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Deutsche Generationen nach 1945 | Gemeinsame Nachkriegsgeschichte? | bpb.de

Gemeinsame Nachkriegsgeschichte? Editorial Demokratie und Diktatur Integrale deutsche Nachkriegsgeschichte Für eine pragmatische Zeitgeschichtsforschung Historisierung der Zweistaatlichkeit Deutsche Geschichtsbilder vom Nationalsozialismus Innerdeutscher Handel als Wegbereiter der Entspannungspolitik Deutsche Generationen nach 1945

Deutsche Generationen nach 1945

Thomas Ahbe

/ 21 Minuten zu lesen

Einleitung

Die generationsspezifische Perspektive ermöglicht es, historische Sinnbildungsprozesse abzubilden. Mit diesem Zugriff kann rekonstruiert werden, welche unterschiedlichen Komplexe von Erfahrungen, Deutungen, Identifikationen und Zukunftserwartungen simultan in einer Gesellschaft bestehen. Der generationengeschichtliche Zugriff kann deutlich machen, inwieweit Generationen zu anderen in einem symbiotischen oder konkurrierenden Verhältnis stehen und Entwicklungen vorangetrieben, gestützt oder verzögert werden.



Diese Zusammenhänge wurden am Beispiel DDR in einem Modell der Generationen-Interaktion deutlich gemacht. Systematisch und über die gesamte "Biographie" einer Generation hinweg wurde hier die entwicklungspsychologisch allgemein beschreibbare altersspezifische Bedürfnislage der Angehörigen einer Generation mit den Möglichkeiten in Bezug gesetzt, welche die DDR in ihrer Konstitutions- und Aufbauphase, in den Jahren der Stabilisierung, der Stagnation wie auch in der Niedergangsphase bot. Dieses Vorgehen nimmt auf die entwicklungspsychologische Theorie der "Entwicklungsaufgaben" Bezug: Sie geht davon aus, dass sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Letztere bis ins Alter hinein, mit bestimmten kultur- und altersspezifischen Herausforderungen auseinander zu setzen haben. In Phasen gesellschaftlicher Umbrüche, der Entwertung von Traditionen und der partiellen Neuerfindung der gesellschaftlichen Umwelt müssen sich Jugendliche in geringerem Maße auf schwer zu erlernende oder zu akzeptierende Arrangements der Erwachsenen einlassen. Sie können ihre Gegenwart stärker als "ihre Zeit" empfinden und sich mit den ideologischen (Selbst)Beschreibungen von Akteursgruppen des Umbruchs identifizieren, wie es beispielsweise bei der ostdeutschen "Aufbau-Generation" und den westdeutschen "68ern" der Fall war. In Phasen gesellschaftlicher Kontinuität oder Stagnation hingegen ist die Macht, die den Bedürfnissen nach Traditionsbruch, radikaler Neuerung oder zumindest Originalität des eigenen Lebens gegenübersteht, viel stärker und die Position von Jugendlichen, die mit den gesellschaftlichen Institutionen in Konflikt geraten, deutlich schlechter.

Für Menschen im mittleren Erwachsenenalter sind einschneidende gesellschaftliche Umbrüche tendenziell mit weniger Chancen verbunden, denn entwicklungspsychologisch gesehen stehen Generativität und Professionalisierung im Mittelpunkt. In diesem Lebensalter setzt sich ein eher sorgsames, strategisches und kompromissbereites Interaktionsverhalten durch, das den Verhaltensnormen in wirtschaftlichen, institutionellen und politischen Strukturen entspricht. Die Entwicklungspsychologie illustriert, wie sich diese "Lebensinvestitionen" über die Altersstufen hinweg wandeln. Zustände gesellschaftlicher Kontinuität entsprechen den lebensphasenspezifischen Aufgaben von Erwachsenen besser als denen Jugendlicher.

Für die Angehörigen der verschiedenen Generationen stellte sich die DDR in derselben Zeit sehr unterschiedlich dar: Während die stagnative oder regressive Spätphase für die Angehörigen der integrierten Generation als unmittelbare Vorgeschichte des Umbruchs, auf welchen, je nach politischen Präferenzen, auf die eine oder andere Weise hingearbeitet wurde, erscheinen musste, war dieselbe Situation für die damals Jugendlichen und jungen Erwachsenen, also für die Angehörigen der entgrenzten Generation, nicht mit Zuversicht zu verbinden. Nach 1990 verkehrte sich die Situation: Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die im Doppeljahr 1989/90 noch nichts zu verlieren und alles zu gewinnen hatten, konnten die neuen Chancen besser nutzen als Angehörige der älteren integrierten Generation, deren Kalküle oder Investitionen der achtziger Jahre nun drohten, entwertet oder gar zur Hypothek zu werden.

Generationen existieren nicht wie andere historische Daten und Fakten - Generations-Bildungen sind idealtypische Konstruktionen. Ihr Beitrag für die Zeitgeschichte besteht in der Rekonstruktion und Darstellung historischer Sinnbildungen. Generations-Konstruktionen können unter Inkaufnahme bestimmter Ausblendungen (die der Genderperspektive, der Milieu- und Schicht-Perspektive, der kulturellen Differenzen zwischen städtischen und dörflichen Lebensformen) zeigen, wie sich zwischen großen Gruppen von Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen dennoch Bündnisse, die Gleichrichtung der Anstrengungen und Erwartungen oder zumindest symbiotische Bezüge ergeben können - beziehungsweise, wie sich zwischen diesen Gruppen Konflikte auftun, weil die Deutungen der gemeinsam geteilten Gegenwart und die Erwartungen an die Zukunft nicht übereinstimmen.

