Einleitung
Das Jahr 1977 ist, was uns nach dreißig Jahren soeben wieder durch die Medien ins Bewusstsein (zurück)gebracht wird, als das Jahr der RAF in die Geschichte eingegangen. Der Terrorismus erlebte seinen Höhepunkt mit den Ermordungen von Siegfried Buback (April '77) sowie Jürgen Ponto und Hanns-Martin Schleyer (Oktober '77). Nicht im Herbst sondern im Frühjahr jenen Jahres wurde nur ein paar Kilometer von Stammheim entfernt im Alten Schloss in Stuttgart die Ausstellung über die Staufer eröffnet, in deren Kuratorium als hochrangiger Vertreter der Wirtschaft auch der Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer gesessen hatte. Diese Ausstellung hatte einen so durchschlagenden Erfolg, dass 1977 auch als "Stauferjahr" in die Geschichte eingegangen ist. Diese Ausstellung wird heute gemeinhin als ein Durchbruch in der Geschichte des deutschen Geschichtsinteresses gewertet.
Es war aber nicht nur die nie wieder erreichte Zahl von über 671 000 Besuchern, die die Bedeutung dieser Ausstellung ausmachte, sondern der nachhaltige Impuls, der von ihr ausging und die deutsche Museumslandschaft langfristig veränderte. Der große Erfolg der Stuttgarter Staufer-Ausstellung stieß Nachahmungen an; andere Landeshauptstädte kopierten das attraktive Modell und stockten dafür ihren Kulturetat auf: in München waren 1980 die Wittelsbacher zu sehen, 1981 folgte in Berlin eine große Preußen-Ausstellung. Doch das war erst der Anfang der Langzeitfolgen. Vom Erfolg der Preußen-Ausstellung inspiriert, regte Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung 1982 in Bonn den Bau eines Museums zur Geschichte der Bundesrepublik und der geteilten Nation an; fünf Jahre später schenkte die Bundesregierung der Stadt Berlin zum 750. Geburtstag ein Historisches Museum, das die Geschichte der Deutschen in Europa dokumentieren sollte. Mit diesen beiden historischen Museen, dem Haus der Geschichte (HdG) in Bonn und dem Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin, stellte der studierte Historiker Kohl noch vor der Wiedervereinigung langfristige geschichtspolitische Weichen, indem er das Thema Geschichte von der Kulturpolitik der Länderebene auf die Bundesebene hob.
Die Wiederkehr der Geschichte im Museum
Die Staufer-Ausstellung markiert eine Wende des deutschen Geschichtsinteresses, die weit über sie hinausging. Diese Wende lässt sich besonders eindrücklich an der Eröffnung neuer Museen ablesen. In Baden-Württemberg, dem Bundesland mit der stärksten Museumsdichte (920) verdoppelte sich die Zahl der Museen seit 1975.
Mit dem Hinweis auf die politische Nutzung des historischen Themas ist aber die Breitenwirkung der Ausstellung noch keineswegs erklärt. Die überwältigend positive öffentliche Resonanz hatte etwas mit einem Nachholbedarf zu tun. Imperiale Themen und markante Herrscherpersönlichkeiten standen in den 1970er Jahren nicht gerade auf der öffentlichen Agenda. An den Universitäten herrschte die unanschauliche Sozial- und Strukturgeschichte zusammen mit unterschiedlichen Varianten der Mikrogeschichte: neben der Frauengeschichte standen die "oral history" und die Alltagsgeschichte hoch im Kurs. Außerdem herrschten Foucault und das marxistische Paradigma. Nichts davon ließ sich in einer glanzvollen Erzählung darstellen oder bot der kollektiven Imagination Stoff für die Produktion innerer und äußerer Bilder. In Frontstellung zum universitären Paradigma präsentierte diese Ausstellung Geschichte so, wie die Masse der Besucher sie sich wünschte: monumental, imperial, glanzvoll, plakativ und vor allem: möglichst weit entfernt von ihrer Gegenwart. Die Befriedigung dieses Geschichtsbedürfnisses der Besucher wurde mit geradezu physischer Genugtuung erlebt. Jemand schrieb ins Besucherbuch: "es war, wie wenn man nach langem Hunger endlich satt wird."
