Das Jahr 2019 hat in besonderer Weise vor Augen geführt, dass die rechtsterroristische Gefahr real und akut ist: In der Nacht zum 2. Juni wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke auf der Terrasse seines Hauses ermordet; vier Monate später, am 9. Oktober, wurden in Halle an der Saale zwei Menschen erschossen – dass es nicht zum geplanten Blutbad in der Synagoge kam, ist lediglich einer massiven Holztür zu verdanken. Zahlreiche Meldungen über aufgefundene Waffenlager, kursierende Feindeslisten, offene Todesdrohungen und die Aufdeckung staatsfeindlicher Netzwerke, die bis in Polizeikreise reichen, lieferten weitere alarmierende Hinweise.
Nicht jede rassistisch motivierte Straftat ist Terrorismus. Aber die Übergänge sind fließend, und auch Taten unterhalb dieser Schwelle übermitteln letztlich dieselbe menschenverachtende Botschaft. Die Vorfälle in Deutschland lassen sich in einen internationalen Kontext einordnen. Die gewaltbereite rechtsextreme Szene vernetzt sich grenzübergreifend, und die Massenmorde in Christchurch am 15. März und in El Paso am 3. August 2019 haben einmal mehr gezeigt, dass es ideologische Grundlagen gibt, die diese "Einzeltäter" teilen. Eine verbreitete Verschwörungserzählung ist etwa jene vom "großen Austausch", wonach "die weiße christliche" Bevölkerung auf Geheiß dunkler Mächte durch eine andere ersetzt werde. Der Angriff wird so zur Verteidigung, der Täter zum vermeintlichen Opfer.
In Abstufungen hat dieses Gedankengut den Weg in deutsche Parlamente gefunden. Wer vom "Bevölkerungsaustausch" spricht, ruft zwar nicht zum Mord auf, bedient aber die Selbstviktimisierung potenzieller Gewalttäter. Am 26. Juni 2019 gedachte der Deutsche Bundestag Walter Lübckes. Vor dem Eintritt in die Tagesordnung mahnte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble: "Menschenfeindliche Hetze war in der Vergangenheit und sie ist auch heute der Nährboden für Gewalt, bis hin zum Mord – und wer diesen Nährboden düngt, macht sich mitschuldig."