Einleitung
Bewaffnete Konflikte, die Gewalt, Tod und Leid vor allem über die Zivilbevölkerung bringen und zu Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts führen, sind immer noch eine der größten Herausforderungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Die wirtschaftliche Globalisierung wird nicht von einer gleichermaßen dynamischen globalen Verwirklichung von Frieden und Menschenrechten begleitet. Auch die Hoffnung auf eine "Friedensdividende" mit dem Ende des Kalten Krieges hat sich nicht erfüllt.
Die Anhäufung von Waffen und Munition fördert die Entwicklung von Konflikten und Krisen. Allerdings kommen Rüstungsgüter häufig nicht erst mit Ausbruch offener (Bürger-)Kriege zum Einsatz, sondern tragen vielfach alltäglich zu Gewalt und Repression bei.
Unkontrollierte Rüstungstransfers - eine ständige Bedrohung
Einen großen Beitrag zu dieser Bedrohung leisten unkontrollierte Rüstungstransfers über den globalen Waffenmarkt, dessen Handelswege vielfältig sind: Offizielle Lieferungen durch Regierungen gehören ebenso dazu wie die verschlungenen grauen oder schwarzen Kanäle der privaten Waffenmakler und -händler. Zudem überfluten "Überschusswaffen" aus den Beständen des Kalten Krieges immer noch die Weltwaffenmärkte - eine Globalisierung der besonderen Art. Am Ende steht die bewaffnete Gewalt, ausgetragen in Bürgerkriegen mit so genannten "Kleinwaffen" und "leichten Waffen", aber auch mit Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Kampfflugzeugen oder anderen Waffensystemen. Bewaffnete Gewalt fordert ihre Opfer ebenso im Alltag, wenn Polizei oder andere Sicherheitskräfte durch unverhältnismäßigen Waffeneinsatz die Menschenrechte mit Füßen treten oder kriminelle Banden zunehmend aufrüsten und ihre Waffen einsetzen. Eine weitere Bedrohung sind Minen und nicht explodierte Munition, beispielsweise aus so genannten Streubomben, die eine Gefährdung noch auf fast unabsehbare Zeit darstellen.
Ein zentrales Problem ist dabei die Verfügbarkeit von Rüstungsmaterial - fast umstandslos fließen Waffen, Munition, "Know-how" und Training oder Lizenzen zur Rüstungsproduktion in fast alle Regionen der Welt, soweit dafür gezahlt wird. Und gezahlt wird, sei es mit Geld, Bodenschätzen oder Rohstoffen. Begünstigt wird dies durch die weltweiten Defizite bei Rüstungsexportkontrollen. Häufig fehlt der politische Wille, Rüstungstransfers zu verhindern, die zu Menschenrechtsverletzungen oder Kriegsverbrechen führen können. Unzureichende Kontrollen auf den Transportwegen und mangelhafte Transparenz tragen zur Verbreitung von Waffen in Konfliktregionen bei; dabei verdienen besonders auch private Waffenmakler. Folgen der unkontrollierten Verbreitung und des Missbrauchs von Rüstungsgütern sind nicht nur Gräueltaten, Konfliktverschärfung, Menschenrechtsverletzungen, ständige Angst und Unsicherheit, sondern auch die Zunahme von Unterentwicklung und Armut.
Begriffsdefinitionen
Die Bezeichnung "konventionelle Rüstungsgüter" dient zur Abgrenzung von den atomaren, biologischen und chemischen Waffen und umfasst eine große Palette von Waffen, Munition und Technologie, die auf dem Weltmarkt angeboten werden. Unterschieden wird noch zwischen konventionellen Großwaffen und den eher verharmlosend so genannten "Kleinwaffen" und "leichten Waffen" (small arms and light weapons). Großwaffen umfassen im Wesentlichen Waffensysteme wie Kampfpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, Schützenpanzer, Artilleriesysteme, Raketenwerfer und Raketen, Militärflugzeuge und -hubschrauber sowie Kriegsschiffe. "Kleinwaffen" und "leichte Waffen" sind Pistolen, Revolver, Maschinenpistolen und Schnellfeuergewehre bis hin zu Maschinengewehren, Mörsern, tragbaren Raketenwerfern und Panzerfäusten - alles Waffen, die von ein oder zwei Personen verwendet und transportiert werden können. Aber nicht allein Waffen sind das Problem, sondern auch die dazugehörende Munition. Ein weiteres Handelsgut auf dem weltweiten Rüstungsmarkt sind so genannte dual-use-Güter, also Produkte und Technologien, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. In diesen Bereich fallen auch viele Komponenten, die in einer heute zunehmend arbeitsteiligen Rüstungsproduktion zum Endprodukt Waffensystem zugeliefert werden. Das kann dann beispielsweise ein Motor sein, der einen Mähdrescher, aber auch einen Schützenpanzer antreiben kann.
