In der deutschen und europäischen Erinnerung ist das Jahr 1945 als tiefe Zäsur fest verankert.
Mit dem Kriegsende 1945 verbanden sich auf politischer Ebene tief greifende Veränderungen; in Deutschland zumal, wo die Siegermächte vorerst die Herrschaft übernahmen und bis auf Weiteres über die Zukunft des Landes bestimmten.
Auch weit entfernt von Europa wandelte sich die Welt ganz grundlegend, in der unmittelbaren Bedeutung von den Europäern selbst nicht immer bemerkt und in ihrer Erinnerungskultur weitgehend ausgeblendet. "1945" bildete eine Zäsur in der Geschichte einzelner außereuropäischer Gesellschaften, aber auch und vor allem in der internationalen Ordnung. Davon soll dieser Beitrag handeln. Er setzt ein mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Japan, der mit dem Beginn des nuklearen Zeitalters zusammenfällt. Im darauffolgenden Teil wird diskutiert, inwiefern die Vereinten Nationen (UN) den an ihre Gründung im Sommer 1945 gerichteten Erwartungen, eine neue, friedliche Weltordnung zu schaffen und zu garantieren, gerecht werden konnten. Eine wichtige Rolle hätten die UN etwa in der Lösung der kolonialen Frage spielen können – dass sie es nicht taten und dass das Jahr 1945 stattdessen von neuen, alten Spannungen zwischen Selbstbestimmung und (in diesem Fall: Re-)Kolonialisierung geprägt war, sei im anschließenden Abschnitt erläutert. Eine zusammenfassende These zur historischen Einschätzung der "globalen Zäsur 1945" steht am Schluss dieses Beitrages.
Beginn des nuklearen Zeitalters
Am 14. August 1945 hielt der US-amerikanische Fotoreporter Alfred Eisenstaedt wohl einen der berühmtesten Küsse der Weltgeschichte fest: "V-J Day in Times Square" ist die Szene überschrieben, in der ein Matrose der US-Marine – augenscheinlich spontan – während der Feierlichkeiten am "Victory over Japan Day" eine Krankenschwester in den Arm nimmt und sie küsst. Keine 14 Tage später, am 27. August 1945, erschien die Aufnahme im "Life"-Magazin und wurde binnen kürzester Zeit zu einer Ikone der Zeitgeschichte.
Während die New Yorker und mit ihnen die gesamte amerikanische Nation den Sieg über den Hauptkriegsgegner im Pazifik feierten, lagen weite Teile Japans in Trümmern, Millionen Menschen hatten ihr Leben verloren. Aus den Träumen von der Vorherrschaft in Asien waren die Japaner brutal erwacht. Die innere Ordnung des Landes und sein äußerer Machtanspruch wurden in diesem August 1945 bis auf die Grundfesten erschüttert.
Den Krieg gegen Japan hatten die USA durch den erstmaligen Einsatz von Nuklearwaffen beendet, was weit über das konkrete Geschehen hinaus Bedeutung erlangte, ja neben den beiden Weltkriegen selbst wohl die tiefste Zäsur in der internationalen Politik des 20. Jahrhunderts markierte. Am 6. August 1945 warf die Besatzung der "Enola Gay", eines Bombers vom Typ B-29, eine einzige Bombe über der japanischen Großstadt Hiroshima ab: eine Uranbombe ("Little Boy"), gut 4.000 Kilogramm schwer, die eine Sprengkraft von rund 13 Kilotonnen TNT erreichte. Wofür im März des Jahres noch 330 Einsatzflüge dieser Großbomber notwendig gewesen waren, um Tokio weitestgehend zu zerstören, gelang nun mit nur einem einzigen Flug.
Die Bedeutung der beiden Atombombeneinsätze reichte, soviel war bereits den Zeitgenossen bewusst, weit über die Zerstörung der beiden japanischen Städte hinaus. Über die Motive für den Einsatz und darüber, was am Ende für die Entscheidung von US-Präsident Harry S. Truman tatsächlich den Ausschlag gegeben haben mochte, diskutieren Historikerinnen und Historiker bis heute.
Truman erklärte den Einsatz der Atombombe in Hiroshima und der Plutoniumbombe in Nagasaki mit dem Ziel der amerikanischen Führung, das Leben von mindestens 100.000 G.I.s zu retten, das bei einer Invasion der japanischen Hauptinseln als gefährdet eingestuft wurde. Die historische Forschung griff dieses Argument vor einigen Jahren nochmals auf.
