Einleitung
Der Abbruch der Friedensverhandlungen zwischen Israel und Syrien im Frühling 2000, Israels einseitiger Rückzug aus dem Libanon im Sommer desselben Jahres und der Beginn der Al-Aqsa-Intifada im Herbst 2000 - all diese Ereignisse haben eine neue Realitätim Beziehungsgeflecht zwischen Israelis, Palästinensern und Arabern geschaffen. Geprägt wird diese neue Wirklichkeit auch durch den amerikanischen Einmarsch in den Irak im März 2003, das Erstarken der Regionalmacht Iran und die wachsende Kluft zwischen Schiiten und Sunniten. Jede Politik, die eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts anstrebt, muss sich an der neuen Wirklichkeit orientieren und sollte sich nicht auf Konzepte und Ansätze stützen, die in der Vergangenheit nicht zum erhofften Frieden führten.
Dieser Beitrag untersucht die veränderte Lage in Israel, in den palästinensischen Autonomiegebieten, in der Region und auf breiterer internationaler Ebene aus israelischem Blickwinkel - in der Absicht, die Chancen eines umfassenden Ansatzes zur Konfliktlösung auszuloten und gleichzeitig vor weiterhin bestehenden Gefahren einer Politik zu warnen, die den Nahen Osten erneut in eine ausweglose Lage stürzen könnte.
Die neue politische Wirklichkeit in Israel
Zur Staatsräson Israels und des politischen Zionismus gehört es, das Selbstbestimmungsrecht des jüdischen Volkes in seiner angestammten Heimat Israel sowie Sicherheit und Akzeptanz inmitten der anderen Nationen im Nahen Osten zu gewährleisten. Sie sind Konstanten der israelischen Politik und des innenpolitischen Diskurses über die Strategie, die diesen Zielen am besten dient.
In den 1990er Jahren hoffte die zunächst von Jitzchak Rabin und später Ehud Barak geführte israelische Linke, diese Ziele durch Verhandlungen mit der palästinensischen Führung über eine gemeinsame Friedenslösung zu erreichen. Dahinter stand die Hoffnung, eine Zwei-Staaten-Lösung, d.h. ein "Ende der Besatzung" und die Schaffung eines palästinensischen Staates neben Israel, werde die jüdische Bevölkerungsmehrheit inIsrael langfristig sichern und es dem jüdischen Volk ermöglichen, seine kollektiveIdentität zu wahren. Darüber hinaus versprach ein Friedensabkommen mit den Palästinensern, in dem sich beide Seiten zu einem "Ende des Konflikts" verpflichteten, sowohl Sicherheit als auch regionale Akzeptanz für Israel.
Das Scheitern der Verhandlungen und der Ausbruch der Al-Aqsa-Intifada brachten diesen Ansatz zu Fall. Und nicht nur ihn: Die israelische Linke verlor ihre Stellung als führende politische Kraft im Parlament und wurde 2001 durch eine von Ariel Sharon geführte, rechtsgerichtete Regierung ersetzt. Im Sommer 2005 begann diese Regierung - mit voller Unterstützung der Friedensbewegung und der politischen Mitte und gegen heftige Opposition der rechten Siedlerbewegung - mit der einseitigen Räumung von 21 jüdischen Siedlungen im Gazastreifen und vier in der nördlichen Westbank. Man hegte die Hoffnung, die Palästinenser würden mit internationaler Unterstützung ein stabiles und sicheres Umfeld schaffen, und stellte als Beitrag zum Friedensprozess einen ähnlich umfassenden Rückzug und die Räumung von Siedlungen in der gesamten Westbank in Aussicht.
