Einleitung
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 drohten die Menschenrechte durch den Vorrang staatlicher Sicherheits- und Verteidigungsmaßnahmen marginalisiert zu werden. Doch seit dem Reformgipfel zum 60-jährigen Bestehen der Vereinten Nationen (UN) im Jahr 2005 können durchaus wieder substanzielle Fortschritte und Verbesserungen im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes festgehalten werden. So beschlossen die Staats- und Regierungschefs im Abschlussdokument ihres Weltgipfels eine deutliche Stärkung der UN-internen Institutionen und Verfahren des Menschenrechtsschutzes, insbesondere des Hochkommissariats für die Menschenrechte (OHCHR).
Das sichtbarste Reformergebnis stellt in diesem Kontext zweifellos die Schaffung des UN-Menschenrechtsrates dar. Von solch einem neuen Gremium versprachen sich gerade die demokratisch geprägten Staaten eine institutionelle Aufwertung des Menschenrechtsschutzes, vor allem aber dessen substanzielle Verbesserung im Vergleich zu der immer stärker politisierten Menschenrechtskommission (MRK). Mit der raschen Gründung und Konstituierung im Frühjahr 2006, der nachfolgenden Ausarbeitung von Instrumenten und Verfahren sowie der umgehenden Arbeitsaufnahme im Jahr 2007 unterstrichen die Mitgliedstaaten, wie ernst es ihnen mit der Schaffung dieses neuen Organs war.
Wie hat sich der Menschenrechtsrat seither entwickelt? Kann er sich energischer und zuverlässiger für einen effektiven Menschenrechtsschutz einsetzen als die MRK, oder knüpft er an deren problematische Tendenzen an? Im dritten Jahr nach seiner Gründung erscheint es zulässig, die Strukturen, Arbeitsweisen und Verfahren des Rates im Lichte dieser Fragen zu untersuchen und eine vorläufige Bilanz seiner Tätigkeit zu ziehen.
Von der Kommission zum Rat
Jahrzehntelang war die MRK die wichtigste zwischenstaatliche Institution des Menschenrechtsschutzes. 1946 als funktionale Kommission des Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC)
Doch die MRK war stets auch ein politisches Gremium, da ihre Mitglieder weisungsabhängige Vertreter der zuletzt 53 Mitgliedstaaten waren. Die Kontroversen um die Art und Reichweite des Menschenrechtsschutzes wurden immer stärker von der Grundspannung zwischen der Staatensouveränität und dem Anspruch der Staatengemeinschaft nach Beachtung der kollektiven Normen geprägt, die Menschenrechte immer häufiger zum politischen Schlagabtausch instrumentalisiert. So warfen die westlichen Demokratien autoritären Staaten in Asien und Afrika immer wieder vor, unter dem Vorwand kultureller Eigenheiten Menschenrechtsrelativismus zu betreiben. Diese wiederum konterten mit dem Vorwurf, westliche Länder würden unter Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Interessen im Menschenrechtsbereich doppelte Standards anlegen. Die Debatte um die fortschreitende Politisierung spitzte sich zu, als Länder wie Sudan und Kuba Mitglieder der MRK blieben, die USA jedoch 2001 bei ihrer Wiederwahl scheiterten und Libyen 2003 den Vorsitz übernahm.
Die Tendenz, das Forum der MRK nicht zum Schutz der Menschenrechte zu nutzen, sondern dazu, Kritik am eigenen Staat zu verhindern und andere anzuklagen, führte die MRK in eine "Selbstzerstörung auf Raten",
Aufgaben und Zusammensetzung
Bis zur tatsächlichen Schaffung des neuen Rates bedurfte es weiterer sechs Monate und intensiver Verhandlungen, weil ein eng an den Vorstellungen Annans orientierter Entwurf des Abschlussdokuments den Interventionen von Reformgegnern zum Opfer gefallen war. Dabei wurde sehr früh klar, dass auch im neuen Gremium die Staaten und Regierungen Herren der Verfahren und Maßnahmen bleiben würden. Als die Generalversammlung den Menschenrechtsrat am 15. März 2006 schließlich mit der Resolution 251
Der Menschenrechtsrat wurde mit einem breiten Mandat ausgestattet. Als Forum für die Behandlung aller menschenrechtlichen Themen soll er sich für die Verbreitung der Menschenrechte weltweit einsetzen, den Staaten Hilfe bei deren Umsetzung anbieten und der Generalversammlung Vorschläge für die weitere menschenrechtliche Normenentwicklung unterbreiten. Festgelegt wurde zudem, dass der Rat einen Universal Periodic Review-Prozess (UPR-Prozess) einzurichten hat, in dessen Rahmen alle UN-Mitgliedstaaten nach einem festen Verfahren auf die Einhaltung menschenrechtlicher Standards hin überprüft werden sollen (Mehr zum UPR-Prozess s. u.). Es wurde auch beschlossen, dass der Rat die Aufgaben, Funktionen, Mechanismen und Verantwortlichkeiten der MRK innerhalb eines Jahres nach seiner konstituierenden Sitzung auf ihre weitere Verwendbarkeit hin überprüfen soll.
