Einleitung
Bruch mit der Vergangenheit und Neuanfang waren die dominierenden Schlagworte in Nicolas Sarkozys Wahlkampf. Der neue französische Staatspräsident, ehemaliger Chef der Volksbewegungsunion UMP (Union pour un mouvement populaire), will die Stagnation beenden, welche die französische Gesellschaft seit Jahrzehnten plagt, und das Land modernisieren. Außenpolitische Themen haben im Wahlkampf so gut wie keine Rolle gespielt, denn es bestehen zwischen dem sozialistischen und dem konservativen Lager keine fundamentalen Meinungsverschiedenheiten.
Schließlich betrifft die vom Staatschef versprochene "Öffnung" seiner Regierung über das eigene konservative Lager hinaus gerade die auswärtigen Dienste. Bernard Kouchner, einst Gesundheitsminister unter dem sozialistischen Präsidenten François Mitterrand und einer der - nunmehr ehemals - prominentesten Persönlichkeiten des linken Spektrums in Frankreich, ist zum Außenminister ernannt worden. Er hat für die Europäischen Angelegenheiten mit Jean-Pierre Jouyet einen ebenfalls sozialistischen Staatssekretär. Mit der Berufung des bisherigen Fraktionschef der zentristischen UDF im Parlament, Hervé Morin, zum Verteidigungsminister, belohnt Sarkozy dessen Einsatz, mehr als zwei Drittel der UDF-Abgeordneten ins Lager der Regierungsmehrheit gebracht zu haben. In der französischen Außenpolitik dürfte die Sicherung der Interessen Frankreichs oberster Grundsatz bleiben.
Wider eine nihilistische Grundatmosphäre in Europa
Wie in der Innenpolitik muss auf europäischer Ebene jetzt gemäß Sarkozy alles sehr schnell gehen. In seiner Ansprache am Wahlabend des 6. Mai 2007 verkündete der neugewählte Präsident: "Frankreich ist in Europa zurück." Nachdem sich in den letzten zwei Jahren die pessimistische Auffassung verbreitet hatte, dass in Europa nichts mehr möglich sei, verbanden die Regierungskanzleien der europäischen Hauptstädte den Aufbruch in Frankreich mit der berechtigten Hoffnung auf einen Auftrieb der Europäischen Union (EU), die seit der französischen Ablehnung der europäischen Verfassung im Referendum vom 29. Mai 2005 praktisch lahmgelegt war. Nicht zufälligerweise wurde vor der Wahl angedeutet, Frankreich müsse nach Jacques Chiracs Ausscheiden wieder eine starke Rolle in Europa spielen: "Sich dem europäischen Engagement Deutschlands mit dem gleichen Pragmatismus und der gleichen Energie anzuschließen - das muss das wichtigste Ziel des nächsten französischen Staatsoberhaupts sein, und zwar sowohl im Interesse Frankreichs als auch im Interesse Europas."
Die Ablehnung des EU-Verfassungstextes durch die Franzosen im Jahre 2005 hatte, ähnlich wie bei der Innenpolitik, eine seit längerer Zeit schwelende Debatte über die "französische Malaise" beschleunigt und verstärkt. Dabei ging es nicht so sehr um den Verlust französischen Einflusses in Europa, die eigentliche Frage hatte viel mit Frankreichs Glaubwürdigkeit zu tun und mit seiner Fähigkeit, eine treibende Kraft innerhalb Europas zu bleiben. Darüber hinaus verhalf das französische "Non" dem Europa-Skeptizismus in anderen Mitgliedsstaaten zu neuer Legitimität. Das Ergebnis der Volksbefragung in Frankreich hatte wiederum die Ängste anderer europäischer Partner verstärkt, sodass jeder Versuch ihrerseits, die EU-Verfassung wieder auf die Tagesordnung zu setzen, ebenfalls an nationalen und europaweiten Widerständen scheitern würde.
Nicolas Sarkozy befürwortete mehrmals nach dem "Nein" einen "Mini-Vertrag" bzw. "vereinfachten Vertrag" (traité simplifié) für Europa zur Überwindung der Verfassungskrise, der sich auf die zentralen Institutionen- und Verfahrensreformen konzentrieren und vom Parlament ratifiziert werden sollte.
