Einleitung
Ungeachtet zunehmender Berufsorientierung und Erwerbstätigkeit von Frauen ist ihre Gleichstellung in der Erwerbssphäre noch nicht eingelöst. Beschäftigungschancen, Erwerbsmuster, Berufsverlauf und Einkommen von Frauen und Männern weichen nach wie vor stark voneinander ab. Noch immer ist die Kategorie Geschlecht eine zentrale Dimension der Entstehung und Reproduktion sozialer Ungleichheit. Die extremste Ausprägung findet sich auf den höchsten Ebenen der betrieblichen Hierarchie: Hochqualifizierten Frauen gelingt der berufliche Aufstieg in Führungspositionen noch immer vergleichsweise selten. Unter den abhängig beschäftigten Führungskräften in der Privatwirtschaft in Deutschland waren im Jahr 2004 nach Daten des Mikrozensus lediglich 23 Prozent Frauen.
In der politischen und wissenschaftlichen Diskussion um Chancengleichheitspolitik und die Modelle der gesellschaftlichen Organisation von Arbeit spielt die Forderung nach verbesserten Möglichkeiten einer Kombination von Erwerbstätigkeit und Familie seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle. Am 1. Januar 2001 traten mit den Neuregelungen des Bundeserziehungsgeld- und des Teilzeit- und Befristungsgesetzes erstmals Regelungen in Kraft, mit denen dieses Ziel im Rahmen derNormierung von Rechtsansprüchen auf Arbeitszeitreduzierung für Beschäftigte mit Kindern für Zeiten der Kinderbetreuung in und nach der Elternzeit umgesetzt werden sollte. Waren Möglichkeiten der Arbeitszeitreduzierung und des Wechsels zwischen unterschiedlichen Arbeitszeiten bis zu diesem Zeitpunkt gänzlich der Entscheidung der Unternehmen überlassen, die diese vornehmlich im Rahmen betrieblicher Flexibilisierungsinteressen auf unteren Ebenen der betrieblichen Hierarchie nutzten, so haben die Beschäftigten seither auf allen Hierarchieebenen die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit flexibler zu gestalten. Damit wurde zugleich der Anspruch auf ein Nebeneinander von Erwerbstätigkeit und Familie bis in hochqualifizierte Positionen statuiert.
Wie nun gestaltet sich die betriebliche Implementation der neuen Arbeitszeitrechte im Hinblick auf die Förderung einer familien- und gleichstellungsorientierten Arbeitszeitpolitik im Bereich hochqualifizierter Frauen und Männer in Führungspositionen? Wie gehen die betrieblichen Akteure mit den neuen Anforderungen um? Wie interpretieren Personalverantwortliche die neuen rechtlichen Möglichkeiten der Gestaltung der Arbeitszeit auf der höchsten Ebene der betrieblichen Hierarchie, auf welcher der am männlichen Lebensmuster orientierte Arbeitszeitstandard am ausgeprägtesten ist und normativ legitimiert wird?
Ziel dieses Beitrags ist es, erste empirische Forschungsergebnisse zur Umsetzung der gesetzlichen Grundlagen durch die Personalverantwortlichen zu präsentieren, wobei der Blick auf die Gruppe der Hochqualifizierten in Führungspositionen gerichtet ist.
Arbeitsmarktsituation von Führungskräften
Forschungsergebnisse zur Umsetzung der Teilzeitansprüche, welche die unterschiedlichen Qualifikationsebenen berücksichtigen, liegen bisher nicht vor. Gleichwohl zeichnen die vorliegenden Befunde ein deutliches Bild, bezogen auf Erwerbsbeteiligung, Arbeitszeitmuster und Familienformen von Führungskräften und die damit verbundene Unterrepräsentanz von Frauen in Leitungsfunktionen. Betrachtet man die Beteiligung von Frauen auf der Ebene der Führungspositionen im Zeitvergleich, so lassen sich nach Daten des Mikrozensus in den letzten Jahren nur geringfügige Veränderungen feststellen. In den westdeutschen Bundesländern erhöhte sich der Anteil der weiblichen Führungskräfte an allen Führungskräften von 20 Prozent im Jahr 2000 auf 22 Prozent in 2004, in den ostdeutschen Bundesländern von 25 auf 28 Prozent.
Bezogen auf die Arbeitszeitmuster zeigt sich im Bereich der Führungspositionen eine starke Dominanz der Vollzeitarbeitsverhältnisse.
