Einleitung
Schon seit längerem war die französische Innenpolitik auf die Präsidentschaftswahlen am 22. April und 6. Mai sowie die Wahlen zur Nationalversammlung am 10. und 17. Juni 2007 ausgerichtet. Die Erfolge der Sozialisten bei den Kantonal-, Regional- und Europawahlen des Jahres 2004 ließen einen Machtwechsel als möglich erscheinen. Nach dem negativen Ausgang des Referendums vom 29. Mai 2005 über den europäischen Verfassungsvertrag, das einen empfindlichen Rückschlag für Präsident Chirac bedeutete, galt seine abermalige Kandidatur als unwahrscheinlich, so dass es im Elysée-Palast auf jeden Fall zu einem Machtwechsel kommen würde.
Die Wahl des Präsidenten fand in mehrfacher Hinsicht in einer ganz besonderen Konstellation statt. Zum ersten Mal überhaupt trat kein ehemaliger Präsident oder Premierminister an und - mit Ausnahme der Wahl von 1995 - trafen erstmals seit 1974 nicht der Amtsinhaber und sein wichtigster Herausforderer aufeinander. Die Kandidaten der beiden wichtigsten Parteien, der Sozialisten und der (Neo-)Gaullisten bewarben sich erstmals um dieses Amt, und sie konnten nur auf eine relativ begrenzte Regierungserfahrung verweisen.
Keine andere Präsidentenwahl war von der vorangehenden noch so beeinflusst wie diese Wahl. Das Ergebnis von 2002, namentlich das Ausscheiden des sozialistischen Kandidaten im ersten Wahlgang, hatte auf das Wahlverhalten einen erheblichen Einfluss.
Die einzig aussichtsreichen Kandidaten - neben Sarkozy und Royal konnte auch der zentristische Kandidat François Bayrou dazugezählt werden - verkörperten einen weithin für notwendig gehaltenen Generationswechsel, denn sie waren erst zwischen 50 und 55 Jahre alt. Schon im Wahlkampf hatten die Vertreter dieser neuen Generation erklärt, dass sie das Präsidentenamt nicht als ein Schiedsrichteramt wahrnehmen würden, sondern dass sie noch stärker als ihre Vorgängerdie Politik aktiv mitgestalten wollten. Schließlich hätte mit der sozialistischen Kandidatin erstmals eine Frau Präsidentin werden können.
Die Kandidatennominierung
Im Vergleich zur Nominierung der Spitzenkandidaten bei Parlamentswahlen in den westeuropäischen Demokratien, die in aller Regel durch die Parteien erfolgt, dominierte in Frankreich bei den Präsidentenwahlen bisher eine Selbstnominierung quasi-monarchischen Typs, die - wenn überhaupt - von den Parteien der jeweiligen Kandidaten nachträglich nur noch ratifiziert wurden. Das gilt insbesondere für die Rechte, eingeschränkt auch für die Linke. Dieses Verfahren entsprach dem gaullistischen Mythos, wonach es sich bei dieser Wahl um "die Begegnung eines Mannes/einer Frau mit dem französischen Volk" handelte, welche die Parteien nicht stören dürften. Während die Parteidisziplin bei den Sozialisten Mehrfachkandidaturen verhinderte, gab es aus den Reihen der Gaullisten mehrmals mehrere Kandidaten, ohne dass deswegen aber Parteiausschlussverfahren eingeleitet worden wären. Erst seit 1995, nach dem Ausscheiden ihres "Übervaters" Mitterrand praktizierten die Sozialisten ein förmliches innerparteiliches Nominierungsverfahren, bei dem die Parteimitglieder entscheiden.