Gleich nach seinem Amtsantritt in Paris, am 16. Mai 2007, reiste Staatspräsident Sarkozy zu seinem ersten offiziellen Besuch nach Berlin, wo er sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über einen reduzierten Verfassungsvertrag einigte, der die Substanz der gescheiterten EU-Verfassung retten und die Institutionen der Union wieder in Schwung bringen sollte. Zwar trägt die EU-Vertragsreform nicht mehr den Namen "Verfassung", doch die 27 EU-Mitgliedstaaten konnten sich am 22. Juni 2007 auf eine Reform de Gemeinschaft verständigen. Ein neuer Grundlagenvertrag soll bis 2009 in Kraft treten. In der zentralen Streitfrage der künftigen Stimmengewichtung drängte Sarkozy Polens Präsident Lech Kaczynski zum Einlenken.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Chirac ist Sarkozy allerdings erklärter Gegner eines EU-Beitritts der Türkei. "Die Türkei hat keinen Platz in Europa", sagte er der Pariser Zeitung Le Figaro.
Frankreichs Staatspräsident will Europa fit machen für die Zukunft. Doch die grundsätzliche Frage, ob das Europa der Macht (Europe puissance) sich vom Nationalstaat emanzipiert oder nur eine intergouvernementale Verlängerung der französichen Politik mit Unterstützung durch den deutsch-französischen "Motor" und eine Verteidigungskooperation mit den Briten (neben Frankreich die einzige europäische Atommacht) sein soll, bleibt aktuell. Bei einer Analyse der derzeitigen Schwierigkeiten grenzüberschreitender strategischer Industrieprojekte wie Airbus oder Galileo stellt sich die Frage, ob die jetzige Politik wirklich der Schaffung europäischer Champions mit dem Ziel eines gemeinsamen Erfolgs oder einzig und allein der Verteidigung des eigenen nationalen Standorts dient. In Deutschland ist Sarkozy mit der Forderung nach nationalen Champions in der Wirtschaft und der Verhinderung eines Teilerwerbs von Alstom durch Siemens in Erinnerung geblieben. Das neue Staatsoberhaupt ließ auch schon früh durchblicken, dass die Beziehungen zum Nachbarn wohl nicht mehr ganz so herzlich bleiben würden. "Auch wenn die deutsch-französische Entente nach wie vor notwendig ist", schreibt er in seinem politischen Glaubensbekenntnis, "so ist sie, meiner Überzeugung nach, als Motor nicht mehr ausreichend leistungsfähig".
Sarkozys wohlwollender Patriotismus
Der französische Präsident ist ein "Pragmatiker, der Frankreichs Interessen sehr hart vertreten wird - auch gerade gegenüber den Brüssler EU-Instanzen" erklärt Max Gallo, Schriftsteller und Historiker, ehemaliger Regierungssprecher unter Präsident François Mitterrand, der den UMP-Kandidaten unterstützt hat. Wenn Sarkozy die Notwendigkeit einer engen deutsch-französischen Zusammenarbeit bewusst ist, "dürfte aber die Romantik, die Sentimentalität in der Beziehung zwischen Paris und Berlin verschwinden".
"Die Hoffnung" (L'espoir) titelte die rechte Zeitschrift Valeurs actuelles nach dem Sieg von Nicolas Sarkozy
Präsident Sarkozy propagiert zwar einen liberaleren Wirtschaftskurs als seine Vorgänger, aber im Zweifel folgt er der französischen Tradition des Staatsinterventionismus und distanziert sich vom Europa der Eurokraten. Bereits im Wahlkampf machte er die Stärke des Euro für die flauen Exporte in Frankreich verantwortlich und kritisierte dafür die Europäische Zentralbank. Um innenpolitischen Druck abzulassen und die jakobinischen Reflexe seiner Mitbürger zu besänftigen, tritt er gern als Hüter des "ökonomischen Patriotismus" auf, den er als kurzzeitiger Wirtschaftsminister 2004 mit den klassischen Instrumenten staatlicher Industriepolitik bis hin zum Protektionismus schon praktizierte. Sarkozys Auffassungen wurden vom britischen Schatzkanzler Alistair Darling scharf kritisiert : "I do not believe in economic patriotism", sagte er, "I think it is nonsense. Economic patriotism is protectionism and there is no other name for it."