Der Menschenrechtsrat, der seinen Sitz wie die MRK in Genf hat, besteht aus 47 Mitgliedstaaten, die dort durch weisungsgebundene Regierungsdelegationen vertreten sind. Damit ist der Rat nur unwesentlich kleiner als seine Vorgängerin. Wie auch bei der MRK folgt die Verteilung der Sitze dem Prinzip geographischer Ausgewogenheit auf der Grundlage der fünf Regionalgruppen, denen die UN-Mitgliedstaaten zugeordnet sind. Demnach verfügen Afrika und Asien über jeweils 13 Sitze, die osteuropäische Gruppe über 6 Sitze, Lateinamerika und die Karibik über 8 Sitze und die Gruppe der westeuropäischen und anderen Staaten (zu der auch die USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Israel gehören) über 7 Sitze.
Die Amtszeit eines Ratsmitgliedes beträgt drei Jahre, mit der Möglichkeit einer einmaligen direkten Wiederwahl. Jedes Jahr wird ein Drittel der Mitglieder neu bestimmt; um in diesen Rotationszyklus zu gelangen, erhielten bei der ersten Ratswahl im Mai 2006 je ein Drittel der Mitglieder zunächst eine verkürzte Amtszeit von einem Jahr bzw. zwei Jahren. Deutschland, das mit 154 Stimmen das beste Wahlergebnis überhaupt erzielte, ist von Beginn an für eine dreijährige Amtsperiode gewählt worden. Wählbar sind alle Mitgliedstaaten der UN. Kandidaten müssen sich mit programmatischen Darlegungen zu ihrer Menschenrechtspolitik im Plenum der Generalversammlung vorstellen und dann in einer geheimen Wahl die absolute Mehrheit der Stimmen erreichen. Verletzt ein Mitglied des Menschenrechtsrates in gravierender und systematischer Weise die Menschenrechte, kann die Generalversammlung mit Zweidrittelmehrheit die Rechte dieses Staates im Rat suspendieren.
Die Vorschriften zur Zusammensetzung des Menschenrechtsrates stießen vor allem in der demokratischen Welt auf Vorbehalte: Mit dem Regionalproporz in Verbindung mit dem 50-Prozent-Quorum seien die Hürden für den Einzug in den Rat zu niedrig, sodass auch Staaten mit fragwürdiger Menschenrechtsbilanz diese allzu leicht überwinden könnten. Die Hoffnung, im Menschenrechtsrat vorrangig clean states zu versammeln, musste angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Generalversammlung jedoch schon frühzeitig aufgegeben werden. Die große Mehrheit der demokratischen Staaten, inklusive aller EU-Mitglieder, stimmte aber dennoch für die konstituierende Resolution, weil für ein weiterreichendes Ergebnis ein Konsens nicht zu erzielen war. Allein die USA und Israel verweigerten dem neuen Rat ihre Zustimmung. Immerhin traten Länder wie Sudan gar nicht erst zur Wahl an oder scheiterten wie zum Beispiel Iran mit ihrer Kandidatur. Allerdings waren mit China, Russland, Kuba und Pakistan gleich nach den ersten Wahlen im Mai 2006 wieder eine Reihe von Staaten vertreten,
Die direkte Wahl der Ratsmitglieder durch die Generalversammlung - statt wie bei der MRK durch den deutlich kleineren ECOSOC - erhöht zwar sicher das politische Gewicht des Gremiums. Dass es indes nicht gelang, Menschenrechtsverletzern wirksam den Weg in den Rat zu verstellen, sondern dass umgekehrt praktisch unüberwindbare Hindernisse für deren Abwahl geschaffen worden sind, wirft aber Fragen bezüglich der Ernsthaftigkeit und der Glaubwürdigkeit des Rates beim Eintreten für die Menschenrechte auf. Es wird sich erst noch zeigen müssen, ob der Menschenrechtsrat in der Lage ist, die zu MRK-Zeiten praktizierte Politisierung und Ideologisierung der Menschenrechtsthematik zu überwinden.