Historiker sehen vor diesem Hintergrund das Hauptmotiv der USA darin, den Krieg in Japan möglichst rasch zu beenden, bevor sowjetische Truppen intervenieren und die UdSSR daraus Ansprüche auf die Mitgestaltung der japanischen Nachkriegsordnung ableiten konnte. Dieses Argument gewinnt insbesondere im Hinblick auf Nagasaki an Gewicht, wenn man berücksichtigt, dass die Sowjetunion tatsächlich am 8. August 1945 in den Krieg gegen Japan eintrat.
Wie auch immer: Hiroshima und Nagasaki stehen für einen Wendepunkt in der internationalen Politik, die in den folgenden Jahren unter dem Vorzeichen des US-amerikanischen Atomwaffenmonopols stand. Erst ab 1949 verfügte auch die Sowjetunion über nukleare Waffen; 1952 folgten das Vereinigte Königreich, 1960 Frankreich, 1964 China. Weitere Staaten sind seitdem hinzugekommen beziehungsweise entwickeln Atomwaffen, was bis heute beträchtliche Probleme für die internationale Sicherheit nach sich zieht.
Das eklatante Sicherheitsproblem war 1945 bereits absehbar, stellten nukleare Waffen doch eine weit ausgreifende existenzielle Bedrohung und ein riesiges Machtmittel dar. Daher setzten nach Hiroshima und Nagasaki Bemühungen ein, zum einen die amerikanischen Nuklearkapazitäten möglichst internationaler Kontrolle zu unterstellen, zum anderen die weitere Verbreitung nuklearer Waffen zu unterbinden. Darin waren sich die Außenminister der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion durchaus einig, als sie auf ihrer Konferenz in Moskau im Dezember 1945 beschlossen, eine neuzugründende Kommission der Vereinten Nationen mit diesen Aufgaben zu betrauen. Am 24. Januar 1946 wurde die United Nations Atomic Energy Commission etabliert, im Juni 1946 folgte der US-amerikanische Baruch-Plan, der die Internationalisierung des amerikanischen Nukleararsenals und internationale Kontrollen vorsah, wofür die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt allerdings schon nicht mehr zu gewinnen war.
Vereinte Nationen: Eine neue Ära?
Mit dem sowjetischen Nein zu einem internationalen Atomwaffen-Kontrollregime unter dem Dach der Vereinten Nationen erlitt die neue Organisation der Völkergemeinschaft schon wenige Monate nach ihrer Gründung einen empfindlichen Rückschlag. Wie groß hingegen waren die Hoffnungen gewesen, als sich die Vertreter von 50 Staaten vom 25. April bis zum 26. Juni 1945 in San Francisco trafen, um abschließend über eine neue Weltorganisation zu beraten. Die entscheidenden Weichen dafür waren, angestoßen von US-Präsident Franklin D. Roosevelt, bereits in mehreren alliierten Absprachen während des Krieges gestellt worden; dann hatten, vom 21. August bis zum 7. Oktober 1944, Abgesandte der USA, Großbritanniens, der Sowjetunion und Chinas in Dumbarton Oaks, einem Landsitz in Washington, D.C., beraten, wie die auf der Moskauer Erklärung von 1943 vereinbarte internationale Organisation auszugestalten wäre. Erste Konturen des neuen Systems kollektiver Sicherheit waren erkennbar geworden.
In San Francisco nun wurde die Charta der Vereinten Nationen verabschiedet, deren Präambel nichts an Ehrgeiz und Friedenswillen zu wünschen übrig ließ:
"Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest entschlossen,
künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat,
unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen,
Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können,
den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern, (…)
haben beschlossen, in unserem Bemühen um die Erreichung dieser Ziele zusammenzuwirken."
In diesen Worten werden die zermürbenden Erfahrungen langer Kriegsjahre ebenso erkennbar wie die ernüchternde Bilanz des ersten Versuchs, durch eine internationale Organisation dauerhaften Frieden zu schaffen: des Völkerbundes, der wie die UN auf amerikanische Initiative 1919 gegründet worden war, dem die USA selbst jedoch nie beigetreten waren. Den Völkerbund indes einseitig und ausschließlich als gescheitert zu verurteilen, wäre angesichts der neueren historischen Forschung vor allem zu seinen Unterorganisationen, aber auch zur Konzeption kollektiver Sicherheit wenig angebracht.
