Einleitung
Das Umweltvölkerrecht ist - zumindest in der Form, wie wir es heute vorfinden
Vor diesem Hintergrund ist die Einberufung der Konferenz der UNO für Umwelt und Entwicklung (UNCED), der "Rio-Konferenz" 1992 zu sehen. Doch auch diese blieb stark von dem Interessengegensatz der Staaten des Nordens und denjenigen des Südens geprägt: Während erstere vor allem auf die Weiterentwicklung des Umweltvölkerrechts Wert legten, strebten letztere die Verknüpfung umweltpolitischer Fortschritte mit einer angemessenen wirtschaftlichen Entwicklung und entsprechender Hilfe seitens des Nordens an.
Dabei ist es im Rahmen des vorliegenden Beitrags selbstredend nicht möglich, den Begriff der "Gerechtigkeit" umfassend zu erörtern, implizierte dies doch vertiefte und rechtsphilosophische Überlegungen, die hier nicht geleistet werden können. Für die Zwecke der folgenden Ausführungen reicht es vielmehr aus, darauf hinzuweisen, dass mit "Gerechtigkeit" insofern auf inhaltliche Aspekte des Umweltvölkerrechts Bezug genommen wird, als danach gefragt wird, ob und inwieweit das Umweltvölkerrecht, wenn es den Staaten als Völkerrechtssubjekten
"Gerechtigkeit" im Umweltvölkerrecht: Im Umweltvölkerrecht kommt der Gedanke der "Gerechtigkeit" im skizzierten Sinn bislang in erster Linie in den so genannten "Prinzipien" zum Ausdruck; hingegen ist eine Konkretisierung dieser eher allgemeinen Grundsätze bislang erst in Ansätzen und Teilbereichen erkennbar. Im Folgenden sollen nun die wichtigsten diesbezüglichen Prinzipien dargestellt werden. Daneben sei noch kurz auf den in unserem Zusammenhang ebenfalls relevanten Grundsatz der angemessenen Nutzung gemeinsamer natürlicher Ressourcen eingegangen.
Prinzipien des Umweltvölkerrechts
Auch das Umweltvölkerrecht kennt - insoweit im Grundsatz parallel zum nationalen Recht - allgemeine Grundsätze, die Leitlinien für das entsprechende Verhalten der Staaten darstellen, einen Maßstab für Auslegung und Anwendung schon bestehender umweltvölkerrechtlicher Normen bilden und als Wegweiser für die zukünftige Entwicklung dienen sollen. Der Rechtscharakter dieser Grundsätze ist aber häufig unklar; nach der hier vertretenen Ansicht kann derartigen Grundsätzen ein (auch) völkergewohnheitsrechtlicher Charakter zukommen, der aber in Bezug auf jedes einzelne Prinzip nachzuweisen ist.
Auf das Prinzip der Nachhaltigen Entwicklung - das in seiner heutigen Fassung auf den so genannten Brundtland-Bericht "Our Common Future" aus dem Jahr 1987 zurückgeht
Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente für die zuletzt genannte Sicht:
Der vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ausgangslagen der Staaten (insbesondere des Nordens und des Südens) zu sehende Grundsatz der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung der Mitglieder der Staatengemeinschaft geht einerseits von einer von allen Staaten gemeinsam zu tragenden Verantwortung für die Berücksichtigung von Umweltbelangen aus; andererseits aber kann diese nicht für alle Staaten gleich sein bzw. gleiche Konsequenzen entfalten. Dieses Prinzip ist nicht als solches operationell, sondern bedarf der Konkretisierung in völkerrechtlichen Verträgen.
Zum Ausdruck gekommen ist dieser Grundsatz insbesondere in der Klimarahmenkonvention und im Kyoto-Protokoll, werden den Staaten hier doch sehr unterschiedliche materielle Pflichten im Hinblick auf die Reduktion von Treibhausgasen auferlegt, die sowohl auf den unterschiedlichen Grad der Verursachung als auch auf die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Staaten abstellen.
Das Konzept des Gemeinsamen Erbes der Menschheit ("common heritage of mankind") soll Ansatzpunkte für die Nutzung staatsfreier Räume liefern. Es hat sich ab Ende der 1960er Jahre entwickelt und bislang insbesondere in der Seerechtskonvention von 1982 niedergeschlagen.