Die Hoffnungen, die Israel mit der Strategie der einseitigen Schritte verband, zerschlugen sich. Rückblickend betrachtet war der israelische Rückzug aus dem Libanon bis zu der von den Vereinten Nationen anerkannten Demarkationslinie für die radikal-islamische Hisbollah lediglich ein Anreiz für weitere Angriffe auf Israel, die im Sommer 2006 zu einem neuen Libanon-Krieg führten. Ähnliches gilt für den Rückzug aus dem Gazastreifen: Anstatt ein politisches Umfeld zu schaffen, das einen weiteren Abzug begünstigt hätte, wurden von dort Qassam-Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert, wurde der israelische Soldat Gilad Shalit entführt, ermöglichte die Militarisierung Gazas weitere tödliche Attacken gegen Israel.
Letztlich bewirkte dies, dass seitdem folgende Konzepte im Mittelpunkt der israelischen Politik stehen: ? Unterstützung einer massiven Rücknahme von Siedlungen in der Westbank, um eine jüdische Mehrheit im israelischen Kernland zu bewahren und den jüdisch-demokratischen Charakter des israelischen Staates zu stärken; ? Vermeidung direkter Konfrontationen mit der Siedlerbewegung, die zu einer bürgerkriegsähnlichen Lage führen könnten, und folglich die Suche nach einem Konsens über die Räumung und Verlegung illegaler Siedlungen in die ausgewiesenen Siedlungsblöcke; ? eine unbeugsame Haltung in Sicherheitsfragen und die Fortsetzung des Kampfes gegen den Terrorismus (verbunden mit der Auffassung, dass Rückzugs- und Räumungsmaßnahmen erst nach der Schaffung eines dauerhaft sicheren Umfeldes möglich sind); ? Ablehnung einseitiger Maßnahmen und das Bemühen um Dialog mit den Palästinensern und der internationalen Gemeinschaft zur Herstellung des nötigen sicheren Umfeldes; ? Zugeständnisse in der Flüchtlingsfrage (so, wie den Juden das Recht eingeräumt wurde, in ihre jüdische Heimat zurückzukehren, müsste auch den Palästinensern eine Rückkehr in die palästinensischen Gebiete - nicht aber nach Israel - zugestanden werden); ? in der Jerusalem-Frage eine Trennung der äußeren Stadtbezirke in jüdische und arabische Wohnviertel, doch müssen eine Einigung über die Unteilbarkeit der Altstadt und Sonderregelungen für das so genannte "Holy Basin", das Kerngebiet der Jerusalemer Heiligen Stätten, erzielt werden; ? Einstufung militanter Gruppierungen wie Hamas und Islamischer Jihad als friedensunfähig sowie der notwendige Dialog mit der moderaten Führung der Palästinenser und dem "Arabischen Quartett" (Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten). ? Fortschritte im Verhandlungsprozess werden an die drei Bedingungen des Nahostquartetts geknüpft: Anerkennung des Existenzrechts Israels (andernfalls könnte die Zwei-Staaten-Lösung als zeitweilige, nicht aber endgültige Lösung erachtet werden), Anerkennung und Einhaltung unterzeichneter Verträge (andernfalls könnte auch jede künftige Vereinbarung missachtet werden) sowie uneingeschränkte Verpflichtung zum Gewaltverzicht (ohne ein sicheres Umfeld für den Frieden ist keine Vereinbarung von Dauer zu erzielen).
Erste vorsichtige Schritte im Einklang mit diesen Konzepten waren die Wiederaufnahme des Dialogs mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und die Ausrichtung von trilateralen Gipfelgesprächen unter Beteiligung von US-Außenministerin Condoleezza Rice, bei denen ein Ausweg aus der Sackgasse gefunden werden sollte. Parallel dazu nahm Israel den Dialog mit Ägypten und Jordanien auf und war bestrebt, einen ähnlichen mit Saudi-Arabien in Gang zu bringen und auf regionaler Ebene die Beziehungen zur Türkei zu verbessern. All dem lag das Bemühen zugrunde, eine gemeinsame Front gegen das militante regionale Machtstreben Irans zu errichten.
