Einleitung
Für die Vereinigten Staaten von Amerika war der Vietnamkrieg eines der umstrittensten Ereignisse des 20. Jahrhunderts.
Bevor ich die Punkte im Detail anspreche, die den Vietnamkrieg zu einer schwierigen Herausforderung für die USA und das amerikanische Volk werden ließen, ist es von wesentlicher Bedeutung, sich einige der entscheidenden Momente des Krieges in Erinnerung zu rufen, denn diese hatten unmittelbare und tief greifende Auswirkungen auf die Meinungsbildung in den USA nach dem Krieg. Zudem scheint der damalige Kontext des Krieges in Vergessenheit geraten zu sein, sodass es sich lohnen könnte, hier an diesen zu erinnern und den Leserinnen und Lesern zu vermitteln, dass der Vietnamkrieg nicht aus einem Vakuum entstanden ist, sondern vielmehr in einem lebendigen und komplexen Zusammenhang zu sehen ist - einer, den wir alle heute leicht nachvollziehen können, weist doch der aktuelle Krieg gegen den Terrorismus einige bemerkenswerte Ähnlichkeiten auf.
Den Hintergrund für den Vietnamkrieg bildeten die Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs und der Aufstieg einer militanteren Form des internationalen Kommunismus. Zur damaligen Zeit stellte für viele in den USA und Europa der Kommunismus die größte Bedrohung für unser politisches, wirtschaftliches und kulturelles Weltbild und unsere Lebensanschauung dar. 1945 begann mit der Ausdehnung der Sowjetunion und dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa der Kalte Krieg; dieser definierte die internationalen Rahmenbedingungen, innerhalb derer es zum Vietnamkrieg kam.
Kontext Kalter Krieg
Der Vietnamkrieg ist ganz wesentlich vor dem Hintergrund des Kalten Krieges zu sehen, denn er war der grundlegende Katalysator für die Intervention der USA in Vietnam. Als Präsident Franklin D. Roosevelt von der Selbstbestimmung der Nationen und den Problemen infolge des Kolonialismus sprach, hörten jene Menschen am gespanntesten zu, die in Ländern wie Vietnam lebten. Es waren Ho Chi Minh und andere Nationalisten, die wünschten, dass die Kolonialmächte ihre Länder verlassen hätten, und die den USA glaubten - dass sie nämlich die Kolonialmächte endlich aus ihren Ländern vertreiben könnten, wenn sie mit den USA gegen Japan kämpften. Eine der schicksalhaftesten Entscheidungen nach dem Zweiten Weltkrieg bestand darin, dass die USA dieses Versprechen brechen mussten, damit Frankreich der NATO beitrat und dabei half, Stabilität in Westeuropa zu garantieren. Als Präsident Harry Truman 1946 die beiden Übel seiner Zeit miteinander verglich, überstieg die Angst, der Kommunismus könne sich auf Westeuropa ausdehnen, alle Befürchtungen bezüglich einer Rückkehr des Kolonialismus nach Asien. Nach dem Entzug der Unterstützung durch die USA hatte Ho Chi Minh kaum eine andere Wahl, als sich bei seinem Streben nach Unabhängigkeit von der französischen Kolonialmacht andere Schirmherren zu suchen, wandte sich an die Sowjetunion und trat als unmittelbarer Gegner der Interessen der USA und Westeuropas in den Kalten Krieg ein.
Trotz der Probleme, mit denen Frankreich während des Krieges in Indochina konfrontiert war, boten die USA kaum Unterstützung an, hauptsächlich wegen der mit dem Kalten Krieg in Zusammenhang stehenden Krise auf der koreanischen Halbinsel. Der Konflikt zog die kriegsmüde amerikanische Öffentlichkeit in einen neuen Krieg in Asien hinein und kostete die USA mehr als 36 000 Tote und 100 000 Verwundete. Nach dem Patt, das durch die Entsendung einer riesigen Anzahl chinesischer Soldaten nach Nordkorea entstanden war, brachten nur noch wenige Menschen in den USA auch nur geringe Sympathie für ein umfassenderes militärisches Engagement in Vietnam auf. Frankreich musste dort alleine überleben und hielt dieser Herausforderung 1954 in der Schlacht von Dien Bien Phu nicht mehr stand.