Wir können den Erfolg der Staufer-Ausstellung und der nachfolgenden großen historischen Ausstellungen folglich nicht verstehen, ohne auf eine bestimmte Form von Geschichtsapathie einzugehen, die in den 1970er Jahren ihren Höhepunkt erreichte. "Wir sind in Gefahr, ein geschichtsloses Land zu werden", hatte Bundespräsident Walter Scheel anlässlich der Eröffnung des Historikertags im Jahre 1976 gewarnt.
Es ist signifikant, dass in Westdeutschland die erfolgreichsten historischen Ausstellungen mittelalterlichen Themen gewidmet waren. Während das Zweite und das Dritte Reich in der musealen Thematisierung ausgespart blieben, erfreute sich das erste Reich umso größerer Beliebtheit. In den Festreden zur Einleitung der Ausstellung wurden wiederholt der Mensch als geschichtliches Wesen und die dringende Notwendigkeit von Geschichtsbewusstsein beschworen. Dieses konzentrierte sich jedoch auf Nietzsches Variante des monumentalischen Gebrauchs von Geschichte. Die Aneignung von destruktiven und negativen Aspekten der Nationalgeschichte stand nicht zur Debatte. In einem Buch über große historische Ausstellungen in der Bundesrepublik Deutschland von 1960 bis 2000 zog Martin Große Burlage die Bilanz, dass dem Mittelalter vor anderen Epochen und dynastisch herrschaftlichen vor sozialgeschichtlichen Themen der Vorzug gegeben wurde. Er schrieb: "Die Berücksichtigung problemorientierter und zeitgeschichtlich aufarbeitender Themen jedenfalls blieb im Zeitraum von 1960 - 2000 die Ausnahme"; und er fügte hinzu, dass "die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte vorwiegend regionalen Archivausstellungen und Wanderausstellungen sowie Dauerausstellungen in speziellen Gedenkstätten und Dokumentationszentren vorbehalten" blieb.
Die große historische Wanderausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht", die nach einer ersten Runde aufgrund einiger falscher Bildunterschriften zurückgezogen wurde und in neuer Konzeption wieder auf Tour ging, ist aufgrund ihrer Thematisierung eines Tabuthemas sicherlich die nicht nur von ihren Besucherzahlen, sondern auch von ihrer Wirkung her sichtbarste und einschneidendste historische Ausstellung der 1990er Jahre gewesen, die in direkter Weise sowohl die individuelle wie die nationale Ebene der Erinnerung ansprach.
Von der regionalen zur europäischen Geschichte
Machen wir von den 1970er Jahren einen Sprung in die Gegenwart. Im Jahre 2006 wurde - 200 Jahre nach dem Ende des ersten Reiches - dessen über achthundertjährige Geschichte in zwei großen historischen Ausstellungen kommemoriert. Die Ausstellung "Heiliges Römisches Reich deutscher Nation 962 - 1806" wurde in Magdeburg und Berlin gezeigt.
Dass der alte Reichsmythos aber unterschwellig noch rumort, bezeugt ein Leserbrief, der in der FAZ vom 18. September 2006 abgedruckt wurde. Der Schreiber wollte wissen, warum "in den umfangreichen Ausstellungen in Magdeburg und Berlin die wichtigsten Stücke der deutschen Reichsgeschichte, nämlich die eigentlichen deutschen Reichskleinodien: die Kaiserkrone Konrads II., das Zepter, der Reichsapfel, das Mauritiusschwert" fehlen? Er rekonstruiert die "translatio" der Insignien - 1796 von Nürnberg nach Wien, wo sie vor Napoleon geschützt werden sollten, sodann 1938 von Wien nach Nürnberg durch Hitler, und 1945 durch Verfügung von Dwight D. Eisenhower von Nürnberg zurück nach Wien - und fügt hinzu: "Meines Erachtens hat das Haus Habsburg auch geschichtlich-moralisch nicht verdient, die deutschen Reichskleinodien quasi als letzter Besitzer einer Wandertrophäe' zu behalten. Denn der Kronschatz eines Volkes mag vorübergehender Besitz' eines Herrscherhauses sein, er bleibt jedoch Eigentum' der Nation. Die Nation heißt aber, zumal heute, Deutschland, nicht Österreich. (...) Das Reich Karls V., in dem die Sonne nicht unterging', ist zusammengeschrumpft zu einer Alpenrepublik. (...) Es wäre wichtig für Deutschland, dass es gerade die Reichskleinodien, Symbole einer uralten, traditionsreichen und ehrenvollen Vergangenheit, im eigenen Lande aufbewahren dürfte."
