Einleitung
Wirtschaftliches Denken ist das Gebot der Stunde" - dieses Postulat der Kultusministerkonferenz fasst die Ausrichtung der Diskussion zum Thema Museumsmanagement für die 1990er Jahre prägnant zusammen.
In den 1990er Jahren kamen zwei Entwicklungen zusammen: Auf der einen Seite gab es durch den Museumsgründungsboom in den 1980er Jahren
Aber: Die Besuchszahlen, die in den 1980er Jahren - trotz eines stärkeren öffentlichen Interesses an Ausstellungen insgesamt - in den einzelnen Museen nur wenig gestiegen waren, gingen in den 1990er Jahren zurück. In der Rezession fehlten Spenden und Sponsorengelder, und Museen fühlten sich "unter Rentabilitätsdruck"
Finanzierung und Marketing
Professionelles Marketing und eine verbesserte Ansprache der Öffentlichkeit sollten höhere Einnahmen erzielen. Dementsprechend fanden 1994 und 1996 die ersten Museumsmanagement-Konferenzen im Freilichtmuseum am Kiekeberg zum Thema Museumsfinanzierung statt.
Neues Steuerungsmodell und Verselbständigung
Museen in kommunaler Trägerschaft - die Mehrzahl aller Museen in Deutschland - sollten durch das Neue kommunale Steuerungsmodell (NSM) zu wirtschaftlicherem Denken angeregt werden.
Ein zweiter Aspekt, der in den kommunalen Museen viel diskutiert wurde, war die rechtliche Verselbständigung außerhalb staatlicher Trägerschaft. Die Organisation als Stiftung, Verein oder (gemeinnützige) GmbH sollte innerhalb der Institutionen Einsparpotentiale erzielen und gleichzeitig die Einwerbung von Spenden und Sponsoringgeldern erleichtern.
Neue Perspektiven
Unabhängig vom methodischen Ansatz wurde bei allen Diskussionssträngen deutlich, dass eine klare Zielsetzung der Institution die grundsätzliche Voraussetzung für jegliches Managementhandeln ist. Spezifische Rechts- und Strukturfragen oder mögliche Finanzierungsformen können zwar Auslöser für ein Nachdenken über das Management eines Museums sein, die Entwicklung eines Managementsystems muss jedoch von grundsätzlichen institutionellen Definitionen ausgehen. Darauf verweist auch die betriebswirtschaftliche Definition des Managementbegriffs als "eine Art Querschnittsfunktion, die den Einsatz der Ressourcen und die Koordination der Sachfunktionen steuert".
Ende der 1990er Jahre setzte eine neue Phase in der Entwicklung des Museumsmanagements ein.
Leitbilder als Ausgangs- und Zielpunkt
Das Mission Statement, die Zielsetzung bzw. das Leitbild eines Museums, ist eine objektive, kurze und inspirierende Formulierung der Raison d'Être, seiner gesellschaftlichen Relevanz, und hat dabei die langfristige Begründung der Existenz eines Museums im Blick. Eine Zielsetzung definiert Leistung, Nutzen und Wirkung eines Museums in der Gesellschaft und verdeutlicht, welche Lücke entstünde, existierte das Museum nicht.
Die notwendige Definition von Zielgruppen und der aktive Bezug auf die Gesellschaft verpflichten ein Museum dazu, die Relevanz seiner Zielsetzung in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Zielsetzungen sind das zentrale Managementinstrument, um in einer sich schnell verändernden Gesellschaft überlebensfähig zu bleiben.
Zentraler Aspekt jeglichen Managements ist die ständige Evaluation und Bewertung der Arbeit im Hinblick auf das zu erreichende Ziel. Management ist ein Kreislauf, der ausgehend von einem in der Zielsetzung zu definierenden "Soll-Zustand" eine Planung entwickelt, Ressourcen einsetzt und den am Ende eines Planungszyklus erreichten "Ist-Zustand", das Ergebnis einer Organisation, evaluiert und bewertet. Entsprechend definieren zum Beispiel Lord/Lord die Aufgaben des Museumsmanagements mit den Begriffen Inspiration, Kommunikation, Führung, Kontrolle und Evaluation.
Planung, Kennzahlen, Evaluation
Die Forderung nach mehr Wirtschaftlichkeit, die zu einer Auseinandersetzung mit Selbstverständnis und gesellschaftlicher Legitimation der Institution Museum insgesamt führte, initiierte gleichzeitig ein stärker betriebswirtschaftliches Denken. Mit der Einführung kaufmännischer Positionen an der Spitze von Museen - hier waren die Hamburger Museen mit der Verbindung von wissenschaftlicher und kaufmännischer Leitung in "Doppelspitzen" wegweisend - wurde ein neuer Arbeitsbereich der Museumsarbeit definiert. Die rechtliche Verselbständigung war ein wichtiger Ausgangspunkt für die Einrichtung solcher Stellen. Doch auch in kommunal betriebenen Museen wurde durch das Neue Steuerungsmodell, die Budgetierung und die Überführung kameralistisch geführter Haushalte in die Doppik (doppelte Buchführung) ein stärker betriebswirtschaftliches Denken alltäglich. Die Arbeit mit Kennzahlen, Fragen der Kosten-Leistungsrechnung und anderen Aspekten des Controllings ist inzwischen üblich.