Die Genfer Konferenz 1954 bereitete den Boden für die Fortdauer des Konfliktes in Vietnam. Amerikanische und andere Politiker beschlossen mit Blick auf Korea eine Wiederholung der Nord-Süd-Teilung. Nordvietnam stand nun unter der Führung von Präsident Ho Chi Minh, der das sowjetische Modell des Kommunismus, der Kollektivierung und der Einparteienherrschaft übernahm. In Südvietnam dagegen, so hofften die USA, würde Präsident Ngo Dinh Diem seine Macht auf der Grundlage des markwirtschaftlichen Kapitalismus und einer republikanischen Demokratie nach dem Vorbild der USA konsolidieren können. Der Versuch, das Nord-Süd-Modell von Korea zu übernehmen, brachte jedoch zahlreiche Probleme mit sich. Anders als Korea war Vietnam keine von Wasser umschlossene Halbinsel, und die bestehende Landverbindung von Nordvietnam durch Laos und Kambodscha bis ins Innere Südvietnams führte schließlich zur Schaffung eines ausgedehnten logistischen Transportnetzes, Ho-Chi-Minh-Pfad genannt. Die Lage wurde zusehends komplizierter, weil Nordvietnam, anders als Nordkorea, weder demoralisiert noch entkräftet war, militärische und industrielle Ressourcen aufbringen konnte und das nordvietnamesische Volk willens war, einen langwierigen Konflikt mit Südvietnam durchzustehen. Schließlich und endlich blieb Südvietnam, anders als Südkorea, nach 1954 politisch instabil, was die Möglichkeit eines erfolgreichen Aufstandes dort vergrößerte.
Amerika in Vietnam
Die Zeit des direkten und indirekten Engagements der USA in Südostasien dauerte von 1954 bis 1973. In diese kritischen Jahre fielen einige höchst umstrittene Entscheidungen, die von Wissenschaftlern und Studenten der Geschichte und der Politikwissenschaften sowie von Veteranen und Laien bereits erschöpfend untersucht worden sind. Jeder amerikanische Präsident traf folgenschwere Entscheidungen, die nach und nach den Weg für das Engagement in Vietnam ebneten. Präsident Dwight Eisenhower schien zu glauben, Laos sei der Schlüssel, um Südostasien vom Kommunismus frei zu halten, während sein Nachfolger John F. Kennedy im Laufe der drei kurzen Jahre seiner Präsidentschaft die Präsenz der USA in Südvietnam von 1000 auf 16.000 Berater erhöhte. Die vielleicht kontroverseste Entscheidung Kennedys bestand darin, den Staatsstreich, der zur Ermordung des südvietnamesischen Präsidenten Ngo Dinh Diem führte, stillschweigend zuzulassen. Es besteht kein Zweifel daran, dass die darauf folgende politische Entwicklung in Südvietnam ein Führungsvakuum hervorrief, von dem sich das Land nie mehr erholen sollte.
Mit der Ermordung Kennedys und dem Auftreten Lyndon B. Johnsons auf der politischen Bühne hielt eine neue Sichtweise Einzug in das Weiße Haus. Unter Johnson begannen die USA infolge der umstrittenen Ereignisse am Golf von Tonkin vor der nordvietnamesischen Küste im August 1964, konventionelle Bodentruppen in Südvietnam zu stationieren. Der Kongress nahm vorgebliche nordvietnamesische Angriffe auf amerikanische Schiffe im Golf zum Anlass, die Tonkin-Resolution zu verabschieden, die weit reichende Befugnisse enthielt. Da es damals schon Beweise gab, dass der zweite Angriff niemals stattgefunden hatte, sind das amerikanische Volk und der Kongress heute viel kritischer und ziehen die Argumentation ihrer Präsidenten in Zweifel, wenn diese aufgrund vermeintlicher Aktionen vermuteter Feinde zu Kriegshandlungen aufrufen. Diese kritische Haltung haben wir auch im Zusammenhang mit der Behauptung beobachtet, der irakische Diktator Saddam Hussein habe Massenvernichtungswaffen gehortet.