Für diesen Besucher der Ausstellung sind die Objekte, die nicht gezeigt wurden, die wichtigsten. Man kann dem Briefschreiber in seinem Wunsch, die Reichskleinodien auf der historischen Ausstellung zu sehen, nur zustimmen. Diese Leerstelle hätte zumindest einer Erklärung bedurft. Sein Wunsch geht aber weit darüber hinaus: er fordert auch deren Rückgabe von Österreich nach Deutschland im Rahmen eines symbolpolitischen Transfers. Dass die Objekte für die Ausstellung nicht verfügbar waren, zeigt, dass wir es hier offensichtlich mit Reliquien von transhistorischem Wert zu tun haben. Mit dem Nichtausstellen der Reichskleinodien hat die neue Ausstellung eine Leerstelle geschaffen, in die der alte Reichsmythos noch einmal hineinprojiziert werden konnte: "Die Nation heißt aber, zumal heute, Deutschland, nicht Österreich." Der Leserbriefschreiber hat die Ausstellung ganz offensichtlich nicht in einem europäischen, sondern in einem nationalen Rahmen wahrgenommen; er hatte sich erhofft, dass sie das Band der Deutschen zu "ihrem Reich" wieder anknüpfen würde.
Nationale Geschichte im europäischen Rahmen
Das Thema der Nation stand gleichzeitig auf der Agenda einer anderen Ausstellung, die in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Reichs-Ausstellung gezeigt wurde. Wer im September 2006 aus der Berliner Reichs-Ausstellung im Zeughaus unter den Linden heraustrat, brauchte nur die Straße zu überqueren, um sich gegenüber die Ausstellung "Erzwungene Wege" im Kronprinzenpalais anzusehen, die von der Stiftung für ein "Zentrum gegen Vertreibung" organisiert worden war. Auf beiden Straßenseiten standen sich in Berlin zwei historische Ausstellungen gegenüber, die gegensätzlicher nicht hätten sein könnten. In der einen verdichtete sich zeitlich ferne Geschichte in einer Ansammlung von Herrscher-Porträts und deren höfischer Prachtentfaltung, in der anderen war der Fokus auf anonyme Bevölkerungsmassen gerichtet, deren gegenwartsnahe Lebensgeschichten die traumatischen Folgen der totalitären und gewaltsamen Politik des 20. Jahrhunderts dokumentierten.
Die Ausstellung "Erzwungene Wege" war nicht die erste Ausstellung über Vertreibung in Berlin. Vor der Reichs-Ausstellung hatten die Räume des Deutschen Historischen Museums bereits eine andere Ausstellung mit dem Titel "Flucht, Vertreibung, Integration" aus dem Haus der Geschichte in Bonn beherbergt, die anschließend in Leipzig gezeigt wurde. Die Bonner Ausstellung gehörte sowohl laut Pressespiegel wie nach Statistik der Besucherzahlen zu den erfolgreichsten Projekten des Hauses der Geschichte.
Anders als beim Holocaust, wo die Rollen von Tätern und Opfern grundsätzlich festgelegt sind, finden sich die Deutschen beim Thema Vertreibung sowohl auf der Seite der Täter wie der Opfer wieder. Die Ausstellung ist Symptom einer Verlagerung der Perspektive und Erweiterung der Geschichtsdeutung, indem sie Ereignisse und Erfahrungen thematisiert, die während der letzten beiden Jahrzehnte vom offiziellen Geschichtsdiskurs bzw. öffentlichen Geschichtsdebatten nicht berücksichtigt oder marginalisiert wurden. Diese Wende der Perspektive war seit Ende der 1990er Jahre schrittweise vorbereitet worden; mit der Bonner Ausstellung über "Flucht, Vertreibung, Integration" erhielt sie nur ihren bislang wichtigsten Akzent.