Eine solches Verständnis von Generationen modifiziert die klassischen Ursprünge des Generationen-Konzepts. Wilhelm Dilthey interessierte bei seiner Beschäftigung mit der Klassik und Romantik eine auffällige Gleichzeitigkeit unterschiedlicher geistiger Impulse der gleichen Kohorten. In der inzwischen kanonisch zu nennenden Systematik des Generationenproblems des Soziologen Karl Mannheim bilden benachbarte Jahrgänge, die im "selben historisch-sozialen Raume - in der selben historischen Lebensgemeinschaft - zur selben Zeit geboren" wurden, eine Generationslagerung. Wenn sich gesellschaftliche Krisenlagen und latente Konflikte zuspitzen, wenn Gleichaltrige von den neuen Tendenzen betroffen und inspiriert werden, wenn sie an dieser Entwicklung teilnehmen, sie vorantreiben und sich ihr Selbstverständnis und ihr Wir-Gefühl aus der engen Verbindung zu diesen gesellschaftlichen Prozessen speist - Mannheim spricht von "Gesamterschütterungen" -, dann bilden sich Generationszusammenhänge heraus: "Im Rahmen desselben Generationszusammenhanges können sich (...) polar sich bekämpfende Generationseinheiten bilden. Sie werden gerade dadurch, daß sie aufeinander, wenn auch kämpfend abgestimmt sind, einen ,Zusammenhang` bilden." Generationseinheiten bilden sich dadurch, dass ihre Angehörigen meinen, im gemeinsamen Handeln, in "vitaler Nähe", im Lebensstil, in Werten und politischen Konzepten, eine "Antwort" auf die gesellschaftlichen Herausforderungen gefunden zu haben. Generationseinheiten sind Gemeinschaften, die gleiche Überzeugungen, Wertvorstellungen und Identifikationen teilen, sind "Intensivsegmente" mit einem typischen Habitus.

Für die DDR konnten solche Generationseinheiten nicht in allen Generationen beschrieben werden. Der intergenerationelle Vergleich innerhalb einer Gesellschaft bildet hier besonders gut die Unterschiede im sich für alle vermeintlich gleich darstellenden Sozialisationsraum ab. Er zeigt die simultaneExistenz unterschiedlicher Erfahrungen, Deutungsmuster, Sinnvorstellungen und Erwartungen. Die generationengeschichtliche Perspektive rekonstruiert die jeweilige Art der Verschränkung von einerseits der Herrschaftsausübung, dem wirtschaftlich-technischen Status sowie der sich in den gesellschaftlichen Leitdiskursen niederschlagenden kulturellen und ideologischen Situation und andererseits den lebensaltersspezifischen Bedürfnissen der Menschen, die sich in der generationstypischen Art und Weise in diese Verhältnisse integrieren und sie modifizieren.

Als Erkenntnisinstrument könnte dieser Zugriff auch für die vergleichende Betrachtung von DDR und Bundesrepublik interessant sein. Denn beide deutsche Nachkriegsgesellschaften sind von Menschen aufgebaut worden, die im "Dritten Reich", in der Weimarer Republik und im Kaiserreich sozialisiert wurden. Die parallele Rekonstruktion von Generationsgestalten kann zeigen, welche Effekte die Verschränkung der gleichen Sozialisation mit unterschiedlichen Systembedingungen zeitigte.

Die ersten Nachkriegsgenerationen

Im Folgenden soll diskutiert werden, welche Voraussetzungen für einen Vergleich der ersten beiden Nachkriegsgenerationen der Bundesrepublik und der DDR bestehen. In Ost und West waren die Angehörigen dieser Jahrgänge sowohl damit konfrontiert, dass sie selbst, vor allem aber die vorhergehenden Kohorten und insbesondere die ihrer Eltern in die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands verstrickt waren - als auch mit der Aufgabe, die Nabelschnur zum Bereich dieser Schuld zu kappen, um sich auf eine lebbare Zukunft zu orientieren. Die Bewältigung dieser allgemeinen und systemunspezifischen Aufgaben erfolgte zum einen auf gleicher Grundlage, nämlich auf der Basis gleicher Mentalität und Sozialisation, der gleichen ideologischen Vorprägungen und Erfahrungen. Zum anderen geschah sie unter sich schon bald sehr deutlich unterscheidenden Formen von Herrschaftsausübung, wirtschaftlichen und alltagskulturellen Verhältnissen sowie verschiedener Diskurse in Bundesrepublik und DDR. Diese lieferten unterschiedliche Erklärungen über die Ursachen des Nationalsozialismus und die Zukunft des jeweiligen Teilstaates.

Zur ersten westdeutschen Generation, die in der Forschung als "45er" bezeichnet wird, zählt man die Jahrgänge 1918 bis 1930, zur ersten ostdeutschen Generation, die als "Aufbau-Generation" bezeichnet wird, die Jahrgänge 1925 bis 1935. Grundlage für die Beschreibung der ersten westdeutschen Generationsgestalt war lange Zeit der von Helmut Schelsky 1957 unter dem Titel "Die skeptische Generation" zusammengefasste Überblick zu empirischen jugendsoziologischen Arbeiten. Das Etikett haben Angehörige der beschriebenen Jahrgänge oft als Selbstbeschreibung übernommen. Auch beim Autor hat "sein eigenes ideologisches Gepäck und seine Lebensgeschichte sicher eine entscheidende Rolle für seine Interpretation" gespielt.

Die materialreichste Aufarbeitung der Literatur zur Generation der "45er" liefert Dirk Moses, der für die Grenzen dieser Generation 1918 (das Geburtsjahr von Helmut Schmidt) und 1930 (das Geburtsjahr von Helmut Kohl) vorschlägt. Rolf Schörken diskutiert für die Charakterisierung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Nachkriegszeit die Autobiographien der Geburtsjahrgänge 1922 bis 1933. Heinz Bude konzentriert seine Untersuchungen zur "Flakhelfer-Generation" auf die Jahrgänge 1926 bis 1930, und Christina von Hodenberg ordnet die in westdeutschen Medien tätigen "45er" jenen zu, die "etwa zwischen 1921 bis 1932 geboren" wurden.