Dass Frauen Leitungsfunktionen und die Versorgung von Kindern nicht gut miteinander vereinbaren können, weisen Daten zu den Familienformen aus: Lediglich knapp ein Drittel (32 Prozent) der weiblichen Führungskräfte lebt mit Kindern zusammen. Nach Analysen auf der Basis der Mikrozensus 2004 verringert das Vorhandensein von Kindern bei den abhängig beschäftigten Frauen in der Privatwirtschaft die Wahrscheinlichkeit, in eine Führungsposition zu gelangen; bei den Männern ist dies nicht der Fall.
Die Ergebnisse einer jüngeren Unternehmensbefragung lassen auf eine geringe Bereitschaft schließen, die Reduzierung der Arbeitszeit auf den höheren Ebenen der betrieblichen Hierarchie zu fördern. Gertraude Krell und Renate Ortlieb weisen in ihrer Untersuchung aus, dass im Jahr 2003 von knapp drei Viertel der Unternehmen Maßnahmen zur Teilzeit im Management weder durchgeführt noch geplant worden sind.
Vereinbarkeitspolitik in Deutschland
Die Entscheidungen von Frauen, sich am Erwerbsleben zu beteiligen, beruhen auf einer Vielzahl von Faktoren, die - über individuelle Präferenzen und soziokulturelle Normen hinaus - insbesondere die institutionellen Rahmenbedingungen einschließen. Wie die europäische Wohlfahrtstaatforschung gezeigt hat, sind diese vor allem in die komplexe Gestaltung der Verantwortlichkeit für Betreuungsarbeit zwischen den Institutionen von Familie, Markt, Staat und Zivilgesellschaft eingebettet, das heißt in die Art und Weise, wie Ressourcen und Leistungsansprüche in einer Gesellschaft verteilt und wie die Zuständigkeiten zwischen den Geschlechtern geregelt sind. Im internationalen Vergleich repräsentierte die Bundesrepublik Deutschland über Jahrzehnte ein Modell familienorientierter Sozialpolitik, das die Diskontinuität des Erwerbsverlaufs fördert und dazu tendiert, eine Betreuung der Kinder durch die Mutter zu privilegieren.
Kennzeichnend für die sozialstaatliche Steuerung war, Betreuungsarbeit in der Kleinkindphase als private Verantwortlichkeit zu behandeln, korrespondierend mit einem marginalen Ausbau der öffentlichen Infrastruktur im Bereich der Kinderbetreuung und einer abgeleiteten finanziellen Sicherung.
Zum 1. Januar 2001 erweiterte der Gesetzgeber die Handlungsmöglichkeiten der Beschäftigten hinsichtlich der gleichzeitigen Kombination von Erwerbstätigkeit und Betreuung. Um die bessere Integration der Frauen während der Elternzeit ins Erwerbsleben zu ermöglichen und die gleichberechtigte Inanspruchnahme der Elternzeit durch beide Eltern zu fördern, wurde im Bundeserziehungsgeldgesetz unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Arbeitszeitreduzierung zwischen 15 und 30 Stunden wöchentlich auf dem gleichen Arbeitsplatz für beide Eltern innerhalb der maximal dreijährigen Elternzeit festgeschrieben.
Eine weitere Regelung, die ebenfalls im Zusammenhang mit einer Verbesserung der Zugangs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Beschäftigte mit Kindern steht, wurde mit der Vorschrift der Teilzeitausschreibung eingeführt. Diese verpflichtet den Arbeitgeber, geeignete Arbeitsplätze auch in Teilzeit auszuschreiben. Die Vorschrift ist bedeutsam, weil sie im Rahmen der Stellenbesetzungsverfahren die Möglichkeit bietet, betriebliche Segmentationsmuster, die zu geschlechtsspezifisch strukturierten innerbetrieblichen Arbeitsmärkten führen, durch eine andere Rekrutierungspolitik zu verändern. Die Neuregelungen stellen insgesamt einen wichtigen Schritt hin zu einer Optionalität der Arbeitszeiten für Eltern dar. Sie verändern das in der Bundesrepublik geltende Modell der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung, da sie in stärkerem Maße als vorher eine kontinuierliche Erwerbsbeteiligung erlauben und durch die 30-Stunden-Grenze imBundeserziehungsgeldgesetz eine Abkehr von der Zuverdienstvariante sowie eine geschlechterparitätische Aufteilung der Betreuungsarbeit grundsätzlich ermöglichen.
Sichtweisen der Personalverantwortlichen
Welche Optionen bieten die neuen rechtlichen Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung für hochqualifizierte Beschäftigte mit Kindern? Wie sehen die dominanten Argumentationsmuster aus, mit welchen normativen Haltungen sind sie verbunden?