Die Tonkin-Resolution 1964 führte zu massiven Luftangriffen auf Nordvietnam und zur Entsendung amerikanischer Bodentruppen nach Südvietnam, womit die USA erhebliches Prestige in den Ausgang des Krieges in Südostasien investierten. Für den Kriegsdienst in Vietnam wurde eine große Anzahl amerikanischer Soldaten benötigt, und die Regierung musste immer mehr junge Männer zum Militärdienst einberufen. Kaum ein innenpolitisches Thema war in den USA so umstritten. Während es scheint, dass die "schweigende Mehrheit" der Amerikaner den Krieg von Anfang an befürwortete, äußerte eine lautstarke Minderheit der jungen Männer und Frauen im Collegealter ihren Protest. Wehrdienstverweigerung auf Colleges und Universitäten im ganzen Land wurde zum ernsten Problem für die Regierungen Johnson und Nixon, das sich erst mit der Aufhebung der Wehrpflicht durch Präsident Richard Nixon auflöste. Die offene Feindseligkeit gegenüber dem Krieg in Vietnam, die an den meisten amerikanischen Hochschulen herrschte, hatte tief greifende Folgen, die bis zum heutigen Tag spürbar sind.
Im Verlauf des Krieges bauten die USA eine massive Militärpräsenz auf, die schließlich über 500 000 Männer und Frauen umfasste. Der Wendepunkt kam schließlich unter anderem durch die Tet-Offensive 1968, ein gewaltiger Angriff der Nordvietnamesen, der zwar scheiterte, jedoch bedeutende psychologische Auswirkungen auf das amerikanische Volk hatte. Die amerikanischen Medien verstärkten seine Wirkung, berichteten von der Offensive als Beweis für die unverminderte Stärke des Vietkong und der Nordvietnamesen und als Zeichen dafür, dass der Krieg in Vietnam, entgegen früherer Berichte von General William Westmoreland, noch lange nicht vorüber sei. Drei Monate nach Beginn der Offensive traf Johnson den verhängnisvollen Entschluss, die Nominierung durch seine Partei nicht anzunehmen und sich der Wiederwahl nicht zu stellen, und in den USA schwand der politische Wille, den Krieg fortzusetzen, bis die Streitkräfte 1973 abzogen. Der Krieg ging weiter, als Präsident Nixon gewählt wurde, der sich jedoch aufgrund der nachlassenden Unterstützung der Bevölkerung der USA für den Krieg gezwungen sah, zunehmend südvietnamesische Truppen auszubilden, damit diese die Last der Kämpfe in immer größerem Ausmaß übernehmen konnten. Nixon zog die US-Truppen nach und nach ab, während er einen "ehrenhaften Frieden" auszuhandeln versuchte - 1973 kam es zur Unterzeichnung des Pariser Friedensabkommens. Von diesem Zeitpunkt an mussten sich die Südvietnamesen alleine verteidigen, was sie tapfer taten, bis ihnen der amerikanische Kongress 1974 und 1975 jede Unterstützung entzog und sie im Kampf gegen die nordvietnamesische Armee, die über die weit bessere Ausrüstung sowie großen Rückhalt in der Bevölkerung verfügte, sich selbst überließ. Sie unterlagen 1975, und Saigon fiel am 30. April desselben Jahres.
Amerika nach Vietnam
Welchen Einfluss hatte der Vietnamkrieg auf die USA und ihre Bürger, welchen Einfluss übt er bis heute auf die USA aus? Die Frage ist viel zu komplex, um sie in diesem kurzen Aufsatz erschöpfend beantworten zu können. Es gibt jedoch einige zentrale Aspekte, die wir zumindest erwähnen können und sollten. Die vielleicht tief greifendste Auswirkung bestand darin, dass das Scheitern der USA in Vietnam das amerikanische Volk dazu veranlasst hat, ihre Regierung auf eine Art und Weise in Frage zu stellen, wie es das nie zuvor getan hat. Seitdem zweifeln die USA an sich selbst und an ihrer Rolle in der Welt. Zum ersten Mal in der Geschichte hatten die USA einen Krieg verloren. Wie war das möglich, noch dazu gegen ein kleines südostasiatisches Land? Manche Beobachter meinen, das habe zu einem beachtlichen Ausmaß an Selbstkritik geführt; andere mögen gar von Selbsthass sprechen, wenn manche Amerikaner unserem wirtschaftlichen und politischen System und unserem Way of Life übermäßig kritisch gegenüber stehen.
