Einleitung
Im Volksmund hat sich die Redewendung eingebürgert, dass Äpfel nicht mit Birnen verglichen werden dürfen. Diese Behauptung ist unsinnig. Es ist genauso legitim, Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen, wie Äpfel mit Birnen. Beide haben nämlich etwas gemeinsam, das den Vergleich ermöglicht: Es handelt sich um Obst, genauer gesagt um Kernobst, das wiederum von Steinobst oder von Beerenobst zu unterscheiden ist. Der Vergleich von verschiedenen Apfelsorten ist genauso berechtigt wie der von verschiedenen Obstarten. Entscheidend ist, welche Einsichten angestrebt werden und welche Erkenntnisse zu erwarten sind.
Entsprechend bestehen auch keine Einwände dagegen, die unterschiedlichsten Parteien - etwa kommunistische, faschistische oder islamistische - miteinander zu vergleichen, denn auch sie haben eines gemeinsam: Es handelt sich um Parteien. Fraglich ist allerdings, ob es sich beim Extremismus um ein systematisch begründbares und nützliches Ordnungsmerkmal für politische Parteien handelt.
Megatypen und Subtypen
Der Begriff "extremistische Partei(en)" ist in der etablierten Parteienforschung eher ungebräuchlich. Selbstverständlich war und ist die Forschung bemüht, die Vielfalt der konkreten Erscheinungsformen des Abstraktums Partei nach Typen zu ordnen: "Parteientypologien sind - gedanklich vereinfachte - deskriptive Ordnungsschemata zur Erfassung und Systematisierung der Artenvielfalt von Parteien."
Bei "Megatypen" haben sich zusätzliche Binnendifferenzierungen als notwendig erwiesen. So eint die Familie der rechtsextremistischen Parteien ihre völkisch-nationalistische Zielsetzung. Da dieses ideologisch-politische Spektrum aber immer noch sehr heterogen ist, wird grundsätzlich zwischen einer alten und einer neuen Rechten unterschieden. Piero Ignazi verwendet dafür die Bezeichnungen traditionelle und postindustrielle extremistische Rechte.
Ich habe folgende drei Varianten vorgeschlagen: 1) gemäßigt nationalistisch und fremdenfeindlich, eher systemkonform; 2) nationalistisch und neorassistisch, eher systemkritisch; 3) (neo-) faschistisch und (neo-) rassistisch, eher systemfeindlich.
Typenbildung
Die Bildung von Parteitypen orientiert sich vor allem an den Zielen der Parteien, an ihrer sozialen Basis und an ihrer Binnenstruktur. Hinzu treten oft auch die Stellung zur herrschenden Ordnung, die Entwicklung und die Größe der Parteien.
Maurice Duverger unterscheidet grundsätzlich zwischen der Rahmenpartei (i.e. Honoratiorenpartei), der Massenpartei und der Elitepartei. Unter binnenstrukturellen Gesichtspunkten hebt er vier Typen hervor: die Komitee-, die Ortsgruppen-, die Zellen- und die Milizpartei.
Otto Kirchheimer übernimmt im Prinzip die Typologie von Neumann, ergänzt sie aber um den Typ der Allerwelts- bzw. Volkspartei: individuelle Repräsentationspartei (auch: Honoratiorenpartei); demokratische Integrationspartei auf Massenbasis (auch: demokratische Massenintegrationspartei), auf Klassenbasis (auch: Klassenpartei) oder auf konfessioneller Basis (auch: Konfessionspartei); prinzipielle Oppositionspartei (auch: totalitäre Partei); Allerweltspartei (auch: Volkspartei).
Besonders gebräuchlich ist die Gruppierung von Parteien nach ihrer ideologisch-programmatischen Ausrichtung. Klaus von Beyme nennt folgende Typen:
Auffällig ist, dass auch die Autoren, die System verändernde Parteien, absolutistische Integrationsparteien, prinzipielle Oppositionsparteien oder auch totalitäre Parteien erwähnen, zumeist sogleich zwischen sozialistischen, kommunistischen und faschistischen unterscheiden und sich kaum mit den gemeinsamen Merkmalen derartiger Parteien befassen.
