Wenn man etwas über die Rolle der Klimawissenschaften in der Klimadebatte sagen will, sind zunächst einige begriffliche Klärungen vorzunehmen. Es sollen drei Dimensionen der Wissenschaft unterschieden werden: erstens Wissenschaft als Corpus des gesammelten Fachwissens, zweitens Wissenschaft als Kollektivunternehmen, verkörpert durch Institutionen und Organisationen, sowie drittens Wissenschaft als durch Wissenschaftler verkörperte Lehrmeinung.
Stand des Wissens
Im öffentlichen Diskurs werden die wissenschaftlichen Aspekte des Klimawandels häufig als geklärt angesehen, und es wird von einem Konsens unter den Klimawissenschaftlern gesprochen.
Zugleich werden in der öffentlichen Debatte oft alle Auswirkungen zusammengenommen und unter Berufung auf "die" Wissenschaft behauptet, der Klimawandel bedeute die Klimakatastrophe.
Tatsächlich gibt es nach wie vor große wissenschaftliche Unsicherheiten. Dies gilt vor allem in Bezug auf die Klimasensitivität, eine Messgröße der durchschnittlichen Temperaturerhöhung infolge einer Verdopplung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Dieser Wert wird seit 1979 in einer Bandbreite von 1,5 bis 4,5 Grad Celsius angegeben.
Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema Klimawandel haben in jüngster Zeit zugenommen, der Umfang der IPCC-Berichte ebenfalls.
Die USA waren mit Blick auf die Genese der modernen Klimaforschung und ihren Bezug zur Politik Vorreiter.
Dennoch wurde die politische Brisanz des Themas immer wieder angesprochen. Außergewöhnliche Wetterereignisse wie der Hitzesommer in der Sowjetunion oder der Kälteeinbruch in den USA Anfang der 1970er Jahre spielten dabei eine wichtige Rolle. Der damalige US-Außenminister Henry Kissinger forderte eine bessere internationale Forschung zu Klimadesastern und deutete an, dass die USA bereit seien, hier voranzugehen. Mit etwas "Hilfe von Mutter Natur" erreichte die Klimaforschung also die Aufmerksamkeit führender US-Politiker. Dieses Muster hat sich in den folgenden Jahrzehnten wiederholt, vor allem durch das Anführen von Wetteranomalien als Beleg für den Klimawandel und die Dringlichkeit zu handeln.
Wissenschaftler als Akteure
Die Rolle von Wissenschaftlern in der Klimadebatte ist seither immer wieder thematisiert worden. Je nach Fokus wurden beispielsweise Überzeugungen, Annahmen und Kommunikationsstrategien von Klimawissenschaftlern untersucht,
Dabei wird häufig eine Variante des engagierten Wissenschaftlers übersehen, der behauptet, ausschließlich wissenschaftliche Fakten darzustellen, aber versteckt parteilich handelt. Dies ermöglicht es, unter Berufung auf die Autorität und Objektivität der Wissenschaft gleichzeitig über den Dingen zu stehen, aber auch bestimmte politische Optionen zu befördern. Hier operieren Wissenschaftler in einer Grauzone, in der die Grenze zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft beziehungsweise in diesem Fall Politik unscharf wird. Der Begriff dafür lautet boundary work.
Im 1988 gegründeten Weltklimarat wird diese Praxis institutionalisiert, daher wird das IPCC auch als boundary organization bezeichnet.
Wetter, Klima, Drama
Ein weiteres Beispiel für boundary work ist die öffentliche Dramatisierung bestimmter Entwicklungen und Risiken. Der Klimawissenschaftler, der das Thema als erster medienwirksam kommunizierte, ist James Hansen, der für seine Anhörung als Experte im US-Kongress im Juni 1988 berühmt wurde. Er machte die legendäre Aussage, dass er "zu 99 Prozent" sicher sei, dass die globale Erwärmung real existiere: "Meiner Meinung nach ist der Treibhauseffekt nachgewiesen, und er verändert das Klima jetzt." Er wurde noch deutlicher, als er einem Reporter der "New York Times" sagte: "Es ist jetzt an der Zeit, aufzuhören, um den heißen Brei herumzureden, und stattdessen festzustellen, dass die Beweislage mehr als eindeutig ist und der Treibhauseffekt bereits da ist."
Patrick Michaels, Professor für Ökologie an der University of Virginia und Fellow am Cato-Institut, stellte den Zusammenhang infrage und bezeichnete Hansen als einzigen Wissenschaftler, der eine Kausalität zwischen den gegenwärtigen Temperaturen und menschlich bedingten Veränderungen in der Atmosphäre postuliere.
