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Ansatzpunkte für einen nachhaltigen Frieden im Jemen

Mareike Transfeld

/ 15 Minuten zu lesen

Auch ohne eine politische Lösung des Konflikts im Jemen gibt es viele Punkte, an denen angesetzt werden kann, um das Leben der Zivilbevölkerung auf der lokalen Ebene zu verbessern und dazu beizutragen, Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden im Jemen zu schaffen.

Vielen Menschen im Jemen erscheint ein dauerhafter Frieden in ihrem Land unerreichbar. Seit Jahren warten sie darauf, dass UN-Verhandlungen zu einer politischen Lösung des Konflikts führen. Weite Teile der jemenitischen Bevölkerung haben den Glauben daran verloren. Doch auch ohne diese politische Lösung gibt es viele Punkte, an denen bereits jetzt angesetzt werden kann, um das Leben der Bevölkerung auf der lokalen Ebene zu verbessern und so dazu beitragen, Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden zu schaffen.

Ausgangspunkt für solche Überlegungen ist die Einsicht, dass binäre Erklärungen für den Konflikt im Jemen seiner Komplexität nicht gerecht werden. Weder ist es ausreichend, ihn als Stellvertreterkrieg zwischen dem sunnitischen Königreich Saudi-Arabien und seinem schiitischen Gegenspieler Iran zu sehen, noch beschränkt er sich auf die von diesen regionalen Akteuren unterstützten Konfliktparteien, der international anerkannten Regierung unter Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi und den Huthi-Rebellen im Norden des Landes.

Maßnahmen für einen nachhaltigen Frieden im Jemen müssen weit über ein Friedensabkommen zwischen den Hauptkonfliktparteien hinausgehen. Nicht nur sind die Konfliktlinien sehr viel komplexer, als diese vereinfachte Gegenüberstellung suggeriert, sondern es wirken sich auch eine Vielzahl politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Faktoren auf nationaler und lokaler Ebene auf die Stabilität des Jemen aus. Diese werden im Folgenden ausgeleuchtet, bevor die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Frieden nach Bereichen dargestellt und das Potenzial verschiedener gesellschaftlicher Akteursgruppen in diesem Zusammenhang diskutiert werden.

Komplexe Konfliktlinien

Die jemenitische Gesellschaft ist durch komplexe und sich überschneidende regionale, konfessionelle, wirtschaftliche und demografische Unterschiede und Konfliktlinien geprägt, die sich im Laufe des Konflikts verschärft haben. Sehr viel ausgeprägter als das herkömmliche konfessionelle Erklärungsmuster sind beispielsweise regionale Identitäten. Diese wurden geformt durch ganz eigene historische Erfahrungen, durch an die jeweiligen geografischen Gegebenheiten angepasste Lebensbedingungen, durch unterschiedliche wirtschaftliche Grundlagen und Möglichkeiten oder durch konfessionelle Prägungen. Als Ergebnis ist die jemenitische Gesellschaft mit Blick auf Formen sozialer Organisation und Lebensart ausgesprochen heterogen. All diese Faktoren prägten auch die Art und Weise, wie sich der jemenitische Staat seit Beginn des aktuellen Konflikts fragmentiert hat.

Zwischen September 2014 und Februar 2015 drängten die Huthis, eine soziopolitische Bewegung aus der Grenzregion zu Saudi-Arabien, die international anerkannte Regierung unter Präsident Hadi aus der Hauptstadt Sanaa. Das Hochland im Nordwesten des Jemen ist das Kernland der Zaidiyya, eine nominell schiitische Strömung des Islam, der geschätzt 30 bis 40 Prozent der jemenitischen Bevölkerung folgen. Neben dem Bedürfnis, die eigene religiöse Identität zu schützen, war es auch die politische und wirtschaftliche Marginalisierung dieser Region nach der Revolution von 1962, die in den 1990er Jahren zur Entstehung der Huthi-Bewegung im Gouvernorat Saada geführt hat. Durch das Bündnis mit ihrem vormaligen Erzfeind, dem 2011 zurückgetretenen Präsidenten Ali Abdullah Salih, gelang es der Bewegung ab 2014, weite Teile des Nordwestens unter ihre Kontrolle zu bringen.