Parteitypen und Systemtypen
In der Parteienforschung besteht Einvernehmen darüber, dass ein Zusammenhang zwischen Parteitypen und Parteiensystemtypen besteht und dass Parteiensystemtypen mit Typen politischer Systeme korrespondieren.
Die Typologie von Joseph LaPalombara und Myron Weiner umfasst beispielsweise Nichtparteiensysteme, kompetitive und nicht-kompetitive Systeme. Kompetitive Systeme werden nach der Machtverteilung (hegemonial - wechselnd) und nach der Gesinnung (ideologisch - pragmatisch) aufgeschlüsselt. Nicht-kompetitive Systeme unterteilen die Autoren in pluralistische, autoritäre und totalitäre Systeme.
Die moderne, international vergleichende Parteien(system)forschung beschränkt sich nicht auf kommunistische und faschistische Organisationen, sondern berücksichtigt auch die Parteien in der "Dritten Welt". Jenseits der in modernen, "westlichen" Demokratien vorherrschenden Parteitypen eröffnet sich so ein breites Spektrum weiterer Parteitypen in nicht liberal-demokratischen Regimen, die keineswegs durchgängig als totalitär zu bezeichnen sind. Alan Ware listet allein sieben besonders wichtige Regimetypen in der "non-liberal-democratic world" auf, die hier aus Platzgründen nicht wiedergegeben werden können.
Entscheidend ist, dass (wie bei LaPalombara/Weiner oder Linz) zwischen autoritären und totalitären Regimen mit einer einzigen Partei oder mit Mehrparteiensystemen unterschieden wird. Nicht-kompetitive Systeme lassen sich nach Giovanni Sartori wiederum nach Einparteienstaaten und nach Regimen unterteilen, die durch eine hegemoniale Partei geprägt sind, neben der aber "'second class' minor parties" bestehen, wie beispielsweise in der DDR. Die Alleinherrschaft einer Partei könne sich totalitär, autoritär oder pragmatisch (z.B. in Portugal bis 1974) vollziehen. Auch hegemoniale Parteien könnten eher ideologisch (wie beispielsweise die SED) oder eher pragmatisch (wie die Partei der Institutionalisierten Revolution/PRI in Mexiko) ausgerichtet sein.
Extremismus als typologisches Merkmal
Da bislang eher der typologischen Differenzierung das Wort geredet wurde, soll nun der Frage nachgegangen werden, ob sich ein Megatyp "extremistische Parteien" systematisch begründen lässt und als nützlich erweist. Was spricht dafür, extrem rechte, extrem linke und religiös-fundamentalistische Parteien unabhängig von ihrer Größe und Binnenstruktur, unabhängig von ihrer Machtposition und Wettbewerbssituation und unabhängig von ihrer ideologisch-programmatischen und politisch-strategischen Ausrichtung in einer Familie zu vereinen?
Es ist bemerkenswert, dass sich die Vertreter des Extremismuskonzepts dieser Frage nicht stellen. Sie belassen es zumeist mit dem Hinweis, dass die Gemeinsamkeit in der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaats besteht. In der kompakten Darstellung des politischen Extremismus von Steffen Kailitz, die sich ausführlich mit politischen Parteien befasst, wird als gemeinsames Anliegen "die Errichtung und Bewahrung einer Diktatur"
Die Orientierung auf den Typ "extremistische Parteien" kann sogar zu unzulässigen Gleichsetzungen führen. Nur ein Beispiel: "Dem Untergang der DDR folgte nicht der Untergang der Staatspartei SED."
Überhaupt leistet das Extremismuskonzept keinen Beitrag zur Klärung der Frage, ob es sich bei den "Republikanern" um eine rechtsextremistische oder um eine rechtsradikale,
Möglicherweise besteht gerade darin der eigentliche Gebrauchswert des Extremismuskonzepts. Jedenfalls macht es aus der Perspektive der Parteienforschung wenig Sinn, Parteien demselben Typ zuzuordnen, die sich in den meisten Merkmalen deutlich voneinander unterscheiden.