Im Kontext regionaler Entwicklungen wird die vom saudischen Kronprinzen Abdallah lancierte Arabische Friedensinitiative vom März 2002 als Bedrohung und Chance zugleich verstanden. Angesichts der zunehmenden Radikalisierung im Nahen Osten werden die Einflussmöglichkeiten pro-westlicher arabischer Regierungen angezweifelt: Die radikal-islamische Front gegen Israel, die sich aus der Terrorgruppe Al-Qaida, dem Iran, der Hisbollah im Libanon, der Hamas und dem Islamischen Jihad in den Palästinensergebieten sowie der an Bedeutung gewinnenden Muslimbruderschaft in Ägypten und Jordanien zusammensetzt (Gruppierungen, die sich weigern, das Existenzrecht Israels anzuerkennen und für "bewaffneten Widerstand", sprich Gewalt, eintreten), scheint die Oberhand zu gewinnen. Schlimmer noch, die Absicht der radikalen Islamisten, prowestliche arabischen Regierungen zu schwächen, und die unerträgliche Leichtigkeit, mit der die arabischen Massen gegen Israel und den Westen aufgewiegelt werden können, werfen ein Licht darauf, wie zerbrechlich jeder Vorschlag ist, der den Frieden näher bringen soll.
Die der Arabischen Friedensinitiative innewohnende Chance mag schwer auszumachen sein, muss jedoch gründlich ausgelotet werden. Unter der Voraussetzung, dass der Plan um zusätzliche Vereinbarungen ergänzt, nicht als "Diktat" präsentiert wird und in einen kontrollierten Prozess zur Friedensschaffung übertragen werden kann, der auf einer Linie mit der Road Map - dem Fahrplan des Nahostquartetts zu einem Verhandlungsfrieden - und der Resolution 1515 des UN-Sicherheitsrates liegt, könnten beide Seiten nur gewinnen (was einen klar umrissenen Friedensprozess zusätzlich stärken könnte). Es gilt, eine kluge Kombination aus der Road Map und der Arabischen Friedensinitiative auszuhandeln. Der in der Road Map aufgezeigte Drei-Stufen-Plan muss - ohne Abweichung von dessen Grundzügen, aber unter Änderung einzelner Bestimmungen - überarbeitet werden. In der ersten Phase muss ein sicheres und stabiles Umfeld für Verhandlungen aufgebaut werden. In einem zweiten Stadium müssen die Grundbedingungen für die Haltbarkeit eines Friedensabkommens zwischen Israel und den arabischen Staaten geschaffen werden. Schließlich müssen in einer dritten Phase alle beteiligten Parteien die notwendigen Vereinbarungen und Verpflichtungen eingehen und verwirklichen, um einen dauerhaften Frieden zu schaffen.
Die neue politische Wirklichkeit in den palästinensischen Autonomiegebieten
Das unbestrittene Ziel des palästinensischen Volkes und seiner Führung ist das Ende der israelischen Besatzung, die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit der Hauptstadt Al-Quds (Jerusalem) sowie eine umfassende und gerechte Regelung der Flüchtlingsfrage. Dabei treten die beiden größten politischen Bewegungen, die gemäßigte Fatah und die radikal-islamische Hamas, für zwei sehr unterschiedliche Lösungen ein. Die Fatah hat sich auf die Zwei-Staaten-Lösung festgelegt und sieht die Beziehungen zu Israel laut Präsident Abbas wie folgt: "(E)s ist unerlässlich, Beziehungen zu Israel aufzubauen, die auf gegenseitigem Vertrauen beruhen, so dass die Israelis sich in Bezug auf ihren neuen Nachbarn und alten Feind sicher fühlen und auf dessen Fähigkeit vertrauen, Feindschaft im Einklang mit den arabischen Ländern in Normalität umwandeln zu können."
