Einleitung
Wenn Menschen sich im Alltag begegnen, so nehmen sie einander in einer konkreten zeitlich-räumlichen Verortung, und das heißt auch als Körper wahr: "Den Körper haben wir immer dabei" bemerkte der Soziologe Erving Goffman.
Folglich sind wir realiter keine reinen 'Geister', 'Handlungssysteme', abstrakte Bürgerinnen oder leblose Arbeitnehmer, wie die Sozialwissenschaften lange angenommen haben bzw. es noch tun. Vielmehr sind wir immer und überall, zu jeder Zeit aus Fleisch und Blut.
Begriffliches: Körper haben, Leib sein
In Handlungsvollzügen, in der alltagsweltlichen Praxis also, spielt unsere körperliche Dimension eine bedeutende Rolle. Der Körper ist ein zentrales Handlungsinstrument; wir handeln mit dem Körper, und zwar zum Teil durchaus so, wie wir mit anderen Objekten handeln. In diesem Sinne manipulieren wir den und hantieren wir mit dem Körper, indem wir ihn zum Beispiel kleiden, durch Diäten oder Sport formen, mit Make-up bemalen oder ihn an Nägeln und Haaren beschneiden. Auch setzen wir ihn bewusst ein im Sinne einer Darstellungsressource, etwa durch die Anwendung bestimmter Gesten und Körperhaltungen, durch Blicknavigationen, körperliche Zu- und Abwendung etc.
All dies ist deshalb möglich, weil es unsere Natur ist, sozial zu sein - und weil damit die menschliche Natur, zu der unsere körperliche Ausstattung ganz sicher gehört, uns nicht in einem deterministischen Sinne gegeben ist, sondern uns auch verfügbar ist. Wir sind der körperlichen Dimension unserer Existenz also nicht - oder jedenfalls in weit geringerem Maße als jedes andere Lebewesen - ausgeliefert, und dies spielt gerade auf allen Ebenen unsere Sozialität eine wichtige Rolle. Anders und kurz gesagt: Die Art und Weise, wie wir das Verhältnis zu unserem Körper gestalten, ist eine genuin soziale Angelegenheit. In Gesellschaft zu leben heißt immer und unausweichlich, soziale Erfahrungen zu machen, heißt vergesellschaftet zu sein. Dies beginnt bereits im Mutterleib, setzt sich als und nach der Geburt fort und endet erst mit dem Tod. Und so ist es auch müßig, über eine "Natur" des Körpers nachzudenken, sofern diese Natur als jenseits des Sozialen, Kulturellen, Historischen gedacht wird. Solch eine Natur gibt es für Menschen schlicht nicht bzw. ist sie außerordentlich abstrakt zu fassen, nämlich als Lernfähigkeit, Vernunftfähigkeit, Plastizität, Kreativität usw. Doch im Sinne der Sinne und der Sinneswahrnehmungen sind beipielsweise unsere Augen, Ohren, unsere Haut und unser inneres Empfinden ebenso vergesellschaftet wie unsere kognitiven Fähigkeiten oder unsere Persönlichkeit. Anders gesagt: Körper und Geist sind Teil von Vergesellschaftungsprozessen. Diese Einsicht ist nicht neu, hat doch schon Karl Marx die Anerkennung der materiellen Basis aller menschlichen Praxis und Geschichte gefordert und damit konkret auch den Körper einbezogen.
Und doch ist unser Körper kein Gegenstand wie eine Handtasche oder ein Tisch. Denn zu dem, was im Alltag undifferenziert Körper genannt wird, gehört eine leibliche Dimension. Wir haben demnach nicht nur einen Körper, über den wir verfügen, sondern sind zugleich auch ein Leib, über den wir eben nicht verfügen. Dieser Leib ist der sozialphilosophische Fachbegriff für die Dimension des inneren Erlebens.