Diese "harte" Vertretung nationaler Interessen kommt auch in den transatlantischen Beziehungen zum Vorschein. Bei der das G8-Gipfeltreffen abschließenden Pressekonferenz am 8. Juni 2007 in Heiligendamm sagte der französische Präsident zu seinem amerikanischen Amtskollegen George W. Bush, dass er die "Interessen Frankreichs verteidigen würde, wie Bush die Interessen der Amerikaner verteidigt" und, dass "Gegenseitigkeit gefragt ist". In seinem Buch, das kurz vor seiner Wahl erschienen ist, schreibt Sarkozy, dass "sein Land sich eifrig um das Eintreten für die nationalen Interessen betätigen muss", denn "Unabhängigkeit, ganz zuerst gegenüber Amerika, das ist selbstverständlich der Leitsatz der französischen Diplomatie".
"Sarkozy l'Américain" erwies sich dennoch als Wunschkandidat der US-Neokonservativen, und im Verhältnis Frankreichs zu den Vereinigten Staaten ist seit seiner Wahl in der Tat Entspannung angesagt. Noch als Innenminister hatte Sarkozy, der im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute ein ungestörteres Verhältnis zu den Vereinigten Staaten hat, am 12. September 2006 in Washington die Großsprecherei der französischen Politik im Irak kritisiert. Vor dem US-Präsidenten stellte er der anti-amerikanischen Irak-Politik Jacques Chiracs schlechte Noten aus. Selbst die allseits bewunderte souveräne Rede des damaligen französischen Außenministers Dominique de Villepin, im Februar 2003 vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, bezeichnete er abfällig als sterilen Bombast und versprach, die transatlantische Partnerschaft neu aufzubauen. Allerdings wusste er aber auch, dass in Frankreich als bester Freund der Amerikaner keine Wahlen zu gewinnen sind, und so lobte er doch öfters während des Wahlkampfs die ablehnende Haltung Chiracs zur US-Intervention im Irak. Gleich in seiner ersten Rede nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses forderte er Washington auf, sich nicht länger dem Kampf gegen die Erderwärmung zu entziehen und das Protokoll von Kyoto umzusetzen. Die Vereinigten Staaten könnten sich im Kampf gegen den Klimawandel nicht mehr aus der Verantwortung stehlen. "Wie selbstbewusst die Europäer dabei sind", zeigte er, als er bei der Abschlusspressekonferenz des G8-Gipfeltreffens gefragt wurde, wie er die Vereinbarung zum Klimaschutz bewerte. Er gab sich nicht die geringste Mühe, die Vereinigten Staaten das Gesicht wahren zu lassen: "Bis gestern hatten wir einen amerikanischen Präsidenten, der behauptet: es gibt kein Problem", sagte er. Und wenn es ein Klimaproblem gebe, dann habe das nichts mit den Menschen zu tun, zitierte er Bush weiter. Sarkozy machte eine Pause, und dann kombinierte er sechs Wörter zu einem kargen, maliziösen Satz: "Letzte Nacht ergab sich etwas anderes."
Rang auf der Weltbühne wahren
Frankreichs Einfluss in der Welt hat sich natürlich seit dem Ende des Kalten Krieges verändert, Paris wird aber nicht auf internationale Ambitionen verzichten. So wurde unter Führung des Außenministers Kouchner ein Darfur-Gipfel in Paris am 25. Juni 2007 organisiert. In den schwierigen Auswegen, die aus der Krise zu finden sind, wollte er wenigstens eine humanitäre Verbesserung sicherstellen. Gemeinsam mit den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union haben die G8-Länder in Paris den Druck auf Sudans Regierung erhöht, damit die humanitäre Katastrophe in der Dafur-Provinz beendet wird. In diesem Sinne war der Pariser Gipfel ein "Zeichen dafür, dass Frankreich gerade dabei ist, seine Dynamik in der Außenpolitik wiederzufinden".