Arbeitsweisen, Verfahren und Instrumente
Anders als die MRK, deren Sitzungsperiode kaum für die Bewältigung der anfallenden Aufgaben ausreichte, wurde der Menschenrechtsrat von Beginn an als ein permanent arbeitsfähiges Gremium konzipiert. Die Resolution 251 schreibt vor, dass der Rat jedes Jahr zu mindestens drei regulären Sitzungen, darunter eine Hauptsitzung im Frühjahr, zusammenkommen muss, deren Dauer insgesamt zehn Wochen nicht unterschreiten darf. Zudem kann der Rat jederzeit zu Sondersitzungen einberufen werden, wenn ein Ratsmitglied dies beantragt und ein Drittel der Mitgliedstaaten den Antrag unterstützt. In der kurzen Zeit seines Bestehens ist der Menschenrechtsrat bereits zu sieben Sondersitzungen zusammengekommen: allein viermal, um sich mit dem Israel-Libanon- bzw. dem Israel-Palästina-Konflikt zu befassen, und jeweils einmal zur Situation in Darfur, zur Menschenrechtssituation in Birma/Myanmar sowie zur Frage des Rechts auf Nahrung vor dem Hintergrund steigender Lebensmittelpreise.
Die Arbeit des Menschenrechtsrates wird durch ein Büro geleitet, welches durch den Präsidenten und vier Stellvertreter gebildet wird. Diese werden zu Beginn jedes Amtsjahres unter den Vertretern der Mitgliedstaaten gewählt, wobei jede der oben genannten fünf Regionalgruppen vertreten sein muss. In allen administrativen Belangen wird dieses Ratspräsidium durch das Amt der Hochkommissarin für die Menschenrechte (OHCHR) unterstützt. Was die konkrete Ausgestaltung seiner Arbeit betrifft, hatte die Generalversammlung dem Menschenrechtsrat ein Jahr Zeit gegeben, die Modalitäten des neu vorgeschriebenen UPR-Prozesses auszuarbeiten sowie die Verfahren und Instrumente der MRK auf ihre weitere Verwendbarkeit bzw. Adaption hin zu überprüfen. Auf seiner fünften regulären Sitzung schloss der Menschenrechtsrat dann am 18. Juni 2007 sein institution-building ab und legte mit seiner Resolution 5/1 die Richtlinien für seine weitere Arbeit vor.
Von der MRK wurden dabei weitgehend die Sonderverfahren (special procedures) sowie die so genannten 1503-Verfahren
Im Rahmen der Sonderverfahren kann der Menschenrechtsrat Berichterstatter einsetzen und diese mit der Untersuchung der Menschenrechtssituation in bestimmten Staaten (country mandates) oder menschenrechtlich relevanter Themen (thematic mandates) betrauen. Derzeit existieren neun Ländermandate (u.a. zu Burma/Myanmar, Burundi, Somalia und Sudan) sowie 29 thematische Mandate (etwa zu Fragen wie Folter, Kinderhandel, extremer Armut, dem Verschwindenlassen von Personen, willkürlichen Hinrichtungen, dem Recht auf Nahrung oder den Rechten der indigenen Bevölkerungen). Als Berichterstatter (mandate holders) kommen Einzelpersonen oder Gruppen unabhängiger Experten in Frage, die ihre Mandate etwa durch Länderbesuche, Auswertung von Medien, Gespräche mit staatlichen Stellen, Betroffenen oder zivilgesellschaftlichen Akteuren wahrnehmen. Bei ihrer Arbeit sind sie indes von der Kooperationsbereitschaft der Mitgliedstaaten abhängig. Allerdings hat von den 192 UN-Mitgliedstaaten nur ein knappes Drittel (62) den Berichterstattern durch so genannte standing invitations ein jederzeitiges Besuchsrecht eingeräumt, darunter alle EU-Staaten, Australien und Kanada, nicht aber die USA. Die von den Berichterstattern vorgetragenen Empfehlungen sind für die betroffenen Staaten und Regierungen nicht bindend.