Das Kooperationsprinzip ist sichtbares Zeichen des Wandels des Völkerrechts von einem Koexistenz- zu einem Kooperationsvölkerrecht. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass die Lösung der dringendsten globalen Probleme nicht nur auf eine friedliche Koexistenz, sondern - weit darüber hinaus - auf eine aktive Kooperation der Staaten und internationalen Organisationen angewiesen ist. Die im Umweltvölkerrecht verankerten Verfahrenspflichten können (auch) als Konkretisierungen des Kooperationsprinzips angesehen werden, wobei insbesondere die (umfassenden) Informations-, Warn- und Konsultationspflichten von Bedeutung sind.
Dem Verursacherprinzip sind Aussagen darüber zu entnehmen, wer die Kosten umweltpolitischer Maßnahmen zu tragen hat, im Gegensatz zu den hier nicht näher zu erörternden Vorsorge- und Ursprungsprinzipien, die sich auf die Frage beziehen, ob, wann und wo umweltpolitische Maßnahmen anzusetzen haben.
Das Verursacherprinzip kann sich sowohl auf die Frage der individuellen Verantwortlichkeit beziehen als auch auf die Frage, welche Verantwortlichkeit den Staaten zukommen soll. Gerade der zuletzt genannte Aspekt weist einen engen Bezug zu dem hier im Vordergrund stehenden Problemkreis auf, kommt den Staaten doch hinsichtlich der Verursachung (globaler) Umweltprobleme eine sehr unterschiedliche Rolle zu.
Zwar wird auf das Verursacherprinzip auch in zahlreichen völkerrechtlichen Dokumenten und Verträgen Bezug genommen,
Nutzung gemeinsamer Ressourcen
Der Grundsatz der angemessenen Nutzung gemeinsamer natürlicher Ressourcen wird in denjenigen Konstellationen relevant, bei denen sich natürliche Ressourcen auf dem Staatsgebiet mehrerer Staaten befinden. In diesem Fall sollen sich - so der Aussagegehalt des Prinzips - die Staaten so verhalten, dass auch für die jeweils anderen Staaten eine angemessene Nutzung ("equitable utilization") möglich ist. Hintergrund ist hier die territoriale Integrität: Die Ressourcen sollen nicht so genutzt werden, dass andere Staaten dadurch übermäßig in ihren Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Deutlich wird damit auch, dass es bei diesem Grundsatz weniger um den Schutz der Ressource als um die angemessene bzw. "gerechte" Verteilung vorhandener Ressourcen geht, wobei diesem Prinzip eben auch in ökologischer Hinsicht Rechnung zu tragen ist.
Im internationalen Wasserrecht für Binnengewässer ist dieser Grundsatz bereits allgemein anerkannt.
Die genaue inhaltliche Tragweite dieses Grundsatzes kann allerdings vor diesem Hintergrund nur bedingt präzisiert werden, da in Bezug auf die Umrisse dessen, was als "angemessene", "gleichmäßige" oder "faire" Nutzung betrachtet werden kann, kaum eine hinreichend kontinuierliche und konsistente Staatenpraxis nachweisbar ist und stets die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind. Immerhin können - ausgehend von der Praxis im internationalen Wasserrecht - gewisse Anhaltspunkte formuliert werden:
Herausforderungen und Perspektiven
Die Skizzierung der Ansätze zur Verwirklichung des "Prinzips Gerechtigkeit" im Umweltvölkerrecht hat zweierlei verdeutlicht: Einerseits ist das Anliegen einer "gerechten Lastenverteilung" auf der Ebene der Prinzipien durchaus recht umfassend anerkannt, und teilweise kommt diesen Prinzipien auch der Charakter als Völkergewohnheitsrecht zu. Gewissen Konkretisierungen dieser Grundsätze können auch als solche anwendbare rechtliche Vorgaben entnommen werden. Andererseits jedoch bleiben diese Prinzipien (und somit auch die völkergewohnheitsrechtlichen Konkretisierungen) insofern eher weit gefasst, als ihnen - im Hinblick auf die Lösung eines bestimmten Problems - keine quantifizierbaren Vorgaben entnommen werden können. Diese müssen regelmäßig im Einzelnen für die verschiedenen Bereiche vereinbart werden - in der Regel im Rahmen völkerrechtlicher Verträge. Gerade hier bestehen aber große Schwierigkeiten: Zwar gibt es punktuell gewisse Ansätze wie im bereits erwähnten Klimaregime. Jedoch stellen diese insgesamt Ausnahmen dar, zudem sind nicht immer alle (relevanten) Staaten Vertragsparteien. In anderen Bereichen, wie etwa dem des Technologietransfers oder der sonstigen Unterstützung anderer Staaten bei der Umsetzung umweltvölkerrechtlicher Verpflichtungen, fehlen Zusagen weitgehend.