Die Nominierung Sarkozys bedeutete einen Bruch mit dem Mythos und der Tradition des Gaullismus, denn er verdankt sie ausschließlich der Partei. Der entscheidende Tag war bereits der 28. November 2004, als Sarkozy - gegen den Willen von Präsident Chirac, auf dessen Betreiben hin 2002 die UMP (Union pour la majorité présidentielle) gegründet worden war - Vorsitzender dieser Partei wurde. Damit war er schon so etwas wie der natürliche Kandidat geworden, aber es wäre möglicherweise zu einem Konflikt zwischen dem Parteiwillen und dem gaullistischen Dogma gekommen, wenn nicht Chiracs Favorit, Premierminister Dominique de Villepin, seine Chancen im Frühjahr 2006 durch seine Politik, vor allem um den geplanten Erstanstellungsvertrag für Jugendliche (CPE), verspielt hätte. Die triumphale Kür Sarkozys durch die UMP-Mitglieder (98 % bei einer Beteiligung von 69 %) am 14. Januar 2007 entsprach dann den Erwartungen. Für die Erfolgsaussichten Sarkozys war also wichtig, dass sich die in der UMP geeinte gaullistische und die liberale Rechte erstmals seit 1969 auf nur einen Kandidaten einigen konnten.
Bei der Parti Socialiste (PS) folgte die Nominierung dem Muster des Jahres 1995. Allerdings handelte es sich bei Ségolène Royal um eine Überraschungskandidatin, mit der nur wenige gerechnet hatten.
Der Wahlkampf: Personen und Themen
Da es bei der Präsidentschaftswahl um die Wahl einer Person in ein Amt geht, spielen die Persönlichkeiten der Kandidatinnen und Kandidaten eine zentrale Rolle. Ihre politischen Konzepte können zwar nicht von ihnen getrennt werden aber sie treten mitunter in den Hintergrund. Für die Sympathisanten der Rechtsparteien ist der personelle Faktor wichtiger als für die Sympathisanten der Linken. Insofern werden die Sozialisten, bei denen das auf Veränderung des Status quo zielende Programm eine wichtigere Rolle spielt, durch den Modus der Präsidentenwahl strukturell benachteiligt.
Das Persönlichkeitsprofil der beiden in die Stichwahl gelangten Kandidaten zeigt scharfe Kontraste.
Im Unterschied zum Wahlkampf 2002, als die innere Sicherheit das alles beherrschende Thema war, fehlte diesmal ein ähnlich dominierendes Thema. Sarkozy gelang es am besten, dem Wahlkampf thematisch seinen Stempel aufzudrücken. Er stellte traditionelle Werte in den Mittelpunkt, die nicht nur von den Sympathisanten der Rechten geteilt werden, sondern die darüber hinaus Zustimmung finden: Autorität und (innere) Sicherheit, Disziplin und Respekt, Leistung, die anerkannt, und Arbeit, die sich wieder stärker lohnen müsse,
Royal stellte soziale Fragen wie Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, Stärkung der Kaufkraft durch Erhöhung des Mindestlohns und der Kleinrenten oder Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit durch staatlich finanzierte Beschäftigung und die Ausweitung der 35-Stunden-Woche in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes. Allerdings gelang es ihr nicht, ihr Konzept einer "gerechten Ordnung", das den Kampf gegen Ungleichheiten und Armut wie auch Verbesserungen im Schulsystem beinhaltete, hinreichend zu konkretisieren. Nicht nur bei den Themen Einwanderung, innere Sicherheit und Kampf gegen Kriminalität konnte Sarkozy erwartungsgemäß punkten, sondern auch bei den sozialen Fragen schnitt er besser ab als die sozialistische Kandidatin.
Während Sarkozy nach allgemeiner Einschätzung den professionelleren Wahlkampf führte, wobei ihm seine rhetorischen Fähigkeiten, sein Auftreten im Fernsehen und die Unterstützung seiner Partei zugute kamen, wies Royals Wahlkampf Defizite hinsichtlich Professionalität und Effizienz auf. Ihr Bemühen um Bürgernähe mit dem Konzept einer "partizipativen Demokratie" wurde ihr als Führungsschwäche angekreidet, und es gelang ihr nicht, ihre Partei ähnlich geschlossen hinter sich zu bringen wie Sarkozy seine UMP.