Die 1503-Verfahren ermöglichen Beschwerden natürlicher Personen in Fällen, in denen ein hinreichend begründeter Verdacht auf gravierende und systematische Verletzungen von Menschenrechten bzw. Grundfreiheiten besteht. Die Beschwerden (communications) müssen eine Reihe von Kriterien vor allem hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts, der Beweise und Begründungen erfüllen, zudem sollen die innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft sein. Zur Begutachtung der Eingaben hat der Rat zwei Arbeitsgruppen gebildet, in welche auf Vorschlag des Beratenden Ausschusses je fünf unabhängige Experten aus allen Regionalgruppen berufen werden können. Diese prüfen die formale Zulässigkeit der Eingaben und fordern dann den betroffenen Staat zu Stellungnahmen auf. Im Gegensatz zu den übrigen Erörterungen des Rates sind die 1503-Verfahren mit Rücksicht auf Staaten und Betroffene vertraulich.
Entgegen der Befürchtungen vieler Skeptiker sind die bewährten Mechanismen und Verfahren der MRK in die Arbeit des Rates übernommen und - etwa bei den thematischen Mandaten - auch weiter ausgebaut worden.
Der Universal Periodic Review-Prozess
Mit der Einrichtung des UPR-Prozesses hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ein völlig neues Instrument geschaffen. Das Verfahren sieht die turnusmäßige Überprüfung der Menschenrechtspraxis in allen UN-Mitgliedstaaten vor. Als Maßstab dienen dabei die Verpflichtungen aus den internationalen Menschenrechtsverträgen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie die menschenrechtlichen Zusagen, welche Staaten bei ihren Kandidaturen für den Menschenrechtsrat gegeben haben. Das Verfahren besteht im Wesentlichen in der Sammlung und Auswertung menschenrechtsrelevanter Informationen über ein Land, aufgrund derer dann Empfehlungen an die überprüften Staaten ausgesprochen werden können. Diese Äußerungen des Rates sind nicht rechtsverbindlich, ihre Umsetzung liegt im Ermessen der Staaten und Regierungen.
Allerdings schafft der UPR-Prozess eine breite Informationsbasis. Im Mittelpunkt stehen dabei - wie bei praktisch allen Verfahren des internationalen Menschenrechtsschutzes - Staatenberichte, in denen die Regierungen den Stand der Durchsetzung von Menschenrechtsnormen in ihren Rechtssystemen, ihrer Politik, Gesellschaft oder Ökonomie darlegen. Die Staatenberichte werden ergänzt durch weitere Informationen, die das OHCHR aus Berichten der Überwachungsorgane der internationalen Menschenrechtsverträge oder aus dem Bereich der oben dargelegten Sonderverfahren zusammenstellt. Einen wesentlichen Beitrag können außerdem unabhängige Akteure (stakeholder) wie Nichtregierungsorganisationen leisten, indem sie dem OHCHR relevante Informationen zuleiten, der diese sammelt und dem Rat übergibt. Zur Umsetzung des UPR-Prozesses hat der Rat eine Arbeitsgruppe gebildet, der alle 47 Mitglieder angehören und die dreimal im Jahr zu je zweiwöchigen Sitzungen zusammenkommt. Der Zyklus wurde im Frühjahr 2008 begonnen und wird im Herbst 2011 mit der zwölften Sitzung enden und dann von neuem beginnen.
Das UPR-Verfahren ist grundsätzlich kooperativ angelegt, was eine wichtige Voraussetzung für die weltweite Akzeptanz dieses Mechanismus ist. Nicht öffentlichkeitswirksame Anklagen und Verurteilungen stehen im Vordergrund, sondern die Unterstützung der Staaten bei der Verankerung menschenrechtlicher Standards sowie der Verbesserung ihrer Menschenrechtssituation insgesamt. Das Verfahren ist also ein eher "souveränitätsschonendes", das immer dann an seine Grenzen stößt, wenn Staaten nicht kooperieren. Andererseits erzeugen die öffentliche Behandlung der Berichte und die breite Informationsbasis durchaus einen Handlungsdruck - zumindest bei den Staaten, die Wert auf ihre internationale Reputation legen. Allein dadurch, dass sich wirklich alle Staaten der Diskussion ihrer Standards stellen müssen, könnte das UPR-Verfahren zu einer größeren Versachlichung der Menschenrechtsdebatte beitragen. Wenn die polarisierenden Polemiken aus MRK-Zeiten in einen eher symmetrischen Diskurs über Menschenrechte und ihre konkrete Durchsetzung überführt werden könnten, wäre schon viel erreicht.