Berichte von Gräueltaten der Amerikaner in Vietnam während des Krieges und danach trugen dazu bei, dass die moralische Stellung der USA in der Welt angezweifelt wurde. Unsere Geschichte und unser fester Glaube an den Primat der Menschenrechte machten es beinahe unerträglich, sich mit Kriegsverbrechen wie dem Massaker von My Lai auseinanderzusetzen. Die USA haben sich stets als Beschützer der Unschuldigen und als Leuchtfeuer für alles Gute und Rechte gesehen - als strahlendes Vorbild für Freiheit und Demokratie, zu dem alle Nationen aufschauen und dem sie nacheifern sollten. Das sind Kernmythen, die in der kollektiven Psyche und Seele der Amerikaner ruhen. In jüngster Vergangenheit haben Darstellungen im Zusammenhang mit der Tiger Force, einer Kommandoeinheit, die 1967 in Vietnam zahllose Kriegsverbrechen beging, und andere Vorfälle die Amerikaner erneut dazu veranlasst, den Vietnamkrieg und die Rolle Amerikas überhaupt in Frage zu stellen. Wie konnten American boys so etwas tun? Diese scheinbar isolierten Ereignisse waren insofern bedeutsam, als sie den Glauben der Amerikaner an sich selbst untergruben, machtvolle und langlebige Mythen über den Vietnamkrieg schufen und große Spannungen zwischen den Veteranen, die aus dem Krieg heimkehrten, und den amerikanischen Bürgern an der Heimatfront hervorriefen.
Eine einseitige und ungenaue Medienberichterstattung aus Vietnam trug erheblich zu dieser Distanz bei, die zwischen den amerikanischen Männern und Frauen, die in Vietnam gedient hatten, und dem amerikanischen Volk an der Heimatfront entstand. Die Heimkehrer hatten es nicht leicht, was ihre Familien, Freunde und Mitbürger betraf. Dies wurde zusätzlich durch die Geschwindigkeit erschwert, mit der die Soldaten bisweilen zurückkehrten: Sie konnten noch an einem Tag mitten im Kampf stehen und buchstäblich zwei Tage später zurück in den USA, bei ihren Familien sein. Was ihre Heimkehr zusätzlich erschwerte, war die Tatsache, dass nur wenige an der Heimatfront den Krieg wirklich verstanden. Es handelte sich um den ersten Krieg weltweit, der sozusagen im Fernsehen übertragen wurde, und bei dem den amerikanischen Fernsehzuschauern Abend für Abend in den Nachrichten die neuesten Meldungen über die Kriegshandlungen in die Wohnzimmer geliefert wurden. Dieser ständige Informationsfluss war zweifellos ein Grund für die zunehmende Kriegsmüdigkeit vieler Amerikaner; 1973 wollte kaum jemand mit heimkehrenden Veteranen oder sonst jemandem über den Krieg sprechen. Das Thema wurde immer unpopulärer, sodass einige nationale Veteranenverbände ihre Kollegen aus dem Vietnamkrieg zu meiden begannen, was zu gewaltigem Unmut auf Seiten einiger Vietnamveteranen führte. Das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, der Unfähigkeit der Veteranen, sich mit den Amerikanern in der Heimat zu identifizieren, ihre Ausgrenzung durch Veteranen früherer Kriege, das Fehlen einer ausreichenden Zeitspanne, um wieder Anschluss an das bürgerliche Leben zu finden und das Stigma, zu den ersten Amerikanern zu zählen, die einen Krieg verloren haben, führte dazu, dass sich viele Vietnamveteranen ausgestoßen fühlten und sich zurückzogen.