Statistik des weltweiten Waffenmarktes
Rüstungstransfers unterliegen der Geheimhaltung - diese Maxime gilt bis heute für fast alle staatlichen und privaten Waffenhändler, und so ist eine Transparenz des globalen Waffenhandels immer noch nicht gewährleistet. Einige Institutionen wie das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI
Entwicklung des Weltrüstungshandels
Der Weltrüstungshandel war seit dem Zweiten Weltkrieg mehreren Zäsuren unterworfen. So war der Rüstungsmarkt im ersten Nachkriegsjahrzehnt noch die Domäne der USA und - in geringerem Maße - Großbritanniens. Mitte der 1950er bis Anfang der 1960er Jahre begann der Aufstieg der UdSSR zu einem der beiden weltweit führenden Rüstungsexporteure (neben den USA). Rüstungslieferungen waren unter den Vorzeichen des Kalten Krieges vorwiegend ein Mittel der Außenpolitik und Einflussnahme, häufig als Schenkung oder unter Selbstkostenpreis vergeben und in vielen Fällen von Ausbildungshilfe begleitet - die Anbieter der Rüstung dominierten den Markt und bestimmten den Fluss der Waffenströme.
Dies begann sich in den 1970er Jahren zu ändern: Der Wunsch der "Kunden" nach mehr Unabhängigkeit von den Weltmächten, mehr finanzielle Mittel z.B. bei den erdölexportierenden Staaten und eine größere Zahl von Anbietern für die ganze Breite von Rüstungsmaterialien und "Know-how" (z.B. Frankreich, Großbritannien, aber auch die Bundesrepublik Deutschland und China) schwächten die beherrschende Rolle der beiden traditionellen "Marktführer", es entwickelte sich mehr und mehr ein Käufermarkt. Diese Entwicklung ermöglichte auch der Bundesrepublik höhere Marktanteile; sie wurde mit hohen Wachstumsraten in den 1970er Jahren einer der sechs größten Rüstungsexporteure der Welt. Mit großem Abstand führende Rüstungsexportnationen bleiben jedoch auch über die 1970er und 1980er Jahre bis in die heutige Zeit die UdSSR (heute Russland) und die USA, während Frankreich, Großbritannien, die Bundesrepublik und zeitweise China in wechselnder Rangfolge auf den Plätzen drei bis sechs folgten.
Gegen Ende der 1980er Jahre erfolgte der nächste Einschnitt; insbesondere der Waffenexport in die so genannte Dritte Welt brach ein. Beschleunigt durch den Zusammenbruch des Warschauer Paktes reduzierte sich der Gesamtumsatz des globalen Waffenmarktes Anfang der 1990er Jahre signifikant, parallel zur beschleunigten Entwicklung und Verfestigung des globalen "liberalisierten" Käufermarktes. Fehlende Kontrollregime, mangelnde Verbindlichkeit der Regeln oder fehlender politischer Wille zur Durchsetzung, Defizite bei der Offenlegung von Waffengeschäften und mangelnde Kontrolle des Endverbleibs bieten optimale Handelserleichterungen.
Anfang der 1990er Jahre war noch eine weitere Entwicklung zu beobachten: In großem Umfang wurden gebrauchte Waffen angeboten und gekauft - die Auflösung oder Verkleinerung der Armeen des Kalten Krieges setzte diese aus den Arsenalen frei, der Verkauf wurde vor allem aus wirtschaftlichen Gründen mit Nachdruck betrieben. Als katastrophal erwiesen sich die überschüssigen Kleinwaffen, die weltweit auch über graue oder schwarze Kanäle in Konfliktregionen geleitet wurden. Nicht zuletzt hat der so genannte "Kampf gegen den Terror" seit dem 11.9. 2001 dazu beigetragen, auch notorischen Menschenrechtsverletzern mehr und neue Waffen in die Hand zu geben. Mittlerweile scheint das "Tal" bei den weltweiten Rüstungstransfers durchschritten zu sein, was sicher auch mit den in den letzten Jahren weltweit fast überall wieder wachsenden Rüstungsausgaben zusammenhängt. Seit 2003 dokumentiert SIPRI wieder eine Zunahme des internationalen Waffenhandels.