Nun, 1945, sollte es besser gehen. Mit 50 (mit dem die Charta wenig später unterzeichnenden Polen 51) Gründungsmitgliedern war die Basis von Anfang an breiter als diejenige des Völkerbundes (32 Gründungsstaaten). Ganz ohne Frage stand fest, dass sich die USA, anders als 1919, an der neuen Weltorganisation aktiv beteiligen würden. Ihr neuer Status als globale Hegemonialmacht manifestierte sich in einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, in dessen Zusammensetzung sich im Übrigen bis heute, ganz ungeachtet der politischen Entwicklungen seit 1945, die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges erkennen lassen: Neben den USA sind nur das Vereinigte Königreich, Frankreich, Russland und China ständige Mitglieder.
Zu den kritischen Fragen bei Kriegsende vermochten die UN freilich keine zukunftsweisenden Beiträge zu leisten. Im Grunde konnten sie erst nach dem Ende des Kalten Krieges Wirkmächtigkeit erlangen und sich seither als wichtiger Akteur in der internationalen Politik positionieren.
Gerade in der anstehenden Dekolonisation setzten die UN kaum ein wirksames Signal. Gewiss: Die Charta sprach von "Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker" (Artikel 1), zugleich aber schrieb sie das Mandatssystem des Völkerbundes in Gestalt des Treuhandsystems fort (Artikel 75–91). Nicht daran gedacht war 1945, die Abhängigkeit vieler Gesellschaften von ausländischen Staaten grundsätzlich zu beenden, allenfalls als Fernziel war dies erkennbar. Bis dahin oblag es den Treuhändern, "den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und erzieherischen Fortschritt der Einwohner der Treuhandgebiete und ihre fortschreitende Entwicklung zur Selbstregierung oder Unabhängigkeit (…) zu fördern" (Artikel 76 b), was die entsprechenden Bestimmungen der Völkerbundakte bruchlos aufnahm. Und auch in der Vergabe der trusteeships zeigte sich viel Kontinuität: Großbritannien, Frankreich und Belgien blieben Treuhänder, die USA kamen neu hinzu, Japan verlor sein Mandat. In dieser Hinsicht jedenfalls war 1945 keine Zäsur.
Postkoloniales Zeitalter?
Als tiefen Einschnitt wird man zumindest auf den ersten Blick die Ereignisse von 1945 für die europäischen Kolonialgebiete in Asien und Afrika nicht bezeichnen können. Mit dem aggressiven Ausgreifen Japans im pazifischen Raum waren die dortigen Kolonien der Europäer unter massiven Druck geraten: 1941/42 hatte Japan die Kontrolle nicht nur über die – bis dato von den USA beherrschten – Philippinen und über die britisch dominierte malaiische Halbinsel erlangt, sondern war auch nach Niederländisch-Ostindien (Indonesien) vorgedrungen. In (Französisch-)Indochina hatte Japan zunächst mit der Vichy-Regierung kollaboriert, die japanische Interessen in der Region mit durchgesetzt hatte, bis im März 1945 Japan doch noch die direkte Herrschaft übernommen hatte. Der neue Hegemon in dieser Region hatte panasiatische Visionen vermittelt, obendrein, gegen die Europäer gerichtet, nationalistische Bestrebungen nach Kräften gefördert und teils schlagkräftige nationale Armeen aufgebaut. Als gegen Ende des pazifischen Krieges absehbar geworden war, dass eine japanische Expansion in dieser Region nicht von Dauer sein würde, stellte Tokio die Weichen auf Unabhängigkeit.
Am 11. März 1945 erklärte der vietnamesische Kaiser Bảo Đại auf japanische Initiative die Unabhängigkeit seines Landes. Die Könige Laos’ und Kambodschas taten es ihm kurze Zeit später gleich. Doch Bảo Đại hatte der während des Krieges stark gewachsenen kommunistischen Bewegung nichts entgegenzusetzen; er trat ins zweite Glied zurück, als am 2. September 1945 Hồ Chí Minh, der Führer der während des Krieges von den USA unterstützten Việt Minh, in Hanoi die unabhängige Demokratische Republik Vietnam ausrief. In Indonesien hatten die Japaner im September 1944 entsprechende Aussichten auf Unabhängigkeit eröffnet. So kam es keineswegs überraschend, dass auch dort die Nationalbewegung kraftvoll in das mit der japanischen Niederlage entstehende Machtvakuum hineinstieß: Am 17. August 1945 erklärte Präsident Sukarno die Unabhängigkeit Indonesiens und bildete kurz darauf eine Regierung.