Gerade im betriebswirtschaftlichen Bereich haben sich die Museen spürbar professionalisiert. Während in den 1980er Jahren vor allem neue Finanzquellen für die Museumsarbeit gesucht und Sponsoringaktivitäten, Freundeskreise, Gastronomie- und Shopangebote als Optionen erkundet wurden, steht heute vielmehr der strategische Umgang mit Kosten und Erträgen in allen Bereichen der Museumsorganisation im Zentrum. Das Spektrum der möglichen Einnahmen wurde u.a. erweitert durch Veranstaltungen und Vermietungen; aber auch durch Ausstellungskooperationen, den Verleih von Ausstellungen, und - im internationalen Rahmen üblich aber in Europa durchaus umstritten - durch Leihgebühren für Objekte.
Benchmarking und Kennzahlen
Für die Entwicklung Erfolg versprechender Produkte im For-Profit-Sektor ist der brancheninterne Vergleich von Leistungen ein wichtiges Instrument. Machbarkeitsprüfungen und die damit oftmals verbundene Untersuchung von best practice, aber auch der lessons learned in anderen Unternehmen, ist ein übliches Vorgehen. Der Vergleich mit Mitbewerbern war für Museen lange Zeit kein Thema, denn die Einzigartigkeit jedes Hauses aufgrund seiner Sammlung, seiner Geschichte, seiner Lage, seines Publikums und vieler anderer Faktoren ließ einen sinnvollen Vergleich unmöglich erscheinen. Inzwischen sind jedoch gezieltes Benchmarking und das Nutzen von Kennzahlen gebräuchliche Instrumente.
In Großbritannien wurden bereits 1999 Leistungsindikatoren für die Nationalmuseen entwickelt. Kulturminister Chris Smith formulierte das Ziel dieser Maßnahme aus Sicht der Regierung als Hauptfinanzier der Museen: "Quality and excellence demand efficient and effective delivery and high and consistent standards of performance. To achieve this we need an agreed basis against which to measure performance, to define what we are measuring and how we measure it and models of good practise to help deliver measurable improvements."
Für die britischen Nationalmuseen wurden insgesamt über 300 mögliche, aus der Arbeit der Museen abgeleitete Leistungsindikatoren gebildet, die dann auf 22 zentrale Indikatoren konzentriert wurden. Diese - meist quantitativ, aber z. T. auch qualitativ definierten - Indikatoren sind Ausgangspunkte für die Subventionsverträge zwischen Museen und Regierung. Die Auszahlung der Subvention hängt von der Erfüllung der jährlich vereinbarten Leistungen ab.
Ein anderes Beispiel ist das Landesmuseum Joanneum Graz, das mittels einer Benchmarking-Studie der österreichischen Landesmuseen ab 2005 einen Kriterienkatalog und Soll-Kennzahlen entwickelt hat. Basis für die Entwicklung der Kriterien war die "Balanced-Scorecard-Methode" nach Kaplan/Norton.
Grundlage für die Bewertung der Arbeit ist die Evaluation aller für den Erfolg eines Hauses essentiell wichtigen Aktivitäten. Mit dem Museumsmanagement gewannen so auch Besucherforschung und Ausstellungsevaluation an Bedeutung. Wissen über Profil und Interessen der verschiedenen Besucher- bzw. Zielgruppen, ihre Erwartungen und ihre Vorkenntnisse sind wesentliches Managementwissen.
Leitbilder und Kennzahlen rückten Besucher und Nichtbesucher gleichermaßen wieder stärker in das Blickfeld der Museen. In nahezu allen Leitbildern ist die Beziehung des Museums zum Besucher ein Kerngedanke. Dieses Bekenntnis zur Öffentlichkeit führt zurück zum Anfang der Managementdiskussion: Eine der ersten Fragen war, wie mit mehr und professionellerem Marketing mehr Besucher ins Haus geholt werden können. Der Grundgedanke hat sich jedoch verändert - es geht nicht mehr um die Quantität der zahlenden Gäste zur Deckung von Finanzlücken, sondern vielmehr um die Qualität der Vermittlung und die Beziehung zwischen Besucher und Museum.
Markenbildung und strategische Planung
Die bewusste Markenbildung von Museen, das Branding, hat sich in den vergangenen Jahren gerade für große Häuser zu einer wichtigen Managementstrategie entwickelt.
