Das Wetter und insbesondere der Blick auf das künftige Wetter beeinflussen auf vielerlei Weise, wie wir unseren Alltag verbringen. Für den Fall, dass es regnet, wird ein Schirm eingepackt. Ein warmer Tag lädt zum Eisessen und Sonnenbaden ein. Gibt es ein unverfänglicheres Thema als das Wetter, um mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen?
Diejenigen, die sich mit der Geschichte dessen beschäftigen, was wir über das Wetter wissen, betonen daher oft, dass es sich um einen besonders demokratischen Erkenntnisgegenstand handele. Prinzipiell, so das Argument, sei das Wetter allen Menschen zugänglich, weshalb alle etwas darüber wissen dürften und könnten.
Dies mag etwas mit der hochdifferenzierten Aufgabenteilung der Gesellschaften des 20. und 21. Jahrhunderts zu tun haben. Die heutige Meteorologie beschäftigt sich mit komplizierten dynamischen Prozessen in der Atmosphäre, analysiert diese mit einem überwiegend physikalischen Werkzeugkasten und berechnet mit computergestützten Verfahren Wettervorhersagen. Die dafür notwendige wissenschaftliche Ausbildung und technische Infrastruktur sind hohe Schwellen, die nicht ohne Weiteres von beliebigen Einzelpersonen überschritten werden können. Gleichzeitig hat "Wetter" unter anderem medizinische, agrarische, kulturelle und ökologische Dimensionen. Dass seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dennoch die Physik die wissenschaftliche Analyse des Wetters dominiert, ist, wie im Folgenden gezeigt werden soll, keine Selbstverständlichkeit, sondern Ergebnis eines historischen Prozesses. Zuvor konkurrierten – mit zunächst offenem Ergebnis – in einem deutlich heterogeneren Feld verschiedene Wissensformen miteinander, die sich unterschiedliche Vorstellungen von der Kausalität des Wetters, dessen Beobachtung und der Notwendigkeit seiner Vorhersage machten.
Wetterwissen zwischen Aristoteles und Alltagspraxis
Versuche, das Wetter zu verstehen, aufzuzeichnen und vorherzusagen, lassen sich fast beliebig weit zurückverfolgen. Sie finden sich in einer Vielzahl gelehrter Quellen aus mehreren antiken Kulturen: Mesopotamische Astronomen vermerkten auf Tontafeln neben den Positionen der Himmelskörper auch Wetterbeobachtungen und deuteten Himmelszeichen für ihre Könige.
Die gelehrten Diskurse des Mittelalters und der Frühen Neuzeit kreisten vorrangig um die Rückübersetzung und Kommentierung der griechisch-römischen Werke, allen voran der "Meteorologica" des Aristoteles, der sich darin der philosophischen Erklärung und Kausalität von Wetterphänomenen widmete.
Jenseits dieses gelehrten Höhenkamms ist für alle diese Epochen unklar, über welches Wetterwissen weniger privilegierte Menschen verfügten, um beispielsweise ihre tägliche Arbeit in der Landwirtschaft anzuleiten. "Bauernpraktiken", die seit dem Spätmittelalter eine gewisse Popularität genossen, lieferten Ratschläge und Prognosen auf der Grundlage astrologischer Vorstellungen. Sie wurden jedoch vermischt mit den "Bauernregeln". Diese konnten in Erfahrung gegründet sein, schrieben aber auch bestimmten Tagen besondere prognostische Kräfte zu und sortierten landwirtschaftliche Tätigkeiten in die Chronologie des Kirchenjahrs ein.
Schlägt man eines der Lexika auf, die in der Epoche der Aufklärung das vorhandene Wissen inventarisieren sollten, fällt auf, dass gelehrtes und alltägliches Wetterwissen getrennt voneinander behandelt wurden. In englisch-, deutsch- und französischsprachigen Enzyklopädien des mittleren 18. Jahrhunderts wird in den Einträgen zur "Meteorologie" fast ausschließlich die aristotelische Unterscheidung feuriger, luftiger oder wässriger Meteore referiert. Die jeweils landessprachlichen Einträge zu "weather", "Witterung" und "temps" hingegen bieten ein buntes Sammelsurium aus medizinischen Überlegungen, prognostischen Zeichen und vielem mehr.
Zeitgenössische Akteure
Eine geeignete Möglichkeit, die Entwicklungen der Meteorologie im Zeitraum von 1750 bis 1850 zu erfassen, ist es, sich ihr über die zeitgenössischen Vorstellungen dessen zu nähern, was das Wetter verursachte. Aus der kausalen Struktur, die ein beliebiger Akteur vertrat, lässt sich ableiten, wie dieser das Wetter beobachten und vorhersagen wollte. Auf Basis zahlreicher Aufsätze in zeitgenössischen Zeitschriften, längerer Abhandlungen und Archivakten lassen sich dabei für die deutschen Länder drei mehr oder weniger distinkte Wissensformen herausarbeiten:
Die Semiotiker gingen davon aus, dass alle natürlichen Ereignisse als Glieder einer unverrückbaren Kette miteinander verbunden waren. Dies barg den Vorteil, dass sich künftige Wetterveränderungen für sie schon in der Gegenwart ankündigten. Der Altdorfer Professor für Mathematik und Physik Michael Adelbulner (1702–1779) etwa wies die Vorstellung plötzlicher Wetterwechsel entschieden zurück – vielmehr vollzögen diese sich "nach und nach, und meistentheils unvermerkt".