Ein großer Teil der Vorstellungen und Sichtweisen über "Amerika nach Vietnam" ist fiktional, vor allem durch Hollywoodfilme, ausgeschmückt oder gar erst kreiert worden. Vietnamveteranen sind Vietnamfilmen gegenüber meist sehr kritisch eingestellt, darunter auch Filmen wie "Platoon" des Regisseurs und Vietnamveteranen Oliver Stone. Hollywoods Versäumnis, die Erfahrung der Veteranen präzise einzufangen, hat zur Vertiefung der Kluft zwischen den Veteranen und dem Rest der amerikanischen Gesellschaft beigetragen. Auf der Suche nach Gemeinschaft und Kameradschaftsgeist schlossen sich Vietnamveteranen zusammen und begannen, eigene Verbände und Organisationen zu gründen. Heute bestehen Hunderte von diesen Verbänden, in denen sich Veteranen zusammengefunden haben, die während des Krieges in verschiedenen militärischen Einheiten gedient haben. Bei manchen liegt der Gründung eine gemeinsame Erfahrung zugrunde, so z.B. der Vietnam Helicopter Pilots Association. Diese Vereinigung ehemaliger Offiziere und Kompaniefeldwebel ist eine der größten in den USA und umfasst über 10 000 ehemalige Hubschrauberpiloten, die in Vietnam gedient haben.
Ebenso, wie sie mit den Darstellungen des Vietnamkrieges in Hollywoodfilmen unzufrieden sind, haben viele Veteranen das Gefühl, dass die Geschichte ihres Kriegsdienstes auch in der akademischen Welt nicht angemessen dargestellt wird. Das hängt eng mit der Antikriegsbewegung der 1960er und 1970er Jahre zusammen, als Universitäten und Colleges zu Zentren der Antikriegsbewegung wurden. Die Mehrzahl der Universitätsprofessoren, die nach dem Krieg Geschichte lehrten, gehörten entweder einer solchen Organisation an oder verdankten ihren höheren akademischen Grad der Tatsache, dass sie den Einberufungsbefehl umgehen konnten, um ihre Ausbildung fortzusetzen. Aus diesem Grund engagieren sich viele Veteranenverbände für Projekte mit dem Ziel, die Geschichte ihrer Einheiten für die Nachwelt zu erhalten und aufzuschreiben. Das "Vietnam Center and Archive" der Texas Tech University ist als offizielles Archiv für viele Veteranengruppen von großer Bedeutung. Es sammelt und archiviert historisches Material von Veteranen und macht es der Forschung zugänglich. Damit stellt das Vietnam Archive eine wichtige Ergänzung der offiziellen Aufzeichnungen von Regierung und Militär dar, die in den National Archives und den Military Branch Archives zur Verfügung stehen.
Die ersten Schritte, um Geschichte und Gedächtnis des Vietnamkrieges in den USA miteinander zu versöhnen, folgten 1982 mit der Schaffung der Vietnam Veteran Memorial Wall und einer nationalen Parade in Washington, D.C. für alle Vietnamveteranen. Das Memorial ist eine lange, zerklüftete Mauer aus schwarzem Granit und stellt eine klaffende Wunde in der Erde dar. Es trägt die Namen von über 58 000 Amerikanern, die in Vietnam getötet wurden. Wenn die Besucher des Memorials auf den polierten Granit blicken, sehen sie die Namen Tausender Männer und Frauen, die während des Kriegseinsatzes starben; wenn sie unter die Namen blicken, sehen sie ihr eigenes Spiegelbild, das sinnbildlich für die Opfer der Lebenden steht. Das Vietnam Veteran Memorial erinnert die Amerikaner auf eindringliche Weise an die enormen Verluste, die der Krieg gefordert hat, und ist das meistbesuchte Denkmal in Washington. Fast zehn Jahre nach dem Krieg konnten die Kriegsveteranen des Vietnamkrieges wieder stolz auf den geleisteten Kriegsdienst sein.