Der Körper als Darstellungsmaterial
Interessanterweise kann man derzeit, vor allem in bestimmten Medienformaten und in manchen Branchen, beobachten, dass sich eine Leibvergessenheit und Körperbesessenheit entwickelt, die den Körper doch wie eine Tasche, ein Möbelstück oder beliebige unbelebte Materie behandelt. Die Rede ist zum Beispiel von der plastischen Chirurgie als "Schönheitschirurgie", ihren entsprechenden Inszenierungen in Fernsehformaten wie "The Swan - endlich schön" (2004 bei Pro7), in denen Verfahren der plastischen Chirurgie zu einer Strategie des "Körpertunings" neben vielen anderen verharmlost und zugleich dramatisiert wurden, die Popularisierung von Piercings und Tatoos, von Haarverlängerungen, permanent Make-up, Wellnessprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln im Dienste der "Fitness". All dies zeugt von der sich derzeit intensivierenden kulturellen Verdinglichungstendenz, die den Körper tatsächlich (nur noch) als beliebig manipulierbare Masse kodiert.
Viele andere aktuelle, aber auch historische Beispiele zeugen von der - sicherlich zunehmenden - Möglichkeit und Notwendigkeit, den Körper im Sinne kultureller Deutungen zu inszenieren. Unsere Partizipation an verschiedensten (Sub-)Kulturen ist maßgeblich von der Inszenierung des Körpers und seinen kulturellen Konstruktionen getragen. Wenn man beispielsweise zur Tango Argentino-Szene gehören möchte, reicht es nicht, bei einer Tanzgelegenheit nur körperlich anwesend zu sein. Vielmehr muss der Körper gemäß den in dieser Szene herrschenden Codes in einen Tango-Körper verwandelt werden: Durch Kleidung, Gesten, Bewegungen und dergleichen wird der Körper und damit die entsprechende Person als Mitglied der Szene für andere erkennbar bzw. durch eine solche visuelle An-Erkennung überhaupt erst zum Mitglied. Denn als Mitglied anerkannt werden, indem der Körper als spezifischer erkannt wird, und Mitglied (einer Szene oder einer Gruppe) zu sein, ist handlungspragmatisch ein- und dasselbe. Das gilt im Prinzip für die Teilnahme an jedweder Institution, Organisation oder Gruppe. Niemand ist schon allein durch beliebige körperliche Anwesenheit ein kompetentes Mitglied etwa einer Krabbelgruppe für Babies und deren Eltern, einer wissenschaftlichen Gemeinschaft oder einer Berufsgruppe. Oft, fast immer, sind sehr spezifische Körperpraxen und Körpermodellierungen notwendig, um Mitglied einer Gruppe zu sein. Man denke nur an die offensichtlichen Beispiele wie Medizinisches Personal, Flugbegleiter oder Köche einer Großküche; hier ist Kleidung eine wesentliche Komponente der kulturellen Konstruktion eines "Berufskörpers", die selbstverständlich in ihren Effekten weit über bloße Äußerlichkeiten hinausgeht. Viele Studien belegen die auch leibliche und identitätsrelevante Wirkung beispielsweise von Berufskleidung.
Hierzu bedarf es eines erheblichen, von uns allen allerdings meist präreflexiv und selbstverständlich erbrachten Aufwandes im Alltag. Wir tragen die "richtige" Kleidung, rasieren uns an den "richtigen" Stellen (nicht) die Haare, führen unseren Körper in je "richtiger" Weise im Raum und betreiben endlos viele mehr oder minder kleine Inszenierungen. Kurz gesagt, wissen wir ja nicht, wie unsere Mitmenschen ohne Kleidung aussehen oder wie deren Chromosomen beschaffen sind. Gerade deshalb ist der kulturelle Umgang mit dem Körper im Alltag so außerordentlich wichtig. Wir erzeugen damit "kulturelle Genitalien", wie es der Soziologe Harold Garfinkel in seinen Studien genannt hat. Er weist so darauf hin, dass wir mit unseren Körpern durch ihren kulturellen Gebrauch suggerieren, diese seien auch anatomisch entsprechend "ausgestattet".
