtschaft in Schulen und Gemeinden, wurde weiterhin akzeptiert. Wenn kommunale Behörden als nicht zufriedenstellend bewertet wurden, übernahmen private, gewinnorientierte Anbieter deren Dienstleistungen. Bildung wurde zur Handelsware. Eltern wetteiferten um die "besten" Vor-, Grund- oder Sekundarschulen; vor allem Eltern aus der Mittelschicht entwickelten Strategien wie den Kauf ihres Hauses in unmittelbarer Nähe "guter" Schulen. Die Regierung verpflichtete sich, "Schulvielfalt" zu fördern, um die konkurrenzbetonte Schulwahl zu unterstützen.
Das Schools Standards and Framework Act von 1998 erlaubt Schulen, sich selbst als Stiftungsschule (Foundation School), ehrenamtlich geförderte (religiöse) Schule (Voluntary - Aided [religious] School) oder Gemeinschaftsschule (Community School) zu bezeichnen. Sie unterscheiden sich insofern, als die beiden erstgenannten ihre Gebühren selbst kontrollieren und finanzielle Mittel direkt vom Staat beziehen. Die Gründung weiterer religiös ausgelegter Schulen - mehrheitlich der anglikanischen und der römisch-katholischen Kirche unterstehend - wurde angeregt. 2002 regte Tony Blair einen neuen, als Akademie bezeichneten Schultyp an. Es handelt sich um halbprivate, "unabhängige" Schulen, die als GmbH aufgebaut sind und durch Unternehmen, Glaubensgemeinschaften oder wohltätige Organisationen finanziert werden. Tatsächlich kontrollierten die Sponsoren nun aber auch die Lehrpläne, die Aufnahme bzw. Ablehnung von Schülern und die Anstellung von Lehrkräften. Bis 2006 waren bereits 44 Akademien eröffnet worden und bis zu 400 weitere geplant. Im selben Jahr wurden durch ein weiteres Schulgesetz Trust Schools eingeführt, womit alle Grund- und Sekundarschulen gemeint sind, die sich zu wohltätigen Stiftungen erklärt und sich der Kontrolle durch Kommunalbehörden entzogen hatten.
Die Ergebnisse einer Langzeitstudie zur erfolgreichen Förderung in den ersten Lebensjahren führten zur Schlussfolgerung, dass sich die Früherziehung durch die Verflechtung von Betreuung und schulischer Bildung, einem Grundlagenlehrplan für Kleinkinder sowie den Fokus auf Familien und Kindern gewandelt habe. Sie warfen jedoch auch die Frage auf, ob der Ausbau von Betreuungseinrichtungen nicht in Wirklichkeit durch die Absicht vorangetrieben worden war, eine größere Zahl der Eltern wieder dem Arbeitsmarkt zuzuführen.
1998 wurde ein Konzept zur landesweiten Kinderbetreuung vorgestellt. Ziel war es, eine Million neuer Betreuungsplätze zu schaffen und die Zahl der Sozialhilfeempfänger um 250 000 Familien zu reduzieren, da diese Eltern nun einer beruflichen Tätigkeit nachgehen konnten. Das Vorhaben versprach erneut eine kostenfreie Schulbildung für Vierjährige und so genannte "frühkindliche Spitzenleistungszentren" (Early Excellence Centres), die als Vorbild für die Integration von schulischer Ausbildung und Kinderbetreuung dienen sollten. Ein Regierungspapier, Meeting the Child-Care Challenge,
2004 wurden die Ministerien angehalten, einen Fünfjahresplan zu erstellen; das Bildungsministerium reagierte mit einem hundertseitigen Papier. Die darin beschriebene Strategie war angeblich dazu geeignet, die Bildungs- und Jugendeinrichtungen zu personalisieren, Wahlmöglichkeiten zu erweitern, Serviceangebote für neue Anbieter zu öffnen, Rektoren und Schulleitern mehr Freiheiten zuzugestehen sowie die Lehrerfortbildung und die Zusammenarbeit mit Eltern, Arbeitgebern, Kommunalbehörden und gemeinnützigen Verbänden zu verbessern. Die Initiative umfasste Pläne für Extended Schools, die eine auch als educare bezeichnete Rundumbetreuung für Grundschüler von 8 bis 18 Uhr anbieten sollten. 2004 veröffentlichte die Regierung einen Zehnjahres-Kinderfürsorgeplan, der die Regierungsgrundsätze in den Kontext des sich verändernden Arbeitsmarktes einbringen, Zugänge zu privaten und ehrenamtlichen Betreuungsangeboten ermöglichen und hochwertige frühkindliche Erziehung bereitstellen sollte sowie von allen Schulen die Umwandlung in erweiterte Schulen bis 2010 verlangte. Ein weiteres Dokument von 2006 enthielt einen sechs Kapitel umfassenden Aktionsplan.