Im Zentraljemen weichen die Zaiditen den Schafiiten, einer Strömung des sunnitischen Islam, die im südlichen Jemen und in den Küstengebieten vorherrscht. Die Unterschiede zwischen den beiden Traditionen sind minimal, und Anhänger beider Richtungen haben in der Vergangenheit gemeinsam in denselben Moscheen gebetet und untereinander geheiratet. Das fruchtbare Land des Zentraljemen hat jedoch anders als im kargen, stammesorganisierten Norden Großgrundbesitzer und Bauern hervorgebracht. Nördlich der Grenze zwischen den beiden ehemaligen jemenitischen Staaten und südlich des nördlichen Hochlands hat sich also eine andere regionale Identität herausgebildet. So trafen die Huthis während ihres Vorrückens in der Stadt Taizz auf heftigen Widerstand. Dieser wurde bald von der jemenitischen Muslimbruderschaft in Gestalt der Partei al-Islah dominiert.

Auch im Süden des Jemen stießen die Huthis auf Widerstand, hier im Namen der südjemenitischen Identität. Die Stammesstrukturen im dünn besiedelten Süden sind durch koloniale Erfahrungen und die Unabhängigkeit des sozialistischen Staates Südjemen geprägt, der von 1967 bis 1990 existierte. Die starken Unterschiede zwischen dem Nord- und Südjemen wurden nach der Vereinigung der beiden Staaten 1990 nie wirklich überwunden. Stattdessen festigte der Bürgerkrieg von 1994, in dessen Zuge der Süden versuchte, sich abzuspalten, die Dominanz des Nordens. Dennoch haben Bestrebungen nach einem unabhängigen Staat zum Teil überdauert, insbesondere bei Gruppen im urbanen Südwesten, also in Aden, anders als in den Regionen Hadhramaut und al-Mahra im äußersten Osten des Landes.

Das Patronagenetzwerk, das der ehemalige Präsident Ali Abdullah Salih geschaffen hat, um sich und sein Regime an der Macht zu halten, ist ebenfalls eine landesweite Struktur, die die Gesellschaft unterteilt – in jene Gruppen, die über Jahrzehnte Zugang zu Staatsressourcen und finanziellen Mitteln hatten, und jene, die ausgeschlossen blieben – und nach wie vor das Verhalten einiger lokaler Akteure beeinflusst. So gelang es den Huthis etwa nicht, in ihrer Allianz mit Salih das von Stammesstrukturen geprägte Gouvernorat Marib einzunehmen, das aufgrund seines Antagonismus zum Regime von staatlichen Ressourcen abgeschnitten war und in weiten Teilen nicht einmal über die grundlegendste Infrastruktur verfügte. Heute gilt das Gouvernorat als Kernland der international anerkannten Regierung. Im südlichen Schabwa, das hingegen eng mit dem Patronagenetzwerk Salihs verwoben war, stellten sich trotz der gemeinsamen südjemenitischen Identität lokale Kräfte auf die Seite der als nordjemenitisch verstandenen Regierung gegen den Südübergangsrat, der sich als Vertreter eines künftigen südjemenitischen Staates versteht und sich aus Anführern der südlichen Bewegung Hirak zusammensetzt.

Friedensvoraussetzungen

Staatsinstitutionen

Vor diesem Hintergrund ist die zentrale Voraussetzung für einen nachhaltigen Frieden die Bildung einer nationalen Regierung, die die verschiedenen Regionen beziehungsweise regionalen Identitäten in gleicher und fairer Weise vertritt, sodass sie von allen anerkannt wird. Vor Beginn des Huthi-Vormarsches hatte die Nationale Dialogkonferenz 2013 eine föderalistische Staatsform beschlossen, Zuschnitt und Anzahl der Regionen sowie das Verhältnis zwischen der Zentralregierung und den Regionen müssen jedoch noch ausgehandelt und verfassungsrechtlich verankert werden.

Zugleich muss das Funktionieren der Staatsinstitutionen gewährleistet werden, um das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat wieder herzustellen. Mit der Übernahme der Hauptstadt Sanaa und der dort ansässigen staatlichen Institutionen durch die Huthis ist das jemenitische Institutionengefüge zersplittert. Einige Strukturen wurden vollständig zerstört, andere von nichtstaatlichen Akteuren übernommen, zu wiederum anderen entstanden Parallelstrukturen, als die international anerkannte Regierung unter Präsident Hadi Aden zur neuen Hauptstadt erklärte. In weiten Teilen der Gebiete, die nominell unter der Kontrolle der international anerkannten Regierung stehen, sind Behörden zusammengebrochen.