Im Gegensatz dazu hat die Hamas die Zwei-Staaten-Lösung weder anerkannt noch ihr zugestimmt. Ihre Charta vom August 1988 beginnt wie folgt: "Im Namen von Allah, dem Gnadenreichen, dem Barmherzigen (...) Israel wird erstarken und aufrecht stehen, bis es vom Islam vernichtet wird wie andere vor ihm. (...) Denn unser Kampf gegen die Juden ist so umfassend und erbittert, dass er alle loyalen Anstrengungen erfordert, derer wir mächtig sind; er muss gefolgt werden von weiteren Schritten und immer wieder angefacht werden von Kampftruppen aus der arabischen und islamischen Welt, bis die Feinde vernichtet sind und Allah den Sieg davonträgt." Im Kern zielt die Ideologie der Hamas auf die Vernichtung des israelischen Staates, liegt ihre Strategie darin, die palästinensische Bevölkerung, die arabische und die islamische Welt zum Kampf gegen Israel aufzuwiegeln. Artikel 14 der Hamas-Charta ist eindeutig: "Das Problem der Befreiung Palästinas tangiert drei Lager: das palästinensische, das arabische und das islamische. Jedes dieser Lager hat seine Rolle im Kampf gegen den Zionismus zu spielen."
Der Sieg der Hamas bei den Wahlen zum Palästinensischen Parlament (PLC) im Januar 2006 und die Bildung einer Hamas-Regierung haben in den palästinensischen Autonomiegebieten eine neue Realität geschaffen. In der Vergangenheit bestimmte PLO-Führer Yassir Arafat das Vorgehen der Palästinenser; er hatte ein unipolares politisches System errichtet, das von der Fatah kontrolliert wurde. Dieses System brach mit dem Tod Arafats zusammen. Weder der neue Führer der Fatah Mahmud Abbas noch Hamas-Führer Khaled Mashal konnten sich eine ähnliche Machtstellung erarbeiten. Die Auseinandersetzungen zwischen ihnen führten zu einer bürgerkriegsähnlichen Lage, zu wachsender Anarchie und zur Bildung einer von Feindseligkeiten geprägten Koalition, deren Partner bei Regionalmächten Unterstützung suchten: die Hamas im Iran und in Syrien, die Fatah in Ägypten und Jordanien. Die innerpalästinensische Gewalt drohte in die gesamte Region getragen zu werden.
Als sich die konkurrierenden Gruppierungen unfähig zeigten, aus eigener Kraft einen Kompromiss zu finden, intervenierte Saudi-Arabien und konnte den Weg zu einer Palästinensischen Regierung der Nationalen Einheit ebnen. Offenbar markiert die Vereinbarung von Mekka vom Februar 2007 das Entstehen eines bipolaren Systems, das auf der neuen Machtstruktur innerhalb der PLO aufbaut. Die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit, die Einigung auf Mahmud Abbas als PLO-Vorsitzenden und die vorgesehene Wahl Mashals zu seinem Stellvertreter werden diese neue Struktur widerspiegeln. Selbst wenn diese Wahl nicht erfolgen sollte, scheint auf längere Sicht jede Seite ein Veto gegen die Handlungen der anderen einlegen zu können.
Eine - gewollte oder in Ermangelung von Alternativen erfolgende - Teilung der Macht scheint so gut wie festzustehen, die politische Richtung muss die palästinensische Führung allerdings erst noch definieren. Wir stehen am Anfang dieses Weges und können zwei Hypothesen aufstellen: Einerseits dürfte die Hamas eine vorbehaltlose Zustimmung der Palästinenser zu den drei Forderungen des Nahostquartetts verhindern. Keine israelische Regierung aber wird ernsthaft über eine Friedenslösung verhandeln können, ohne die Anerkennung der Forderungen durchgesetzt zuhaben. Fortschritte an der bilateralen Verhandlungsfront scheinen kaum realistisch, wenn auf palästinensischer Seite die Auffassung vertreten wird, dass frühere Vereinbarungen nicht bindend sind und Gewalt als legitimes Mittel im Kampf gegen die Besatzung gilt. Andererseits scheinen beide Seiten, Hamas und Fatah, in der Arabischen Friedensinitiative eine Grundlage für Verhandlungen mit Israel zu sehen. Dies könnte eine Chance eröffnen, die ernsthaft ausgelotet werden sollte.