Weitere zehn Jahre später hatten sich die Beziehungen zwischen der Regierung und der Sozialistischen Republik Vietnam (SRV) normalisiert. Dass Vietnam ein kommunistischer Satellit der Sowjetunion wurde, schmälerte zunächst die Chancen auf rasche Versöhnung. Der Kalte Krieg dauerte bis 1989, und die Regierung blieb bis zum Ende standhaft antikommunistisch. Auch nahmen die USA direkt am "Orderly Departure Program" und der "Humanitarian Operation" für Zehntausende Vietnamesen teil, die in den 1980er und 1990er Jahren aus Vietnam geflohen waren. Als diese Flüchtlinge in die USA kamen, erzählten sie von den schrecklichen Zuständen in ihrer Heimat und von Umerziehungs- und Gefangenenlagern. Die Nachkriegsjahre waren sehr schwierig für Vietnam; die Regierung der SRV kündigte schon nach einem Jahrzehnt "Doi Moi", die Erneuerung, an. Dieser politische Richtungswechsel stellte eine bemerkenswerte Abkehr vom vorhergehenden System dar. Während bis heute die Regierung der SRV dem Namen nach kommunistisch bleibt und es nach wie vor nur eine politische Partei gibt, entwickelt sich die vietnamesische Wirtschaft rasch zu einem marktwirtschaftlichen System.
Mit der Wahl Bill Clintons zum Präsidenten 1992 änderte sich die offizielle Haltung und der Zugang zum Thema Vietnam. Unterstützt vom Kongress und einer wachsenden Zahl amerikanischer Vietnamveteranen kam es unter Clinton zur Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und der SRV. Offiziell geschah dies im Juli 1995 mit der Eröffnung der Botschaften in Washington und Hanoi. Als symbolische Geste, die zeigen sollte, welchen Weg die USA seit 1975 zurückgelegt hatten, ernannte Clinton Pete Peterson zum ersten Botschafter. Peterson hatte während des Krieges in der U.S. Air Force gedient, wurde abgeschossen und verbrachte über sechs Jahre als Kriegsgefangener in Hanoi. Nach der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen reisten viele Veteranen nach Vietnam, um dort nach Sinn und Heilung zu suchen und eine Erfahrung abschließen zu können, die für viele die am nachhaltigsten prägende ihres Lebens war.
Vietnam und Irak
Auf ziemlich ironische Weise waren die Entwicklungen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 für die amerikanischen Vietnamveteranen von großer Bedeutung. Seitdem die USA in Afghanistan und im Irak-Krieg gegen die für die Anschläge verantwortlichen Terrorgruppen führen, wird den Männern und Frauen in Uniform, einschließlich aller Veteranen, von den Amerikanern wieder größerer Respekt entgegengebracht. Das "Vietnam Center and Archive" hat diese Veränderungen in Interviews mit Veteranen dokumentiert, die diesen Wandel bestätigen, was dazu geführt hat, dass mehr Vietnamveteranen an unseren Projekten teilnehmen, um über ihre Geschichte zu sprechen und sie zu bewahren.
Ein weiterer interessanter Aspekt eröffnet sich in Hinblick auf den Vietnamkrieg und den Krieg im Irak, wenn man die beiden Konflikte unmittelbar miteinander vergleicht. Der Vietnamkrieg ist immer noch Teil der "lebendigen Geschichte" der USA. Seitdem wird jeder Konflikt und jeder Einsatz militärischer Gewalt von Seiten der USA mit dem Vietnamkrieg verglichen. Da der Vietnamkrieg der erste war, den die USA verloren haben, ist es für viele Amerikaner schwierig, ihn auch mental zu überwinden. Immer wenn die USA die Option eines Militäreinsatzes erwägen, ziehen Militärbeobachter und Medienberichterstatter Parallelen zum Vietnamkrieg und wagen Vorhersagen über die Auswirkungen erwarteter Verluste und andere Faktoren. Es wurden und werden unzählige schiefe Vergleiche zwischen dem Vietnamkrieg und den Kriegen angestellt, welche die USA seither führten.