1. Die überwiegende Mehrheit der Personalverantwortlichen steht den Rechtsansprüchen der Gruppe der Beschäftigten in leitenden Positionen auf Arbeitszeitreduzierung ablehnend gegenüber bzw. setzt diese nur bei gleichzeitigem Verlust des Status der Betreffenden im Betrieb um - so lautet das zentraleUntersuchungsergebnis.
2. Die ablehnende Haltung der überwiegenden Mehrheit der Personalverantwortlichen hat einen gemeinsamen Bezugspunkt: den Arbeitszeitstandard in Vollzeit bzw. einen Arbeitszeitstandard, der weit über diesen hinausgeht. Voraussetzung für die Übernahme von Führungspositionen ist demnach eine entgrenzte Arbeitszeit, die einen mit Fürsorgearbeit verbundenen Arbeits- und Lebensentwurf ausschließt: Gemäß der Anforderung der uneingeschränkten Verfügbarkeit werden hochqualifizierte Berufs- und Sorgearbeit als unvereinbar konstruiert. Die Bereitschaft, uneingeschränkt zur Verfügung zu stehen, wird u.a. auch im Sinne höherer Leistungsorientierung gedeutet; Verfügbarkeit gilt auch im Rahmen eines Wettbewerbs als Konkurrenzmaßstab.
3. Ein dominantes Argumentationsmuster für die Behauptung der Unmöglichkeit, Positionen mit Personalverantwortung im Rahmen eines reduzierten Arbeitszeitverhältnis auszuüben, bezieht sich auf das Führungsverständnis der Personalverantwortlichen: Zum einen wird die Möglichkeit der permanenten Ansprechbarkeit als notwendige Bedingung erfolgreicher Führung postuliert (Führung findet immer statt) - verbunden mit der Vorbildfunktion des Vorgesetzten. Zum anderen werden geteilte Leitungspositionen aufgrund von Kosten oder unterschiedlicher Führungsstile als ineffizient bewertet. Vor diesem Hintergrund erscheint die Ausübung von Führungspositionen als ebenso unvereinbar mit reduzierten Arbeitszeiten. Dahinter verbirgt sich zugleich die Auffassung, dass Führungspositionen nur in Vollzeit eine uneingeschränkte Kontrollmöglichkeit gewähren oder auch, dass die Teilung der Führungsverantwortung mit einem Bedeutungs- und Machtverlust einhergeht. Auffällig ist in diesem Kontext auch das Muster, dass personalpolitische Möglichkeiten bei der Reduzierung von Arbeitszeiten in Führungspositionen - etwa die Delegation von Fach- und Führungsaufgaben durch Stellvertreterregelungen, die zeitliche oder inhaltliche Teilung von Arbeitsplätzen sowie arbeitsorganisatorische Möglichkeiten der Erreichbarkeit in dringenden Fällen - nicht erwogen werden: Der Vollzeitstandard erscheint so als unabdingbar.
4. Vollzeitarbeit - mehr noch: entgrenzte Arbeitszeit - gilt für die Ausübung von Führungspositionen als Standard und bildet damit den Maßstab für die Bewertung der - entsprechend negativ konnotierten - Teilzeitarbeit. Arbeitszeitreduzierung wird vor diesem Hintergrund mit geringerem beruflichen und betrieblichen Engagement gleichgesetzt. Diese sozialen Konstruktionen führen dazu, dass beruflicher Aufstieg unter Bedingungen reduzierter Arbeitszeit grundsätzlich nicht befürwortet wird. Für den beruflichen Aufstieg ist in dieser Perspektive also nicht in erster Linie die Qualität der Arbeit, sondern das Arbeitszeitmodell entscheidend. Dabei werden in Verbindung mit reduzierten Arbeitszeiten auch Geschlechterkonstruktionen deutlich, deren Basis wiederum die Unvereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie ist. Voraussetzung für den weiteren Aufstieg in eine höhere Führungsposition ist dementsprechend die Entscheidung gegen "die Familie". Damit verknüpft ist eine männliche Geschlechterkonstruktion, derzufolge Männer als Führungskräfte keine Sorgeverantwortung zu übernehmen haben.
5. Die Sichtweise der Personalverantwortlichen auf die Chancengleichheit von Frauen und Männern im Unternehmen korrespondiert - gemäß deren Verständnis betrieblicher Entscheidungen und dementsprechender rationaler und ökonomischer Notwendigkeiten - mit der Interpretation des Unternehmens als 'geschlechtsneutrale' Organisation. Gemeint ist, dass Unterschiede von Frauen und Männern in der betrieblichen Hierarchie vorrangig auf außerhalb der Organisation liegende Rahmenbedingungen sowie auf individuelle Entscheidungen zurückgeführt werden: mithin auf gesellschaftliche Strukturen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und ggf. sozialisationsbedingte andere Berufsorientierungen oder Verhaltensweisen von Frauen. Die Unterrepräsentanz von Frauen auf höheren Ebenen der betrieblichen Hierarchie sowie in Führungsfunktionen gilt den meisten Befragten nicht als Ausdruck einer strukturell wirkenden Benachteiligung, die auch durch innerbetriebliche Faktoren erzeugt werden kann. Benachteiligungen durch Arbeitszeitreduzierungen in und nach der Elternzeit, bei Einstellungen und Beförderungen werden folglich ausgeblendet.