Zunehmende Bedeutung für die Verteilung der Waffen bis in die Krisen- und Konfliktgebiete haben private Waffenhändler, Vermittler von Rüstungsgeschäften und deren Netzwerke. Und ein weiterer Aspekt gewinnt auf den internationalen Militärmärkten an Bedeutung: Das weit verbreitete outsourcing militärischer Dienstleistungen (von der Logistik bis zum Kampfeinsatz) an private Firmen.
Rüstungsindustrie
Mit dem Ende des Kalten Krieges und des Warschauer Paktes geriet auch die Rüstungsindustrie unter Anpassungsdruck. Sinkende Nachfrage und Überangebote auf dem Weltwaffenmarkt - auch aus den Überschussbeständen - bedeuteten parallel nicht mehr auslastbare Produktionskapazitäten. Die langwierigen Entwicklungs- und Produktionszyklen gerade in der Rüstung erwiesen sich ab Anfang der 1990er Jahre als ein weiterer Bumerang. Die Notwendigkeit einer Umstrukturierung der Rüstungsindustrie war evident. Es wurde jedoch nicht der Weg einer weitestmöglichen Umstellung der militärischen auf zivile Produktion gewählt (Konversion), sondern angesichts neuer Anforderungen an die Militärausrüstung (Waffensysteme und Ausrüstung für "Krisenreaktionskräfte", UN-Einsätze, "Schnelle Eingreiftruppen") eine Restrukturierung hin zu größerer Wirtschaftlichkeit und höherer Effizienz als Ziel formuliert. Während in den USA die Umstrukturierung der Militärindustrie schon ab Mitte der 1990er Jahre eingeleitet und mittlerweile weitgehend abgeschlossen wurde - im Wesentlichen durch die Fusion wichtiger Produzenten der Luft- und Raumfahrtindustrie zu Großkonzernen -, steht ein analoger Prozess in Europa immer noch am Anfang; die Restrukturierung kommt nur langsam in Gang. Wichtigstes Beispiel dafür war der Zusammenschluss der deutschen DASA (DaimlerChrysler Aerospace), der französischen Aerospatiale Matra und der spanischen CASA zur European Aeronautic Defence and Space Company (EADS), einem der weltgrößten Rüstungskonzerne. Allerdings leisten sich etliche EU-Staaten weiter den Luxus eigener Kapazitäten für Großwaffensysteme, die ohne Exporte kaum ausgelastet werden könnten. Zusätzlich wurde auf der politischen Ebene versucht, die Rahmenbedingungen neu zu ordnen - sicherlich auch als Reaktion auf die Forderungen der Rüstungsindustrie nach vereinheitlichten Bedingungen auf europäischer Ebene, die die "Wettbewerbsfähigkeit" sichern sollen. Als Ergebnis wurde im Juli 2000 von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweden und Spanien ein "Rahmenabkommen über Maßnahmen der Erleichterung der Umstrukturierung und Tätigkeit der Europäischen Rüstungsindustrie" abgeschlossen, das vor allem die Rüstungszusammenarbeit betrifft, aber auch Regelungen für Rüstungsexporte von Produkten aus Koproduktionen enthält. Auch wenn die bestehenden Kriterien des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren (siehe unten) hier angewendet werden sollen, besteht die Gefahr neuer Schlupflöcher, die Rüstungstransfers auch an problematische Staaten erleichtern. Die aktuellen Zahlen von SIPRI
Die Rolle der Bundesrepublik
Die deutschen Regierungen behaupten seit Jahren unisono, Rüstungstransfers würden sehr restriktiv gehandhabt. Die gesetzlichen Grundlagen für deutsche Rüstungsexporte (Kriegswaffenkontrollgesetz; Außenwirtschaftsgesetz) ermöglichen grundsätzlich auch eine restriktive Genehmigungspraxis: Bei tatsächlich stringenter Anwendung und dem nötigen politischen Willen hat die Bundesregierung durchaus genügend Mittel an der Hand, solcherlei Geschäfte effektiv einzuschränken. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Die Praxis der Rüstungsexportkontrollen der Bundesregierung - zusätzlich beruhend auf den zuletzt im Januar 2000 geänderten Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Rüstungsexport (Richtlinien ohne Gesetzesrang) - führt schon seit langem dazu, dass Deutschland ganz weit oben im Feld der großen Waffenlieferanten mitspielt. Restriktiv war und ist nur die Informationspolitik der Bundesregierungen, da seit Jahren vermieden wird, Rüstungsexporte im notwendigen Detail offenzulegen. Dies hat sich auch mit den seit dem Jahr 2000 regelmäßig vorgelegten Rüstungsexportberichten nicht geändert, die zwar ein erster positiver Schritt hin zu mehr Transparenz sind, aber immer noch wichtige Kategorien an Rüstungsgütern wie dual-use-Güter auslassen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat aufgrund ihrer vielfältigen Exportgenehmigungen der Vergangenheit eine besondere Verantwortung, dem internationalen Handel mit Kleinwaffen entgegenzuwirken. Die deutschen Regierungen tragen immer noch an der Hypothek der über viele Jahre hinweg großzügigen Genehmigungspraxis für Lieferungen von Maschinenpistolen, Schnellfeuer- und Maschinengewehren und den Aufbau von Produktionskapazitäten für solche Waffen.