Deutlich wird damit, dass zwar bedeutende Fortschritte auf dem Weg zu einer Implementierung des "Prinzips Gerechtigkeit" im Umweltvölkerrecht erreicht wurden; diese bedürfen jedoch zwingend einer weiteren Operationalisierung, wovon auch die Effektivität des Umweltvölkerrechts abhängt. Insofern sind die Staaten aufgerufen, bei der Weiterentwicklung der bestehenden umweltvölkerrechtlichen Verträge die eher allgemeinen Postulate durch das Eingehen konkreter Verpflichtungen praktisch anwendbar zu machen. Es kann an dieser Stelle selbstredend nicht darum gehen, den Handlungsbedarf in allen Bereichen des Umweltvölkerrechts aufzuzeigen, bedingte dies doch eine umfassende Erörterung aller umweltvölkerrechtlichen Vertragsregime. Als allgemein zum Zuge kommende Leitlinien sind jedoch die Anliegen eines geeigneten und hinreichend konkretisierten Technologietransfers, präziser Festschreibungen der von den einzelnen Staaten zu übernehmenden Verpflichtungen und eine möglichst breite Beteiligung der Staatengemeinschaft zu nennen.
Beispielhaft kann dieser Ansatz am Klimaregime aufgezeigt werden:
Auf internationaler Ebene sollte die als akzeptabel erachtete globale Erwärmung quantifiziert und als Zielsetzung festgeschrieben werden. Den einschlägigen Empfehlungen des WBGU folgend, ist hier eine globale Temperaturleitplanke von 2° C über dem vorindustriellen Niveau zu fordern. Diese sollte idealerweise auch international festgeschrieben werden, sodass das in Art. 2 der Klimarahmenkonvention formulierte Ziel in diesem Sinn in konkreten Zahlen zu beschreiben ist.
Die anstehende Überprüfung des Kyoto-Protokolls sollte sich an dieser Zielsetzung orientieren. Längerfristig erscheint es notwendig, weltweit eine Zuordnung von Emissionsrechten pro Kopf vorzusehen, wobei eine Beteiligung aller Staaten anzustreben ist. Dabei sollten der Gleichbehandlung und der fairen Differenzierung ein zentraler Stellenwert zukommen - insbesondere in Anknüpfung an den aktuellen und historischen Verursacheranteil sowie nach wirtschaftlicher und technologischer Leistungsfähigkeit.
Die Industrieländer sollten sich - in Anbetracht ihrer relativ hohen Pro-Kopf-Emissionen, ihrer historischen Verantwortung und ihrer wirtschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit - zu erheblichen Emissionsreduktionen verpflichten. Dies dürfte eine unabdingbare Voraussetzung für die Verhinderung eines gefährlichen Klimawandels darstellen. Insofern ist die Zielsetzung der Europäischen Kommission, derzufolge die EU ihre Emissionen um 20 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 verringern möchte, ausdrücklich zu begrüßen.
In Zukunft sind die Schwellen- und Entwicklungsländer verstärkt einzubinden, wenngleich - im Vergleich zu den Verpflichtungen der Industriestaaten - in differenzierter Form. Notwendig erscheinen hier jedenfalls auch in konkreten Werten ausgedrückte Verpflichtungen, wobei Abstufungen zwischen den Staaten erforderlich sind.
Schließlich muss der Anpassung an den bis zu einem gewissen Grad nicht mehr zu vermeidenden Klimawandel höhere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Hier wäre - ggf. unter Anbindung an bereits bestehende Strukturen - vor allem ein Kompensations- und Anpassungsregime aufzubauen, das im Vergleich zu den derzeit bestehenden Fonds erhebliche zusätzliche Mittel erforderte, womit die Annex I-Länder herausgefordert wären.