Auch bei der ersten ostdeutschen Generation hat sich die Etikettierung und Kohortenzuordnung gewandelt. Ina Merkel wies darauf hin, dass "der Begriff Aufbau-Generation (...) mißverständlich (...) auf zwei verschiedene Generationen angewendet" wird. Sie spricht von einer ersten (die Jahrgänge von 1910 bis 1928) und einer zweiten Aufbaugeneration, letztere nennt sie auch "erste FDJ-Generation", der sie "die dreißiger und vierziger Jahrgänge" zurechnet. Hartmut Zwahr ordnet "der FDJ-Aufbaugeneration" als "Kern die Jahrgänge 1920 - 1929" zu, Werner Mittenzwei sieht im Jahrgang 1927 "eine gewisse Scheidelinie". Wolfgang Engler bezeichnet jene, die "um das Jahr 1930 herum geboren" wurden, als "zweite politische Generation der DDR", Lutz Niethammer nutzt stattdessen das Label "HJ/FDJ-Generation", Dorothee Wierling "HJ-Generation". In jüngeren Arbeiten von Bernd Lindner, Mary Fulbrook und Thomas Ahbe/Rainer Gries wird der Terminus "Aufbau-Generation" verwendet.

Es ist zu konstatieren, dass die aktuelle Diskussion zur ersten Nachkriegsgeneration in Ost- und Westdeutschland keine parallele Jahrgangszuordnung liefert. Damit stellt sich die Frage, welche Folgen diese Inkongruenz für einen Vergleich des gesamten Systems der west- und der ostdeutschen Generationsgestalten haben könnte. Die erste Generation des Westens, die "45er", ist "älter" als die erste des Ostens, die "Aufbau-Generation". Die "45er" waren innerhalb der deutschen Militärmaschinerie stärker mit Schuld und Schrecken konfrontiert. Zudem fehlten ihnen solche Leitdiskurse, die sie in gleicher Art, wie es im Osten geschah, auf die Zukunft hin orientierten oder zumindest die Bewältigung der Niederlage anleiteten. Beides führte dazu, dass man die eigenen Anstrengungen und Leiden letztlich als "sinnlos" ansah und sich betrogen fühlte. Nach der Jugendamnestie von 1948 konnten sich die "45er", die nach 1918 geboren wurden, in besonderer Weise als entschuldet betrachten. Beim Umgang mit dieser Situation gab es Unterschiede: Die jüngeren unter den "45ern", jene, die bis zuletzt an den Endsieg geglaubt hatten, mussten sich nach dem Schock von 1945 intensiver und kritischer mit ihrer früheren Welt und ihrem Engagement auseinandersetzen. Sie konnten sich am nachhaltigsten von ihrer "rechtsorientierten Sozialisation" lösen. Andere "45er", die Älteren bzw. Gebildeteren, die als Wehrmachtsangehörige und als Flakhelfer schon vor der Niederlage desillusioniert waren, hatten nach 1945 weniger intensive Umkehrerlebnisse. Bei ihnen hätte diese sozialisierte "Kultur von rechts" - von ihnen unerkannt, unbearbeitet, von außen nicht thematisiert - weiter wirken können.

Die "45er" waren es gewohnt, sich diszipliniert und engagiert an Autoritäten zu orientieren - und so fügten sie sich in die neue Gesellschaft ein. Zwar grenzte sich die junge Bundesrepublik normativ vom "Dritten Reich" ab, dennoch trugen die Diskurse der 1950er Jahre nur wenig zur Analyse des Nationalsozialismus bei. Wie die Älteren, so schwiegen auch die "45er" in Bezug auf die NS-Zeit. Ihre Generation "steht weder auf der Seite der Angeklagten, noch kann sie sich auf die Seite der Ankläger schlagen" - und so tauchte sie gewissermaßen in Richtung Zukunft unter dem Problem der NS-Vergangenheit hindurch. Diesen Eindruck vermitteln neuere Arbeiten, die Integration und Reintegration nach 1945 thematisieren. Was bestimmte Personen während der NS-Zeit getan hatten, wurde weniger aus prinzipiellen Gründen thematisiert, sondern dann, wenn einstige Nazis die Karriere und den Lebensentwurf der "45er" in der demokratischen Bundesrepublik behinderten. In einer Kampagne der Gewerkschaft ÖTV anlässlich der Enttarnung des Leiters des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamtes als Massenmörder wurde skandalisiert, dass diese Gruppen "erfahrungsgemäß wie Pech und Schwefel" zusammenhielten, "um anderen hochqualifizierten, politisch unbelasteten Kriminalbeamten den Aufstieg zu versperren".

Die "45er" konnten wegen der Entnazifizierung und Neuordnung des Medienwesens durch die Alliierten, wie auch durch viele Neugründungen in großer Zahl in den Medienbereich ein- und dort rasch aufsteigen, weswegen diese Generation hier einen prägenden Einfluss ausübte. Darin unterschied sich der Mediensektor deutlich von der Politik, der Verwaltung, dem Militär oder der Polizei. Von Hodenberg rekonstruiert, wie sich die im Medienbereich tätigen "45er" zur NS-Vergangenheit stellten. Sie waren "willens, die Verstrickungen der Älteren zu tolerieren, stellten jedoch eine Bedingung: Diese mussten sich mit der demokratischen Nachkriegsordnung arrangieren." Die "45er" haben sich, so scheint es, nach den im Nationalsozialismus sozialisierten Mustern in die westdeutsche Demokratie eingefügt. Sie hatten "nie gelernt (...) im Konfliktfall das Gewissen zu befragen. Vielmehr tat man in Konflikten ungefähr das, was die anderen auch taten, und das erklärt ihre Schwierigkeiten, initiativ und zugleich kollektiv zu handeln. Hier liegteiner der Hauptgegensätze zu den ,68ern`."