Ganz anders verhielt es sich bei den Physikern des Wetters. Diese hatten das Ziel, die komplexen Kausalketten innerhalb der Atmosphäre zu entwirren, die zugrunde liegenden Naturgesetze zu finden und möglichst zu quantifizieren. Dass mit der Atmosphäre – im Gegensatz zu anderen Teilgebieten der Physik – aufgrund ihrer Größe und ihres komplizierten Aufbaus keine Experimente angestellt werden konnten, erwies sich dabei als großes Problem. Doch waren vor allem die Physiker des Wetters im 18. Jahrhundert noch zuversichtlich, dass sich irgendwann Gesetze offenbaren würden, wenn Wetterbeobachtungen mit Messinstrumenten nur lange genug fortgesetzt würden. Der französische Naturforscher und Geistliche Louis Cotte (1740–1815) etwa sah es als erwiesen an, dass es "nichts Gleichförmigeres als Naturvorgänge" gab. "Sofern man darin auf eine Wunderlichkeit zu stoßen glaubt", verkündete er, "dann nur, weil man sie noch nicht lange genug beobachtet hat".
Aus Sicht der Organiker standen die Vorgänge in der Luft in Wechselwirkung mit anderen Vorgängen in der Natur, die deshalb in jeder Untersuchung des Wetters ebenfalls mit berücksichtigt werden mussten. Alle Bereiche der Natur waren für sie zusammenhängende Teile eines gegliederten Ganzen. Aus einer Beobachtungsreihe, die das preußische Kultusministerium zwischen 1817 und 1820 unterhielt, stammt das Plädoyer des Apothekers und Chemikers Sigismund Friedrich Hermbstädt (1760–1833), in dem er sich für eine solche ganzheitliche Perspektive auf das Wetter einsetzte. Ziel der Reihe, so Hermbstädt 1816 in einem Gutachten der Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen, musste es sein, "eine Wissenschaft der Meteorologie auf (…) Erfahrung zu gründen" und "bestimmte Gesetze, über den Einfluß der Veränderungen im Dunstkreis, auf die herrschenden Krankheiten der Bewohner einer Provinz oder auf die lebenden Erzeugnisse der Pflanzenwelt" abzuleiten.
Zeitgenössische Diskurse
Weil sich im mittleren und späten 19. Jahrhundert das mechanische Ursachenverständnis der Physiker des Wetters schließlich auf Kosten der anderen beiden Wissensformen als wissenschaftliche Meteorologie durchsetzte, überwog in der Geschichtsschreibung bislang der Fokus auf deren Vorform. In einer Zusammenstellung deutscher Quellen, die der preußische Meteorologe Gustav Hellmann (1854–1939) im Jahr 1883 veröffentlichte, räumte dieser zum Beispiel ein, medizinische Schriften nicht aufgenommen zu haben, weil sie "ziemlich arm" an eigener Forschung seien.
Wetterbeobachtung
Aus der kausalen Struktur der drei Wissensformen ergeben sich je unterschiedliche Rollen für empirisch erhobene Daten in der Wissensproduktion. Im Fall der Organik fällt auf, dass diese in der Zeit zwischen 1750 und 1850 in zwei verschiedenen Ausprägungen auftrat: Induktive Organiker wie Hermbstädt, der organische Wechselwirkungen beschreiben wollte, nahmen sich vor, allgemeine Erkenntnisse und Naturgesetze aus einer Vielzahl einzelner Beobachtungen ableiten. So waren in der Medizin statistische Untersuchungen, bei denen gehäufte Krankheitsfälle mit bestimmten Wetterphänomenen korreliert wurden, seit dem 17. Jahrhundert verbreitet, konnten aber kaum greifbare Ergebnisse vorweisen.
Bei der näheren Untersuchung einer organischen Beobachtungsreihe in Preußen, in deren Rahmen mit Reil und Hermbstädt sowohl Vertreter der spekulativen als auch der induktiven Ausprägung beratend tätig gewesen waren, zeigte sich jedoch schnell, dass die Organiker ihren selbst gesetzten Ansprüchen nicht gerecht wurden. Ein derartig umfassender Ansatz des Wetterwissens bedurfte eines gleichermaßen komplexen Beobachtungsapparats, an dessen Aufbau, Administration und Auswertung die Organiker scheiterten. Formierte sich insbesondere der spekulative Zweig als Gegenprogramm zur Physik des Wetters, blieben die Hypothesen oft zu vage und rätselhaft, als dass sie auf nachvollziehbare Weise hätten belegt oder widerlegt werden können.