Bemerkenswert ist das Internet als ein neues und intensiv genutztes Element im Wahlkampf. Dabei tat sich die PS-Kandidatin besonders hervor. Auch wenn die Bedeutung des neuen Mediums insgesamt nicht überschätzt werden darf (nur 5 % der Befragten erklärten, es sei für sie das wichtigste Medium politischer Information), dürfte es für die Wahlentscheidung vor allem der jüngeren Wähler, die in weit größerem Maß das Internet auch politisch nutzen, eine erhebliche Rolle gespielt haben.
Das Wahlergebnis
Mit 83,8 % im ersten und 84 % im zweiten Wahlgang lag die Wahlbeteiligung deutlich höher als 2002. Hinsichtlich der ersten beiden Plätze brachte der erste Wahlgang das von den Umfragen vorhergesagte Ergebnis. Sarkozy, seit seiner Nominierung am 14. Januar konstant an der Spitze der Umfragen, erzielte mit 31,2 % ein sehr gutes Ergebnis und übertraf Chirac um mehr als 11 Prozentpunkte.
Die sozialistische Kandidatin kam auf 25,9 % und gewann im Vergleich zu Jospin 2002 9,7 Prozentpunkte hinzu.
Bayrous Ergebnis (6,8 %) galt als sensationell, bedeutete es doch fast eine Verdreifachung gegenüber 2002. Im Vergleich zu den Ergebnissen der Kandidaten der (rechten) Mitte bei früheren Wahlen liegt das Ergebnis im "normalen" Bereich, doch muss berücksichtigt werden, dass sich ein Teil seiner UDF (Union pour la démocratie française) der 2002 gegründeten UMP angeschlossen hatte.
Le Pen kam "nur" noch auf 10,4 %, gegenüber 16,9 % 2002. Erstmals seit 1988 ist sein Ergebnis rückläufig, und zwar massiv.
Die linksextremen Kandidaten - Trotzkisten, Globalisierungsgegner, Kommunisten - erlebten einen ähnlichen Absturz: von 19,1 auf 10,2 %.
Wie ist das Ergebnis zu erklären? Le Pen verdankt seinen Rückschlag dem Image und dem Wahlkampf Sarkoys. Mit seiner harten Politik als Innenminister, seinen "markigen" Sprüchen
Wie die Ergebnisse Sarkozys und Le Pens - zumindest teilweise - zusammenhängen, so sind auch die von Royal und der extremen Linken gegenseitig bedingt. Das Nachwirken des Schocks von 2002 und die feste Absicht, es nicht noch einmal zu einem ähnlichen Debakel (Ausscheiden des PS-Kandidaten im ersten Wahlgang) kommen zu lassen, dürfte die plausibelste Erklärung sein. Um sicher zu gehen, dass die Sozialistin in die Stichwahl kommt, haben linksextreme Sympathisanten schon im ersten Wahlgang "das kleinere Übel" gewählt.
Bayrou verdankt sein Ergebnis vor allem den Schwächen der beiden "großen" Kandidaten: der nicht alle Sarkozy-Gegner überzeugenden Statur Royals für das Amt wie auch ihrem Programm einerseits, der umstrittenen Persönlichkeit Sarkozys andererseits. Hinzu kommt, dass Bayrous Kritik an der Links-Rechts-Polarisierung der französischen Politik Anklang fand.
Auch die Stichwahl brachte das erwartete Ergebnis. Sarkozy gewann recht deutlich mit 53,1 %.