Hat sich die ostdeutsche Parallelgeneration in ihrer Nachkriegsgesellschaft anders entwickelt, hat sie sich anders verstanden? Welche Wirkung hatten die - vor allem mit dem jüngeren Segment der "45er" geteilten - gleichen Erfahrungen, sozialisatorischen und ideologischen Vorprägungen in einem anderen politischen System? Die ostdeutsche Generationsgestalt ist dem heutigen Diskussionstand gemäß "jünger" als die erste westdeutsche Nachkriegsgeneration. Nur die Ältesten erlebten das Kriegsende als sehr junge Soldaten, als "Flakhelfer", beim Reicharbeitsdienst oder im Volkssturm. Die Angehörigen der "Aufbau-Generation" konnten damit in der Selbst- und Fremddeutung viel stärker als unschuldig gesehen werden - anders als Angehörige der "45er-Generation", zu denen jene Frontsoldaten gezählt werden, die zum Kriegsende in der Mitte ihres dritten Lebensjahrzehnts standen.

Die neuen Machthaber in der SBZ/DDR ermöglichten den endzwanziger und frühen dreißiger Jahrgängen einen noch nicht da gewesenen Bildungsaufstieg. Relativ jung an Jahren, besetzten Angehörige der "Aufbau-Generation" die durch Entnazifizierung, antibürgerliche Umgestaltung und Abwanderung in den Westen vakant gewordenen Positionen. Diese massenhaft genutzte Aufstiegschance bestand weder für die vor 1925 noch für die nach 1935 Geborenen. Die Bildungsaufsteiger mussten sich zum "Antifaschismus", später zum Sozialismus bekennen und durften den politischen und moralischen Führungsanspruch der Patriarchen nicht in Frage stellen. Der DDR-Offizialdiskurs vom Aufbau einer neuen "antifaschistischen", antikapitalistischen, "gerechten und friedlichen Gesellschaft" legitimierte das Handeln der "Aufbau-Generation" und erfüllt die Funktion eines Generationsdiskurses. Viele Angehörige der "Aufbau-Generation" übernahmen diese Orientierungen, "zogen die richtigen Lehren" aus der deutschen Schuld und beschritten begeistert den Weg der Verheißung in eine "neue Gesellschaft ohne Ausbeutung und Krieg".

Der größte Teil reagierte nüchtern, pragmatisch, im Selbstverständnis unpolitisch und unideologisch auf dieses Angebot. Sie arrangierten oder fügten sich und behielten gleichzeitig nicht selten eine innere Distanz zu den offiziellen politischen Werten. Im Unterschied zu den "45ern" verlief der soziale Aufstieg der "Aufbau-Generation" rascher und relativ konfliktfrei. Die Angehörigen der "Aufbau-Generation" mussten sich ihre Positionen zumeist nicht selbst erkämpfen, vielmehr wurden ihnen diese von den Patriarchen - mit den bekannten Auflagen - übereignet. Die früheren "bürgerlichen" Fachkräfte und Funktionseliten sind während der fünfziger Jahre aus dem Feld geschlagen worden und zum großen Teil nach Westen abgewandert, die Verbliebenen hatten ihren politischen Einfluss eingebüßt, und ihre ideologische und kulturelle Dominanz war deutlich geschmälert. Ihre Kämpfe hatten die Aufsteiger der "Aufbau-Generation" eher gegen die Distinktionspraktiken der bürgerlichen Fachkräfte und bei der Akkumulation kulturellen Kapitals auszufechten, eben dort, wo ihnen die Patriarchen keine Schützenhilfe leisten konnten.

Wie die Angehörigen der "Aufbau-Generation" zur NS-Vergangenheit Distanz gewannen und ins (Berufs)Leben einstiegen, war jedoch nur auf den ersten Blick eine reine Erfolgsgeschichte. Auf den zweiten zeigen sich in der Biographie dieser Generation einige Hypotheken. Ihre Angehörigen konnten nie die Patriarchen-Gruppen als Machtelite ablösen und eigene Vorstellungen durchsetzen. Das Kahlschlag-Plenum der SED vom Dezember 1965 lässt sich als Beispiel für die intergenerationelle Auseinandersetzung lesen - ein Dissens, der durch das Machtwort der Patriarchen und die moralische Bindung der jüngeren Generation an die Patriarchen entschieden wurde. Die "Aufbau-Generation" konnte nicht in der Art "erwachsen werden", wie es die "45er" konnten - diese machten im Zuge eines normalen Generationswechsels den Älteren auch die Führungs- und Elitepositionen streitig und lösten diese schließlich ab. Während für die "45er" in der Auseinandersetzung mit den älteren Positionsinhabern auch das Argument der NS-Vergangenheit relevant oder zumindest funktional sein konnte, war das der "Aufbau-Generation" nicht gegeben. Denn die Kerngruppe der SED-Machthaber sowie der mit ihr assoziierten ostdeutschen Kulturelite waren zumeist Gegner oder Opfer des Nationalsozialismus. Den jungen Aufsteigern war bewusst, dass weder sie noch ihre Eltern sich gegen den Nationalsozialismus engagiert hatten. Der antifaschistische Offizialdiskurs hatte die "Aufbau-Generation" nicht nur informiert und sensibilisiert, sondern zugleich auch deren geringen moralischen Kredit bloßgelegt. Gegenüber den Kämpfern gegen den Nationalsozialismus, den Emigranten, gewissermaßen gegenüber der gesamten Generationseinheit der nun herrschenden "misstrauischen Patriarchen", waren sie in einer Position moralischer Inferiorität. Sie verspürten den antifaschistischen Gründervätern gegenüber eine nie völlig abzutragende Bringschuld, die sowohl Unterordnung wie auch großes Engagement beim Aufbau der neuen Ordnung förderte.