"Jedes Kind zählt"
Im Jahr 2003 legte ein Papier neue Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche bis 19 Jahren fest. Die Gesetzgebung erfolgte 2004 in Form eines Kinderfürsorgegesetzes; der Schlüssel zu einer Versorgung durch vernetzte Dienste waren Kinderzentren und erweiterte Grund- und Sekundarschulen. Auf Landesebene wurde über die Einführung eines Kinderministers und einer -beauftragten nachgedacht, und auf regionaler Ebene sollten die Leiter der Jugendämter die Verantwortlichkeiten in Bildungs- und Sozialeinrichtungen zusammenführen.
Bis heute verabschiedet die Regierung Gesetze und Richtlinien zur Kinderfürsorge, den ersten Lebensjahren und zu Erziehungsfragen. Auch die Vorschläge des Zehnjahres-Kinderfürsorgeplans sollten von den Einrichtungen umgesetzt werden. Ein Schulgesetz von 2006 verpflichtete Schulen, die Einbeziehung von Randgruppen und den Gemeinschaftssinn zu fördern; ein Jugendgesetz desselben Jahres verlangte von Kommunalbehörden die Verbesserung des Wohlergehens von Kindern unter fünf, die Bereitstellung von ausreichenden Betreuungseinrichtungen für Kinder berufstätiger Eltern sowie Beratungs- und Unterstützungsangebote. Es folgte ein Papier mit dem Titel Every Parent Matters,
Die Unmenge an Gesetzen, Richtlinien und Initiativen im Bildungswesen und der Kinderfürsorge seit 1997 und besonders seit 2003 hat unter Fachleuten für Verwirrung und Skepsis gegenüber den Motiven der Regierung gesorgt. Darüber hinaus hat sie zu Unklarheit in der Aufgabenverteilung der Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen und anderer Sozial-, Gesundheits- und Jugendrechtsdienste geführt. Die Maßnahmen der New-Labour-Regierung zielten besonders auf solche Eltern, die in der Beaufsichtigung ihrer Kinder als unfähig galten. Im Jugendrechtssystem konnten schon Kinder im Alter von zehn Jahren einen Bescheid wegen unsozialen Verhaltens (Anti-Social Behavioural Order/ASBO) erhalten und ihre Eltern mit einem Bußgeld wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht belegt werden. Daneben konnten Eltern zu einer Haftstrafe verurteilt werden, wenn ihre Kinder der Schulpflicht nicht nachkamen.
Eine Untersuchung durch den nationalen Kinderschutzverein NSPCC hob hervor, dass die Gemeinden nicht länger die Aufsicht über die Schulen - vor allem die Akademien und Trust Schools - in ihrem Bezirk ausübten und daher von den Schulen keine Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Ziele einer vernetzten Versorgung verlangen könnten.