Kleinwaffen als besondere Bedrohung
Die von nahezu allen Rüstungsproduzenten und Lieferstaaten betriebene Geheimhaltung und Verschleierung von Produktionszahlen und Lieferumfängen, der unerlaubte und illegale Handel mit Kleinwaffen und Munition sowie die lokale Kleinproduktion machen die systematische Erfassung der ganzen Dimension Kleinwaffenbedrohung fast unmöglich. Mit dem "Small Arms Survey Yearbook", das seit 2001 jährlich vom Genfer Graduate Institute of International Studies
Einige Eckpunkte aus den Untersuchungen des Genfer Instituts mögen die Problematik der Kleinwaffen illustrieren. So ist die Zahl der legalen Hersteller von Kleinwaffen weltweit stark angestiegen, in rund hundert Staaten bestehen Herstellungskapazitäten. Der Anstieg der Produzentenzahl steht im Zusammenhang mit der Verbreitung von Produktionslizenzen, aber auch mit der zunehmenden Zahl kleiner spezialisierter Hersteller. Über diese legalen Hersteller hinaus hat der "Small Arms Survey" in mindestens 25 Staaten unerlaubte Kleinwaffenproduktion identifiziert - vorwiegend im südlichen Afrika und in Süd- und Südostasien -, die für einen zunehmenden Anteil illegaler Kleinwaffen verantwortlich ist. Gemessen an Umfang und Wert der produzierten Kleinwaffen liegen die USA, Russland und China mit Abstand an der Spitze, es folgen etwa 20 Staaten vorwiegend in Europa und Asien als mittlere Produzenten. Mindestens 650 Millionen Schusswaffen (Pistolen, Revolver, Maschinenpistolen, Gewehre, Maschinengewehre) sind nach den vorsichtigen Schätzungen des "Small Arms Survey" derzeit weltweit im Umlauf - rund die Hälfte davon, so wird geschätzt, sind legal in Privatbesitz, überwiegend in den USA. Der Großteil des weltweiten Kleinwaffen- und Munitionshandels, zwischen 80 und 90 Prozent, wird legal abgewickelt, durch Regierungen genehmigt und auf offiziellen Wegen an die Empfänger geleitet - dies sind meistens Militär und Polizei, es können je nach Exportpolitik der Staaten aber auch Zwischenhändler, Privatunternehmen oder Privatpersonen sein. Es ist jedoch eine bittere Erfahrung, dass viele dieser ursprünglich legal an die Erstempfänger gelieferten Kleinwaffen später in die Grauzone des unerlaubten Handels oder auf den Schwarzmarkt gelangen.