Nach der Kapitulation Japans war zunächst unklar, wie die europäischen Mächte ihre Herrschaft in der Region wiederherstellen könnten – dass sie fest dazu entschlossen waren, stand indes außer Frage. Als einzige der drei europäischen Kolonialmächte waren vorerst die Briten mit Truppen präsent, die sie nicht nur in Singapur und Malaya, wo sie bereits am 5. September 1945 landeten, sondern auch in Indochina einsetzten. Ein britisches Kommando traf am 6. September 1945 in Saigon ein, gegen Ende des Monats waren erste französische Einheiten vor Ort. Bis zum Jahresende hatten britisch-indische und französische Truppen die Kontrolle über Saigon und den Süden des Landes wieder errungen; im März 1946 verließen die letzten britischen Truppen das Land. Frankreich führte den Krieg weiter. In Indonesien landeten ebenfalls zunächst britische Einheiten, und es dauerte bis zum Frühjahr 1946, bis niederländische Truppen die Kontrolle über große Teile der Inseln gesichert hatten. Von vollständiger Wiedereinnahme waren sie freilich weit entfernt, im Gegenteil: Wie in Indochina folgten in Indonesien nun lange Jahre eines außerordentlich brutalen, immer wieder von Gewaltexzessen geprägten Rekolonisierungskrieges. Am Ende blieben die Niederlande wie auch Frankreich erfolglos: Erstere zogen 1949 ab, Indonesien wurde unabhängig; während Letzteres in Indochina bis 1954 weiterkämpfte, schließlich aber auch kapitulieren musste. Bis zur nationalen Einheit in Unabhängigkeit von Vietnam, Laos und Kambodscha dauerte es noch bis 1975, weil die USA den französischen Krieg unter schärferen antikommunistischen Vorzeichen bis 1975 fortführten.
Rückblickend mag man den Einsatz der Niederlande, Großbritanniens und Frankreichs für die Rückeroberung ihrer Kolonien im Gesamtblick auf die Umbruchszeit 1945 als von vornherein verlorene Sache charakterisieren. Aus zeitgenössischer Perspektive der Europäer nahm sich dies jedoch anders aus: Frankreich und Großbritannien waren überzeugt, ihren Status als globale Macht nur bewahren zu können, wenn sie Kolonialmächte blieben. Die Niederlande fürchteten, ihre Rolle in Europa ohne Kolonialbesitz würde sich auf das Maß eines zweiten Dänemarks reduzieren. Das war die politische Seite der Rekolonisierung. Doch auch in ökonomischer Hinsicht erschien der freie Zugang zu den Kolonialgebieten unverzichtbar: Von dort bezogen die Europäer wichtige Rohstoffe (vor allem Gummi, Kautschuk, Zinn), dort hatten sie investiert (vor allem französische Anleger in Indochina), und dort fanden sich gute Absatzmärkte für europäische Fertigprodukte. In Anbetracht der schwierigen ökonomischen Situation in Europa 1945 erschien es zwingend, diese Handelsbeziehungen unter kolonialen Vorzeichen aufrechtzuerhalten.
Für die Kolonisierten markierte das Kriegsende 1945 einen Moment der Hoffnung. Denn die europäische Herrschaft hatte nicht erst mit der japanischen Besatzung und ihrer Propaganda von asiatischer Überlegenheit an Legitimität verloren, sondern befand sich spätestens seit dem Kriegsende 1919 in einem Prozess stetiger Erosion. Der "Wilsonian Moment"
Im arabischen Raum setzten sich die Konflikte der Zwischenkriegszeit fort, ja, gewannen sogar an Virulenz.
Dass die europäischen Großmächte fortan ihren Einfluss in dieser Region nicht mehr ohne US-amerikanische Unterstützung würden ausüben können, offenbarte sich vielleicht am deutlichsten in Iran: Traditionell unter dem Einfluss Großbritanniens – nun jedoch zunehmend auch für Russland beziehungsweise die Sowjetunion interessant –, erlebte das Land seit 1942 den Aufstieg der USA zur bedeutendsten externen Macht in der Region. Den mit Kriegsende am 8. Mai 1945 vereinbarten Rückzug der sowjetischen Truppen konnten die Briten nur mit kräftiger US-amerikanischer Unterstützung durchsetzen. Mit dem von der CIA geförderten Putsch 1953 übernahmen die USA vollends die Rolle der Vormacht in Iran.