Sowohl neue als auch alte staatliche Strukturen sind nach fast fünf Jahren Konflikt stärker auf der lokalen Ebene verankert als auf der Ebene des von Präsident Hadi verkörperten Nationalstaates. Beim erforderlichen state building an erster Stelle stehen sollten jene lokalen Institutionen, die öffentliche Dienstleistungen erbringen, einschließlich Wasser, Gesundheit, Bildung und Sicherheit. Die im Jahr 2000 eingeführten Lokalverwaltungen haben die Aufgabe, die Bedürfnisse der Bevölkerung auszuwerten und entsprechende Dienstleistungen sicherzustellen. Seit Beginn des Krieges erfüllen sie diese Funktion nicht mehr. Keiner der Akteure, die für sich beanspruchen, die Bevölkerung zu vertreten, bemüht sich derzeit ernsthaft darum, diese mit Dienstleistungen zu versorgen.

Wirtschaft

Eine weitere Grundvoraussetzung für den Frieden im Jemen ist die Stabilisierung der Wirtschaft. Die Wirtschaftskrise und die Kriegswirtschaft heizen den Konflikt weiter an, während immer mehr Familien kaum imstande sind, sich zu ernähren. Männer sehen oft keine andere Wahl, als sich der einen oder anderen Seite anzuschließen, um für ein Gehalt zu kämpfen. Die jemenitische Wirtschaft war bereits vor dem Krieg die schwächste der Region und der Jemen das arabische Land mit dem niedrigsten Entwicklungsstand. Eine Kombination verschiedener Faktoren hat seit Beginn des Krieges zu einer katastrophalen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse geführt. Die Hälfte der Jemeniten haben ihr Einkommen verloren.

Die systematische Zerstörung der lokalen Industrie und der landwirtschaftlichen Infrastruktur durch die von Saudi-Arabien angeführte Koalition lässt nicht nur den Arbeitsmarkt schrumpfen, sondern verhindert auch lokale Produktion. Hinzu kommt, dass die Huthis sich an einer systematischen Umleitung von humanitären Hilfsgütern beteiligen, die häufig auf dem Schwarzmarkt enden. Diese Dynamik geht einher mit einer florierenden Kriegswirtschaft, an der viele bewaffnete Akteure verdienen und folglich kein Interesse an einer Beendigung des Krieges haben.

Der Umzug der Zentralbank von Sanaa nach Aden 2016 hat die Institution gespalten, ihre Steuerungskraft geschwächt und sich weiter negativ auf die Wirtschaft des Landes ausgewirkt. Die Reserven der Zentralbank nehmen ab, gleichzeitig nimmt der Staat nach der Aussetzung der Erdölexporte, die 40 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen, und der geringeren Unterstützung durch internationale Geber weniger ein. Der Staat konnte kaum Gehälter zahlen, wovon schätzungsweise ein Viertel der Bevölkerung betroffen ist. In der Folge verzeichnete der jemenitische Rial eine Abwertung; seit 2015 hat er mehr als 75 Prozent seines Wertes eingebüßt.

Der Verlust von Arbeitsplätzen, die Abwertung der jemenitischen Währung und die Unfähigkeit der international anerkannten Regierung, Gehälter zu bezahlen, tragen wesentlich zur humanitären Krise im Land bei. Dies betrifft Regierungsangestellte einschließlich Lehrer, Universitätspersonal, Ärzte oder Krankenschwestern, entsprechend werden Bildungs- und Gesundheitswesen immer schwächer. Lebensmittel sind zwar auf den jemenitischen Märkten erhältlich, die Menschen können sie sich aber nicht mehr leisten.

Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist daher ein wichtiger Ansatzpunkt mit Blick auf einen langfristigen Frieden. Auf lokaler Ebene kann dies in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und besonders im Bereich der Landwirtschaft geschehen.

Gesellschaft

Der Konflikt hat die jemenitische Gesellschaft in beispiellosem Ausmaß gespalten. Durch ein verstärktes Auftreten radikal-religiöser Gruppen, die in Moscheen versuchen, Kämpfer zu rekrutieren, sind neue konfessionelle Spaltungen entstanden und alte vertieft worden. Die bereits existierenden Differenzen aufgrund unterschiedlicher regionaler Identitäten sind im Zuge der bewaffneten Auseinandersetzungen wieder stärker hervorgetreten.