Schlussbemerkungen
Die bislang angestellten Überlegungen dürften verdeutlicht haben, dass eine der Hauptschwierigkeiten bzw. Herausforderungen des Umweltvölkerrechts und der Implementierung des "Gerechtigkeitsgedankens" in diesem Bereich die Einbindung aller relevanten Staaten und ihre Verpflichtung auf bestimmte, quantifizierbare Reduktionsziele darstellt. Daneben ist auch die Frage der Befugnis zur verbindlichen Auslegung der einmal eingegangenen Verpflichtungen sowie - damit in engem Zusammenhang stehend - die Problematik der effektiven Einhaltung der völkerrechtlichen Vorgaben ("compliance") zu erwähnen.Vor diesem Hintergrund sollten auch die institutionellen Rahmenbedingungen nicht vernachlässigt werden. Diese müssten einerseits idealerweise einen institutionalisierten Rahmen für die Erarbeitung umweltvölkerrechtlicher Verträge und die Kontrolle ihrer Einhaltung zur Verfügung stellen, andererseits aber auch eine rechtsverbindliche Auslegung der eingegangenen Verpflichtungen ermöglichen. Hierbei sind folgende institutionelle Neuerungen in Erwägung zu ziehen: Die Schaffung einer Internationalen Umweltorganisation: Derzeit fehlt im UN-System eine Internationale Organisation, die sich spezifisch mit Umweltfragen auf globaler Ebene befasst. Eine solche Organisation wäre schon insofern ebenso sinnvoll wie notwendig, als damit ein (in Bezug auf das Umweltvölkerrecht) bereichsübergreifender Rahmen für die Aushandlung multilateraler Umweltübereinkommen geschaffen würde und auf diese Weise auch den Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Umweltregimen besser Rechnung getragen werden könnte. In dieser Internationalen Umweltorganisation könnte dann auch insbesondere das UNEP, eventuell auch die UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD), aufgehen.
Die Verstärkung der compliance-Mechanismen: In zahlreichen multilateralen Umweltübereinkommen sind so genannte compliance- oder auch enforcement-Mechanismen vorgesehen, die teilweise recht unterschiedlich ausgestaltet sind. Diese sollten einerseits verstärkt werden, indem die Möglichkeiten zur unabhängigen Kontrolle - auch durch Nichtregierungsorganisationen - generalisiert werden; andererseits ist in Erwägung zu ziehen, gewisse Typen von Kontrollmechanismen zu entwickeln, auf die dann in den verschiedenen Abkommen zurückgegriffen werden kann. Auf diese Weise könnte zumindest mittelfristig eine gewisse Vereinheitlichung der Überprüfungsmethoden erreicht werden, was deren Effektivität erhöhen würde.
Schließlich ist die Idee eines Umweltgerichtshofs weiter zu verfolgen.
Dieser sollte im Rahmen bestimmter multilateraler Umweltübereinkommen möglichst obligatorisch zuständig sein, wobei die genaue Ausgestaltung des Zugangs sowie das Verhältnis zu anderen Schlichtungsformen noch zu klären wäre.
Insgesamt könnten diese institutionellen Neuerungen den "Gerechtigkeitsgedanken" im Umweltvölkerrecht besser umsetzen und eine effektivere Anwendung seiner Vorgaben sicherstellen. Damit würde auch der Durchsetzung des Gedankens der Rechtsstaatlichkeit im Umweltvölkerrecht Vorschub geleistet, der ja auch ein Element der "Gerechtigkeit" darstellen dürfte. Zwar brächte die Verwirklichung dieser Perspektiven einerseits eine gewisse "Supranationalisierung" des Umweltvölkerrechts mit sich, der manche Staaten sicher mit einiger Skepsis begegnen würden; andererseits ist der Handlungsbedarf gerade im Umweltvölkerrecht derzeit so groß, dass sich erste Schritte in diese Richtung aufdrängen. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Staatengemeinschaft die Dringlichkeit der Anliegen erkennt und zumindest Ansätze in die skizzierte Richtung verfolgen wird.