Schätzungen zufolge werden mindestens eine halbe Million Menschen jährlich durch Kleinwaffen getötet, die Zahl der Verwundeten liegt bei mehreren Hunderttausend. Die Mehrzahl der Opfer fordern die bewaffneten Konflikte und Kriege. Zudem werden rund 200 000 Menschen Opfer von Kleinwaffen in Ländern, in denen keine offenen Kriege oder Bürgerkriege ausgebrochen sind - Opfer der Sicherheitskräfte, Opfer krimineller Akte, Opfer privater Gewalt. Darüber hinaus ist eine Vielzahl direkter und indirekter negativer Effekte der Kleinwaffen festzustellen, häufig bedingen sich Kleinwaffen und eine Kultur der Gewalt gegenseitig. Unkontrollierte Kleinwaffenlieferungen führen zur Eskalation von Konflikten, fördern aber auch die Kriminalität. Kleinwaffen tragen zu Fluchtbewegungen bei, sie werden bei Vertreibungen eingesetzt und zerstören ganze Gesellschaften. Es gibt deutliche Indikatoren dafür, dass auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung durch unkontrollierte Anhäufung von Kleinwaffen zurückgeworfen wird und ganze Staaten destabilisiert werden - nicht zuletzt leiden auch humanitäre Hilfe und Entwicklungsprojekte unter dieser Bedrohung.
Instrumente zur Kontrolle des Waffenhandels - Wirksamkeit und Defizite
Ein wichtiges Instrument zur Schaffung von mehr Transparenz auf dem weltweiten Rüstungsmarkt ist das 1991 etablierte Register der Vereinten Nationen für konventionelle Waffen (UN-Großwaffenregister).
Entwicklung einer europäischen Rüstungsexportkontrollpolitik
In den 1990er Jahren wurden auf europäischer Ebene erste praktische Maßnahmen einer gemeinsamen Kontrollpolitik für Rüstungsexporte entwickelt, nachdem über lange Jahre die nationalen Eigeninteressen vor allem der führenden Rüstungsproduktions- und -exportstaaten Fortschritte gebremst hatten. Ein erster Meilenstein gemeinsamer europäischer Schritte sind die rechtlich verbindlichen Regelungen aus dem Jahr 1995 zur Exportkontrolle von dual-use-Gütern. Dieses Regelwerk mit einer umfassenden Produktliste und einer generellen Auffangklausel, die auch ein Exportverbot bestimmter nicht gelisteter Waren ermöglicht, wurde in den Folgejahren mehrfach verbessert.
Wesentlich schwieriger gestaltete sich die Erarbeitung einheitlicher Vorschriften für den Export konventioneller Waffen und Munition - hier setzten sich am Ende trotz großen öffentlichen Drucks und der Unterstützung wichtiger EU-Staaten nationale Vorbehalte durch. Im Ergebnis wurde 1998 ein "Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren" verabschiedet, der neben Ausführungsbestimmungen (u.a. gegenseitige Konsultationen zur Verhinderung des Unterlaufens von Ablehnung eines Exports in einem anderen EU-Staat, Vorlage eines vertraulichen jährlichen Gesamtberichtes) acht Kriterien für die Genehmigung konventioneller Rüstungsexporte umfasst:
1. Einhaltung internationaler Verpflichtungen (z.B. Embargos, Proliferationsverbotsabkommen);
2. Achtung der Menschenrechte im Endbestimmungsland;
3. Innere Lage im Endbestimmungsland (Spannungen, innere Konflikte);
4. Erhalt von Frieden, Sicherheit und Stabilität in einer Region;
5. Nationale Sicherheit der EU-Staaten;
6. Verhalten des Käuferlandes gegenüber der internationalen Gemeinschaft (Haltung zum Terrorismus, Einhaltung des Völkerrechts, Art bestehender Bündnisse);
7. Risiko der Umleitung oder Wiederausfuhr der Ausrüstung;
8. Vereinbarkeit der Rüstungsexporte mit der technischen und wirtschaftlichen Kapazität des Empfängerlandes. Zentrales Defizit bleibt die fehlende rechtliche Verbindlichkeit des EU-Kodex; zudem fehlt es an Transparenz und an parlamentarischer Beteiligung bei den Genehmigungsprozessen. Bedauerlicherweise sind die einzelnen Kriterien trotz Erläuterung und Überarbeitung weiterhin interpretationsfähig. Das bestehende Konsultationsverfahren muss deutlich wirksamer und transparenter gestaltet werden; notwendig ist zudem eine einheitliche, wirksame Endverbleibskontrolle sowie die Kontrolle von Lizenzvergaben. Immerhin ist mittlerweile eine EU-weite Regelung zur verschärften Kontrolle der Vermittlung von Waffengeschäften und eine weitere zur Eindämmung des Handels mit Gütern, die zu Folter und Ausführung der Todesstrafe verwendet werden können, verabschiedet worden.