Die prinzipielle Möglichkeit, den Körper zu inszenieren, ist in unserer sozialen Natur angelegt. Die Chance allerdings, dies auch, und zwar - so die von vielen Soziologen und Soziologinnen empirisch fundierte These - in zunehmenden Maße im Rahmen vielfältiger Optionen zu tun, hängt von den sozialen Bedingungen ab, unter denen wir leben. Dass wir also ein breite(re)s Spektrum an Möglichkeiten und Ressourcen haben, um unsere (auch zunehmend selbst gewählten und nicht qua Geburt gegebenen) Zugehörigkeiten zu verkörpern, ist ohne eine historische und eine ungleichheitsanalytische Perspektive nicht zu verstehen. Leitend ist dabei die Diagnose, dass seit dem Entstehen der bürgerlichen Moderne im späten 18. Jahrhundert Menschen einer Doppelbewegung von diesseitiger Rationalisierung und Autonomisierung einerseits und Biologisierung und Naturalisierung andererseits ausgesetzt sind. Das heißt, kurz gesagt, dass seit der Überwindung religiöser und traditional begründeter Welt- und Selbstbilder die Gestaltung des eigenen Lebens in sämtlichen Bereichen zum Leitbild und - wenn auch in eingeschränkterem Maße - zur Praxis wird. Diese Praxis der Selbstgestaltung des Lebens sowie des eigenen Selbst ist in doppelter Weise beschränkt: durch materielle und andere Bedingungen, die einen gestaltenden und souveränen Zugriff auf das eigene Leben ermöglichen bzw. beschränken (im Sinne systematischer Ungleichverteilung zentraler gesellschaftlicher Ressourcen) und durch die individuelle Verfügbarkeit von zentralen Ressourcen, die zur Selbstgestaltung notwendig sind. Denn die Möglichkeit, das eigene Leben, einschließlich des eigenen Körpers, gewissermaßen in die eigenen Hände zu nehmen, hängt auch von der Möglichkeit ab, Geld, Zeit, Macht und Bildung in Selbstgestaltungsprozesse zu investieren. An diesen zeigt sich der Status von Personen besonders deutlich. So braucht man beispielsweise Zeit, um den Körper durch Lernprozesse so zu bewegen, wie es in speziellen Subkulturen richtig ist, etwa in so genannten Bewegungskulturen wie tänzerischen oder sportiven Kontexten. Wer auf dem sprichwörtlichen gesellschaftlichen Parkett eine "gute Figur" machen will, kann dies nicht willentlich beschließen, sondern muss dies erlernen. Und insofern dies körperlich-leibliche Lernprozesse erfordert, bedarf es dafür Zeit. Um diese in die Inszenierung und Formung des Körpers investieren zu können, ist wiederum Geld notwendig. Denn Fitnessstudios, Tanzkurse oder einfach die Sozialisation innerhalb spezifischer beruflicher Felder mitsamt ihrer somatischen Dimension kosten nicht nur monatliche Beiträge, sondern setzen auch voraus, dass man in dieser Zeit etwas anderes, eine berufliche Fortbildung beispielsweise, nicht machen kann. Auch Bildung ist im Sinne der Gestaltung des eigenen Körpers zentral, um etwa Entscheidungen, die die Selbstgestaltung qua Körper betreffen, informiert treffen zu können.
Die seit der Moderne angelegte Loslösung von Individuen aus ehemals gegebenen und religiös begründeten Strukturen ist allerdings nicht nur ein Freiheitsgewinn, der alle Personen gleichermaßen autonom(er) macht und der begleitet wäre von der gänzlichen Auflösung mehr oder weniger verbindlicher sozialer Werte. Im Gegenteil: Die Modernisierung ist begleitet von der ambivalenten Notwendigkeit, sich im sozialen Gefüge zu verorten, und auch dieses Gefüge ist mitnichten normativ neutral. Wir werden nun nicht mehr durch Herkunft verortet, sondern müssen dies selber tun. Dies beinhaltet auch die "Zumutung", uns dauernd selber positionieren zu müssen. Hierfür ist der Körper ein probates Mittel insofern, als er im Alltag unsere sichtbarste "Visitenkarte" darstellt. Dies trifft auch in Kontexten zu, die vordergründig und in ihrer Selbstbeschreibung vom Körper gänzlich absehen, wie beispielsweise professionelle Organisationen oder Bürokratien. Auch im professionellen Handeln ist der Körper ein wesentliches Mittel zur Inszenierung von (beruflichen) Hierarchien und dergleichen.