Eine vorläufige Bilanz
Eine bilanzierende Bewertung der bisherigen Arbeit des Menschenrechtsrates kann so kurz nach der Konstituierung und der Schaffung aller Instrumente zwar nur eine vorläufige sein, aber einige Punkte lassen sich doch festhalten. Dazu gehört die Erkenntis, dass auch der Menschenrechtsrat ein politisches Gremium ist, innerhalb dessen die Konfliktlinien ganz ähnlich verlaufen wie in der gerade abgeschafften Menschenrechtskommission. Je nach politischem System, religiösem oder kulturellem Hintergrund halten die Staatenvertreter an ihren Interpretationen von Menschenrechten fest: Ein universales Verständnis bleibt in weiter Ferne. Vielmehr insistieren Vertreter der Islamkonferenz (OIC) wie Pakistan darauf, eigene Instrumente und Verfahren auf der Grundlage der Kairoer Erklärung von 1990
Während die Routinearbeiten bei der Mandatsüberprüfung oder in den ersten beiden Sitzungen der UPR-Arbeitsgruppe konstruktiv verliefen und alle Mandate erneuert wurden, zeigen sich bei der Behandlung von Krisensituationen deutliche Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit im gemeinsamen Bemühen um die Menschenrechte. Wie oben erwähnt, haben sich vier von sieben Sondersitzungen des Menschenrechtsrates mit Israel und dessen Rolle im Libanonkrieg 2006 bzw. im Palästina-Konflikt befasst. Diese endeten mit förmlichen Resolutionen, in denen Israel scharf verurteilt wurde. Die Beschlüsse wurden getragen von Mehrheiten um autoritäre Staaten wie Russland, China, Kuba oder Pakistan.
Bislang hat der Rat es nicht für erforderlich gehalten, sich mit der Situation in Ländern wie Simbabwe, Libyen oder der DR Kongo zu befassen, obwohl gerade das simbabwische Regime in Harare in aller Öffentlichkeit massive Menschenrechtsverletzungen begeht. Der Eindruck ist daher nicht von der Hand zu weisen, dass durch den neuen Regionalproporz tendenziell das Gewicht autoritärer Staaten mit einem zumindest aus westlicher Sicht sehr problematischen Menschenrechtsverständnis zugenommen hat, und dass ein effektiver Menschenrechtsschutz nicht zu den zentralen Anliegen vieler Mitglieder des Rates gehört.
Fazit und Perspektiven
Wurde mit dem Menschenrechtsrat der sprichwörtliche Bock zum Gärtner gemacht, indem eine Riege von Diktatoren mit dem Schutz der Menschenrechte betraut wurde? Dieser Vorwurf trifft - zumindest in solch plakativer Form - nicht zu. Der Menschenrechtsrat spiegelt ein weitgehend repräsentatives Bild der politischen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Heterogenität der internationalen Gemeinschaft wider, in der sehr unterschiedliche Auffassungen und Haltungen zu den Menschenrechten und ihrem Schutz bestehen. Diese Realität kann nicht durch den Zuschnitt eines Gremiums überwunden werden, auch nicht durch Konfrontationen, Sanktionen oder Boykotte. Vielmehr bleibt der internationale Menschenrechtsschutz angewiesen auf die Bereitschaft der Staaten und ihrer Gesellschaften, sich in kleinen Schritten und zähen Verhandlungen über die grundlegenden Normen und Verfahren zu verständigen und diese in ihren politischen Ordnungen und Rechtssystemen zu verankern. Um diesen internationalen Diskurs nicht abreißen zu lassen, bedarf es gemeinsamer Foren, unter denen der Menschenrechtsrat eine zentrale Arena ist. Bei allen genannten Schwächen verfügt der Rat doch über die erforderlichen Verfahren und Instrumente, um die Menschenrechtsituation in kooperativer Weise weltweit zu verbessern. Es sind die Staaten, die diese Möglichkeiten nutzen können. Tun sie dies nicht, könnte den Menschenrechtsrat rasch das Schicksal seiner Vorgängerin ereilen.