In diesem Dilemma steckten auch viele, die der Diktatur im Osten in Distanz oder Gegnerschaft gegenüberstanden. So erinnert sich der einstige Neulehrer Günter de Bruyn: "Denn die eifernde Schulleiterin hatte unter Hitler im Gefängnis gesessen, der dogmatische und gebildetste Dozent war ein Emigrant gewesen - man selbst aber hatte Hitler gedient." Die Diktatur im Osten war moralisch durch den Antifaschismus der herrschenden Kerngruppe und die Verstrickung der Älteren in den Nationalsozialismus gestützt. Diese moralische Dimension und natürlich das - auch im Westen bei diesen Jahrgängen zu beobachtende - pragmatische und konforme Arrangement mit den Verhältnissen minderte bei den Angehörigen der "Aufbau-Generation" die Bereitschaft zu Kritik und Protest.

Ähnlichkeiten und Differenzen

Die ersten beiden Nachkriegsgenerationen, die "45er" und die "Aufbau-Generation", agierten in ihrer Mehrheit ähnlich, nämlich als engagierte wie konforme Mitmacher in der neuen Ordnung. Sie folgten den Vorgaben der Besatzer und der neuen deutschen Autoritäten. Die Bearbeitung ihrer Erlebnisse während des Nationalsozialismus und die Öffnung ihres geistigen Horizonts während der Phase der Ausbildung und Professionalisierung erfolgte schon unter den ideologisch unterschiedlich kodierten Leitdiskursen des Liberalismus und des Marxismus-Leninismus, deren Substanz oft begeistert aufgenommen wurde. Die im Osten propagierte Version des Marxismus führte dazu, dass "die sozialistischen Vorstellungen vom Aufbau einer neuen Welt trotz atheistischer Haltung fast religiöse Züge (trugen). Elemente des Glaubens, der Treue, der Verheißung und Hoffnung schlichen sich anstelle der ausgedünnten kritischen Methode ein." Die Jugend im Osten wollte "bei ihrem Neubeginn keine Halbheiten (...). Eine ganz neue Welt musste es sein, (...) nicht andere Führer. (...) Sie wollten nicht noch einmal in eine Welt einsteigen, die schon ihre Väter ausprobiert hatten und gescheitert waren. Alles neue ist besser als alles Alte. Das war die Losung."

Doch diese radikal neuen Ideen stützten sich auf die schon im Nationalsozialismus sozialisierten Muster - den Glauben oder die Hoffnung an und auf die verheißene neue Gesellschaft wie auch den Hang zu einer konformen Einordnung in eine Gemeinschaft. Auch im Westen wandte sich die Jugend der Weltsicht der Siegermächte zu. Im Medienbereich wurden gerade die "45er" als "hervorragende Klientel für die ,Reorientation`-Bemühungen der Alliierten" gesehen, weder die älteren noch die jüngeren Kollegen hatten in den fünfziger Jahren so viele Aufenthalte in den USA. Und die Art, wie "sie westlichen Vorbildern huldigten", trennte sie von den Älteren. Beide, die "45er" und die "Aufbau-Generation", wurden zur ersten Trägergeneration des neuen gesellschaftlichen Modells.

Aber auch zum westdeutschen Beschweigen der NS-Zeit, unter dessen Schirm die "45er" ihren Weg gingen, findet sich für die "Aufbau-Generation" in der SBZ/DDR ein funktionales Äquivalent. Die propagandistische Dauerthematisierung des Faschismus in der spezifischen ökonomistischen und antikapitalistischen Verkürzung des DDR-Antifaschismus schloss ebenfalls das Schweigen über die NS-Vergangenheit der Kollegen, Chefs und Eltern ein. Zudem hatte die Verflechtung der Aufarbeitung des Nationalsozialismus mit den Konflikten des Kalten Krieges ähnliche Effekte. Im Osten projizierte der DDR-Antifaschismus das Problem aus der Zeit und dem Land der "Aufbau-Generation" hinaus in Richtung Westdeutschland, wo man die Herrschaft der "alten Nazis", "Monopolkapitalisten" und "Revanchisten" konstatierte. Die Leitdiskurse im Westen vollzogen dagegen eine "Entnationalisierung der Schuld", nämlich durch die Deutung des Nationalsozialismus als Totalitarismus. Hinzu kamen populäre Deutungen, die darüber räsonierten, mit welcher "satanischen Raffiniertheit" die Deutschen überwältigt worden seien und wie in dessen Folge "der Nationalsozialismus (...) die totale Kontrolle über das deutsche Volk" gewonnen habe. Hierzu gehörte auch der Topos von Deutschland als dem ersten vom Nationalsozialismus besetzten Land.

Mit der Wende zu den 1960er Jahren beginnen sich die Formen, in denen sich die Angehörigen der beiden Nachkriegsgenerationen in ihre Gesellschaften integrieren, stärker zu unterscheiden. Die "Aufbau-Generation" wird in besonderer Weise vom Mauerbau getroffen. Ihre Angehörigen waren gut ausgebildet und noch jung genug, um in der Bundesrepublik neu anzufangen. Für viele von ihnen war bis zum August 1961 der Weggang in den Westen immer eine Lebensoption. Mit der Grenzschließung wurde die Frage, ob man für sich eine Lebensperspektive in der DDR sieht, schlagartig beantwortet. So hatten die moralisch und machtpolitisch nicht angreifbaren Patriarchen erneut über das Leben der "Aufbau-Generation" verfügt. Zur gleichen Zeit, zwischen 1958 bis 1963, vollzog sich im Westen mit dem Aufstieg der "45er" in die Führungspositionen der erste wichtige Generationswechsel. Für die politische Öffentlichkeit bedeutete das die Ablösung der den Nachkriegsjournalismus prägenden "Wilhelminer" und einen Stilwechsel vom obrigkeitsstaatlich gesteuerten Konsensjournalismus hin zu einer "Orientierungskrise als produktive Phase des Aufbruchs", die partizipative Elemente der Demokratie betonte. Zugleich gerieten die "45er" wegen ihres Schweigebündnisses, das sie mit den "Wilhelminern" und den Trägergenerationen des "Dritten Reichs" eingegangen waren, bei der sich formierenden Generation der "68er" in Kritik.