Auf lokaler Ebene sind es hauptsächlich politische Differenzen, die mangelnde Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln, Treibstoff und Medikamenten sowie finanzielle Schwierigkeiten, die Konflikte in der Nachbarschaft oder in den Familien auslösen. Der Mangel an Möglichkeiten, sich einzubringen, und die Erfahrung des Krieges führen zu psychischen Problemen und Traumata. Darüber hinaus hat die anhaltende Gewalt zu Blutfehden zwischen Stämmen geführt, die eine jahrzehntelange Spirale aus Rachetötungen zur Folge haben können.

Der Vertrauensverlust zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen erschwert einen nationalen Konsens, eine Verständigung über eine gemeinsame jemenitische Identität, auf die sich die verschiedenen Regionen des Landes beziehen können, während zugleich ihre Individualität und ihr Wert in der Vielfalt anerkannt werden. Kurzfristig müssen daher auf lokaler Ebene Maßnahmen zur Vertrauensbildung, zur Konfliktverhütung und -lösung sowie zur Bewältigung von Traumata umgesetzt sowie Formen und Möglichkeiten der Übergangsjustiz erörtert werden.

Sicherheit und Justiz

Die Sicherheitslage unterscheidet sich von Gebiet zu Gebiet. In vielen Gegenden finden kaum oder gar keine Kämpfe statt, in anderen kommt Gewalt sehr regelmäßig vor. Die Sicherheits- und Justizinstitutionen sind fragmentiert. Ihre Loyalität teilt sich zwischen verschiedenen Gruppen auf, darunter die Huthis, die international anerkannte Regierung, Milizen, Stämme, politische Parteien und der Südübergangsrat. Sie unterscheiden sich auch regional in Bezug auf ihre Funktionsfähigkeit; Rechtsstaatlichkeit wird jedoch nirgends effektiv durchgesetzt. Neben der durch den Krieg selbst verursachten Unsicherheit ist die jemenitische Bevölkerung einer zunehmenden Kriminalität ausgesetzt, die beispielsweise von bewaffneten Banden, Extremisten, Angehörigen der Streitkräfte oder entlaufenen Strafgefangenen begangen wird.

Sicherheits- und Justizinstitutionen können derzeit ihrer Verantwortung, Konflikte und Verbrechen zu lösen oder zu verhindern, nur rudimentär nachkommen. Traditionelle Konfliktlösungsmechanismen werden sowohl von staatlichen als auch von nichtstaatlichen Akteuren genutzt, doch auch diese wurden durch den Konflikt zunehmend aufgeweicht. Herausforderungen auf lokaler Ebene sind die mangelnde Kooperation und Koordination zwischen sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Institutionen sowie zwischen Regionen. Kriminelle werden nicht systematisch verfolgt, und die Sicherheits- und Justizbehörden handeln willkürlich. Der Aufbau der Kapazitäten dieser Institutionen, insbesondere der örtlichen Polizei und der Gerichte, und die Suche nach Lösungen zur Demobilisierung informeller bewaffneter Gruppen sind daher für einen dauerhaften Frieden unabdingbar.

Gesellschaftliche Akteure

Um diese Voraussetzungen für einen nachhaltigen Frieden im Jemen zu schaffen, können auf lokaler Ebene verschiedene gesellschaftliche Akteursgruppen wichtige Rollen spielen.

Zivilgesellschaft

Die jemenitische Zivilgesellschaft, hier verstanden als der Raum zwischen Regierung und politischen Parteien einerseits und sozialen Organisationen wie Stämmen und der Gesellschaft im Allgemeinen andererseits, setzt sich aus Organisationen und Wohltätigkeitseinrichtungen zusammen, die häufig extern finanziert werden, auf Spenden beruhen oder auf freiwilligem Engagement basieren. Aktivität und Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft im Jemen haben sich stets parallel zu den jeweiligen politischen Regimen entwickelt. Der aktuelle Konflikt bedeutet ein Schrumpfen des Raumes für zivilgesellschaftliches Engagement: Besonders in den von den Huthis kontrollierten Gebieten sind Aktivisten Entführungen, Verhaftungen und anderen Formen der Belästigung ausgesetzt. Die Aufsichtsbehörden der Huthis erschweren es den Organisationen, ihrer Arbeit unabhängig nachzugehen.