In der neuen Machtstruktur stehen zwei unterschiedliche politische Ansätze in vielerlei Hinsicht für das alte Dilemma der Palästinenser. Für die eine Seite kann nur eine Politik der (militärischen oder diplomatischen) Konfrontation mit Israel, die darauf abzielt, die arabische und die islamische Welt im Kampf gegen Israel zu mobilisieren, den palästinensischen Interessen dienen. Die andere Seite argumentiert, die Suche nach für beide Seiten - für Israel und die Palästinenser - vorteilhaften Lösungen stelle den einzig gangbaren Weg dar - wahrlich keine geringe Herausforderung angesichts des im vergangenen Jahrzehnt auf beiden Seiten verlorengegangenen Vertrauens.
Regionale Konfigurationen
Die Folgen der Terroranschläge vom 11. September 2001 für die arabische Welt können in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden, denn aus ihnen sind vier neue Bedrohungen erwachsen.
Radikaler Islamismus: Al Qaida hat nicht nur den Westen angegriffen, sie hat auch muslimische Ziele getroffen. Al Qaidas Strategie ist es, sowohl im Westen als auch in der arabischen Welt für Irritationen und Zwiespalt zu sorgen, einen militärischen Gegenschlag zu provozieren, der zivile Opfer fordert, und auf diese Art - ähnlich wie die Islamisten in Algerien - ihren Rückhalt an der Basis zu stärken. Mit der Zeit, so die Al-Qaida-Ideologen, werde die Unterstützung der arabischen und muslimischen Massen den Sturz der pro-westlichen Regime in Jordanien, Ägypten und Saudi-Arabien und eine geeinte Front gegen den geteilten Westen ermöglichen.
US-Invasion im Irak: Die Auswirkungen der Invasion, die Debatte über eine Verstärkung bzw. einen Rückzug der amerikanischen Truppen und die Versuche zur Befriedung der Region können hier nicht umfassend beschrieben und analysiert werden. Folgende Tatsachen seien skizziert: Saudi-Arabien und die arabischen Golfanrainer befürchten eine zunehmende Militanz der schiitischen Bevölkerung im Nordosten Saudi-Arabiens, in Bahrein, Dubai und anderswo am Persischen Golf. Die Türkei und der Iran fürchten ein zunehmend unabhängiges Kurdistan im Irak und dessen Auswirkungen auf die kurdischen Gebiete in der Türkei und im Iran. Die jordanische Regierung fürchtet einen weiteren Zustrom irakischer Flüchtlinge, der die Ressourcen des Landes strapaziert und eine unumkehrbare Destabilisierung auslösen könnte. (Derzeit halten sich fast eine Million Iraker in Jordanien auf.)
Irans Streben nach Hegemonie: Die gefährlichste Folge der US-Invasion im Irak war der Ausbau der regionalen Machtstellung Irans und die daraus resultierende Gefährdung der Stabilität im arabischen Raum. Die Iraner versuchen, einen schiitischen Bogen bis ans Mittelmeer zu spannen, einen Bogen, der von Teheran über einen schiitisch geprägten Irak, Damaskus und die Hisbollah im Libanon bis ins Palästina der Hamas reicht. Syrien und Libanon werden ebenfalls als Herausforderung für die regionale Stabilität betrachtet, aber gefährlicher ist die offenkundige Entschlossenheit Irans zum Ausbau seiner nuklearen Fähigkeiten, was das Machtgleichgewicht in der Region auf den Kopf stellen könnte. Niemand kann wirklich voraussagen, was es bedeuten würde, wenn iranische expansionistische und schiitische Absichten unter dem nuklearen Schutz von Teheran ihren Lauf nehmen könnten. Größte Besorgnis löst die politische, militärische, finanzielle und professionelle Unterstützung Irans für radikal-islamische Gruppierungen aus - für die Hisbollah, den Islamischen Jihad und die Hamas. Waffen- und Raketenlieferungen und Hetzparolen zur Zerstörung Israels heizen nicht nur den israelisch-palästinensischen Konflikt weiter an, sondern zielen zugleich darauf ab, die pro-westlich ausgerichteten arabischen Regierungen zu destabilisieren. Die Unverfrorenheit, mit der Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad versucht, die Feindschaft zwischen Israel und den Palästinensern für seine hegemonialen Interessen zu nutzen, wird nicht nur in Israel, sondern auch von arabischen Beobachtern als Gefahr für die regionale Stabilität wahrgenommen.