Das offizielle Einschulungsalter beträgt fünf Jahre, obwohl 2008 fast 70 Prozent der Vierjährigen in Programmen zur kindlichen Früherziehung untergebracht sind und die Gesetzgebung eine Änderung des Schulabgangs- oder Berufsausbildungsalters auf 18 Jahre vorbereitet. Neue Agenturen und Akteure sind in den gesamten Bereich der Bildungspolitik involviert, und die Grundschulen sind Objekt immer weiterer Anforderungen der Schulaufsichtsbehörde (Office for Standards in Education Inspectorate/Ofsted), die nun sowohl für die Inspektion aller Einrichtungen für Kleinst- und Kleinkinder als auch für Schulen, für die Prüfungsaufsichtsbehörde (Qualifications and Curriculum Authority/QCA), für die Schulentwicklungsagentur (Training and Development Agency for Schools/TDA) und für private Firmen wie Capita zuständig ist, die wiederum die Aufsicht über die National Primary Strategy
2006 begann an der Universität Cambridge eine unabhängige Untersuchung zum Grundschulunterricht, die auf eine Dauer von vier Jahren ausgelegt ist und an der über 70 Wissenschaftler beteiligt sind. Bis heute hat diese Studie eine Reihe von Untersuchungsberichten hervorgebracht und ist zu einer weitgehend negativen Einschätzung der Reformen im Grundschulwesen gelangt. Das Fazit lautet, dass "die Regierung (...) ihre Position durch so etwas wie eine staatliche Lerntheorie gefestigt (hat). Diese basiert auf der Vorstellung, dass eine Kombination aus immer wiederkehrenden schicksalhaften Prüfungen, einem landesweiten Lehrplan und für den Rechen- und Schreibunterricht angeordneter Didaktik den Standard anheben wird."
Schlussbemerkung
Die Zeitpolitik des Schulwesens in Großbritannien befindet sich in einem enormen Wandel. Staatliche Ganztagskinderbetreuung vom Zeitpunkt der Geburt an, die frühzeitige Schulerziehung nach staatlicher Maßgabe, erweiterte Schulen und eine Umgestaltung des Schultages und darüber hinaus staatlich vorgeschriebene Lehr- und Lerninhalte signalisieren, dass die Regierung eine genaue Vorstellung davon hat, welche Bürger und welches Land sie regieren möchte. Bildung ist dem Druck der Weltwirtschaft untergeordnet, und die Intensität und Dringlichkeit von Innovationen reflektiert die Geschwindigkeit des Wandels dieser Wirtschaft. Großbritannien hat den Sozialstaat hinter sich gelassen und ist zu einer Marktgesellschaft geworden, in welcher der Einzelne Konsument, Arbeitskraft und Humankapital ist. Die Schaffung einer anpassungsfähigen, berufstätigen Bevölkerung, in der alle Erwachsenen ihren Teil zum Sozialprodukt beitragen oder andernfalls damit rechnen müssen, dass soziale Leistungen gekürzt oder entzogen werden, ist eines der Hauptziele der Regierung. Das äußert sich in Phrasen, denen zufolge nur der kontinuierliche Prozess des individuellen Lernens, Umschulens und der Arbeitssuche eine konkurrenzfähige Wirtschaft hervorbringt.
Die Kinderfürsorge-Agenda, ein verlängerter Schultag und erweiterte Beschulung erleichtern es Frauen zweifellos, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen - allerdings meist in schlechter bezahlten und weniger spezialisierten Tätigkeiten -, und es bestehen für Frauen aller sozialen Schichten mehr Wahlmöglichkeiten als noch vor einer Generation. Dennoch ist die Agenda auch Teil neuerlicher Übergriffe durch den Staat, die alle Bereiche des Familienlebens und der Kindererziehung betreffen und einen Schwerpunkt auf die soziale Kontrolle von Eltern und Kindern legen, die sich nicht den Erwartungen entsprechend verhalten. Gleichzeitig bedeutet die Privatisierung weiter Bereiche der Kinderbetreuung und des Schulwesens, dass ein großer Teil der frühkindlichen Versorgung und Beschulung nicht mehr Teil der öffentlichen Infrastruktur ist.