Zwei weitere Maßnahmen der EU zur Regelung der Rüstungstransfers seien erwähnt, die vornehmlich auf die Bekämpfung der Kleinwaffenverbreitung abzielen. 1997 wurde ein verbindliches "EU Programme for Preventing and Combating Illicit Trafficking in Conventional Arms" vereinbart, mit dem die EU-Staaten verpflichtet werden, ihre Anstrengungen im Kampf gegen illegale Waffentransfers zu verstärken und andere Staaten in diesen Bemühungen zu unterstützen. Mit der 1998 beschlossenen, verbindlichen Gemeinsamen Aktion zu Kleinwaffen sollen die EU-Staaten Maßnahmen gegen die unkontrollierte Verbreitung und Anhäufung kleiner und leichter Waffen durchführen - allerdings bleibt unverständlich, dass die Munition für die Kleinwaffen dabei bislang unberücksichtigt geblieben ist. Positiv ist zu vermerken, dass sowohl die Kriterien des EU-Verhaltenskodex als auch die Gemeinsame Aktion von mehr und mehr Staaten unterstützt und teilweise übernommen werden.
Kleinwaffenkonferenz der Vereinten Nationen
Mit großer Hoffnung haben viele Staaten und Nichtregierungsorganisationen die Initiative der UN aufgenommen, eine internationale "Konferenz der Vereinten Nationen über den unerlaubten Handel mit Kleinwaffen und leichten Waffen unter allen Aspekten" abzuhalten.
Wassenaar Arrangement
Im Jahr 1996 wurde das Wassenaar Arrangement
Waffenembargos
Grundsätzlich sind Waffenembargos der UN und anderer Organisationen wichtige Instrumente für internationale Bemühungen, einen ungebremsten Zufluss von Rüstungsgütern in Konflikt- und Kriegsgebiete zu unterbinden. Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung führt für das Jahr 2005 Waffenembargos gegen 15 Staaten auf, die von den UN, der EU oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verhängt wurden.
In der Praxis zeigt sich allerdings immer wieder die begrenzte Wirksamkeit solcher Embargos. Ein Bericht der control arms-Kampagne von amnesty international, Oxfamund dem Kleinwaffenaktionsnetzwerk IANSA vom Frühjahr 2006
Was bleibt zu tun? Ein Ausblick
Die internationale Gemeinschaft steht noch ganz am Anfang der notwendigen Entwicklung einer wirklich wirksamen Kontrolle des Handels mit konventionellen Rüstungsgütern. Die dargestellten Instrumente und Maßnahmen sind erste Schritte - ein Stückwerk, das nicht verbergen kann, dass die Bedrohung durch den globalen Waffenhandel, insbesondere durch Kleinwaffen, eher noch zunimmt. Fehlende rechtliche Regelungen, mangelnde Verbindlichkeit bestehender Regeln, unpräzise Formulierungen von Genehmigungskriterien, von Land zu Land unterschiedliche Praxen in der Anwendung der Regelungen und die fehlende Transparenz der Geschäfte ermöglichen einen weiterhin florierenden weltweiten Waffenmarkt.
Umso wichtiger ist es, dass sich die Zivilgesellschaft immer wieder nachdrücklich zu Wort meldet und nicht den Regierungen sowie der Rüstungswirtschaft das Feld überlässt. Eine Perspektive bietet die 2003 von amnesty international, Oxfam und IANSA gestartete internationale Kampagne "Waffen unter Kontrolle". Die Prioritäten der Kampagne sind die Reduktion des Angebots auf dem Waffenmarkt durch verbesserte internationale, regionale und nationale Rüstungsexportkontrollen sowie die Entwicklung geeigneter Maßnahmen, um die Nachfrage nach Waffen zu reduzieren. Einen ersten wichtigen Erfolg hat die Kampagne 2006 errungen: Unterstützt von weltweit mehr als einer Million Menschen, die sich in einer Internetpetition mit ihrem Porträt für bessere Waffenkontrollen eingesetzt haben,
Ein solches rechtlich verbindliches Übereinkommen soll endlich alle Rüstungstransfers stoppen, die zu Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts beitragen können. Die UN-Vollversammlung hat dieses Ziel mit überwältigender Mehrheit unterstützt und die Einsetzung einer Expertengruppe beschlossen, die ein solches Abkommen ausarbeiten soll. Damit ist ein weiterer wichtiger Schritt getan, der - so bleibt zu hoffen - zukünftig zu einer international verbindlichen Regelung und wirksamen Kontrolle des globalen Rüstungshandels führen wird.