Spaltung zwischen sunnitischen und schiitischen Regimen: Expansionistische Bestrebungen im Iran, das Entstehen schiitischer Machtstrukturen im Irak (was von den Sunniten als Bedrohung ihrer politischen und wirtschaftlichen Interessen betrachtet wird), zunehmende Bekehrungsversuche des schiitischen Klerus bei sunnitischen Gläubigen, Versuche der Schiiten, ihre Stellung in Syrien auszubauen und der sich verschärfende Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten im Libanon - all dies ruft bei den sunnitischen Staaten in der Region ernste Befürchtungen hervor. Auch nicht-arabische sunnitische Staaten wie Indonesien, Malaysia und Pakistan werden immer stärker in Angelegenheiten der Golfregion verwickelt.
Positiv ist, dass die meisten arabischen Staaten (angeführt von Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und den Golfstaaten) angesichts einer derartigen Instabilität der Region ein eigenes Interesse daran zeigen, einen Beitrag zur dauerhaften Stabilität der israelisch-palästinensischen und im weiteren Sinne zu den israelisch-arabischen Beziehungen zu leisten. Auf der negativen Seite muss in Betracht gezogen werden, wie kurzlebig ein solches Unterfangen sein kann und wie leicht radikale Kräfte notwendige Friedensbemühungen mit verbalen Hetzkampagnen oder gewaltsamen Aktionen untergraben können.
Was kann und sollte getan werden?
In einem chinesischen Sprichwort heißt es "Wenn du eine Kerze anzündest, schütze sie vor Wind und Sturm" - eine Logik, auf die sich auch der Drei-Stufen-Plan der Road Map stützt. Zunächst müssen die beteiligten Parteien ein sicheres und stabiles Umfeld für Verhandlungen garantieren, in einer zweiten Phase müssen die Grundbedingungen für die Haltbarkeit eines umfassenden israelisch-arabischen Friedens erzielt werden und in einem dritten Stadium schließlich müssen die beteiligten Parteien die erforderlichen Abkommen beschließen und implementieren. All dies sollte in einen Fünf-Punkte-Befriedungsplan gefasst werden.
1. Einigung auf einen dauerhaften Waffenstillstand: Wie von palästinensischen Gesprächspartnern vorgeschlagen, sollte ein aus drei Komponenten bestehendes Übereinkommen erzielt werden. Danach verpflichten sich beide Seiten auf einen Waffenstillstand über vier Jahre und zu gleichzeitigen Verhandlungen für einen dauerhaften Frieden. Abhängig von der Einhaltung des Waffenstillstands soll Israel auf der Grundlage eines transparenten Plans schrittweise inhaftierte palästinensische Terroristen/Freiheitskämpfer freilassen. Mit der Unterzeichnung des angestrebten israelisch-palästinensischen Friedensabkommens sollen die letzten palästinensischen Inhaftierten freigelassen werden.