Gehen wir nun noch einmal über die Straße vom Zeughaus zum Kronprinzenpalais und werfen einen Blick auf die zweite Vertreibungsausstellung "Erzwungene Wege" (10. August bis 29. Oktober 2006). Die Ausstellung wurde ausgerichtet vom "Zentrum gegen Vertreibung", einer Initiative des Bundes der Vertriebenen, dem Erika Steinbach (MdB, CDU) vorsteht. Ziel dieses Zentrums ist es, "Ort der Mahnung zu sein, Vertreibung weltweit zu ächten". "Es trifft sich gut", sagte Joachim Gauck bei der Eröffnung der Ausstellung, "dass das interessierte Publikum hier in der Mitte Berlins zwei Ausstellungen zum Thema Vertreibung sehen kann."
Beide Projekte hatten mehr im Sinn als nur eine Ausstellung unter anderen zu sein. Beide zielten auf eine Dauerpräsentation des Themas in Berlin ab. Das machte auch der Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) bei der Eröffnung der Bonner Ausstellung in Berlin deutlich, als er in Aussicht stellte, diese zum "Herzstück einer künftigen Dauerausstellung" in der Hauptstadt und damit zu dem geschichtspolitisch "sichtbaren Zeichen" zu machen, von dem seit Monaten unter Politikern und in Mediendebatten die Rede war.
Obwohl beide Ausstellungen den Anteil deutscher Schuld am Vertreibungsgeschehen klar dokumentieren, waren sie in ihrem Arrangement doch sehr unterschiedlich. Die Bonner Ausstellung ging von 60 bis 80 Millionen Vertriebenen aus und arbeitete den längeren historischen Zusammenhang von der Vorgeschichte bis zur West-Integration der Flüchtlinge heraus; die Ausstellung des Zentrums geht von 80 bis 100 Millionen Vertriebenen aus. Sie wählte ebenfalls eine europäische Perspektive, präsentierte allerdings unkommentiert und auf rein parataktische Weise sehr unterschiedliche Ereignisse deutscher Geschichte wie brutale Formen von "Kolonisierung" in Polen, die Vernichtung ethnischer Gruppen und der Juden, die Umsiedlung von Volksdeutschen und "wilde Vertreibungen" nach 1945. Die Irritation an der Sonderinitiative von Frau Steinbach konzentriert sich auf die Sorge, dass es ihr unterhalb der vergleichenden europäischen Sicht um eine nationale Perspektive geht, welche die Koordinaten der deutschen Geschichtspolitik verschiebt.
Die aktuelle Frage lautet im Klartext: Soll der Zivilisationsbruch des Holocaust durch die Vertreibungen als Signatur des 20. Jahrhunderts verdrängt werden? Wie werden diese Ereignisse im historischen Gedächtnis zueinander in Beziehung gesetzt? Die Spannung, die hinter den rivalisierenden Ausstellungsprojekten steht, hängt mit dieser Auseinandersetzung um Gewichtsverlagerung oder Neuorganisation des Geschichtsbewusstseins zusammen. Geht es um eine Ergänzung oder um eine Revision des Geschichtsbildes? Auf diese Frage hat Joachim Gauck in seiner Eröffnungsrede zur Ausstellung des Zentrums mit klaren Worten geantwortet: "Nachdem zur deutschen Identität das Bewusstsein eigener Jahrhundertschuld gehört, ist die Nation heute nicht mehr in Gefahr, nationalistisch zu werden, wenn sie ihrer eigenen Opfer gedenkt."
Die Magie der Dinge
Museen bringen eine Lebenswirklichkeit, die seit längerem oder erst kürzlich vergangen ist, für die Dauer einer Ausstellung noch einmal zur Anschauung und sinnlichen Präsenz. In den Museen werden deshalb möglichst keine Rekonstruktionen oder Kopien, sondern Originale gezeigt, die historische Substanz verkörpern und als Erinnerungsträger eine besondere Aura entfalten. Handgreiflich sinnliche Objekte mit Spuren ihres Alters sind Bürgen einer anderen Zeit und eines anderen Raums. Roland Barthes hat sie einmal ironisch "unseren säkularen Reliquien-Schrein" genannt. Diese Reliquien haben "alle Spuren einer geheiligten Bedeutung abgestreift, außer der einen, dass sie unablösbar sind von etwas, das einst existiert hat und nicht mehr existiert, und sich nun als ein gegenwärtiges Zeichen einer toten Sache darstellt. Darum ist die Profanierung dieser Reliquien gleichbedeutend mit der Zerstörung von Realität."