Aus alledem wird deutlich: Die beiden großen europäischen Weltmächte, das Vereinigte Königreich und Frankreich, waren 1945 nicht mehr als Weltmächte auf Abruf. Frankreich war durch die Niederlage 1940 und vier Jahre deutsche Besatzung erheblich geschwächt; erst 1944 mit dem Sieg der Kräfte des Freien Frankreichs unter Führung Charles de Gaulles gelang es, sich im letzten Moment als Siegermacht des Zweiten Weltkrieges zu positionieren. Die folgenden Jahre der IV. Republik (1946–1958) standen im Zeichen innenpolitischer Probleme.
Doch auch Großbritannien, Metropole eines weltumspannenden Kolonialreiches und nach der "Battle of Britain", der Abwehr des deutschen Angriffs 1940, nicht nur militärischer, sondern auch moralischer Sieger über NS-Deutschland und dessen Verbündete, verließ die Schlachtfelder in Europa, Afrika und Asien mehr als angeschlagen. Aus eigener Kraft nach den Friedensschlüssen im Mai/August 1945 das Empire wieder einzunehmen und auf Dauer zu stabilisieren, vermochte das Vereinigte Königreich nicht mehr. Zu hoch waren die Kosten des Krieges, als dass die Formel Rule Britannia noch hätte Geltung beanspruchen können. Tatsächlich kehrten in Großbritannien ab 1945 Jahre der Austerität ein,
Dass die Briten ihrer Weltmachtrolle selbst ein wenig überdrüssig waren und sich nach gesellschaftlichen Reformen im Frieden sehnten, signalisierten die Parlamentswahlen im Juli 1945 aufs Deutlichste: Der konservative Kriegsheld Winston Churchill erhielt keine Mehrheit mehr, stattdessen errang die Labour Party unter Clement Attlee mit ihrem reformerischen Programm einen erdrutschartigen Wahlsieg und stellte bis 1950 die Regierung, die das Land nun vollends aus dem Krieg herausführen sollte.
Fazit
Wollten die Europäer fortan noch etwas gelten in der Welt, so ging dies nur, wenn sie untereinander Frieden hielten und ihre Anstrengungen im Wiederaufbau des Kontinents vereinten. Auch hierfür waren 1945 erste Initiativen erkennbar, doch selbst die entfalteten sich so richtig erst mit US-amerikanischer Unterstützung.
Die Zukunft aber gehörte den nach Unabhängigkeit von europäischer Herrschaft strebenden Gesellschaften, zuerst in Asien, dann in Afrika.
Die Zukunft 1945 gehörte auch den Vereinten Nationen, die das Versprechen kollektiver Sicherheit und einer freien und gerechten Weltordnung institutionalisierten. Nach dem misslungenen Experiment des Völkerbundes setzten sie mit ihrer Charta und 1948 mit ihrer Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die Maßstäbe, an denen sich internationale Politik und das Handeln jedes einzelnen Staates fortan messen lassen musste. Das allein ist nicht geringzuschätzen. Zu einem selbstständigen, durchsetzungsfähigen Akteur in der internationalen Politik wurden die UN freilich erst, nachdem sich die bipolare Weltordnung mit dem Ende des Kalten Krieges auflöste.
Die unmittelbare Zukunft gehörte 1945 daher den beiden Weltmächten USA und Sowjetunion, die für die folgenden gut vier Jahrzehnte die globale Ordnung im Wesentlichen prägten. Ungeachtet der immensen Unterschiede im Hinblick auf Erfahrungen und Folgen des Weltkrieges vermochten es diese beiden Staaten, in ihren jeweiligen Hemisphären nahezu ungehindert ihre eigenen Interessen durchzusetzen und zugleich auch globale Entwicklungen zu beeinflussen. Dies gelang ihnen, weil sie es verstanden, über das eigene Land hinaus Verbündete zu finden und in ihren Einflussbereichen die Gegner ihrer Ordnungsvorstellungen unter Kontrolle zu halten. Auch deshalb gilt: 1945 markiert das Ende der europäischen Welt.