2. Wiederbelebung des Gedankens einer israelisch-palästinensischen Partnerschaft mit Unterstützung von außen: In diesem zweiten Schritt steht die Durchführung praktischer Maßnahmen im Vordergrund: eine bessere Abwicklung an allen Grenzkontrollstellen zwischen Israel und dem Gazastreifen bzw. der Westbank, eine koordinierte Umsetzung der Vereinbarungen über eine erleichterte Bewegungsfreiheit (einschließlich der Reduzierung von Straßensperren, der Freigabe des Verkehrs in den Grenzgebieten sowie geänderter Reisebestimmungen in der gesamten Westbank), ein erleichterter Zugang nach Jerusalem, die Unterstützung eines Programms zum wirtschaftlichen Wiederaufbau in den palästinensischen Gebieten, ein koordiniertes wirtschaftliches Engagement im Jordantal auf trilateraler, israelisch-palästinensisch-jordanischer Ebene.
3. Verständigung über die Umrisse einer endgültigen Regelung in Territorialfragen: Bei der Lösung aller Fragen, die einen endgültigen Frieden betreffen, kann und sollte ein erster Durchbruch bei der Regelung territorialer Fragen erzielt werden. Dies ist ganz ohne Zweifel ein Thema, das auf bilateraler und vertraulicher (sprich geheimer) Ebene zwischen Israelis und Palästinensern erörtert werden sollte. Selbst wenn der Streit um den endgültigen Status von Jerusalem noch nicht lösbar ist, wird ein Übereinkommen über territoriale Fragen den Weg frei machen für eineRäumung von Siedlungen, für eine umfassende Verständigung über Sicherheitsbelange und für eine klar abgegrenzte Vereinbarung über die Rolle der internationalen Gemeinschaft für die Sicherheit der Region.
4. Wiederbelebung des Madrider Prozesses: Wird in den (vertraulichen) Verhandlungen über die Territorialfrage ein Durchbruch erzielt, ist es sinnvoll, unter dem Dach des Madrider Friedensprozesses einen breiteren Verhandlungsrahmen zu schaffen. Die Teilnahme führender Vertreter der internationalen Gemeinschaft und der arabischen Welt sollte diesen Verhandlungen nach einem Übereinkommen in der Territorialfrage zusätzlichen Auftrieb verleihen und das Gefühl stärken, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten. Die nächste Aufgabe wird es sein, eine gemeinsame Sicherheitsstruktur aufzubauen und - gestützt auf ein stabiles Umfeld - eine Verständigung über die Jerusalem- und die Flüchtlingsfrage auszuhandeln.
5. Friedensverhandlungen zwischen Israel, Syrien und dem Libanon: Am Ende des beschriebenen Stufenplans soll ein Friedensschluss zwischen Israel und den 22 arabischen Staaten stehen, zu denen natürlich auch der Staat Palästina zählt.
Herausforderungen für die internationale Gemeinschaft
Verzicht auf überhastete und aufgezwungene Lösungen: Nicht unmittelbar in den Konflikt involvierte Parteien könnten geneigt sein, Vorschläge für eine schnelle "Lösung" zu unterbreiten; schon in der Vergangenheit hatten Palästinenser und Israelis zu oft unter unzureichend vorbereiteten Verhandlungsinitiativen zu leiden. Nahezu immer sind diese gescheitert, haben zu neuer Verzweiflung und Gewalt geführt.
Wahrung der Einheit des Nahostquartetts und der internationalen Gemeinschaft: Die Regierung der USA, die von allen regionalen Akteuren als treibende Kraft hinter jeder Initiative zur Konfliktlösung betrachtet wird, neigt zu einseitigem Vorgehen, während die Europäische Union und Russland - sei es aus Sorge um die Erfolgsaussichten der angestrebten Friedensstrategie, oder aus eigenem Machtinteresse - dazu neigen, nicht mit den USA übereinzustimmen und sich von ihr abzugrenzen. Alle Mitglieder des Nahostquartetts sollten äußerste Anstrengungen unternehmen, mit einer Stimme zu sprechen, ohne abgestimmte, abweichende Nuancen gleich ganz zu verbieten.