Die Erinnerung bedarf, wie Hannah Arendt einmal geschrieben hat, "der Handgreiflichkeit des Dinghaften". Ohne "Verdinglichung, die aus der Erinnerung selbst entspringt", würde sie spurlos verschwinden.
Krzysztof Pomian verdanken wir eine semiotische Museumstheorie, die vom Museum als einem symbolischen Raum ausgeht, in dem alle Objekte automatisch zu Zeichenträgern (Semiophoren) für eine anderweitig entzogene Vergangenheit werden.
Die Exponate der "Erzwungenen Wege" gewannen ihre Bedeutung jedoch nicht nur im semiotischen Rahmen des Ausstellungsdesigns, sondern auch in einem weiteren politischen Kontext außerhalb des Museums. Diese politische Bedeutung überlagerte z. T. die historische Bedeutung der Objekte und machte sie zu symbolischen Trophäen in einem Konflikt, der sich offen manifestierte, als Leihgaben unter politischem Druck von ihren Spendern vorzeitig zurückverlangt wurden. Dazu gehörte z.B. die Fahne, die eine Gruppe von ehemals nach Sibirien deportierten Polen der Zentrums-Ausstellung zur Verfügung gestellt hatte. Auch die symbolträchtige Schiffs-Glocke der "Gustloff" wurde zurückgefordert. Dazu schrieb die FAZ am 18. August 2006: "Nachdem schon am Samstag das Warschauer Museum für Stadtgeschichte zwei Ausstellungsstücke wieder abgeholt hat, wandte sich jetzt auch die polnische Seerettung an die Veranstalter mit der Forderung, die Glocke des im Krieg versenkten Flüchtlingsschiffes Wilhelm Gustloff' vorzeitig zurückzugeben. (...) Der zuständige Mitarbeiter der Seerettung sagte, im Vertrag sei zwar eine ZGV Trägergesellschaft' erwähnt gewesen, aber als Pole habe er die Verbindung dieser drei Buchstaben' [=Zentrum gegen Vertreibung] zu Frau Steinbach nicht herstellen können" (die derzeit aufgrund einer innereuropäischen Beziehungskrise in politischen Kreisen Polens als persona non grata gilt). Diese Ausstellungsobjekte sind offensichtlich nicht nur Überreste mit einem historischen Zeugnis- oder Anmutungswert, sondern besitzen obendrein politische Sprengkraft in einem europäischen Grenzkonflikt.
Der Rahmen, der die Gegenstände der Ausstellung symbolisch auflädt, beschränkt sich also nicht nur auf den klar abgesteckten Raum des Museums, sondern kann weit drüber hinausreichen in die Sphäre politischen Handelns. In diesem Punkt haben die Herrschaftsinsignien, die ein Besucher der Reichs-Ausstellung unter den Exponaten vermisste, eine gewisse Ähnlichkeit mit der Schiffsglocke der "Wilhelm Gustloff"; beide transzendieren den semiotischen Rahmen der Ausstellung und erweisen sich als Teile einer übergreifenden Symbolpolitik. Am Beispiel der vorgestellten historischen Ausstellungen wird deutlich, wie sich der Rahmen für diese Symbolpolitik seit den 1970er Jahren verschoben hat von einer regionalen auf eine europäische Ebene. Die nationale Ebene wird dabei nicht übersprungen; sie ist heute aber nur noch in einem transnationalenRahmen adressierbar und erscheint dabei in vorwiegend zwei Narrativen: alsTäter- und als Opfergeschichte. Der europäische Rahmen, der ein neues Bewusstsein gemeinsamer Geschichte stützt, beschwört dabei auch neue Konflikte herauf.