Der im Hinblick auf die Stichwahl wichtigste Aspekt war das historisch niedrige Niveau der Linken insgesamt. Mit 36 % war es das schlechteste Ergebnis seit 1969, als nach dem Mai 1968 viele Wähler ins konservativ-bürgerliche Lager gewechselt waren und als sich die sozialistische Partei mitten im Umbruch befand. Die wichtigste Ursache für das Ergebnis 2007 liegt in einem Rechtsruck der französischen Wähler und ihres Wertesystems. Kampf gegen Kriminalität; Ablehnung weiterer Zuwanderung, die als eine Hauptquelle der Kriminalität gesehen wird, Durchsetzung der staatlichen Autorität, Achtung von Disziplin und Arbeit und Kampf gegen "Sozialschmarotzer",
Die Sozialisten haben - zum dritten Mal hintereinander - die Präsidentschaftswahl verloren, obwohl die Konstellation für sie diesmal günstig war. Umfragen wie heftige Proteste und die Zwischenwahlen 2004 belegten, wie rasch die Regierung nach dem Sieg Chiracs und der UMP 2002 unpopulär geworden war. Ihre Bilanz wurde weithin als unbefriedigend empfunden. Warum hat dennoch Sarkozy gesiegt, der Vorsitzender der UMP und in der gesamten Legislaturperiode seit 2002 Minister war? Zunächst einmal gelang ihm das Kunststück, trotzdem als Kandidat des Wandels, ja des "Bruchs" mit der bisherigen Politik aufzutreten und gleichzeitig das Regierungslager hinter sich zu bringen. Er ging in vielen Fragen auf Distanz zu Präsident Chirac wie zum Premierminister Dominique de Villepin, lange Zeit sein innerparteilicher Rivale für das Präsidentenamt, wahrte aber insgesamt die Loyalität zur Regierung. Seine Popularität wie seine herausragende politische Begabung sicherten ihm gegen alle Widerstände (Chirac selbst wollte ihn verhindern) die einhellige Nominierung durch die UMP-Mitglieder. Er gewann die Wahl, weil er im Vergleich zur sozialistischen Kandidatin der überzeugendere Kandidat mit dem überzeugenderen Programm war, weil er den besseren Wahlkampf führte und weil er von seiner Partei geschlossener unterstützt wurde. Dass Royal noch so achtbar abschnitt, verdankt sie einmal der Loyalität der PS-Sympathisanten,
Die Wahlen zur Nationalversammlung
Die nach der Verkürzung der Amtszeit des Präsidenten auf fünf Jahre (Verfassungsänderung vom 2. 10. 2000) beschlossene Festlegung der zeitlichen Abfolge der Wahlen führt dazu, dass die Wahlen zur Nationalversammlung nur wenige Wochen nach der Präsidentschaftswahl stattfinden. Auch diesmal hat sich - wie schon 2002 und bereits 1981 und 1988 - gezeigt, dass die Parlamentswahlen als Bestätigung der vorangegangenen Präsidentenwahl verstanden werden. Obwohl der Präsident ohne parlamentarische Mehrheit auf dem gesamten Feld der Innen-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik nur wenig bewirken kann, da ihm entscheidende Kompetenzen bei der Gesetzgebung fehlen (vor allem besitzt er kein Vetorecht) und, auf der Grundlage des Verfassungstextes, insofern die Parlamentswahl die tatsächliche "Königswahl" auch in der V. Republik ist,
Erwartungsgemäß behauptete die Partei des Präsidenten die absolute Mandatsmehrheit. Die niedrige Wahlbeteiligung (60,4 % im ersten, 60 % im zweiten Wahlgang) erklärt sich zu einem erheblichen Teil aus der verbreiteten Überzeugung, die mit der Präsidentenwahl getroffene Entscheidung werde ohnehin nicht mehr korrigiert. Allerdings brachte der zweite Wahlgang nicht den nach dem ersten Wahlgang mit dem Rekordergebnis von 45,5 % für die UMP und ihre Verbündeten prognostizierten Ausbau ihrer Mehrheit, sondern sogar einen empfindlichen Verlust von 46 Mandaten. Die Sozialisten (mit Verbündeten) gewannen 63 Mandate hinzu und vermieden so ein völliges Debakel. Davon bleibt der entscheidende Aspekt des Ergebnisses unberührt: Die UMP behauptete die absolute Mehrheit, womit Präsident Sarkozy über die erforderliche parlamentarische Mehrheit verfügt, um sein Programm umzusetzen.