Dies alles sind Rollen, doch sind sie uns nicht äußerlich im Sinne eines Theaterspiels, für das man sich verkleidet und das man nach dem Fallen des Vorhangs gänzlich verlässt, um in das "eigentliche" oder "echte" Leben zurückzukehren. Vielmehr agieren wir immer, doch in spezifischer und auf je unterschiedlich intensive Weise wie auf einer Bühne: auf der Bühne des sozialen Lebens. Goffman hat in vielen Studien herausgearbeitet, dass der Körper ein wesentliches, wenn nicht gar das wesentlichste Interaktionsinstrument darstellt, das wir haben. Der Körper kommuniziert immer, er sendet dauernd Signale, die die Mitmenschen empfangen und deuten (sollen). Dabei sind die Zeichen und die Deutungen hochgradig konventionalisiert, sie sind Bestandteil der intersubjektiv geteilten Wissensbestände und nicht beliebig interpretierbar. Für bestimmte Aspekte und Felder gelten tradierte Normen, die - das ist das Tückische und Zeitaufwändige daran - implizit sind. Weiblichkeit und Männlichkeit sind Paradebeispiele solcher Inszenierungen, für die man selten (und wohl immer seltener) "Regieanweisungen" bekommt, die aber dennoch hochgradig stereotypisiert und normativ sind.
Gegenwärtig können wir uns - in Grenzen - entscheiden, welchen Bezügen und Kontexten wir angehören wollen, wir müssen uns aber auch entscheiden. Diese Ambivalenz hat sich der "Individualisierungsthese"
Auch wenn man der Individualisierungsdiagnose skeptisch gegenübersteht, so muss doch festgehalten werden, dass der Körper in der Moderne gleichermaßen zu Werkzeug und zum Material von Selbstgestaltungspraxen geworden ist, und dass dieser Prozess sich, so meine These, in den letzten Jahren noch deutlich intensiviert hat. Dabei wird die leibliche Ebene zunehmend aus dem Blick verloren, der Körper scheint zunehmend total verfügbar zu werden. Dass diese Entwicklung ihre hochgradig problematischen Seiten hat, zeigen die Debatten um pränatale Diagnostik und Reproduktionstechnologien. Diese nämlich werfen eine Reihe ethischer Fragen auf, die sich genau an der Frage entzünden, wie sehr der Körper als "Rohstoff" behandelt werden kann, darf und soll.
Somatische Vergesellschaftung: Prägung des Leibes
Wir lernen, wie oben unter dem Stichwort "Vergesellschaftung der Sinne" bereits angedeutet, durch die aktive Aneignung unserer Lebenswelt in Familie, Öffentlichkeit, Bildungsinstitutionen, Medien usw., was laut oder leise ist, was sich gut anfühlt oder hässlich aussieht, wovor wir Angst haben und was wir auf welche Weise begehren. All dieses körper- und leibgebundene Wissen ist kein Ausdruck eines monadischen Individuums, das autonom aus sich heraus fühlt und bewertet; vielmehr ist dieses Körperwissen Ausdruck unserer komplexen Sozialisation in einer komplexen Welt, die ebenso fremd- wie selbstbestimmte Momente umfasst und die erst endet, wenn wir sterben. In diesem Sinne ist das Körperwissen prozessual, es wird auch nicht ein einziges Mal wie ein Buchwissen explizit gelernt und dann abgelegt. Körperwissen ist ein typisches Beispiel für das, was man soziologisch "präreflexives" Wissen nennt; ein Wissen also, das vor- oder halbbewusst ist. Körperwissen sitzt "tief unter der Haut" und ist gerade darum auch so wirkmächtig. Auch wenn wir manchmal anders wollen, unser Leib sträubt sich bisweilen gegen das, was er früh und nachhaltig gelernt hat. Solche Erfahrungen machen wohl die meisten, wenn sie beispielsweise eine ausgeprägte Angst vor Spinnen durch "reine Gedankenkraft" überwinden wollen oder wenn ihnen beim Erlernen eines Tanzes trotz aller Begeisterung der "richtige" Hüftschwung nicht gelingen will.