Gerade große, international agierende Museen wie die Tate Gallery (London) nutzen das Markenmanagement als übergeordnete Strategie. Alle internen Strukturen und Prozesse sind auf den stimmigen Markenauftritt ausgerichtet, den der Besucher dann in allen Aktivitäten des Hauses wahrnimmt. Die Marke beschreibt eine umfassende Unternehmensidentität. Das Logo und das Corporate Design eines Hauses stehen dabei als sichtbares Signet für die Marke. Wirklich entscheidend für den Erfolg der Marke ist jedoch die überzeugt gelebte Umsetzung der Marke in Verhalten und Kommunikation des gesamten Personals. Wie bei der Entwicklung eines Leitbildes ist die Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier ein kritischer Erfolgsfaktor. Ein weiterer ist die Überzeugungskraft der Museumsleitung, die einen solchen Prozess verkörpern und ihn aktiv vorantreiben muss. Ein Museum als Marke bekennt sich zu einer Kernaussage, zu einer big idea, die seine Identität, seine Relevanz und sein Versprechen gegenüber der Gesellschaft klar kommuniziert.
Markenführung ist ebenso wie die Arbeit mit Kennzahlen und Leistungsvergleichen in den größeren Zusammenhang einer strategischen Planung eingebunden. Diese fasst alle Teilbereiche des Managements in einem handlungsorientierten Ansatz zusammen, der aus der Zielsetzung bzw. dem Leitbild abgeleitet ist. Sie definiert nicht nur wirtschaftliche Ziele, sondern auch das langfristige, qualitative Niveau der Sammlungs-, Ausstellungs- und Programmentwicklung.
Strategische Planung konfrontiert Museen angesichts immer noch begrenzter finanzieller Mittel mit der Aufgabe, Prioritäten zu setzen. Die Museumsdefinition des Internationalen Museumsrates ICOM nennt Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln und Ausstellen als die fünf Grundaufgaben des Museums.
Im Strategic Plan des Victoria & Albert Museums für die Jahre 2005 bis 2010 lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie die grundlegenden strategischen Ziele des Museums in operative Arbeitsschritte übersetzt werden und so einerseits auf die Tätigkeit jedes Mitarbeiters bezogen werden können und wie sie andererseits die mit der Regierung vereinbarten Performance Indicators umsetzen.
Die strategische Ausrichtung von Museen ist abhängig von Sammlung, Lage, inhaltlichen Schwerpunkten und politischer Einbindung. Immer stärker und bewusster verorten sie ihre Entwicklung dabei in größeren gesellschaftlichen Zusammenhängen. Hier ist an erster Stelle der Kulturtourismus zu nennen, mit dem Guggenheim Museum in Bilbao als ein herausragendes Beispiel, das gleichzeitig für Museumsentwicklung und Stadtentwicklung steht. Während Kunstmuseen gerade im Tourismus anknüpfen können, verorten sich historische Museen und Stadtmuseen häufig in der Diskussion gesellschaftlicher Differenz bzw. Kohäsion und der Entwicklung von Communities.
Ausblick
Unabhängig von der jeweiligen strategischen Ausrichtung verbindet die heutigen Museen das Thema Qualität und Qualitätsmanagement. Ausgehend von der Diskussion um allgemeine Standards wurde es in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern aber erst relativ spät aufgegriffen. Obwohl in nahezu allen benachbarten europäischen Ländern Museumsstandards und Registrierungen -auch als Grundlage öffentlicher Förderung - bereits eingeführt waren, kam das Thema hierzulande erst 1999 durch eine wegweisende Tagung im Deutschen Bergbaumuseum Bochum auf die Tagesordnung.
Standards wie auch Performance Indicators müssen im größeren Zusammenhang eines Qualitätsmanagementsystems betrachtet werden. Für Museen bietet sich hier beispielsweise das "Excellence-Modell" der European Foundation for Quality Management an (EFQM-Modell),
Das Modell ist für Museen deshalb relevant, weil Mitarbeiter, Nutzer, Gesellschaft und Umwelt gleichermaßen einbezogen und sowohl Prozesse als auch Produkte geprüft werden. Qualitätsziele werden nicht vorgegeben, durch das Instrument der Selbstbewertung ist das Modell zudem flexibel und anpassungsfähig. Für Non-Profit-Organisationen wie Museen, die einen ideellen Mehrwert für die Gesellschaft erbringen wollen, ist darüber hinaus die Philosophie des Modells entscheidend, die einen kontinuierlichen Verbesserungsprozesses und eine lernende Organisation im Blick hat. Auch Museen müssen gesellschaftliche Veränderungen im Blick haben und darauf reagieren, wenn sie für ihr Publikum relevant bleiben möchten.
Die seit rund 15 Jahren in der Museumsbranche währende Diskussion um Managementinstrumente und -strategien hat zu einer deutlichen Professionalisierung der Museumslandschaft insgesamt geführt, da nicht nur die Wirtschaftlichkeit von Museen auf den Prüfstand gestellt wurde, sondern vielmehr die gesamte Institution, ihre Ziele und ihr gesellschaftlicher Mehrwert. Museumsmanagement ist heute ein selbstverständlicher Aspekt der Museumsarbeit und zeugt von einem Bewusstsein für die Verantwortung der Museen gegenüber der Gesellschaft.