Wenn auch eine gründliche Erörterung dieses Themas hier nicht möglich ist, so gibt es doch einige verblüffende Ähnlichkeiten zwischen Vietnam und dem Irak, die nicht unerwähnt bleiben sollen. An erster Stelle muss gesagt werden, dass der Vietnamkrieg für die USA ein begrenzter Krieg vor dem Hintergrund des Kalten Krieges war, dessen Ziel es war, den globalen Kommunismus in Schach zu halten. Auf ähnliche Weise ist der Krieg im Irak ein begrenzter Krieg vor dem Hintergrund des umfassenden "Global War on Terror". Eine der bedeutendsten Herausforderungen für beide Kriegsadministrationen war und ist es, die Unterstützung des amerikanischen Volkes für langfristige Truppenstationierungen und Kämpfe nicht einzubüßen, besonders insofern, als es außerordentlich schwierig ist, in solchen begrenzten Kriegen allgemeinen Erfolg und Fortschritt in Hinblick auf einen Sieg zu messen und zu verbreiten. Das amerikanische Volk ist ungeduldig, wenn es um Krieg geht, und langeKriegszüge sind schwer aufrechtzuerhalten, wenn es nicht als wahrscheinlich gilt, dass die USA tatsächlich am Ende siegen werden.
Im vergangenen Jahrzehnt war zudem vermehrt ein gewisser Geschichtsrevisionismus hinsichtlich des Vietnamkriegs zu beobachten. Zahlreiche Veteranen und Wissenschaftler haben ernsthafte Neubewertungen vorgenommen und alternative Interpretationen von Ereignissen geliefert, die früheren historischen Arbeiten komplett widersprechen. Das liegt zum Teil an der zunehmenden Verfügbarkeit zusätzlichen historischen Materials. So bietet das "Vietnam Archive" mit seinem "Externer Link: Virtual Vietnam Archive" freien Internetzugang zu beinahe drei Millionen Seiten historischen Materials. Durch die Digitalisierung dieser Dokumente und Materialien haben Historiker nun die Möglichkeit, Dokumente zu durchforsten und aufzufinden, die vielleicht niemals entdeckt worden wären, wenn man nur an den gewaltigen Umfang an Material denkt, das händisch zu sortieren für eine Person schier unmöglich wäre. Das virtuelle Archiv stellt monatlich etwa 15 000 Seiten neuen Materials online und ist damit das dynamischste Onlinearchiv zum Vietnamkrieg. Da den Forschern immer umfassenderes Material zur Verfügung stehen wird, werden die kommenden Jahre viele neue Ideen und Interpretationen dieses turbulenten Kapitels der amerikanischen, vietnamesischen und globalen Geschichte bringen.
Bei der Neubewertung früher anerkannter Interpretationen des Vietnamkrieges wird ein geistiger Richtungswechsel in den USA erkennbar, der seine Wurzeln in der politischen Orientierung des jeweiligen Autors hat. Als eindringliches Beispiel dienen die amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2004. Damals trat eine Gruppe von Vietnamveteranen namens "Swift Boat Veterans for Truth" auf, die sich zum Ziel gesetzt hatte, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Kandidatur von Senator John Kerry, wie sie ein Vietnamveteran, zum Scheitern zu bringen. Dazu zählten archivarische Recherchen, das Verfassen von Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften und das Schreiben von Büchern, die Kerrys Militärdienst in Vietnam in Frage stellten. Wenn es auch nicht möglich ist, den Einfluss dieser Propaganda und anderer Aktivitäten auf den Ausgang der Wahlen mit Sicherheit festzustellen, so ist es doch wahrscheinlich, dass diese sehr wohl einen negativen Effekt auf Kerrys Präsidentschaftskandidatur hatten.