Mit Sarkozy "bleibt Frankreich eine globale Macht",
Zu den strategischen Interessen Frankreichs gehören selbstverständlich die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, die unter Chirac gelitten haben. Auch für eine sich noch so selbstbewusst gebende französische Diplomatie bleibt offensichtlich, dass es für sie außerhalb eines solide geeinten europäischen Pols keine Multipolarität geben kann. Bis auf weiteres ist aber dieser europäische Pol ohne transatlantische Verkettung nicht denkbar. Die Priorität auf der Bildung einer welt- und damit auch verteidigungspolitisch glaubwürdigen EU, also ein international aktionsfähiges Europa, setzt auch für Paris ein ausreichend vertrauensvolles Verhältnis zu den Vereinigten Staaten voraus. In seiner ersten offiziellen außenpolitischen Erklärung stellte Sarkozy fest, dass Frankreich "immer an der Seite der Amerikaner steht, wenn sie es brauchen", was aber auch bedeutet, dass sie "akzeptieren müssen, dass Freunde anders denken können". In seiner Rede am 7. März 2007 in Paris, bei der UMP-Tagung über Sicherheitsfragen, verkündete er, dass die NATO sich auf keinen Fall zu einer Konkurrentin der Vereinten Nationen entwickeln sollte, "wie anscheinend die Vereinigten Staaten es sich wünschen". Im Gegenteil, wie einst sein Vorgänger Präsident Chirac plädierte er für eine NATO, die sich "strikt auf ihre klare geopolitische Verankerung in Europa und ihre militärische Doktrin beschränkt". Sarkozy spricht sich zwar für eine Reform und eine Stärkung der Vereinten Nationen aus und befürwortet einen ständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat sowie einen für Japan, Indien und Brasilien, er lehnt aber eine Umwandlung des französischen (und britischen) in einen europäischen Sitz ab.
Die neue Machtelite in Frankreich spricht nicht von einer Sonderstellung des Landes, also der gaullistischen und weltumspannenden Botschaft Frankreichs. Das Wort von der "Grande Nation", das in Deutschland von manchen - und mit ironischem Unterton - zitiert wird, kommt in Frankreich nicht mehr vor, anders das Wort "Rang". Für die politische Elite Frankreichs enthält es nicht in erster Linie eine Forderung an andere, Frankreich einen besonderen Platz einzuräumen, es drückt vielmehr Erwartungen aus, die sie von ihrem Land erfüllt sehen möchte. Sarkozy überschätzt nicht das tatsächliche französische Machtpotenzial, aber er rückt Frankreich international ins Scheinwerferlicht und wertet zusätzlich sein persönliches Prestige auf, sowohl in seinem eigenen Land als auch in bestimmten Regionen der Welt.
Eine neue Mittelmeer- und Afrikapolitik?
Seit der Ära von General de Gaulle sind die Grundsätze der französischen Diplomatie konstant geblieben: Machtkonkurrenz gegen Washington, Skepsis bei der Vertiefung der EU und pro-arabische Neigung in Nahost. Auf der diplomatischen Agenda des Staatspräsidenten Sarkozy haben nun die geostrategischen Herausforderungen und Migrationsfragen im Mittelmeerraum und in Afrika höchste Priorität.
Noch am Wahlabend wandte sich Sarkozy auch an die Völker des Mittelmeerraumes, eine Region, der ihm zufolge "eine entscheidende Bedeutung zukommt". Er schlug unter anderem den "Aufbau einer Mittelmeerunion" vor, die "als Verbindung zwischen Europa und Afrika fungieren wird". Was für die Europäische Gemeinschaft vor 60 Jahren getan wurde, sollte, so Sarkozy, "heute für die Einigung des Mittelmeerraums" getan werden. Ein besonders ehrgeiziges Projekt: Frankreich, als maßgebliche Macht im Mittelmeerraum, soll die Initiative ergreifen, um zusammen mit Portugal, Spanien, Italien, Griechenland und Zypern eine Mittelmeerunion mit eigenen Institutionen zu gründen.
Während Valéry Giscard d'Estaing mit dem Diktator Bédel Bokassa befreundet war, François Mitterrand noch nach dem Mauerfall nach Ostberlin reiste und der DDR-Führung Mut machte, und nicht zuletzt afrikanische und arabische Diktatoren auf Jacques Chiracs Wohlwollen zählen konnten, bekennt sich Nicolas Sarkozy als erster französischer Präsident demonstrativ zu den Menschenrechten, die "kein Detail" seien, sondern für die Idee einer internationalen Gemeinschaft das Fundament überhaupt.