Obwohl die ostdeutsche "Aufbau-Generation" zur selben Zeit begann, die oberen und mittleren Führungspositionen altershomogen zu besetzen, hatte sie weiterhin das auszuführen, was die kleine Gruppe der "misstrauischen Patriarchen" in den Spitzenpositionen vorgab. So änderten sich in den 1960er Jahren eher der Ton und das Klima, nachdem immer mehr pragmatisch und technokratisch orientierte Funktionsträger die "harten Ideologen" in den mittleren Führungspositionen ersetzten, jedoch nicht die Grundstrukturen des diktatorischen Systems.

Der Vergleich der beiden Generationen hat zwei Varianten gezeigt, wie eine im Nationalsozialismus sozialisierte Jugend sich in konkurrierende postfaschistische Gesellschaften integrierte und in beiden jeweils zu neuen Trägergenerationen wurde. Ähnlichkeiten finden sich in der Haltung, in der sich beide Generationen integrierten. Als konforme Mitmacher waren sie stark auf die Zukunft orientiert und schwiegen mit den älteren Kollegen, Vorgesetzten oder Eltern über die Vergangenheit. Dass diese Ähnlichkeiten zwischen der ostdeutschen und der westdeutschen Generation sowohl in der Forschung wie auch in der Selbstbeschreibung der Deutungseliten bisher nicht deutlicher wurden, hängt damit zusammen, dass die Erfahrungen von 1945 recht bald in den unterschiedlichen Sinnsystemen der westdeutschen und der ostdeutschen Masternarrative interpretiert und nach 1990 von ihrem Ende her gedeutet wurden.

Die Diskussion der Voraussetzungen eines Vergleichs der beiden deutschen Nachkriegsgenerationen zeigt auch, dass die unterschiedliche Jahrgangszuordnung ein Problem darstellt, das noch gelöst werden muss. Für die Rekonstruktion historischer Sinnbildungsprozesse sollte künftig stärker auf transnationale Erfahrungszusammenhänge rekurriert werden; schließlich hat bereits Karl Mannheim das Konzept auf einen europäischen und nicht auf einen nationalen Kontext bezogen. Im Übrigen waren auch die ersten beiden Nachkriegsgenerationen in den beiden Teilstaaten stärker aufeinander bezogen als spätere deutsch-deutsche Generationsgestalten. Für die Angehörigen der "45er" und der "Aufbau-Generation" war es bis zur Grenzschließung der DDR oft ein Akt der Wahl, zu welchem Teil dieses Generationszusammenhangs man gehörte. Man kannte sich persönlich, oder man beobachtete die Gruppe der Gleichaltrigen im anderen Landesteil, verglich die Lebenschancen und konkurrierte miteinander. Insofern könnten die aktiven und prosozialistisch engagierten Segmente der "Aufbau-Generation" und die politisch interessierten "45er" als zwei konkurrierende Generationseinheiten eines Generationszusammenhangs betrachtet werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Thomas Ahbe/Rainer Gries, Gesellschaftsgeschichte als Generationengeschichte, in: Annegret Schüle/dies. (Hrsg.), Die DDR aus generationengeschichtlicher Perspektive. Eine Inventur, Leipzig 2005. S. 475 - 571.

  2. Vgl. Franz J. Mönks/Alphons M. P. Knoers, Lehrbuch der Entwicklungspsychologie, München 1996, S. 26 - 31.

  3. Vgl. Heiner Keupp/Thomas Ahbe/Wolfgang Gmür u.a., Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne, Reinbek 1999.

  4. Vgl. Rolf Oerter/Leo Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie, Weinheim-Basel-Berlin 2002, S. 383 - 391.

  5. Die Geburtsjahrgänge 1949 bis 1959, vgl. T. Ahbe/R.Gries (Anm. 1), vgl. auch Bernd Lindner, "Bau auf, Freie Deutsche Jugend" - und was dann? Kriterien für ein Modell der Jugendgenerationen der DDR, in: Jürgen Reulecke (Hrsg.), Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, München 2003, S. 187 - 215.

  6. Dieses Generationenetikett stammt von Ahbe und Gries. Die Angehörigen der "entgrenzten Generation" sind die in den sechziger Jahren bis zu Beginn der siebziger Jahre Geborenen. B. Lindner (Anm. 5) benennt diese Kohorte als "distanzierte Generation".

  7. Methodologisch handelt es sich um das von Max Weber beschriebene Verfahren der idealtypischen Konstruktion, das "erklärendes Verstehen" anstrebt.

  8. Zur Bedeutung der generationengeschichtlichen Perspektive in der Kommunikationswissenschaft siehe Rainer Gries, Das generationengeschichtliche Paradigma in der Kommunikationshistorie, in: medien & zeit. Kommunikation in Vergangenheit und Gegenwart, 21 (2006) 3, S. 4 - 20.

  9. Karl Mannheim, Das Problem der Generation, in:ders., Wissenssoziologie, Neuwied-Berlin 1970, S. 509 - 565, hier S. 542 (Orig. 1928/29).