Wie die Befragung der Personalverantwortlichen zeigt, werden die gesetzlichen Vorgaben der Arbeitszeitreduzierung in der überwiegenden Mehrheit der untersuchten Fälle aufgrund einer weiten Interpretation der Ablehnungsgründe nicht erfüllt. Charakteristisch ist hierbei, dass die Möglichkeiten der Arbeitszeitreduzierung nicht als individuelles Recht der Kombination von Erwerbstätigkeit und Familie betrachtet werden. Die Auslegung der Ablehnungsgründe wirkt - wie die Ergebnisse, bezogen auf die Arbeitszeitreduzierung bei Beschäftigten mit Führungsverantwortung zeigen - als generelle Beschäftigungssperre auf dem erreichten Qualifikationsniveau. Einen Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, Teilzeitarbeit von in Leitungspositionen Tätigen zu fördern, offenbart auch die Praxis der Stellenausschreibung: Der berufliche Aufstieg von Teilzeitbeschäftigten in Leitungspositionen wird von Seiten der überwiegenden Mehrheit der befragten Personalverantwortlichen generell ausgeschlossen. Das dominante Argumentationsmuster lautet, dass Führungspositionen mit Personalverantwortung nicht mit einer Arbeitszeitreduzierung zu vereinbaren sind. In der Konsequenz führt dies ebenso zu einer Beschäftigungssperre, die in diesem Fall den weiteren beruflichen Aufstieg betrifft.
Ausblick
Diese ersten Untersuchungsergebnisse zu den Sicht- und Verfahrensweisen der befragten Personalverantwortlichen zeigen, dass zwar die Integration in den Arbeitsmarkt aufgrund der Rechtsansprüche grundsätzlich gelingt, die Segmentierung innerbetrieblicher Teilarbeitsmärkte und ihre geschlechtshierarchische Strukturierung jedoch nicht aufgebrochen wird. Über den Faktor Arbeitszeit erfolgt eine klare Grenzziehung ("gläserne Decke"). Veränderte, an der jeweiligen Lebensphase orientierte Arbeitszeitstandards treffen dabei auf eine am Vollzeitstandard orientierte betriebliche Arbeitszeitkultur. Sie sind mit Geschlechterkonstruktionen verbunden, die den geltenden Arbeitszeitstandard konservieren bzw. neu hervorbringen.
Aufschlussreich sind die skizzierten Ergebnisse auch für die aktuelle Neuausrichtung des Verhältnisses von sozialer Sicherung, Arbeitszeitpolitik und infrastrukturellen Maßnahmen der Kinderbetreuung in der Bundesrepublik. Sie weisen darauf hin, welche Bedeutung der arbeitszeitpolitischen Komponente bei der Gestaltung von Chancengleichheit und der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie zukommt. Wenn es das Ziel einer am Gleichstellungsziel orientierten Arbeitszeitpolitik ist, zum Abbau geschlechtshierarchischer Arbeitsmarktsegmentation und zu einer gleichberechtigten Verteilung von Erwerbs- und Betreuungsarbeit zwischen beiden Geschlechtern beizutragen, spricht dies für eine Gestaltung der Elternzeit, die mit dazu führt, die traditionellen Geschlechterzuschreibungen aufzubrechen. Die neue Konzeption des Elterngeldes, innerhalb derer zwei Monate für den Vater zu reservieren sind, ist hierzu ein wichtiger Schritt.
In einem zweiten Schritt sollte der Anspruch auf Elterngeld so gestaltet werden, dass er jedem Elternteil über die Hälfte des gesamten Zeitraums zusteht. Eine gesetzliche Klarstellung mit dem Ziel, einen grundsätzlichen Ausschluss der Ansprüche auf Arbeitszeitreduzierung in Leitungspositionen zu vermeiden, ermöglichte darüber hinaus, Defizite in der Umsetzung der Teilzeitansprüche für den Bereich der Führungspositionen zu beseitigen. Geht es jedoch um eine Transformation der hierarchisierten Geschlechterverhältnisse, so bedarf es einer Neustrukturierung des geltenden Normarbeitszeitstandards im Sinne eines modifizierten Normarbeitsverhältnisses.