Mit der Charta der Vereinten Nationen legten die Unterzeichnerstaaten am 26. Juni 1945 den Grundstein für das moderne internationale Menschenrechtsschutzsystem: In Artikel 1 bekannten sie sich zu dem gemeinsamen Ziel, "die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen". Seitdem wurden die Menschenrechte immer weiter präzisiert und kodifiziert sowie die Strukturen und Mechanismen zur Kontrolle ihrer Umsetzung inner- und außerhalb der Vereinten Nationen ausgebaut. Als politische Norm haben die Menschenrechte eine beachtliche Wirkmächtigkeit entfaltet und gehören heute zu den Leitmotiven des internationalen Diskurses.
Doch die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit des internationalen Menschenrechtsschutzes ist groß, und jüngere Entwicklungen geben Grund zur Sorge: Armut, humanitäre Katastrophen und Gewalt haben in den vergangenen Jahren so viele Menschen zur Flucht veranlasst wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Autoritäre Regime, die Menschenrechte gering schätzen, erstarken auf der Weltbühne, während in vielen liberalen Demokratien die Rechtsstaatlichkeit unter Druck gerät und sich insbesondere die USA unter Präsident Donald Trump zunehmend vom Multilateralismus abwenden.
Der gerechtfertigte Krisendiskurs droht, Erfolge der Menschenrechtsarbeit etwa mit Blick auf die Strafverfolgung von Kriegsverbrechen, die Ächtung der Todesstrafe oder die Senkung der Kindersterblichkeit zu verdecken und das Engagement für Menschenrechte wirkungslos erscheinen zu lassen. Historisch betrachtet mussten Menschenrechte immer gegen Widerstände erkämpft und stets aufs Neue gegen Angriffe verteidigt werden. Für diesen fortwährenden Kampf braucht es auch heute einen langen Atem.