Die Überraschung des zweiten Wahlgangs erklärt sich zum einen aus der im Unterschied zu den Sozialisten schwachen Mobilisierung der UMP, für die alles gelaufen schien. Noch wichtiger war, dass sich in einer ganzen Reihe von Wahlkreisen die Wähler von Bayrous neuer Partei Mouvement Démocrate (MoDem) für die Sozialisten entschieden, nachdem ihre eigenen Kandidaten nicht mehr antreten konnten. Zum anderen hat das zwischen den beiden Wahlgängen bekannt gewordene und von der Mehrheit der Franzosen abgelehnte Vorhaben der Regierung, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, die UMP mehrere Sitze gekostet.
Die Verlierer der Wahl war Bayrous MoDem, die mit 7,8 % der Stimmen nicht einmal die Hälfte seines Ergebnisses bei der Präsidentschaftswahl retten konnte und sich mit vier Mandaten begnügen muss. Damit bestätigte sich, dass ein erheblicher Teil seiner Wähler sich gemäß der UDF-Tradition für den bisherigen Koalitionspartner UMP entschieden hat. Zwar ist die Partei nach dem Stimmenanteil die drittgrößte Partei, aber Bayrou spürt in besonderer Schärfe die Mechanismen des französischen Mehrheitswahlsystems: Eine kleine Partei, die nicht bündnisfähig oder -willig ist, erringt kaum Mandate und ist auf parlamentarischer Ebene zur Wirkungslosigkeit verurteilt. Die Zukunft sieht für die neue Partei ziemlich düster aus.
Der andere Verlierer ist Le Pens Front National, der auf 4,7 % absackte und nur eine Kandidatin in den zweiten Wahlgang brachte (nicht gewählt). Es mag noch verfrüht sein, der Partei das Totenglöckchen zu läuten, aber sie dürfte auf absehbare Zeit in der französischen Politik keine Rolle mehr spielen. Sarkozy ist es gelungen, ihr mit seiner Politik als Innenminister und mit seinem Wahlprogramm das Gros der Wähler abzuwerben, ohne dass er ihre Ideologie und ihre "Lösungen" (préférence nationale) übernimmt, wenn er auch ihrer Wählerschaft ein Stück weit entgegenkommt.
Die Kommunisten und die Grünen verbessern zwar ihre sehr schlechten Ergebnisse der Präsidentschaftswahl und kommen auf 4,6 bzw. 3,3 %, aber diese immer noch dürftigen Zahlen bestätigen den anhaltenden Niedergang der Kommunisten und die ebenfalls seit ihrer Gründung anhaltenden Entwicklungsschwierigkeiten der Grünen. Obwohl die beiden Parteien vieles trennt - insbesondere die Einstellung zur Kernkraft -, bilden sie eine Fraktion, um in der Nationalversammlung wirksamer agieren zu können (und mehr staatliche Mittel zu erhalten).
Wahlsoziologische Anmerkungen
Haben bestimmte soziale Gruppen eine ausgeprägte Präferenz für bestimmte Kandidaten?
Zunächst ließe sich vermuten, dass die Frauen die Frau deutlich bevorzugt hätten. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Royal hat bei den Männern gegenüber den Frauen einen Vorsprung von 6 %; bei Sarkozy ist es genau umgekehrt. Wird der Faktor Geschlecht mit anderen sozialen Merkmalen kombiniert, so findet sich eine Erklärung für diesen auf den ersten Blick erstaunlichen Befund. Den größten Vorsprung gegenüber Royal erzielte Sarkozy unter den Wählern über 50 Jahren.