Ein Konflikt, den vor allem Semiotiker und Physiker des Wetters austrugen, war die Frage, welchen Stellenwert Messinstrumente bei Wetterbeobachtungen haben sollten. Die Physiker favorisierten diese, weil sie eine Quantifizierung des Wetters und seiner verschiedenen Parameter verhießen. Insbesondere für koordinierte Beobachtungsreihen waren aber fehlende Vergleichbarkeit verschiedener Instrumente und teils starke Abweichungen in der Beobachtungspraxis große Probleme – von der Frage, wie genau aus Beobachtungsdaten Gesetze abzuleiten waren, einmal abgesehen. Parallel verwendete Temperaturskalen (üblicherweise nach Fahrenheit, Celsius oder Réaumur) ließen sich noch relativ leicht rechnerisch vereinheitlichen. Darüber hinaus unterschieden sich aber allein Thermometer noch durch die jeweilige Einteilung der Skalen, die Bauart des Instruments, den Durchmesser der Glasröhren sowie durch die Flüssigkeit, die darin enthalten war.
Am Gebrauch von Instrumenten kritisierten viele Semiotiker, dass diejenigen, die (wie beispielsweise Landwirte) für ihren Lebensunterhalt am meisten auf verlässliche Wettervorhersagen angewiesen waren, sich entweder gar keine oder jedenfalls keine hochwertigen Instrumente leisten konnten – man solle sich daher lieber auf die Zeichen der Natur verlassen.
Wettervorhersage
Die Semiotik des Wetters war die einzige Wissensform, deren Vertreter im gesamten Zeitraum zwischen 1750 und 1850 auf der Notwendigkeit bestanden, dass Wetterwissen praktischen Interessen zugutekommen musste. Eine prognostische Praxis war Semiotikern wichtiger als eine hochentwickelte Theorie. Ihre Konkurrenten attestierten auch bereitwillig, dass die Deutung von Wetterzeichen funktionierte. Der Schweizer Naturforscher und Alpinist Horace-Bénédict de Saussure (1740–1799) etwa klagte, dass es für Physiker des Wetters wie ihn "sehr demüthigend" war, "wenn sie sehen, daß oft ein Schiffer oder ein Landmann, der weder Werkzeuge noch Theorie hat, die Veränderungen des Wetters viele Tage voraus, mit bewundernswürdiger Genauigkeit angiebt, die der Naturforscher bey aller seiner Hülfe von Wissenschaft und Kunst nicht würde gemuthmaaßet haben".
Organiker und Physiker des Wetters bestanden im 19. Jahrhundert hingegen darauf, erst dann prognostizieren zu können, wenn die Gesetzmäßigkeiten der Atmosphäre bis in ihre letzten kausalen Verwicklungen verstanden waren. Die Physik des Wetters durchlief dabei im Untersuchungszeitraum einen besonders auffälligen Wandel. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts strebten ihre Anhänger noch praktische Verwertbarkeit an. Sie träumten insbesondere davon, sich wiederholende Wetterperioden zu identifizieren, bis Statistiker diesen Traum um 1800 platzen ließen.
Damit ging eine Abkehr der Physiker von der Vorhersage einher. Kämtz, zunächst Physikprofessor in Halle, später in Dorpat, beharrte 1840 darauf, dass der Meteorologe "durchaus nichts als Geschichtsschreiber der Witterung" war, dessen einzige Aufgabe darin bestand, "die Gesetze der vergangenen Ereignisse aufzusuchen."
Meteorologie als institutionalisierte Wissenschaft
Ab etwa 1850 richteten viele Länder Europas nach und nach Strukturen ein, durch die Wetterbeobachtungen ebenso wie ein großer Teil der wetter- und klimabezogenen Forschung in staatlichen Institutionen gebündelt wurden. Das Preußische Meteorologische Institut mit Sitz in Berlin wurde 1847 gegründet, und andere deutsche Länder wie Baden oder Bayern zogen nach. Die meisten Wetterwarten auf Landesebene veröffentlichten ab den 1870er und 1880er Jahren regionale Wettervorhersagen.
Die Gründung des Preußischen Meteorologischen Instituts war wesentlich von Alexander von Humboldt vorangetrieben worden, der zunächst Wilhelm Mahlmann (1812–1848) erfolgreich als Institutssekretär vorschlug, auf den ab 1849 Heinrich Wilhelm Dove für mehrere Jahrzehnte folgte. Beide waren Physiker, die folglich das Institut im Stil dieser Wissensform nach der "solaren Wende" formten. Sie widmeten sich vor allem dem Aufbau eines Beobachtungsnetzes und der klimatologischen Beschreibung Preußens.
Bedeutete dies, dass organisches und semiotisches Wetterwissen verschwanden? Die Antwort auf diese Frage unterstreicht, welche unterschiedlichen Entwicklungen eines Wissensbestandes möglich sind. Die Organik des Wetters wurde zunächst in medizinische Diskurse verlagert, bevor sie im 20. Jahrhundert als Medizin- oder Biometeorologie wieder zu einer Subdisziplin wissenschaftlicher Meteorologie wurde.