Bedeutet dies nun ein Ende der französischen Sonderrolle in Afrika, das Ende der Françafrique?
Frankreichs Interessen in Afrika sind leicht zu überblicken, besonders wenn es um Bodenschätze wie Öl geht. Außerdem drängen die Vereinigten Staaten sowie China seit den 1990er Jahren verstärkt auf den Kontinent. Trotz des relativen Niedergangs der französischen Rolle genießt Paris immer noch Großmachtstatus in Afrika. Wird sich Paris nun an seine herkömmliche Machtposition in Afrika klammern? Die Frage, wie sich die französische Afrikapolitik entwickeln wird, bleibt offen,
Verstärkte "Präsidialisierung" der Außenpolitik
Dem sozialistischen Realpolitiker Hubert Védrine, ehemaliger Außenminister unter Mitterrand und Premierminister Lionel Jospin, wurde sein früheres Ministerium angeboten. Er lehnte jedoch ab, da er nicht über hinreichende politische Autonomie gegenüber dem neuen Staatsoberhaupt verfügt hätte. Kouchner, der in Sachfragen der internationalen Politik entgegengesetzte Positionen zu denen Védrines vertreten hat, übernahm stattdessen das Amt. Tatsächlich entspricht Kouchners pro-amerikanische und interventionistische Linie eher den Positionen Sarkozys. Nun wird der neue Staatspräsident die Außenpolitik aber weitgehend selbst in die Hand nehmen und nicht dem Minister überlassen. Sie soll zwar nicht wie bisher die "reservierte Domäne" des Präsidenten sein, sondern vom Parlament diskutiert werden. Gemäß der Verfassung ist aber der Präsident Oberbefehlshaber und hat in der Verteidigungs- und Außenpolitik das endgültige Sagen.
Um das Profil der Außenpolitik zu schärfen, wird Präsident Sarkozy einen politisch-militärischen "Nationalen Sicherheitsrat" gemäß dem US-Vorbild schaffen, der dem Staatsoberhaupt direkt zuarbeiten soll und der übrigen Regierung damit Kompetenzen entziehen wird. Bislang war nur die "afrikanische Zelle" im Elysée-Palast, die für die offene und verdeckte "neokoloniale" Afrikapolitik zuständig ist, unmittelbar dem Präsidenten unterstellt. Zukünftig soll die Zelle für afrikanische Angelegenheiten dem neu zu bildenden Nationalen Sicherheitsrat angegliedert werden. Chefberater des Gremiums soll der diplomatische Berater und Gipfelbeauftragter (Sherpa) des Präsidenten, Jean-David Levitte, werden. Der erfahrene Diplomat, einst Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen und zuletzt Botschafter in Washington, gilt als Außenminister in spe.
Diese Machtkonzentration der außenpolitischen Aktivitäten in den Händen von Nicolas Sarkozy ist eigentlich keine Besonderheit, denn die Führung der Außen- und Verteidigungspolitik ist in der Fünften Republik die Hauptaufgabe des französischen Präsidenten. Diese Tatsache könnte für die Partner sogar vorteilhaft sein, denn nun hat Frankreich mit Sarkozy wieder einen starken Politiker mit Überzeugungen und Tatendrang an seiner Spitze. Patriotische Egoismusanfälle werden der Harmonie unter anderem in der deutsch-französischen Partnerschaft nicht schaden, solange der Wille zur Zusammenarbeit mit Pragmatismus bestimmend bleibt. So haben sich auch Angela Merkel und Nicolas Sarkozy am 16. Juli 2007 in Toulouse auf die Neuausrichtung des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS und seiner Tochter Airbus verständigen können. Außerdem haben alle französischen Politiker, die positiv für Europa gewirkt haben, den nationalen Patriotismus mit der europäischen Berufung verbunden. Für Sarkozy legitimiert sich (Außen-)Politik aus einer grundsätzlich patriotischen Gesinnung. Anlass zur Sorge? Für das offizielle französische Präsidentenfoto ist Sarkozy das erste Staatsoberhaupt, das die EU-Fahne neben die französische Tricolore stellen ließ. Das ist keine harmlose Botschaft, wenn man um die Bedeutung der symbolischen Gesten in Frankreich weiß.