  10. Ebd., S. 542 und 547.

  11. Ebd., S. 547.

  12. Helmut Fend, Sozialgeschichte des Aufwachsens, Frankfurt/M. 1988, S. 180.

  13. Weil es in der DDR keine sich frei organisierenden intermediären Strukturen gab, konnten sich in einigen Generationen keine spezifischen, öffentlich wahrnehmbaren Generationsdiskurse ausbilden. Bei manchen DDR-Generationen entsprach der Generationsdiskurs entweder ganz ("Generation der mißtrauischen Patriarchen") oder partiell (großer Teil der "Aufbau-Generation", prosozialistisch eingestellte Gruppe der "integrierten Generation") dem Offizialdiskurs.

  14. Vgl. Helmut Schelsky, Die skeptische Generation, Düsseldorf-Köln 1957.

  15. "Schelsky (1912 - 1984) war in seiner Jugend ein begeisterter Nazi gewesen, der in den frühen dreißiger Jahren in SA-Uniform auftrat, um die Vorlesung mißliebiger Professoren zu sprengen." Dirk Moses, Die 45er. Eine Generation zwischen Faschismus und Demokratie, in: Neue Sammlung, 40 (2000), S. 233 - 263, hier S. 238.

  16. Vgl. ebd., ferner: Rolf Schörken, Niederlage als Generationserfahrung, Weinheim-München 2004; Heinz Bude, Deutsche Karrieren. Lebenskonstruktionen von Aufsteigern aus der Flakhelfer-Generation, Frankfurt/M. 1987; Christina von Hodenberg, Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945-1973, Göttingen 2006, S. 245.

  17. Vgl. Ina Merkel, Leitbilder und Lebensweisen von Frauen in der DDR, in: Hartmut Kaelble/Jürgen Kocka/Hartmut Zwahr (Hrsg.), Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 359 - 382, hier S. 365f.; ferner: Hartmut Zwahr, Umbruch durch Ausbruch und Aufbruch. Die DDR auf dem Höhepunkt der Staatskrise 1989, in: ebd., S. 426 - 465, hier S. 449f.; Werner Mittenzwei, Die Intellektuellen. Literatur und Politik in Ostdeutschland 1945 - 2000, Berlin 2002, S. 75; Wolfgang Engler, Die Ostdeutschen. Kunde von einem verlorenen Land, Berlin 1999, S. 321; Lutz Niethammer, Volkspartei neuen Typs? Sozialbiografische Voraussetzungen der SED in der Industrieprovinz, in: Prokla, 20 (1990) 80, S. 40 - 70, hier S. 63ff.; Dorothee Wierling, Die Jugend als innerer Feind. Konflikte in der Erziehungsdiktatur der sechziger Jahre, in: H.Kaelble u.a. (ebd.), S. 404 - 425, hier S. 420ff.; B.Lindner (Anm. 5); Mary Fulbrook, Generationen und Kohorten in der DDR. Protagonisten und Widersacher des DDR-Systems aus der Perspektive biographischer Daten, in: A. Schüle u.a. (Anm. 1), S. 113 - 130; T. Ahbe/R. Gries (Anm. 1).

  18. In fast 500 Lebensläufen und Deutschaufsätzen westdeutscher Gymnasiasten der Jahre 1946 bis 1950 stand das Gefühl, betrogen worden zu sein, im Vordergrund, vgl. Rolf Schörken, Jugend 1945. Politisches Denken und Lebensgeschichte. Opladen 1990, S. 124ff., S. 140ff.

  19. Gabriele Fischer-Rosenthal (Hrsg.), Die Hitlerjugendgeneration. Biographische Thematisierung der Vergangenheit als Vergangenheitsbewältigung, Essen 1986, S. 54, S. 97ff., S. 317, S. 370.

  20. In diesen Fällen sei "die intellektuelle, kognitive Ablösung von Nazi-Ideologie erfolgt, ohne daß die mentale Basis, auf welcher der faschistische Überbau aufruhte" aufgelöst worden sei. R. Schörken nennt patriarchalisches und hierarchisches Denken, autoritäre Orientierungen, Fixierung auf ein Wir, nationalistisches Denken, Glorifizierung von Gewalt und kriegerischen Tugenden, Überzeugung von der Überlegenheit des deutschen Volkes, Dämonisierung von Minderheiten; vgl. Anm. 18.

  21. Vgl. Hermann Lübbe, Der Nationalsozialismus im deutschen Nachkriegsbewußtsein, in: Historische Zeitschrift, 236 (1983), S. 579 - 599, hier S. 585ff.; Hans-Ulrich Thamer, Die westdeutsche Erinnerung an die NS-Diktatur in der Nachkriegszeit, in: Peter März/Hans-Joachim Veen (Hrsg.), Woran erinnern? Der Kommunismus in der deutschen Erinnerungskultur, Köln-Weimar-Wien 2006, S. 51 - 70, S. 59ff.

  22. H. Bude (Anm. 16), S. 69.

  23. Vgl. Wilfried Loth/Bernd-A. Rusinek (Hrsg.), Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, Frankfurt/M. 1998; Norbert Frei (Hrsg.), Karrieren im Zwielicht, Frankfurt/M. 2001; Ulrich Herbert (Hrsg.), Wandlungsprozesse in Westdeutschland, Göttingen 2002.

  24. Patrick Wagner, Die Resozialisierung der NS-Kriminalisten, in: U. Herbert (ebd.), S. 179 - 213, hier S. 197.

  25. Ch. von Hodenberg (Anm. 16), S. 245ff. So erwies "sich der Spiegel mit einer Redaktion im Durchschnittsalter von 30 Jahren schon Anfang der 50er Jahre als Vorzeigeprojekt der ,45er`-Generation." Ebd., S. 249.