Denken und Handeln in zwei unterschiedlichen Konfliktfeldern: Die Staaten des Nahen Ostens sind verstrickt in zwei unterschiedliche Konfliktfelder, den israelisch-palästinensischen und den weiter gefassten israelisch-arabischen Konflikt. Der zweite große Konflikt ist in der jahrhundertealten Konfrontation zwischen Christentum und Islam verwurzelt, in der Gegnerschaft eines größer werdenden, dominanten Europa und der Völker im Nahen Osten. Im heutigen Nahen Osten erfährt dieser Konflikt eine neue Ausprägung: Vor allem beruht er auf der Auseinandersetzung zwischen arabischen Regierungen und Gesellschaften, die an der Globalisierung teilhaben möchten, und jenen Staaten und nicht-staatlichen Akteuren, die in ihr eine Bedrohung der islamischen Tradition und Gesellschaft sehen. Letztere sind geneigt, den israelisch-palästinensischen Konflikt (über die berechtigten Forderungen der palästinensischen Bevölkerung hinaus) für eigene Zwecke zu nutzen und damit einen Teufelskreis der Gewalt heraufzubeschwören. Weder Israel noch die Palästinenser sind stark genug, dieser Herausforderung im Alleingang zu begegnen. Es wird die Aufgabe des Nahostquartetts, der internationalen Gemeinschaft und vielleicht sogar der NATO sein, eine effiziente Sicherheitsstruktur aufzubauen, Fortschritte auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung des israelisch-palästinensischen und des israelisch-arabischen Konflikts zu erzielen und einen wirkungsvollen Schutzschild gegen Versuche militanter Islamisten zu errichten, die Kluft zwischen Israelis und Arabern auszunutzen.
Unterstützung beim Übergang von Feindschaft zu Normalität: Präsident Abbas' Ansatz, in Israel Vertrauen zu schaffen, dass es den Palästinensern im Einklang mit den arabischen Staaten gelingen kann, Feindschaft in Normalität zu verwandeln, könnte in den Mittelpunkt friedensschaffender Maßnahmen rücken. Dies bedeutet, dem israelischen Volk und seiner Regierung zu versichern, dass endgültige Vereinbarungen nicht zu Interimsabkommen herabgestuft werden, auf die neue Wellen von Gewalt und Eskalation folgen. Auf der anderen Seite wird Israel den Palästinensern seinerseits zusichern, dass "Übergangsvereinbarungen" nicht zu endgültigen Regelungen werden, dass das Endziel - ein lebensfähiger Staat Palästina - gestützt auf vereinbarte Grundsätze erreicht wird. Weder die Palästinenser noch die Israelis können diese vertrauensbildenden Maßnahmen aus eigener Kraft leisten. Nötig sind eindeutige Vereinbarungen und Zusicherungen der internationalen Gemeinschaft über Eckpunkte, die Umsetzung gegenseitiger Zusagen sowie Verfahren zur Überprüfung, Überwachung und Streitbeilegung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die neue Wirklichkeit im Nahen Osten die Wiederbelebung des israelisch-palästinensischen und des israelisch-arabischen Friedensprozesses schwieriger, zugleich aber auch notwendiger macht als je zuvor. Einerseits wird die politische Dynamik durch die gescheiterten Ansätze in der Vergangenheit gebremst. Andererseits bietet die Furcht vor einer weiteren Verschlechterung und Radikalisierung einen Ansporn für neue Gespräche. Offenbar ist nur ein umfassender Ansatz, der vom Nahostquartett und von der internationalen Gemeinschaft getragen wird, geeignet, den Friedensprozess zum Erfolg zu führen. Ein historischer Wandel kann sich nur dann vollziehen, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens müssen die politischen Führungen den ins Auge gefassten Wandel entschlossen vorantreiben, zweitens müssen gescheiterte Versuche und Irrtümer der Vergangenheit verstanden und beherzigt werden, und drittens schließlich müssen detaillierte Ablaufpläne entwickelt werden. Einige dieser Voraussetzungen scheinen derzeit gegeben zu sein, andere noch nicht. Auf dem Weg zum Frieden ist noch harte Arbeit zu leisten.