Klimawissenschaftler sind heute in den Medien allgemein sehr präsent, und auch in Deutschland sind ihre Äußerungen von einem gewissen Hang zur Dramatisierung geprägt. Am häufigsten werden in deutschen Medien der mittlerweile pensionierte Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, und der Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am PIK, Stefan Rahmstorf, zitiert.
Schellnhuber sagte über den Hitzesommer 2018: "Unsere Forschungen haben gezeigt, dass ein solches Ereignis durch den Klimawandel um einiges wahrscheinlicher geworden ist. Dieses Beispiel zeigt: Die Art, wie der Klimawandel sich vollzieht, ist für jede Menge Überraschungen gut. Ich bin selbst bestürzt, dass sich mit dem einen Grad Erwärmung bereits so durchgreifende Veränderungen manifestieren." Auf den Hinweis, dass man ihm Alarmismus vorwerfe, und die Nachfrage, ob er besonders dick auftrage, antwortete er: "Ich bin Physiker und achte professionell auf präzisen Umgang mit den Fakten. In der öffentlichen Kommunikation verwende ich natürlich auch Symbole und Metaphern, um mich den Menschen verständlich zu machen – aber ich wähle diese Hilfsmittel sorgfältig. Überhaupt: Was ist ein Alarmist? Jemand, der aus einem brennenden Haus auf die Straße läuft und ‚Feuer‘ schreit?"
Wissenschaftlich gesehen sind Kausalnachweise einzelner Wetterphänomene als Resultat des anthropogenen Klimawandels schwierig – deshalb die Formulierung, dass der Klimawandel solche Ereignisse wahrscheinlicher macht. Dennoch wird behauptet, dass der heiße Sommer überraschend war und zu Bestürzung geführt hat, ja dass das Haus schon brennt. Der Zusammenhang zwischen Hitzesommer und Klimawandel, oder präziser, dass der Hitzesommer ein Beleg für den Klimawandel sei, ist ein Stück öffentlicher Rhetorik, die nicht von wissenschaftlichen Studien gedeckt ist. Die Zuversicht, mit der beides verknüpft wird, kann die Argumentation aber auch schwächen. Ein besonders kalter Winter wird – meist auf der anderen Seite des Atlantiks – gern von klimaskeptischen Akteuren als Argument gegen die Erderwärmung vorgebracht, worauf sich viele Wissenschaftler mit dem Satz melden, Wetter sei mit Klima nicht gleichzusetzen. Es stellt sich die Frage, welche Funktion die rhetorische Übertreibung im deutschen Kontext haben soll.
Stefan Rahmstorf erinnerte seinerseits daran, dass bei der Hitzewelle 2003 allein in Europa über 70.000 Menschen gestorben seien. "Stellen Sie sich mal vor, Terroristen würden in Europa 70.000 Menschen umbringen – wir wären bereit, den Rechtsstaat aufzugeben, nur um dagegen anzukämpfen! Bei einer extremen Hitzewelle aber zucken die Leute mit den Schultern."
Sozialwissenschaftler erklären das Phänomen des Übertreibens in der Klimadebatte mit der Prädisposition der Wissenschaftler, gegenüber Massenmedien "korrigierend einzugreifen".
In der Vorstellung, dass die Öffentlichkeit überzeugt werden muss, damit die Politik auf die richtige Linie einschwenkt,
Ausblick
Politiker benutzen viele verschiedene Arten von Information als Grundlage für ihre Entscheidungen, nicht nur wissenschaftliche. Die von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen müssen potenzielle Wähler ansprechen. Daraus folgt, dass eine Klientel, die auf ambitionierte Klimapolitik drängt, die wichtigste Komponente der Entscheidungsfindung sein kann, egal ob die Wissenschaft von sich meint, sie hätte gesicherte Erkenntnisse oder nicht. In diesem Sinne hat die Präsenz der Grünen in der deutschen Politik vermutlich mehr erreicht als die Klimawissenschaft. Deren Einzug ins Parlament 1983 signalisierte den etablierten Parteien, dass Umweltpolitik zum Mainstream wird.
Doch es gibt auch andere Klientelen, zum Beispiel wirtschaftliche Interessengruppen oder Wähler, die durch Klimapolitik verursachte höhere Kosten ablehnen.
Aufgrund der globalen Dimension des Problems sind internationale Abkommen erforderlich. Die Geschichte der internationalen Klimapolitik zeigt eine unterschiedliche Bereitschaft von Staaten zu effektiver Klimapolitik. Es ist im Interesse jedes Landes, Treibhausgasemissionen global zu begrenzen und gleichzeitig die Kosten dafür so weit wie möglich auf andere abzuwälzen.