Das Verhalten der "Swift Boat Veterans for Truth" stellte auch eine Reaktion auf die vorherrschenden Deutungen des Vietnamkrieges dar, die in ihrer politischen Ausrichtung liberaler waren. Die "Swift Boat Veterans" und politisch konservative Autoren konzentrieren sich auf den "Mythos des Vietnamkrieges" und ziehen bestimmte, für Vietnamveteranen wenig schmeichelhafte Auffassungen in Zweifel. Das ist insbesondere der Fall bezüglich Statistiken über Vietnamveteranen und deren angeblich höhere Rate an Selbstmorden, Scheidungen, Obdachlosigkeit, Haftstrafen und Geisteskrankheiten sowie anderen wenig reflektierten Vorstellungen, von denen viele in fiktionalen Interpretationen des Krieges verewigt - und in manchen Fällen zu kulturellen Klischees geworden sind. Es scheint keine Beweise dafür zu geben, dass Vietnamveteranen in diesen Bereichen mehr leiden als Nicht-Veteranen, und dennoch bestehen diese falschen allgemeinen Auffassungen über Vietnamveteranen weiter.
Auch der Präsidentschaftswahlkampf 2008 vermittelt einen interessanten Einblick in die soziale und politische Kultur der USA und lässt erkennen, wie sehr der Vietnamkrieg noch immer Einfluss auf das öffentliche Leben in Amerika ausübt. In diesem Jahr kandidiert John McCain für die Republikaner, ein Vietnamveteran und ehemaliger Kriegsgefangener, und bisher ist die Kriegsvergangenheit des Kandidaten unangefochten geblieben. Wenn die Wahlen im November näher rücken, wird es interessant sein, zu beobachten, ob dieser Abschnitt seines Lebens seiner Kandidatur förderlich oder eher abträglich sein wird. Der Krieg im Irak wird bisweilen mit dem Krieg in Vietnam verglichen, und Senator McCain hat bereits angekündigt, dass er den Kurs beibehalten wolle und die Truppen "hundert Jahre, wenn nötig" im Irak lassen werde. Während für beide Konflikte in den Medien das Wort "Sumpf" verwendet wird, bleibt abzuwarten, wie McCain seine Position verteidigen wird, wenn die Wahlen näher rücken, und wie das amerikanische Volk auf eine solche Politik eines langfristigen und langwierigen Einsatzes im Nahen Osten reagieren wird.
Die schwindende Unterstützung der Amerikanerinnen und Amerikaner für den Irakkrieg ist offensichtlich, und wie in Vietnam könnte ein größerer Rückschlag zur grundlegenden Neubewertung der amerikanischen Truppenpräsenz führen. Die USA befinden sich an einem bemerkenswerten Zeitpunkt, um sich erneut mit dem Vietnamkrieg zu beschäftigen, sowohl im Hinblick auf den fortdauernden Einfluss des Krieges auf die amerikanische Politik und Gesellschaft als auch auf den Wandel in der Geschichtsschreibung über den Krieg.
Ausblick
Abschließend ist festzustellen, dass die USA bei der Aufarbeitung des Vietnamkriegs große Fortschritte gemacht haben, insbesondere hinsichtlich der Normalisierung der Beziehungen zum ehemaligen Kriegsgegner. Es gibt wachsenden Respekt zwischen unseren beiden Nationen und das Zugeständnis, dass die meisten vietnamesischen und amerikanischen Veteranen auf beiden Seiten ehrenhaft gekämpft haben. Es bleibt dennoch viel zu tun. Die USA weisen auf fortgesetzte Menschenrechtsverletzungen in Vietnam hin und würden gerne raschere politische und gesellschaftliche Veränderungen in Vietnam sehen. Die Regierung der SRV reagiert sehr empfindlich auf Kritik aus den USA, wie kürzlichdeutlich wurde, als sie die amerikanischen Adoptionsprogramme für verwaiste vietnamesische Kinder stoppte, nachdem ein sehr negativer Bericht des State Departmentüber die Adoptionsprogramme erschienen war.
Trotz dieser fortdauernden Herausforderungen werden die USA und Vietnam mit Geduld, Verständnis und beiderseitigem Respekt den Weg der Versöhnung und der gegenseitigen Freundschaft weitergehen. Was die langfristigen Auswirkungen des Krieges angeht, ist der Vietnamkrieg bis heute ein lebendiger Bestandteil des Lebens und der Kultur Amerikas und wird es zweifellos nochmindestens eine weitere Generation langbleiben.