Das heißt jedoch nicht, dass Körperwissen und Leibempfindungen ein Leben lang unveränderlich wären. Das Gegenteil ist der Fall: Körperwissen, also das präreflexive, soziale Wissen um all jene Erfahrungen und Dimensionen, die den Körper betreffen, wird permanent angewendet, variiert, verändert, neu erzeugt, zur Disposition gestellt. Doch geschieht dies üblicherweise nicht explizit, sondern gewissermaßen "hinter dem Rücken" der Menschen. Wir ändern unseren Kleidungsstil, unsere Vorliebe für Farben, unseren Geschmack in puncto Essen und Trinken, unseren Sinn für (Un-)Ordnung in der Wohnung, unsere Körperform durch Diät oder Sport, unsere Angst vor bestimmten Dingen oder das Schmerzempfinden häufig, ohne dies bewusst zu tun oder überhaupt wahrzunehmen. In jedem Falle aber betrachten wir diese Veränderungen, wenn wir sie bemerken, als Ausdruck einer individuellen, autonomen Entscheidung und nicht als Effekt sozialer, kollektiver Lern- und Aneignungsprozesse. Schließlich hört niemand gern, dass seine Vorliebe für eine bestimmte Jeansmarke oder ihre Abneigung gegen bestimmtes Essen keine ganz individuelle Angelegenheit, sondern vielmehr Ausdruck eines milieuspezifischen Habitus sei.
Hexis: Der "intuitive" soziale Sinn
Der "Leib [fungiert] als eine Art Gedächtnisstütze" für alle normativen und kognitiven Aspekte der Sozialisation - so Bourdieu.
Ausblick: Körperliche (Re-)Produktionen sozialer Ordnung
Nun werden durch die Einsicht in die Wirkmächtigkeit leiblich wirksamer Inkorporierungen weder individuelle Handlungsfähigkeit noch die Freiheit, Entscheidungen zu treffen, obsolet. Soziale Ordnung zu verkörpern, meint weder, dass man gewissermaßen einen 'Stempel' schlicht aufgedrückt bekommt und als Individuum passiv dieser Prägung harrt, noch, dass die soziale Ordnung ein einfaches Schema wäre, so dass an einer Verkörperung eine soziale Verortung evident wäre. Vielmehr ist die Verkörperung sozialer Ordnung und damit auch sozialer Ungleichheit ein fortwährender, komplexer und in gewisser Weise 'unordentlicher' Prozess. Sozialisatorische Praxen mitsamt ihrer somatischen Aspekte kommen niemals zum Stillstand, wenngleich spezifische Phasen und Momente der leiblichen Biographie schwerer wiegen als andere.
Bezieht man die hier nur angedeutete Komplexität der Struktur sozialer Ungleichheit auf den Körper im Alltagshandeln, so lässt sich zusammenfassend sagen, dass wir am Körper unserer Mitmenschen deren Zugehörigkeit zu den verschiedenen sozialen Gruppen erkennen; wir 'lesen' also all die körpergebundenen Zeichen, die uns über die soziale Position unserer Handlungspartner Aufschluss geben. Wir verkörpern im konkreten Tun immer auch unsere Zugehörigkeiten zu sozialen Gruppen. Solche Verkörperungen sind einerseits erstaunlich beharrlich und konventionell, andererseits auf interessante Weise veränderlich und kreativ. Unser Körperhandeln ist demnach beides zugleich: Reproduktion sozialer (Ungleichheits-)Strukturen und eigensinnige Produktion. Der entsprechende Begriff, mit dem die Gleichzeitigkeit von Neuschöpfung und Wiederholung auf der körperlichen Ebene gedacht und analysiert werden kann, lautet Mimesis.
Mimetisches Handeln ist immer körpergebundenes Handeln und meint eine "Anähnlichung" an etwas Gesehenes oder Gedachtes.