Für die Stabilisierung des Landes spielen zivilgesellschaftliche Organisationen jedoch eine wichtige Rolle. Sie schließen Lücken, die der fragmentierte Staat insbesondere bei der Erbringung von Dienstleistungen und bei der Bewältigung der humanitären Krise nicht schließen kann. In der Tat konzentriert sich die Mehrheit der derzeit im Jemen tätigen zivilgesellschaftlichen Organisationen auf humanitäre Hilfe.

Im Gegensatz zu Stämmen und Milizen kann die Zivilgesellschaft eine Brücke zwischen den Menschen und dem Staat bauen und dadurch sowohl den Staat als auch die Rechtsstaatlichkeit stärken. Auf lokaler Ebene ist die Zivilgesellschaft am Puls der Zeit und kann neue Dynamiken, die den Frieden gefährden könnten, leichter erfassen als nationale geschweige denn internationale Beobachter. Der potenzielle Beitrag der Zivilgesellschaft zu einem nachhaltigen Frieden im Jemen ist beträchtlich. Doch viele zivilgesellschaftliche Organisationen müssen in ihren Kapazitäten gestärkt werden. Dies gelingt am besten durch direkte Projektunterstützung und internationalen Austausch.

Frauen

Frauen gehören zu den schwächsten Gruppen in der jemenitischen Gesellschaft. Die Rolle der Frau ist aufgrund sozialer Normen auf den privaten Bereich beschränkt, mit Hausarbeit und Kindererziehung als Hauptverantwortung. Die Benachteiligung von Frauen bei politischer Partizipation, in Gesundheit und Bildung sowie auf dem Arbeitsmarkt ist erheblich.

Nach den Kindern sind die Frauen die am stärksten vom Krieg betroffene Gruppe: Viele sind durch den Krieg zu Alleinversorgerinnen ihrer Familien geworden, während die Ehemänner oder Väter ihren Arbeitsplatz beziehungsweise ihr Einkommen verloren haben, an vorderster Front kämpfen oder in Traumata und Depressionen versinken. Frauengeführte Haushalte haben jedoch Schwierigkeiten, die Grundbedürfnisse der Familien zu befriedigen. Durch die Notwendigkeit, ein Einkommen zu erwirtschaften, hat sich der Wirkungsbereich vieler Frauen zunehmend ausgeweitet; ein Großteil der Frauen ist besonders im humanitären Bereich tätig. Während manche diese Veränderungen als positiv empfinden, da sie nun einen aktiven Beitrag zum öffentlichen Leben leisten können, bedeutet es für andere eine enorme Belastung, über ihre ursprünglichen Aufgaben im Haushalt hinaus zu arbeiten. Viele junge Frauen müssen auch ihre Ausbildung für ihre neuen Verpflichtungen opfern. Mit der neuen Entwicklung einher gehen vor dem Hintergrund zunehmender Armut und verbreiteter Traumata und Depressionen unter Männern vermehrte Fälle von Gewalt gegen Frauen sowohl im häuslichen Kontext als auch im öffentlichen Raum.

Frauen können bei der Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung gerade auf lokaler Ebene eine zentrale Rolle spielen, nicht zuletzt aufgrund ihres starken Engagements im humanitären Bereich, wo sie von Männern weniger als bedrohlich wahrgenommen werden als im politischen Bereich. Frauen vermitteln erfolgreich in lokalen und Stammeskonflikten und überwinden politische Spaltungen für humanitäre Zwecke, zum Beispiel für die Betreuung oder Freilassung von Kriegsgefangenen. Sie tragen wie keine andere Kraft in der jemenitischen Gesellschaft zum Zusammenhalt der Gemeinschaft bei und sollten daher im Mittelpunkt der Maßnahmen zur Friedenskonsolidierung und Konfliktverhütung stehen.

Jugend

Zwei Drittel der jemenitischen Bevölkerung sind unter 24 Jahre alt. Es waren vor allem junge Leute, die sich 2011 an den Protesten gegen das Salih-Regime beteiligten, insbesondere aufgrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit und Korruption. Weite Teile dieser Generation waren frustriert, da sie trotz ihrer Qualifikationen keinen Arbeitsplatz finden konnten. Durch ihr politisches Engagement erhofften sie sich mehr politische und wirtschaftliche Möglichkeiten.