  26. Ebd., S. 270, vgl. auch S. 246ff. Als eine aktive Minderheit gab es in der Generation der "45er" auch Personen, die dezidiert den Nationalsozialismus und seine Aufarbeitung thematisierten, etwa Ralf Dahrendorf (geb. 1929), Günter Grass (1927), Jürgen Habermas (1929), Rolf Hochhuth (1931) und Martin Walser (1927).

  27. R. Schörken (Anm. 16), S. 164.

  28. Der erste Jahrgang von 17-Jährigen, der aufgrund der Verordnung zur "Heranziehung zum Kriegshilfeeinsatz der deutschen Jugend in der Luftwaffe" 1943 als Flakhelfer und Marinehelfer eingezogen wurde, war der Jahrgang 1926, der letzte der Jahrgang 1928.

  29. Zur Auseinandersetzung mit der Schuldfrage vgl. Ulrich Mählert/Gerd-Rüdiger Stephan, Blaue Hemden, Rote Fahnen. Die Geschichte der FDJ, Opladen 1996, S. 25ff.

  30. Im Jahr 1949 wurden die Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten (ABF) gegründet bzw. aus bereits bestehenden Vorstudienanstalten gebildet und an Universitäten und technischen Hochschulen angesiedelt, damit mehr Kinder von Arbeitern und Bauern dort nach einem in der Regel drei Jahre dauernden Studium das Abitur ablegen und in der Folge ein Hochschulstudium aufnehmen konnten. Die systematische Förderung führte dazu, dass Ende der 1950er Jahre der Anteil von Arbeiter- und Bauernkindern unter den Studierenden annähernd der sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung entsprach. Bis zur Schließung der ABF wurden auf diesem Wege knapp 34 000 Personen zum Hochschulstudium geführt.

  31. Vgl. M. Fulbrook (Anm. 17).

  32. Vgl. Arnd Bauerkämper, Sozialgeschichte der DDR, München 2005, S. 73ff.

  33. In lebensgeschichtlichen Studien zu Heimatvertriebenen aus der Aufbau-Generation wird deutlich, in welchem Ausmaß der Bildungsaufstieg ein Ausweg aus der familiären Misere auf dem Land bedeuten konnte. Vgl. Christian König, Heimatvertriebene Angehörige der Aufbaugeneration in Thüringen. Lebensgeschichtliche Studien. Magisterarbeit am Historischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Ms., Jena 2005.

  34. Vgl. Michael Hofmann/Dieter Rink, Mütter und Töchter - Väter und Söhne. Mentalitätswandel in zwei DDR-Generationen, in: BIOS, 6 (1993) 2, S. 199-223, hier S. 209.

  35. Vgl. detailliert zu diesem widersprüchlichen Prozess: Ralph Jessen, Akademische Elite und kommunistische Diktatur, Göttingen 1999; Georg Wagner-Kyora, Der ausgebliebene Identitätswandel. Akademiker-Generationen im Leuna-Werk, in: A. Schüle u.a. (Anm. 1), S. 131 - 167.

  36. Günter de Bruyn, Zwischenbilanz. Eine Jugend in Berlin, Frankfurt/M. 1992, S. 374.

  37. Vgl. R. Schörken (Anm. 16), S. 15, und W. Mittenzwei (Anm. 17), S. 76f.

  38. Ebd., S. 77f.

  39. Vgl. Ch. von Hodenberg (Anm. 16), S. 260f.

  40. Vgl. Monika Gibas, "Bonner Ultras", "Kriegstreiber" und "Schlotbarone". Die Bundesrepublik als Feindbild der DDR in den fünfziger Jahren, in: Silke Satjukow/Rainer Gries (Hrsg.), Unsere Feinde. Konstruktion des Anderen im Sozialismus, Leipzig 2005, S. 76 - 106.

  41. Vgl. Nicolas Berg, Lesarten des Judenmords, in: U. Herbert (Anm. 23), S. 80. Vgl. die Deutung des Nationalsozialismus als Totalitarismus bei Gerhard Ritter, Vom Sittlichen Problem der Macht. Fünf Essays, Bern 1948, ders., Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, Stuttgart 1954. Berg referiert, wie Martin Broszat oder Karl Dietrich Bracher das Totalitarismus-Argument bei der Zurückweisung von William S. Shirers 1961 erschienenem Buch "Aufstieg und Fall des Dritten Reiches" einsetzten; vgl. ebd., S. 91 - 139, hier S. 112ff.

  42. Vgl. Rudolf Pechel, Deutscher Widerstand, Zürich 1947, S. 26f., zit. nach: Jan Eckel, Intellektuelle Transformationen, in: U. Herbert (Anm. 23), S. 152.

  43. Ch. von Hodenberg (Anm. 16) ordnet ihnen die Jahrgänge 1880 bis 1890 zu. Die Jahrgänge der von 1900 bis 1920 Geborenen spielten - sofern es sich nicht um die Minorität der NS-Gegner oder -Verfolgten handelte - keine im Mediensystem spezifische Rolle (S. 85).

  44. Sibylle Hübner-Funk wirft den "45ern" vor, dass sie ihre emotionalen Verpflichtungen gegenüber den "68ern" verletzt hätten, weil sie nicht offen über die Loyalitäten ihrer Jugend redeten. Dieses Schweigen habe das Fortbestehen einer rechtslastigen kulturellen Unterströmung zu Folge gehabt; vgl. Loyalität und Verblendung. Hitlers Garanten der Zukunft als Träger der zweiten deutschen Demokratie, Potsdam 1998, S. 332.

  45. Die kleine Generationseinheit der "misstrauischen Patriarchen" hatte ihre "persönlichen Feinde" in den Führungsgruppen des Westens, vgl. M. Gibas (Anm. 40), S. 97.

Dr. phil., geb. 1958; Sozialwissenschaftler und Publizist, Oststraße 41, 04317 Leipzig.
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