Wie eben angedeutet, finden sich die größten und für den Ausgang der Wahl entscheidenden Unterschiede in der Alterstruktur. Während Royal bei den 18- bis 24-Jährigen auf 61 % kam und auch bei den 30- bis 40-Jährigen deutlich besser abschnitt als Sarkozy, brachte diesem das massive Votum der über 50-Jährigen, die zahlreicher und wahlfreudiger als die Jungwähler waren, den Sieg. Würde das Wahlrecht mit dem Erreichen des Rentenalters (65) erlöschen, so wäre Royal Präsidentin.
Hinsichtlich der Berufsstruktur gibt es einige bemerkenswerte Aspekte. Für Royal stimmen, dem soziologischen Spagat der PS entsprechend, 53 % der Arbeiter wie der leitenden Angestellten und freien Berufe. Nicht verwunderlich, dass 63 % der Lohnabhängigen im öffentlichen Dienst sie gewählt haben, aber nur 45 % aus dem Privatsektor. Allgemein werden weder sie noch Sarkozy eindeutig von einer bestimmten Berufsgruppe bevorzugt oder abgelehnt.
Die Zukunft der "republikanischen Monarchie"
Schon während des Wahlkampfes hat der neu gewählte Präsident erklärt, er wolle ein Präsident sein, der regiert. Seit seinem Amtsantritt setzt er diese Absicht in die Tat um. Die absolute Mehrheit, über die die UMP in der Nationalversammlung verfügt, ist die nötige Voraussetzung. Zwar haben alle Präsidenten der V. Republik die Entscheidungen, die sie für wichtig hielten, selbst getroffen - und nicht nur auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik -, aber keiner hat das in diesem Umfang getan und in dieser Offenheit die "Richtlinien der Politik" bestimmt wie Sarkozy seit seinem Amtsantritt. Eine gewisse Zweideutigkeit, die das Präsidentenamt bisher umgab, ist damit jedenfalls beendet. Der Präsident agiert nicht als der überparteilich-neutrale Schiedsrichter gemäß Artikel 5 der Verfassung, sondern - ähnlich wie der amerikanische Präsident - gleichzeitig als Staats- und Regierungschef. Die Artikel 20 und 21, wonach die Regierung die Politik der Nation "bestimmt und leitet" und der Premierminister die Tätigkeit der Regierung leitet, sind faktisch außer Kraft gesetzt. Der Premierminister setzt die vom Präsidenten beschlossenen Richtlinien um, sorgt, gemeinsam mit dem UMP-Fraktionsvorsitzenden, für die parlamentarische Mehrheit und koordiniert lediglich die Tätigkeit der Regierung. Die schon bisher stark auf den Präsidenten zugeschnittene Verfassungspraxis wird also nicht nur fortgesetzt, sondern deutlich verstärkt.
Der Präsident ist nicht nur der unumstrittene Chef der Regierung, in der der Einfluss des kleinen Koalitionspartners, der rein rechnerisch gar nicht gebraucht wird, nur als gering einzuschätzen ist, sondern er ist auch als (faktischer, wenn auch nicht mehr nomineller) Parteichef unangefochten. Neben der Mehrheit in der Nationalversammlung kann sich der Präsident mit seiner Regierung auch auf eine Senatsmehrheit stützen. Zudem geht die Ernennung von acht der neuen Mitglieder des Verfassungsrates auf Politiker der Rechten zurück.
In seiner Rede zu Grundfragen der Verfassungsordnung der V. Republik und ihrer Entwicklung, die der Präsident am 12. Juli 2007 in Epinal gehalten hat,
Inwieweit das Parlament gestärkt wird (Sarkozy erwähnt unter anderem größeren Einfluss auf seine Tagesordnung, mehr ständige Ausschüsse, Beteiligung am präsidentiellen Ernennungsrecht für wichtige Posten in Politik, Verwaltung und Wirtschaft) und inwieweit die Opposition bessere Kontrollmöglichkeiten erhält,
Welche der angedachten Verfassungsänderungen schließlich auch realisiert werden - es wird keine neue, keine VI. Republik geben.