Der Krieg stellt eine katastrophale Belastung für die jemenitische Jugend dar. Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage macht politisches Engagement fast unmöglich und sorgt für zunehmende Trostlosigkeit: Die Gefahren des Krieges sowie der mit ihm einher gehende Mangel an Arbeits- und Bildungschancen führt bei vielen zu psychischen Problemen und Depressionen. Oft sehen sich junge Jemeniten aufgrund der wirtschaftlich desolaten Lage gezwungen, ihre Ausbildung aufzugeben, um die Eltern bei der Versorgung der Familie zu unterstützen. Viele junge Männer werden in die Arme von Milizen oder kriminellen Gruppen getrieben.

Dennoch hat ein großer Teil der jemenitischen Jugend ein großes Bedürfnis, zu Entwicklungs- und Stabilisierungsbemühungen in ihrem Land beizutragen, und in verschiedenen Städten tragen Jugendgruppen mit sicherheitsrelevanten Aktivitäten, der Unterstützung von Bildungseinrichtungen bei der Aufrechterhaltung ihres Betriebs und der Organisation kultureller Aktivitäten zu einer positiven Entwicklung bei. Gerade auf der lokalen Ebene kann die Jugend einen wichtigen Beitrag zur Konfliktbearbeitung leisten.

Medien

Die jemenitische Medienlandschaft hat sich in den vergangenen zehn Jahren erheblich verändert. Vor 2011, unter dem Regime des ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Salih, wurden Fernseh- und Rundfunkmedien staatlich kontrolliert. Mit der zunehmenden Spannung innerhalb des herrschenden Regimes begannen die Eliten, Zeitungen zu finanzieren, die unabhängig wirkten, aber mit politischen Parteien verbunden waren. In der politischen Übergangszeit zwischen 2012 und 2014 nach der Unterzeichnung der Golfkooperationsratsinitiative explodierte die Anzahl der Rundfunk-, Print- und Onlinemedien. Trotz der neuen Freiheiten konnte sich aufgrund fehlender unabhängiger Finanzierungsquellen und professioneller Standards jedoch kein unabhängiger Qualitätsjournalismus entwickeln.

Im aktuellen Konflikt tragen Medien maßgeblich zur Vertiefung der sozialen Verwerfungen und zur Eskalation der Gewalt bei. Die Pressefreiheit hat sich in den von den Huthis besetzten Gebieten dramatisch verschlechtert: Medien wurden mit Huthi-Personal ausgestattet, das die Linientreue der Medienberichterstattung sicherstellt. Nachrichtenagenturen, die die Huthi-Linie nicht einhielten, wurden geschlossen, Journalisten von den Huthis inhaftiert und gefoltert. Viele Medienunternehmen nahmen ihre Tätigkeiten von Marib aus wieder auf, wo sie begrenzte staatliche und saudische Unterstützung erhalten. Diese Unterstützung reicht allerdings nicht aus, um sie in die Lage zu versetzen, professionelle Standards zu entwickeln. In Aden ist der Freiheitsgrad der Medien im Vergleich zu dem in von den Huthis besetzten Gebieten zwar höher. Radikale nationalistische und religiöse Gruppen schränken jedoch die Meinungsfreiheit ein. Insbesondere eine Unabhängigkeit des Südens und religiöse Normen stellen rote Linien dar.

Medien können potenziell einen wesentlichen Beitrag zur Friedenskonsolidierung leisten. Sie haben nicht nur den Auftrag, konstruktiv über Politik zu berichten, sondern tragen auch zur politischen Bildung der Bevölkerung bei. Unter den aktuellen Bedingungen ist es unwahrscheinlich, dass Medien im Jemen diese Funktion erfüllen können. Entsprechende Unterstützungsmaßnahmen müssten unabhängige Medien in die Lage versetzen, professionelle Standards zu entwickeln und durchzusetzen.

Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassung des Berichts "Understanding Peace Requirements in Yemen", der im Rahmen des im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit durchgeführten und durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanzierten Projekts "Forschungskooperation zur Friedensförderung im Jemen" im März 2019 von CARPO – Center for Applied Research in Partnership with the Orient veröffentlicht wurde.

ist Politik- und Islamwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Jemen und promoviert an der Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies. E-Mail Link: mareike.transfeld@fu-berlin.de